Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 100. Die Bilder.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 100. Die Bilder.

Gotthold kam in ein Lusthaus, welches vor einer namhaften Stadt in einem Garten erbaut und mit allerhand schönen Gemälden ausgeschmückt war. Als er sich nun in demselben umsah, fand er eine Tafel, darauf nach der Maler- und Perspektivkunst ein gewölbtes Gebäude mit vielen Pfeilern gebildet war, so artig, daß, ob es wohl eine schlechte Tafel war, es dennoch das Ansehen hatte, als wäre sie durchgebrochen und hinter ihr die mehren Pfeiler gesetzt. Wohl! sagte Gotthold bei sich selbst, dieses Gemälde bildet so nah, als das andere; so bilden wir uns oft ein, als wenn der Tod noch weit von uns wäre, und wir noch durch viele Jahre zu wandeln hätten, da er doch, ehe wirs uns versehen, oft allernächst und hinter dem ersten Pfeiler steht. Er ging weiter und fand auf einer andern Tafel einen Schützen gemalt, so artig, daß ein jeder, der ihn ansah, meinte, daß er auf ihn ziele und jetzt losdrücken würde. Wohlan, sagte er, das schickt sich aber nicht übel; der Tod ist ein fertiger und geübter Schütze, er zielt stündlich und hat so bald nicht abgeschossen, daß er nicht sofort sollte wieder fertig sein. Ich will mir fest einbilden, daß er allezeit auf mich ziele, und stets also zu leben beflissen sein, daß ich nimmer zu sterben mich fürchten darf. Unfern davon war ein Lustgarten gebildet, welcher in der Mitte auf einem freien Platz eine Flammensäule mit einer Krone zu oberst beschränkt darstellte. Hier, sprach er bei sich selbst, nehme ich diese Erinnerung, daß ich soll vergessen, was dahinten ist, und mich strecken nach dem, was da vorne ist; ich soll jagen nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu, Phil. 3, 13. 14. Ich solle beflissen fein, meinen Lauf mit Freuden zu vollenden. Apostelg. 20, 24. Verhilf mir dazu, mein Gott, um des Herrn Jesu willen! Amen.

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