Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 57. Die gespießte und gedörrte Kröte.
Gotthold sah in einem Garten eine Kröte an einen spitzigen Stecken gespießt und gedörrt, und wurde gefragt, was es bedeuten müßte, daß man diesen Wurm also hinrichtete, welchen man doch sonst leicht erschlagen und zertreten könnte? Darauf antwortete er: Ich halte dafür, daß bei manchem es nur eine Gewohnheit ist, der es nachmacht, wie er es von andern gesehen hat; bei manchem ist es eine Grausamkeit, welcher vermeint, er könne solchem scheußlichen Thier nicht Qual genug anthun; verständige Leute aber habens darum gethan, daß sie zur Arznei es gebrauchen könnten, maßen denn ein großer Herr das unmäßige Nasenbluten mit einer gedörrten Kröte, die er den Patienten, bis sie ihm in der Hand erwärmt, halten geheißen, hat zu stillen pflegen. So werden auch in Pestzeiten diese gedörrten Thiere auf die Drüse mit besonderer Nutzen gelegt, weil sie das Gift also an sich ziehen, daß sie davon ganz dick werden, als wie auch der Skorpion auf den Stich, damit er einen verletzt, gelegt und also seines eignen Giftes Gegengift wird. Hier habt ihr eine artige Abbildung, wie der allweise Gott unsere Sünde zu unserer Seelenarznei zu gebrauchen weiß. Ihr werdet gerne bekennen, daß die Sünde, so wir oft liederlich begehen, scheußlicher sei vor Gottes Augen und giftiger, was den Wohlstand des Menschen betrifft, als eine Kröte. Diesen giftigen Seelenwurm nun spießt Gott an den Pfahl des Kreuzes Christi und dörrt ihn in der Hitze der Trübsal. Also stirbt zwar die Sünde, jedennoch, weil der Mensch Fleisch und Blut an sich behält und stets zur Sünde geneigt ist, so läßt ihm Gott die begangene Sünde stets vor Augen schweben, damit er sich vor der künftigen desto fleißiger hüte. Es ist mancher Mensch, der sich einer und andern Sünde mit herzlicher Reue und Leid erinnert, und, weil er im Glauben an Jesum Christum es gesucht, an deren Vergebung nicht zweifelt, dennoch kann er solches betrübten Andenkens nicht los werden, sondern er muß klagen, daß seine Sünde als ein Schreckbild und belfernder Hund stets vor ihm ist, Ps. 51, 5., und zuweilen auch in fröhlichen Gesellschaften, bei wichtigen Verrichtungen und im Schlaf ihn erschreckt. Wollt ihr nun sagen, daß solches der Teufel thue, der den bußfertigen Sünder in stetigem Zweifel und Traurigkeit als den nächsten Stufen zur Verzweiflung gern halten wollte, so will ich zwar solches nicht leugnen, allein das müßt ihr auch gestehen, daß es ohne des Höchsten Zulassung nicht geschehe, welcher aber hierunter weit ein anderes sucht, nämlich dieses, daß er Sünde mit Sünde, ein Gift mit dem andern vertreibe, daß er durch stetige Vorhaltung der begangenen Sünden sein Kind von Stolz, Gesuch eigner Ehre, Sicherheit, Vermessenheit, anderer Leute Verachtung, Unversöhnlichkeit und dergleichen abhalte und sein Leben zu einer immerwährenden Buße mache. Mein Gott! ich verstehe oft nicht, wie gut von dir gemeint ist, was mir am schädlichsten zu sein dünkt. Du stellst dich oft, als sei ich bei dir nicht in Gnaden, damit ich aus deiner Gnade nicht falle. Du machst mich zum großen Sünder, auf daß du mich gerecht machen mögest. Du verdammst mich, auf daß ich selig werde.
Handel mit mir,
Wies dünket dir!
Nach deiner Gnad will ichs leiden.
Laß mich nur nicht
Dort ewiglich
Von dir sein abgescheiden!