Schrenk, Elias - Andachten über das Evangelium nach Markus
Markus 2,14.
Folge mir nach.
Unser Heiland sprach diese Worte zu Levi, d. h. dem Matthäus. Er folgte seinem Ruf und blieb als sein Jünger bei ihm. So sollte es bei jedem Menschen gehen; wie viele Nachfolger bekäme dann der Herr! Nie werden wir einem Menschen nachfolgen, wenn er uns nicht anzieht, über Alles anzieht. Das war von Anfang an das Herrliche bei Jesu, dass er die, welche zu ihm kamen und aufrichtig waren, nicht nur anzog, sondern auch festhielt, weil sie bei ihm fanden, was sie noch nie gesehen hatten. Nun gibt es Menschen, über die man klagen hört, man wisse nicht, wo man mit ihnen daran sei; das eine Mal scheinen sie Jesu nachfolgen zu wollen, das andere Mal laufen sie wieder andern Dingen nach. Wir sind nur dann in der Nachfolge Jesu, wenn er der Magnet geworden ist, der uns festhält durch inneres Bedürfnis, innere Gemeinschaft. Herumschweifen, das eine Mal in dieser, das andere Mal in jener Richtung, ist keine Nachfolge Jesu und zeugt von Unaufrichtigkeit und Geteiltheit des Herzens. Jesu nachfolgen heißt auch nicht vor ihm hergehen, so dass man ihn dann bittet, er möge hinten drein kommen und unsern selbsterwählten Gang segnen. Der wahre Nachfolger des Herrn geht in Demut hinter dem Herrn her, er sieht auf Jesu Fußstapfen, in diese tritt er. Er lässt sich vom Heiland den Weg zeigen, nachdem er erkannt hat, wie leicht man irre geht. Er will auch nicht rascher gehen, als der Herr. Der Herr hat Zeiten, in denen er Halt macht; da muss sein Nachfolger lernen, auch Halt zu machen, um neues Licht und neue Kraft zu bekommen. Wer mit Jesu nicht stillestehen lernt, muss stilleliegen lernen.
Lieber Heiland! Du hast mich in Deine Nachfolge berufen und mir keine Ruhe gelassen, bis ich Dir folgte. Habe Dank dafür! Erhalte mich bei Dir, bis an mein Ende. Amen.
Markus 6,5.
Und Jesus konnte allda nicht eine einzige Tat tun; ohne wenigen Siechen legte er die Hände auf und heilte sie.
Es gibt Christen, die eine eigentümliche Anschauung von der Wirksamkeit Anderer haben. Sie meinen, wenn dieser oder jener berühmte Mann käme und predigen würde, so müssten Viele sich bekehren; oder glauben sie, dass wenn sie diese und jene Organisation schaffen, die an andern Orten bestehe, so werden sie auch die Wirkung und den Segen haben, der an andern Orten zu sehen sei. Solche Anschauungen sind nach Schrift und Erfahrung nicht gesund. Selbst der Heiland konnte nicht überall dasselbe tun; auch bei ihm war es eine Frage, ob ihm Empfänglichkeit und Glaube entgegengebracht wurde, oder nicht. Nazareth war ihm gewiss lieb; er verlebte dort den größten Teil der Zeit, die er hienieden im Fleisch zubrachte; es waren gewiss auch in Nazareth viele Hilfsbedürftige; aber trotz alledem konnte er in seiner Vaterstadt fast nichts tun, um ihres Unglaubens willen. Das ist bei uns gar nicht anders. Ein und derselbe Mann hat an dem einen Ort viel Frucht seiner Arbeit, an einem andern Ort wenig, obwohl er an letzterem ebenso treu gearbeitet hat. Da ist es nicht nur Unglaube im gewöhnlichen Sinn, was die Arbeit an manchen Orten unfruchtbar macht, sondern ganz spezieller Bann, besonderer Fluch, der auf einem Ort liegt. So ist es Erfahrungstatsache, dass die Predigt an Orten, wo viel Zauberei getrieben wird, oft lange Zeit nicht viel wirkt, bis der Zauberbann durch Buße und Bekenntnis gebrochen ist. Auch Sünden der Ungerechtigkeit und des Fleisches können solchen Bann bilden. Wie solche Hindernisse in ganzen Gemeinden dem Herrn hinderlich sein können, so können sie es natürlich auch in vielen einzelnen Familien und Personen sein. Wie sehr ernst ist es doch, wenn der Heiland Etwas, ja Großes tun möchte, aber er kann nicht, weil die Menschen ihn hindern, wie in Nazareth. Hinderst Du ihn nicht?
Ach Herr! Räume aus meinem Herz und Haus alle Hindernisse hinweg, die Dir im Wege stehen. Amen.
Markus 6,47.
Und am Abend war das Schiff mitten auf dem Meer und er auf dem Land allein.
Der Heiland ist auf dem Berg mit seinem Vater allein. Nach vieler Arbeit stärkt er sich wieder für neues Tagewerk, und tritt betend ein für seine Jünger und sein Volk. Um ihn her ist alles still, auch in seinem Herzen ist es still in seliger Gemeinschaft mit seinem Vater. Aber drunten auf dein See stürmt es; seine Jünger sind in Not und seufzen: ach, wenn nur der Meister da wäre! Er ist nicht ferne; sein Auge schaut ihre Not; wandelnd auf dem See naht er sich ihnen, um ihnen zu helfen und als er sein: ich bin es, fürchtet euch nicht, gerufen und in das Schifflein getreten war, da wurde es stille. Welch eine liebliche Botschaft für uns! Droben auf dem Berg Zion ist nun unser Herr und Hoherpriester; dort ist kein Sturm, Alles ist still; nur das Hallelujah und Heilig, heilig, heilig erschallt dort.
Seufzen und Angst gibt es dort oben nicht. Wir seine Jünger sind hier unten im Sturm; unser Schifflein ist oft von Wellen umtobt. Er schaut herab auf uns und ehe wir es uns versehen, naht er sich uns unsichtbar; vielleicht in einer Gestalt, die uns bange macht; aber er ist es dennoch als Helfer und spricht: fürchtet euch nicht! Ach, dass das arme Herz oft so lange bange sein kann im Blick auf die Wellen! Vergiss es nicht: wo der Herr seinen Fuß hinsetzt, da wird es stille. Wo wir stehen mögen, in irgend einer Gefahr, dürfen wir nur den „Fernsprecher“ gebrauchen: es ist das gläubige Gebet und wäre es nur ein Seufzer zu ihm empor gesandt und wir werden es erfahren, Er ist nicht ferne. Können wir genug danken und preisen, dass der Herr die Seinen auf dem Meer nicht allein lässt? Wie Viele rudern allein und ihr Schifflein zerschellt, weil sie Jesum nicht kennen und nicht haben, und sie sinken trostlos. Ohne Jesum wollen wir nicht weiter gehen.
Ja, Herr! Wie oft hast Du auch mich angeblickt im Sturme und hast mein Herz still gemacht. Ich danke Dir für alle Deine Treue, für alle Hilfe in der Not, für allen Trost und alle Stärkung in der Gefahr. Amen.
Markus 11,24.
Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr es empfangen werdet, so wird es euch werden.
Diese Worte sind eine herrliche Gebetsermunterung, sie enthalten eine der größten Verheißungen unseres Heilandes. Und doch sind gerade durch diese große Verheißung schon manche Beter in große Verlegenheit gekommen. Sie haben gebetet, wie sie meinten, im Glauben gebetet, und soweit sie sehen konnten, keine Erhörung erfahren. Das hat ihnen das Herz schwer gemacht und sie vor ein Rätsel gestellt. Von ihrer Seite hat es scheinbar an nichts gefehlt: sie haben gebetet und geglaubt; fehlt es denn auf Gottes Seite? Das wagen sie nicht zu sagen. Wie löst sich das Rätsel? Auch die Verheißungen Gottes dürfen wir nicht aus dem Schriftzusammenhang herausreißen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen. Was hier dem gläubigen Bitten verheißen ist, ist an andern Orten dem Eineswerden von Zweien, dem Bitten nach Gottes Willen und dem Bitten im Namen Jesu verheißen; alle solche Stellen gehören zusammen, wir dürfen sie nicht trennen. Es wäre also möglich, ich würde im Glauben um etwas bitten und es doch nicht bekommen, weil meine Bitte nicht nach Gottes Willen ist. Es müssen also der Glaube und Gewissheit des Willens Gottes beim erhörlichen Beten vereinigt werden. Ich kann aber um etwas nach Gottes Willen bitten und auch mit gewissem Glauben bitten und bekomme es doch nicht, oder wenigstens längere Zeit nicht. Warum? Jakobus sagt: Ihr bittet und kriegt nicht, darum, dass ihr übel bittet, nämlich dahin, dass ihr es mit euren Wollüsten verzehret. Jak. 4,3. Gott kann uns nicht zu jeder Zeit Alles geben; er gibt uns immer im Blick auf unsere Herzensstellung zu ihm. Sind wir nicht demütig genug für den Empfang einer Gabe, so entspricht es Seiner Liebe, dass er uns warten lässt; denn alle Gebetserhörungen sollen zu seiner Verherrlichung dienen. Den Demütigen gibt er Gnade. Sei demütig, gläubig und bitte nach Gottes Willen.
Herr, lehre mich beten! Und lass auch durch mein Beten Deinen Namen verherrlicht werden. Amen.
Markus 14,3.
Und Maria zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt.
Eine der letzten Stationen vor dem Leiden des Heilandes war das stille Bethanien, wo der Heiland gerne noch einmal weilte im Kreis seiner Lieben, um sie zu stärken und sich bei ihnen zu erquicken. Tausende hatten den Herrn gehört im Land umher, und Vielen war er zum Segen geworden; aber Wenige hatten so viel erfahren im Umgang mit ihm, wie jene drei Geschwister in Bethanien. Sie hatten nicht nur seine Worte gehört, wie viele Andere, sondern auch das größte Wunder erfahren, das der Herr getan: die Auferweckung des Lazarus. Deshalb ging auch ihre Liebe und Dankbarkeit gegen den Herrn tief. Besonders die stille, für den Herrn so empfängliche Maria lässt ihn ihre Liebe dies Mal besonders fühlen durch die Salbung mit köstlicher Narde. Wir wissen nicht, was der Heiland in jenem stillen Kreise bei seinem letzten Besuch redete. Es lässt sich aber fast erwarten, dass er merken ließ, es sei sein Abschiedsbesuch und Maria, die die Mordgedanken der Hohenpriester und Pharisäer, die durch die Auferweckung ihres Bruders aufs Höchste stiegen, kennen mochte, ahnte vielleicht mehr als Andere, was in den nächsten Tagen wartete auf den Herrn. Jedenfalls spricht der Herr nach der Salbung aus, sie habe ihn zu seinem Begräbnis gesalbt und nennt ihre Tat ein gutes Werk. Es war ein gutes Werk, weil es ein Werk inniger, herzlicher Liebe und Dankbarkeit zum Herrn war. Wir in unseren Tagen erinnern uns an Jesu Worte: was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan, Matthäus 25,40. Wir können und sollen ihn salben in den Hungrigen und Durstigen, in den Armen, Nackten und Kranken und wenn es im Sinne der Maria geschieht, in herzlicher Liebe und Dankbarkeit für empfangenen Segen durch Jesu Worte, für Erfahrung seiner Auferstehungstraft, als wir tot waren in Übertretungen und Sünden, so sind wir Brüder und Schwestern der Maria, deren Werke offenbar werden, wenn er vergelten wird einem Jeglichen nach seinen Werken. O, gebe der Herr uns viele Bethanien, wo Marienseelen geboren werden!
Treuer Heiland! Kehre auch bei mir ein. Fülle mein Herz mit Deiner göttlichen Liebe, damit ich Dich wieder lieben möge in Deinen geringsten Brüdern, und so Dein rechter Jünger werde in Liebe und Barmherzigkeit. Amen.
Markus 14,6.
Lasst sie mit Frieden; was bekümmert ihr sie?
Die Welt ist kalt, sehr kalt; es fehlt ihr die Liebe, die aus Gottes Vaterherzen und aus Jesu Hohepriesterherzen stammt. Wohnt Jesu Liebe in einem Menschenherzen, so fällt sie auf andere Herzen wie Morgentau. Da kommt dann der Nordwind der Selbstsucht, um den Tau in Eis zu verwandeln. Alle Selbstsucht ist kalt; aber die kälteste Art derselben ist der Geiz. Das lernen wir in Bethanien. Die innige, liebende Maria salbt den Heiland zu seinem Begräbnis; im Duft des köstlichen Nardenwassers steigt der Duft heiliger Liebe empor, die den Heiland erquickt. Judas der Habsüchtige hatte das Gefühl, er könne sein Diebshandwerk in der Nähe des Herrn nicht mehr lange fortsetzen, und ärgert sich an der kostbaren Weise der Liebe der Maria, er findet sie unzweckmäßig, verschwenderisch. Der liebeleere, kalte, berechnende Mann hätte das Nardenfläschchen gerne in seiner Hand gehabt, und um seine eigene Habsucht zu verdecken, spielt er den Armenfreund. Dieser Schein der Barmherzigkeit besticht auch einige andere Jünger des Herrn und sie murren über Maria. Da nimmt der Heiland seine treue Jüngerin in Schutz, deren Herz bekümmert war durch die kalte Art dieser murrenden Jünger. Es schmerzte sie, solchen Geist sehen zu müssen in dem Kreis, der am meisten von Jesu Liebe genossen hatte. Noch mehr aber schmerzte es den Heiland, wenn es sichtbar wurde, wie der Geiz jedes edlere Gefühl im Herzen des Judas vernichtet hatte, und wie der Gifthauch, der von ihm ausging, ansteckend wirkte auch auf andere Jünger. Dieser Gegensatz von Selbstsucht und Liebe im Jüngerkreis konnte nicht mehr lange bestehen, die Stunde kam, da Satan Besitz nahm vom geizigen Herzen des Judas. Noch ist er nicht ausgestorben, der Gegensatz der kalten Habsucht und der Liebe zu Jesu; er bildet den großen Kampf der Geister unserer Tage. Wer eintreten will in diesen heiligen Kampf, muss trinken aus dem Strom der Liebe Jesu. Dieser Liebe gehört der Sieg.
Heilige Liebe! Ertöte Alles in mir, was Selbstsucht heißt und bewahre mich vor dem Gifthauch der argen kalten Welt. Amen.
Markus 14, 33. 34.
Und er nahm zu sich Petrum, Jakobum und Johannem und fing an zu zittern und zu zagen und sprach zu ihnen: meine Seele ist betrübt, bis an den Tod; enthaltet euch hier und wacht.
Wenn wir unseren Heiland in Gethsemane in seinem Kampf betrachten, so ist es uns, als hören wir den Ruf: ziehe deine Schuhe aus, denn hier ist heilig Land! Er, vor dem jetzt die Hölle zittert, beginnt zu zittern und zu zagen, umgeben von seinen ohnmächtigen Jüngern. Es war ein Zittern und Zagen unter Gericht und Angst. Der Herr steht unter dem Gericht an unserer Statt, und das Gericht in Gethsemane ist so schwer, dass er schon zitterte und sich ängstete, als es seiner Seele nahe trat. Wir können es uns ein wenig, aber doch nur ein klein wenig klar machen, vor was er zitterte und zagte, wenn wir hinzunehmen, was Lukas 22,44 steht: es kam, dass er mit dem Tode rang. Es kam eine satanische Todesmacht über ihn, so dass seine Kraft am Erlöschen war. Die Leidenswilligkeit hat den Herrn in Gethsemane nicht verlassen; es ist nicht das Sterben an und für sich, dem sein Zittern und Ringen gilt, sondern dem für seine heilige Seele furchtbaren Grauen vor der finstern, satanischen Todesmacht. Ältere Seelsorger, die schon viel mit Seelen zu tun hatten, die von satanischen Selbstmordsgedanken verfolgt wurden, bekommen einen Einblick in des Heilands Zittern und Zagen und Ringen mit dem Tod, den Andere nicht haben. Wir müssen Ernst machen mit dem Wort: er ist versucht worden allenthalben, wie wir, doch ohne Sünde, und darum kann er Mitleiden haben mit unserer Schwachheit Hebr. 4,15. Dort in Gethsemane hat der Heiland den ganzen Schrecken des Todes, der unter Todesfurcht seufzenden Menschheit tragen müssen; dort hat er unter dem Druck der satanischen Todesmacht es auch gelernt, der mitleidige Hohepriester der Millionen Seelen zu sein, die der Mörder von Anfang mit Selbstmordgedanken plagt und die seiner Fürbitte so sehr bedürfen. Auch ihnen reicht er nun die Hand und tröstet sie. Ich glaube nicht, dass der Heiland in Gethsemane mit Selbstmordgedanken geplagt wurde; aber er wurde von einer Todesmacht geplagt, die ihn erdrücken wollte. Er sollte aber nicht in einem Winkel in Gethsemane erdrückt werden, sondern am Kreuz sein Leben von sich selber lassen, und mit freiem Willen seinen Geist in seines Vaters Hände befehlen. Sein Glaube hat mit starkem Geschrei und Tränen für uns in Gethsemane gesiegt, und wir sind geborgen in seiner Hand, auch im letzten Stündlein. Sein Kampf und Sieg macht frei von des Todes Grauen.
Gelobet seist Du, Todesüberwinder, dass Du auch für mich gezittert und gezagt hast. Ich danke Dir für Deine Tränen, die Du für mich geweint, damit ich Lust haben könne abzuscheiden und bei Dir zu sein. Amen.