Spitta, Carl Johann Philipp - Bitte, was ich dir geben soll.
Der Herr erschien Salomo zu Gideon im Traume des Nachts, und sprach: „Bitte, was ich dir geben soll.“ Salomo sprach: „Du hast an meinem Vater David, deinem Knecht, große Barmherzigkeit gethan, und hast ihm diese große Barmherzigkeit erhalten, und ihm einen Sohn gegeben, der auf seinem Stuhl säße, wie es denn jetzt gehet. Nun, Herr, mein Gott, du hast deinen Knecht zum König gemacht, an meines Vaters Davids Statt. So bin ich ein kleiner Knabe, weiß nicht weder meinen Ausgang noch Eingang. Und dein Recht ist unter dem Volk, das du erwählet hast, so groß, daß es niemand zählen noch beschreiben kann, vor der Menge. So wollest du deinem Knechte geben ein gehorsames Herz, daß er dein Volk richten möge, und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dieß dein mächtiges Volk zu richten?“ Das gefiel dem Herrn wohl, daß Salomo um ein solches bat. Und Gott sprach zu ihm: „Weil du solches bittest, und bittest nicht um langes Leben, noch um Reichthum, noch um deiner Feinde Seele, sondern um Verstand, Gericht zu hören, siehe, so habe ich gethan nach deinen Worten. Siehe, ich habe dir ein weises und verständiges Herz gegeben, daß deines gleichen vor dir nicht gewesen ist, und nach dir nicht aufkommen wird. Dazu, das du nicht gebeten hast, habe ich dir auch gegeben, nemlich Reichthum und Ehre, daß deines gleichen keiner unter den Königen ist zu deinen Zeiten. Und so du wirst in meinen Wegen wandeln, daß du hältst meine Sitten und Gebote, wie dein Vater David gewandelt hat, so will ich dir geben ein langes Leben.“ 1 Kön. 3, 5-14. - Siehe da in dieser Geschichte deinen großmütigen Herrn. Er öffnet dir die Schätze seiner Gnade und spricht zu dir: „Bitte, was ich dir geben soll.“ Fragst du: „Auch zu mir sagt er solches?“ Ja freilich. Der Herr ist dir ja nicht bloß im Traume, wie dem Salomo, sondern wirklich erschienen und hat gesprochen: „So ihr in mir bleibet, und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.“ Joh. 15, 7. Lerne aber an dem Salomo den rechten Gebrauch von solchem göttlichen Anerbieten machen. Er bittet um Gaben zur Ausrichtung seines hohen Berufs, unter demüthigem Bekenntniß seines natürlichen Unvermögens. Sagst du: „Wie sollte ich darum bitten, da mir solch ein hoher Beruf nicht geworden ist?“ - Ein noch höherer! Du bist berufen zu Gottes Reich und zu seiner Herrlichkeit, bist gesalbet mit dem heiligen Geiste und sollst die Krone des Lebens empfangen. Ob du deines hohen und heiligen, aber auch schweren, göttliche Hülfe und Beistand erfordernden Christenberufs recht inne geworden bist, und weißt, was es heiße „würdiglich diesem Berufe zu wandeln“ das muß sich zeigen an dem, was du dir vor allem, mit ganzem Anliegen deiner Seele von Gott erbittest. - Siehe aber auch weiter an dieser Geschichte, was es einbringt, nach dem Willen Gottes um große geistige Gaben zu bitten! Gottes Wohlgefallen an deiner Bitte, Gottes Gewährung deiner Bitte, und seine überschwängliche Gnade, nach welcher er mehr thut, als wir bitten und verstehen. Davon steht geschrieben: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen; nämlich das Zeitliche. Uebersiehe endlich auch nicht, wie Gott noch mehr zu geben verheißt, unter der Bedingung des rechten Gebrauchs seiner Gnade. Darin hat es Salome späterhin versehen. Darin folge ihm nicht, sondern wandle in Gottes Wegen, daß du hältst seine Sitten und Gebote, so wird er dir geben ein langes, ja das ewige Leben.