Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 29. Andacht.
Hosea 13.
Sünde bringt das Verderben, ist die Überschrift dieses Kapitels. Meine Lieben, wenn uns einmal die Sünde und der Gräuel unserer Herzen aufgedeckt ist und wir fahren dennoch in der Sünde fort und beharren darin, so kommen die Gerichte Gottes über uns und wir müssen sterben in unseren Sünden. Vor mehreren Jahren war ein Mädchen bei mir, die schon 20 Jahre den schwarzen Star hatte, und viermal hat der Herr ihr die Gnade geschenkt, dass sie wieder sehend wurde und zwar so, dass sie auf dem gedeckten Teetisch alle Gegenstände erkennen konnte. Nach dem sie aber zum viertenmal ihr Augenlicht wieder verlor, weil sie abermals in die geheime Sünde verfiel, auf die ich sie so angelegentlich aufmerksam machte, und welche sie erkannt und bereut hatte, da war es mir sehr schwer zu Mute, so dass ich sie wieder nach Hause schickte und ihr sagte, dass der Herr nicht mit sich spotten lasse, da Er ein ebenso furchtbarer und gerechter, als ein überaus gnädiger und liebevoller Gott sei; Er lasse das Blut Christi nicht so mit Füßen treten. Jetzt sei ihr aber die Gnadentür noch offen, sie dürfe noch kommen in aufrichtiger Reue und Buße, wenn sie die Sünde lassen und sich dem Herrn ganz übergeben wolle. Ich schrieb noch an ihren Geistlichen und bat ihn, diese Blinde doch öfters zu besuchen und mit ihr über ihre Gebundenheit zu sprechen, die ihr durch die Gnade Jesu offenbar geworden war. Nach vierzehn Tagen traf sie der Schlag, so dass sie nach wenigen Stunden starb, ganz, wie ich es ihr voraus gesagt hatte. Ich kann euch versichern, der Herr lässt seiner nicht spotten. Er ist ein gerechter, furchtbarer Gott. Ach, dass wir das doch recht tief beherzigen wollten! Jetzt steht die Gnadentüre für euch Alle, die ihr hier seid, noch offen. Der Herr hat euch in Seinem Erbarmen hierher geführt, damit ein Jedes in die Stille über seinen Seelenzustand nachdenken und zu einer gründlichen Sündenerkenntnis kommen möchte. Wir sind noch nicht dem Verdammungsgericht des allwissenden Gottes verfallen; die Gerichte, welche jetzt über uns ergehen, sind Gnadengerichte; aber wehe demjenigen, der diese Gnadenzeit nicht benützt, sich nicht durch das Blut Jesu Christi reinigen lässt und in der Sünde beharrt. „Es ist nichts verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind.“ Röm. 8,1. Wenn wir noch in Verdammungssünden beharren und dieselben über uns herrschen können, so sind wir noch nicht in Christo Jesu. Wir können uns nicht selbst von der Sünde reinigen, noch uns gesund machen von den Gebrechen des Leibes, den Folgen der Sünde; unsere guten Vorsätze helfen alle nichts, wenn wir uns dem Herrn nicht mit Allem, was wir sind und haben, übergeben und uns durch Ihn reinigen und heiligen lassen, Er allein kann und will es auch tun. Vom 4. bis 6. Vers heißt es: „Ich bin aber der Herr, dein Gott, aus Ägyptenland her, und du solltest ja keinen anderen Gott kennen, denn mich, und keinen Heiland, ohne allein mich. Ich nahm mich ja dein an in der Wüste, im dürren Land. Aber weil sie geweidet sind, dass sie satt worden sind und genug haben, erhebt sich ihr Herz; darum vergessen sie mein.“ Merkt das wohl, meine Lieben! ich habe in den 17 Jahren, seit ich mich der Seelenpflege und den Kranken widme, schon manche derartige Erfahrungen gemacht und ich kann euch versichern, dass es oft den groben Sündern, die ganz unbußfertig in der Welt gelebt haben, viel leichter wird, völlig durchzudringen, als solchen, die glauben, sie seien schon bekehrt, die alle Kirchen und Versammlungen besuchen und doch noch die Sünde lieben, vor den Menschen fromm scheinen und doch noch Verdammungssünden an sich haben, Zorn, Hass, Stolz, Unreinigkeit und wie sie alle heißen, diese Friedensstörer der Seele, sie gehören alle in die Kategorie der Verdammungssünden, und wenn wir dieselben bis an unser Ende wider besseres Wissen und Gewissen über uns herrschen lassen, uns dabei aber dennoch der Gnade getrösten, so sind wir betrogene Seelen und überliefern uns selbst dem furchtbaren Gericht Gottes, der uns dann nach Vers 8 begegnen will wie ein Bär, dem seine Jungen geraubt sind. Vor etlichen Jahren kam ein achtundzwanzigjähriges Mädchen zu mir, die von der Konfirmation an in Paris im Dienst gewesen, dort weder in die Kirche noch zum heiligen Abendmahl gegangen ist und in einem wahren Taumel der Sünde gelebt hat. Sie war dort hingegangen, um, wie sie sagte, sich 1000 fl. zu ersparen und dann wieder zu kommen; statt dessen kam sie mit Schulden beladen und an Leib und Seele ruiniert zurück. So kam sie zu mir, nicht in der Absicht, zur Erkenntnis ihrer Sünden zu kommen, sondern nur um leiblich gesund zu werden. Ihre ganze Erscheinung, besonders ihr auffallender Haarputz war mir sehr zuwider und ich musste immer den Herrn bitten, Er möge mir doch Liebe für dieses Mädchen ins Herz geben, damit ich auch recht von Herzen für sie beten könne. Zu ihr selbst äußerte ich nichts darüber, ich sagte es nur dem Heiland; aber schon nach drei Tagen kam das Mädchen zu mir auf mein Zimmer und bekannte voll innerer Bewegung, sie halte es in den Andachten nicht länger aus, sie werden ihr zum Fluch, wenn sie ihr Sündenleben nicht offen gestehe. Ich hielt dies nur für eine oberflächliche Regung und noch nicht für die wahre Reue, schickte sie deshalb wieder auf ihr Zimmer und sagte ihr, sie solle sich ihre Sünden nur noch mehr aufdecken lassen, und sich ganz vor dem Herrn demütigen; doch siehe, am nächsten Tage kam sie wieder und zwar schon ohne den Haarputz und bat mich unter lautem Schluchzen, sie doch anhören zu wollen, es lasse ihr gar keine Ruhe mehr; nun ließ ich es geschehen und sie legte ein ganz offenes, gar schauerliches Sündenbekenntnis ab. Der Herr aber, der es den Aufrichtigen gelingen lässt, erbarmte sich auch dieser großen, aber reuigen Sünderin, so dass sie nach drei Wochen an Leib und Seele gesund wieder abreisen konnte und nun eine recht erweckte und begnadigte Christin ist zur Verwunderung ihrer leichtsinnigen Freundinnen, die sie gebeten hatten, doch ja bei mir keine Betschwester zu werden, was sie lachend versprach und wiederholt versicherte, dass sie gewiss nicht hierher gehe, um eine Betschwester, sondern um gesund zu werden. O, meine Lieben, wie überaus gnädig und barmherzig ist doch der treue Heiland! So lange wir noch leben, ist es nie zu spät für uns, wir dürfen immer noch kommen und uns vergeben und begnadigen lassen.
V. 9. „Israel, du bringst dich in Unglück, denn dein Heil steht bei mir.“ Ja, wir bringen uns selbst ins Unglück; die Sünde ist der Leute Verderben; warum wollen wir denn immer noch darin leben? Alle unsere Sünden sind aufgeschrieben, merkt das wohl; es wird keine vergessen, und wenn wir uns nicht zum Herrn bekehren und die Sünde lassen, so wird am jüngsten Gericht jeder einzelnen gedacht werden und wir werden vor Scham und Schande vergehen müssen. Hesekiel K. 18, V. 21-24 heißt es: „Wo sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Rechte und tut recht und wohl, so soll er leben und nicht sterben. Es soll aller seiner Übertretung, so er begangen hat, nicht gedacht werden, sondern er soll leben um der Gerechtigkeit willen, die er tut. Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tod des Gottlosen, spricht der Herr Herr, und nicht vielmehr, dass er sich bekehre von seinem Wesen und lebe?“ O nein, der Herr hat nicht Gefallen am Tod des Gottlosen, Er wird ja nie müde, uns Seine Gnade und Sein Erbarmen anzubieten, wir dürfen nur kommen. „Ich will sie erlösen aus der Hölle;“ sagt Er V. 14. „Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein.“ Unserer Sünden, wenn wir sie demütig und bußfertig erkennen, bereuen und lassen, soll dann in Ewigkeit nicht gedacht werden. Wie groß ist das! Sobald sie ins Gnadenmeer, in den unergründlichen Abgrund des Erbarmens Jesu versenkt sind, sind sie zugleich auch aus dem Gedächtnis Jesu getilgt. Haben wir nicht einen über alle Maßen liebevollen, gütigen und barmherzigen Heiland? Sogar Judas hätte noch Gnade finden können, wenn er sie gesucht, wenn er, als ihn der Herr Jesus anredete: „Juda, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuss?“ in sich gegangen, seine schweren Sünden bereut und zu des Heilandes Füßen um Gnade und Vergebung gefleht hätte. Aber sein Herz blieb verstockt, der Teufel lachte seiner, wie er immer tut, wenn er wieder ein Menschenherz bestrickt hat und sagt: „Da siehe du zu! und dies trieb den Judas zur Verzweiflung. O, dass es uns nicht auch so gehe und wir drüben zu spät rufen müssen:
„O Seel', o Seel', wie hab' ich dich verkürzt,
zum anderen Tod bin ich hinabgestürzt!“
Der Herr gebe, dass wir uns ernstlich bekehren, unsere Sünden aufrichtig bereuen, hassen und lassen, damit Er sich mit Seiner Gnade uns ununterbrochen mitteilen könne und wir gerettet werden wie ein Brand aus dem Feuer ins ewige Leben. Dazu verhelfe uns der barmherzige Herr und Gott in Gnaden. Amen.