Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 39. Das verheftete Buch.
Er hatte ein Büchlein in Händen, darinnen etliche Bogen durch Versehen des Buchbinders verheftet waren. Nun, sprach er, ist ja alles gut, was auf diesem und jenem Blatt steht, allein, weil es nicht steht in der gehörigen Ordnung, ist es unschicklich. So gehts auch, dachte er, mit unsern Gedanken und Einfällen, welche mancher zwar gut genug hat, und dennoch, weil er sie nicht zu rechter Zeit, an gelegenem Ort und mit gutem Bedacht anzubringen weiß, werden sie mit eben so schlechter Lust gehört, als dieses Buch gelesen. Es geht aber auch so zu, fuhr er fort, in den Gedanken, die wir oft vor Gott bringen und ausschütten; oft soll unter währendem Gebet einem Hausvater etwas einfallen, das seiner Haushaltung nützlich und zu verrichten nöthig ist; ein Regent soll beim Gebet und Lesen der Schrift einen Rath unvermuthlich finden, den er zuvor lange gesucht; einem Prediger soll unter dem Gespräch mit Gott zufallen, wie er eine Predigt anfangen, wie er sie einrichten und hie und da zieren will. Dieses ist ja nun an sich nicht böse, allein es gehört in die Ordnung, Zeit und Ort nicht, und thut der rechten Gebetsandacht großen Schaden; weil das Gemüth und Herz diesen Ohrenbläsern Gehör giebt, redet der Mund viel dahin, davon das Herz nicht weiß, und davon alsdann Gott auch nicht wissen will. Eine Kohlpflanze ist ein nützliches Küchenkraut, aber wenn sie unter die Roßmarin oder Tulpen gerathen ist und mit ihnen auf einem Beete in die Wette wächst, da ist sie ein Unkraut und wird billig ausgerissen und an einen andern Ort versetzt; so sind die fremden Gedanken, die unter dem Gebet ins Herz schleichen und es von der Andacht abführen. Hilf, mein Herr und Gott! daß ich von ganzem Herzen im Geist und in der Wahrheit dich anbete und, wenn ich beten will, durch deine Gnade meines Herzens Kämmerlein so fest verschließe, daß mich nichts an eifriger und gottseliger Andacht hindern möge!