Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 7. Die unversehene Erinnerung.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 7. Die unversehene Erinnerung.

Indem er fortging und sich über die mancherlei guten Erinnerungen verwunderte, fiel ihm bei, daß es eine nicht geringe, doch verborgene Wohlthat Gottes wäre, wenn einem zuweilen unvermuthlich das Herz von einem andern, der nicht daran gedächte, getroffen, und er entweder seiner Sünden oder seines Gelübdes erinnert, oder vom Bösen abgemahnt und zum Guten gereizt würde. Er erinnerte sich, daß einmal ein betrübter Mann in schwermüthigen und tief traurigen Gedanken im Bette gelegen, sorgenvoll wegen Abgang seiner Nahrung und zerronnener Mittel, welchen seine Schwester, die von seiner damaligen Schwermuth nichts gewußt, unvermuthlich getröstet, indem sie mit heller und freudiger Stimme gesungen: Wer hofft in Gott und ihm vertraut, der wird nimmer zu Schanden! Auch war ihm wohl bewußt, daß, als einmal er selbst, durch Schimpfworte erregt, ins Feld gegangen, alle seine verworrnen und erzürnten Gedanken aus Rache richtend, er unvermuthet von etlichen, die an nichts weniger, als an sein Vorhaben gedachten und mit einander von andern Dingen redeten, gehört: Der ist weise und wohlgelehrt, der alle Dinge zum Besten kehrt, welches mit Salomos Ausspruch übereinstimmt: Wer geduldig (langmüthig) ist, der ist ein kluger Mensch, und ist ihm ehrlich, daß er Untugend überhören kann! Sprüchw. 19, 11. Dadurch er bewogen worden, sich der unverhofften Erinnerung gemäß zu verhalten und die Rache dem Höchsten zu befehlen. Er dachte auch dem, was er gelesen und erfahren, nach, und befand, daß durch einen starken Seufzer, durch einen Gesang oder andere zufällige Reden oft Mord, Diebstahl, Unzucht und andere Sünden verhindert, und mancher in Gesellschaften unverhofft durch eine Erzählung oder Kurzweil getroffen worden, daß es ihm weh gethan. Ach, sprach er, mein Gott! wie mancherlei ist deine Güte, und wie viel deiner Wohlthaten sind vor unsern Augen verborgen! Treffen uns deine Diener mit den scharfen Pfeilen deines Wortes, so müssen sie es aus Haß und heimlichem Widerwillen gethan haben, da sie doch oft dahin nicht gezielt, wo der Pfeil am besten eingefallen. Was sind denn solche Erinnerungen anders, als dein Winken und deine Langmuth, womit du uns zur Buße lockst? Gieb, mein Vater, daß ich keine Gelegenheit zu meiner Besserung versäume!

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