Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 81. Die Größe der Himmelskörper.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 81. Die Größe der Himmelskörper.

Als bei gegebener Gelegenheit von der Größe der Sonne, des Mondes und anderer Sterne geredet wurde, sagte einer, es käme ihm fast unglaublich vor, daß, was wie eine kleine feurige Kugel und schimmerndes Licht anzusehen wäre, viele tausend Meilen in seinem Umkreis fassen sollte. Gotthold hörte solches und sprach: Es ist die treffliche Größe der himmlischen Körper von den Himmelskundigen also erwiesen, daß, wenn ihr ihren Bericht und Beweis zu fassen geübt wärt, ihr fernern Zweifel nicht daran haben würdet. Saget mir aber, habt ihr wol ehe bei Nacht ein Feuer gesehen, von den Hirten oder Jägern im Walde, oder den Seefahrenden zum Besten am Ufer des Meeres angezündet? Wie klein kommts euch doch vor, wenn ihrs aus der Ferne erblickt, daß ihr schwören solltet, es wäre ein kleines Licht; je näher ihr aber hinzukommt, je besser ihr seine Größe erkennen könnt. So ists auch mit den Knöpfen auf den hohen Kirchtürmen bewandt; mancher sollte seinen Hut größer halten, als einen solchen Knopf, wenn er von der Erde ihn ansieht. Ihr wißt aber dennoch, daß sie etliche Ellen in ihrem Umfang halten und etliche Eimer Wasser fassen können. Gebt ihr nun zu, daß diese Dinge größer sind, als sie dem ersten Ansehen nach euch zu sein bedünken, und schreibt solchen Fehler mehr der Ferne und Abgelegenheit, als eurem Gesicht zu, so werdet ihr auch nicht in Abrede sein, daß die Himmelskörper größer sind, als ihr meint, weil sie so hoch von euch entfernt und erhaben, daß, wenn ich davon sagen wollte, ich euren Zweifel vermehren und nicht mindern würde. Allein, damit auch dieses Gespräch uns zur Gottseligkeit diene, so erinnert euch bei diesem eurem Zweifel des großen Mißglaubens, welchen wir von Natur in göttlichen und himmlischen Dingen haben. Die irdischen Dinge, die uns vor Augen schweben und vor den Füßen liegen, dünken uns groß, schätzbar und unserer Bemühung werth zu sein, und darum suchen wir und trachten so emsiglich nach dem, was unser Wahn für groß hält; das Himmlische aber, wie groß und herrlich es auch ist, das uns Gott in seinen Verheißungen gezeigt und in so manchem Vorschmack seiner Güte hat blicken lassen, ist bei uns klein und wenig geachtet, und wird mit geringem Fleiß und schlechter Mühe gesucht. Das macht, wir sind auf Erden und irdisch gesinnt, die aber, welche sich im Glauben und gottseliger Andacht zum Himmel etwas näher hinan schwingen, denen dünkt die Erde ein Ball und die hochmüthigen und großen Menschen mit allem, was sie Großes vorhaben, Ameisen und kriechende Würmlein zu sein, das Himmlische aber finden sie recht groß, herrlich und köstlich, wie es einem so großen Herrn, als der im Himmel wohnt, gebührt und zukommt. Darum lernet ins Künftige gering achten, was auf Erden groß geachtet wird, und sehnet euch nach dem Himmel; da ist große Freude, großer Friede, großer Reichthum, große Ehre, eine große Gesellschaft, ein großes Haus, ein großer Gott und große unendliche Seligkeit. Mein Gott! mache mich, wie es einer Seele, die du liebst und erwählst, wohl ansteht, recht hoffärtig, daß ich dies geringe vergängliche Wesen der Welt nicht achte, als welches meine edle und bei dir so hochgeachtete Seele nicht vergnügen kann, nach dir aber und deinem großen Himmel mich sehne, da alles wird größer sein, als mein kleiner Verstand jetzt ausdenken kann.

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