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Schopf, Otto - Johannes Markus, ein Triumph der Gnade.
Kürzlich kam ich mit einem weithin bekannten Schriftforscher und Prediger des Evangeliums auf Johannes Markus zu sprechen. Er sagte mir: “Ich habe nie über Johannes Markus gesprochen.” Ich wunderte mich darüber, weil mir seit Jahren, ja wohl seit Jahrzehnten dieser Markus eine der lieblichsten und tröstlichsten Persönlichkeiten der Schrift ist, die mir für mein inneres Leben so manches zu sagen hatte. Aber ich wunderte mich auch wieder nicht, daß jener Knecht Gottes noch nicht über Markus geredet hatte; wenn ich mir vergegenwärtigte, wie so anders Markus veranlagt ist als er. Markus ist von Haus aus ein Mann aus weichem Material, ein Gefühlsmensch, ein Sanguiniker. Jener Prediger aber ist ein Choleriker, eine eiserne Kraftnatur, die wenig mit dem Verfasser des zweiten Evangeliums gemein hat. Jener Prediger ist ein Mann aus einer herberen, gesünderen, kräftigeren Zeit als unsere Zeit. Markus aber hat vieles gemein mit dem christlichen, gläubigen Jüngling unserer Tage. Er ist der bewegliche Sohn einer bewegten Zeit; bei ihm ist die Phantasie mehr entwickelt als der Wille. Aber er ist auch ein herrliches Beispiel zu dem Wort: “Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.” Darum ist er ein Mann für uns Jünglinge und junge Männer des 20. Jahrhunderts, besonders für uns, die wir in dem an bewegtem, religiösen Leben so reichen Westdeutschland wohnen. Manches Verwandte werden viele von uns finden in Bezug auf die Verhältnisse, in denen sie aufgewachsen sind: Markus hat uns manches zu Dank Stimmende, aber auch manches Beschämende, manche Warnung, aber auch manches unaussprechlich Ermutigende zu sagen. (Vorstehende Lebensbeschreibung wurde als Referat bei Gelegenheit eines Jünglingsfestes gegeben und ist als Sonderabdruck von der Verlagshandlung zum Preise von 25 Pfg. zu beziehen. Bei Partien billiger.)
“Frühlingsahnung”,
so könnte man das überschreiben, was wir von dem Elternhaus und der Familie des Markus aus den wenigen Schriftnotizen wissen. Apostelgeschichte 12,12, die erste Stelle, in der Markus erwähnt wird, sagt uns, daß der wunderbar aus seinem Gefängnis befreite Petrus “vor das Haus Marias kam, der Mutter des Johannes, der mit dem Zunamen Markus hieß, da viele beieinander waren und beteten.” Wir entnehmen aus diesem Vers, daß Markus einer Familie entstammte, die in Jerusalem ein geräumiges Haus besaß, das einen Mittelpunkt für die junge Christengemeinde bildete. Wir vermuten ferner, daß er früh seinen Vater verlor, daß seine Mutter aber eine Frau von solch hingebender Frömmigkeit war, daß sie ihr Haus willig dem Volke Gottes zur Verfügung stellte, als es bereits eine gefährliche Sache war, ein Christ zu sein. Sie achtete nicht des Königs Grimm, der schon die Hände angelegt hatte, etliche von der Gemeinde zu peinigen und schon in den engsten Jüngerkreis hineingegriffen und Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert getötet hatte.
Kolosser 4,10 werden wir noch darauf aufmerksam gemacht, daß zur Familie des Markus ein hervorragendes Glied der Urgemeinde gehörte, nämlich Barnabas. Dieser warmherzige, milde, fromme Mann war sein Onkel. Man muß sagen, daß der Charakter des Barnabas liebenswürdige, aber auch milde Züge trägt, die sich in dem Bilde seines Neffen wiederfinden. Wenn Barnabas der Bruder des Vaters oder der Mutter des Markus war und nicht nur ein “angeheirateter” Onkel, so floß auch levitisches Blut in den Adern des Markus; denn Apostelgeschichte 4,36 lesen wir, daß Joses mit dem Zunamen Barnabas ein Levit war.
Eine dritte Stelle zeigt uns wohl die geistliche Verwandtschaft des Markus mit Petrus, nämlich 1. Petri 5,13, wo ihn Petrus seinen “Sohn” nennt, so daß wir nach dem neutestamentlichen Sprachgebrauch annehmen dürfen, daß Markus durch den Wortführer der Zwölfe zu Jesu geführt ist.
Glücklicher Markus! Die Umgebung, in der er aufgewachsen ist, läßt uns ahnen, welch gesegnetes Leben ihm bevorsteht. Der Einfluß seiner furchtlos-gottesfürchtigen Mutter, die Gebetslust, in der er aufgewachsen war, das Vorbild seiner frommen Angehörigen, der unmittelbare, persönliche Verkehr mit den ersten Verkündigern des Evangeliums, das sind lauter günstige Vorbedingungen für seine künftige Entwicklung. – Freilich seine Herkunft aus einer wohlhabenden Familie ließ ihm manche charakterstärkende Not des Lebens ferne bleiben, ihn vielleicht nicht so den Ernst des Lebens erfahren, als wenn er aus ärmlichen Verhältnissen gekommen wäre. – Sein bildungsfähiger Geist machte es ihm möglich, neben seiner aramäischen Muttersprache vielleicht das Hebräische, neben dem Griechischen wohl auch Lateinisch zu lernen, was sein Evangelium vermuten läßt. Aber seine Bildung brachte ihn auch in Berührung mit dem gefährlichen Einfluß einer verweichlichenden und schwächenden heidnischen Kultur. Der vielleicht schon frühe Tod seines Vaters, der Einfluß seines Onkels durften auch mit dazu beigetragen haben, daß er nicht mit der festen Männlichkeit ins Leben hineintrat, die wir ihm hätten wünschen mögen. – Aber wie dem auch sei, Markus ist jedenfalls auf einem fruchtbaren Boden, in einer warmen, ihn vor viel Schlimmem schützenden und ihn vorwiegend zum Besten beeinflussenden Atmosphäre aufgewachsen.
Nun, meine Freunde! Ist hier nicht viel Gemeinsames zwischen Markus und vielen von uns? Auch wir sind zum großen Teil Söhne gläubiger Eltern, sind in der Gemeinde der Gläubigen herangewachsen und haben manchen gesegneten Knecht des Herrn persönlich gehört und mit ihm verkehren dürfen. Der Einfluß solcher Eltern, der Verkehr mit solchen Knechten Gottes, die Geistesatmosphäre in der Gemeinde des Herrn, sie sind nicht ohne gesegnete Wirkung gewesen. Auch viele von uns sind gläubig geworden durch Gottes Gnade. O laßt uns dem Herrn danken, der uns unter solchen Verhältnissen hat aufwachsen lassen! Und du, mein junger Freund, der du in ähnlich günstiger Umgebung wie Markus aufgewachsen bist, und dennoch Jesum noch nicht gesucht und dem suchenden Heiland dich entzogen hast, bedenkst du auch deine Verantwortung, deine doppelt große Schuld? Um dich her sind junge Leute gläubig, die nicht unter dem Einfluß gläubiger Angehöriger aufgewachsen sind, und doch, da sie die Macht des Evangeliums an den Kindern Gottes sahen, da wandten sie sich zu Jesu, wie sich die Blumen zur Sonne wenden. Und du tust das der Natur und deiner Geschichte Widersprechende und wendest dich ab von Jesu? Der Knecht, der seines Herrn Willen weiß und hat nicht nach seinem Willen getan, der wird viele Streiche leiden müssen.
Doch zurück zu Markus. Wir haben den ersten Abschnitt seines Lebens “Frühlingsahnung” überschrieben. Dem zweiten Abschnitt dürfen wir noch einen vielsagenderen Titel geben; wir überschreiben ihn
Ein verheißungsvoller Frühling.
Was die gesegnete Umgebung ahnen ließ, in der wir Markus fanden, ist eingetreten. Es kam wirklich ein verheißungsvoller Frühling für ihn. Er ist nicht bloß “auch bekehrt” gewesen. Er hat in hervorragender Weise an dem christlichen Leben seiner Umgebung Anteil genommen. Jene Stürme, die den Stephanus, den Jakobus und manche andere Heiligen hinweggerissen hatten, waren die Vorboten einer herrlichen Frühlingszeit geworden für die Gemeinde im ganzen, wie für Markus im besonderen. Sie hatten den Samen des Evangeliums hinausgetragen nach Judäa und Samaria. Der, zu dessen Füßen die Mörder des Stephanus ihre Kleider niedergelegt hatten, war gläubig geworden, war durch den Onkel des Markus nach Jerusalem gebracht und in den gegen ihn von begreiflichem Mißtrauen erfüllten Jüngerkreis eingeführt worden. Dann hatte der Onkel des Markus den Saulus von Tarsus zum zweiten Male entdeckt und später ihn, der inzwischen zum hervorragenden Gemeindeglied und Lehrer in Antiochien sich entwickelt hatte, wieder nach Jerusalem mitgebracht als einen, der mit Barnabas zusammen die Handreichung für die armen Brüder in Jerusalem zu übergeben hatte (Apg. 11,29 f.).
Herodes war gestorben. Das Wort Gottes “wuchs und mehrte sich”. Als nun die beiden antiochienischen Lehrer wieder zu ihrer Gemeinde zurückkehrten, da nahmen sie den Johannes, mit dem Zunamen Markus, zu sich (Apg. 12,25). Es handelte sich nicht um eine Vergnügungsreise. Der junge Bruder Markus sollte die Gemeinschaft der beiden Lehrer genießen, ohne Zweifel um zuerst selbst weiter in die Erkenntnis Christi eingeführt und dann anderen ein Wegweiser zu werden. Menschlich geredet war es keine verlockende Karriere für den jungen Jerusalemiten. Er hätte es bei der Mutter vielleicht bequemer und standesgemäßer gehabt, er hätte sich vielleicht der Verwaltung und Vermehrung seines Vermögens widmen können. Aber er zog es vor, mit seinem Onkel und dessen Gefährten in die Provinz zu ziehen und auf eine sehr einfache, aber auch sehr praktische und anschauliche Weise Theologie zu studieren. Was könnten unsere Gemeinden und ihre Prediger und besonders unsere Evangelisten leisten, wenn geeignete Männer, ähnlich Markus, willig wären, ohne Anspruch auf ein gutes Einkommen und bequemes Leben, sich älteren Brüdern anzuschließen, um ihnen in ihrer Arbeit zu helfen, und wenn andererseits immer mehr Gemeinden willig würden, wie schon einige es taten, ihren Predigern junge Gehilfen an die Seite zu stellen!
Welch interessante neue Welt ging dem Markus in Antiochien auf! Ganz andere Verhältnisse waren es hier als in Jerusalem. Sein Blick weitete sich. Hatte er in Jerusalem die Urapostel kennen gelernt, so lernte er hier nun Propheten und Lehrer wie Simon, genannt Niger, und Lucius von Kyrene und die interessante Persönlichkeit des Manahen kennen, der mit dem Vierfürsten Herodes erzogen worden war und seine hohen Verbindungen beiseite gesetzt hatte, nachdem er mit Jesu und seiner Gemeinde in Verbindung gekommen war (Apg. 13,1 f.). Und da eines Tages, als man fastend und betend versammelt war, kam durch den Heiligen Geist eine Botschaft, die ganz neue Perspektiven eröffnete: “Sendet mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, dazu ich sie berufen habe.” Und er, Markus, der Glückliche, durfte mit, freilich nicht als Missionar, sondern in der Stellung eines Dieners, vielleicht würden wir sagen als Schriftführer dieses kleines Evangelisationskomitees. Von all den jungen Männern in Jerusalem und Antiochien durfte nur er mit. All den gläubigen Jünglingen in Judäa und Samaria wurde er vorgezogen. Welch ein Vorrecht, welch eine Ehre, welch eine Gnade, aber auch welch eine Verantwortung! An einem geschichtlichen Wendepunkt stehen, in das zur Ernte weiße Feld einen Blick tun dürfen, hören, daß Türen für das Evangelium offen sind, o welch eine das Herz höher schlagen machende Tatsache! Gott zeigt, er will dem lange auf einen Kreis West-Asiens, beinahe hätte ich gesagt. Westdeutschland, beschränkten Werk eine neue, weite Einflußsphäre öffnen. Wird er Leute, wird er junge Männer finden, die der Situation gewachsen sind? Es wehte Frühlingsluft! Es lachte ein blauer Frühlingshimmel und verheißungsvoll lag die Welt da im Frühlingssonnenschein der Gnade Gottes. Wie muß Markus gewandelt haben, daß Männer mit dem Entdeckerauge eines Barnabas und mit dem Geistesblick eines Paulus ihn würdig und geeignet fanden, ihn als dritten im Bunde mitzunehmen! Und wie leicht wurde Markus der Anfang gemacht! Nach Cypern ging die Reise zunächst, in die Heimat seiner Verwandten, nach jener schönen, aber freilich auch von den besonderen Lasterknechten bewohnten Insel. Und dort durfte er Zeuge sein, wie durch die Macht des apostolischen Wortes Pauli der Zauberer Elymas mit Blindheit geschlagen und dem Landpfleger Sergius Paulus die Augen für die Lehre des Herrn geöffnet wurden.
O, meine jungen Brüder, hier gedenke ich der Frühlingstage meines Christenlebens, wie ich vor zwanzig Jahren als junger Christ zuerst an der Seite erfahrener Brüder das Evangelium den armen Deutschen im Ostend, den deutschen Kellnern im Westend von London bringen durfte. Noch heute, wo die Sonne der Gnade in meinem Leben zur Mittagshöhe gestiegen ist, gedenke ich mit Dank und Wonne jener herrlichen Stunden am Morgen meines Christenlebens, wo wir uns Samstags zum Gebet vereinigten, und nach etwa zweistündigem Zusammensein, erleichtert, vom Staub der Woche gereinigt, erfrischt und zu neuer Glaubens- und Liebesarbeit gestärkt, wieder unserer Wege gingen, begierig, Beute zu machen für Jesum. Was ist es doch für ein Segen für junge Leute, im Verein und in der Gemeinde, Gemeinschaft mit älteren und erfahrenen Brüdern pflegen zu dürfen und von ihnen ohne alle Aufdringlichkeit, ja ohne daß man es selber merkt, durch ihr Vorbild belehrt zu werden. Wie haben unsere älteren Londoner Brüder im deutschen Christlichen Verein junger Männer dort es verstanden, uns Jüngere heranzuziehen, uns geeignete Arbeit, den nötigen Spielraum und die nötige Korrektur und Ermutigung zu geben! Der Herr bewahre unsere älteren Brüder in unseren Vereinen und Gemeinden vor allem gedankenlosen Schematismus, vor aller steifen Zurückhaltung gegenüber den Jüngeren. Er bewahre unsere jüngeren Brüder vor falscher Schüchternheit und Bescheidenheit, die sich von den älteren Brüdern und von der Arbeit zurückzieht. Er bewahre sie aber auch vor einem kecken, selbstbewußten und unreifen Allein-groß-sein-wollen, das sich nicht sagen läßt und alles besser wissen will. Er gebe uns viele junge Brüder, die klein und demütig genug sind, um von der Pike auf dienen zu wollen, die dienstwillig genug sind, um Leute in die Versammlung abzuholen, Zurückgebliebene oder Kranke zu besuchen; die willig sind, als Helfer in der Sonntagsschule, als Begleiter von Versammlung haltenden Brüdern, als Blätterverteiler, als Beiträgesammler oder als Evangeliumssänger hinauszugehen. Er gebe uns Leute, die demütig sind, mit der Gabe, die sie empfangen haben, zu dienen und nicht zu schweigen, weil sie nicht so reden können wie ein älterer, gebildeterer oder geförderterer Bruder.
Wie freue ich mich all des verheißungsvollen Frühlingslebens in unseren Gemeinden und Vereinen! Wie köstlich ist es, wenn junge Leute, wie ich es von den früheren Mitgliedern unseres Elberfeld-Barmer Jünglingsvereins hörte, in den frühen Sonntagsmorgenstunden, statt extra lang im Bett zu liegen, von Haus zu Haus eilen, um den Leuten Traktate in die Häuser zu tragen. Wie würde ich mich freuen, wenn sich noch Gefährten fänden für jenen jungen Bruder, der sich bereit erklärte, irgendwohin zu ziehen, wo man neben einem Reichsgottesarbeiter in einer toten Gegend gerne einen jungen Gehilfen hätte, der nach erfüllter irdischer Berufspflicht in seiner Freizeit am Werke des Herrn mithülfe. Weil sich bis jetzt nur einer anbot, bin ich in Not, wie denselben unterbringen, da man ihn an sechs Orten brauchen könnte.
Aber nun laßt uns wieder umsehen nach Markus. Wir kommen zu einer neuen Etappe in seiner Geschichte; diese trägt aber eine traurige Signatur. Wir müssen sie bezeichnen mit den Worten:
“Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht.”
“Da aber Paulus und die mit ihm waren, von Paphos schifften, kamen sie gen Perge im Lande Pamphylien. Johannes aber wich von ihnen und zog wieder gen Jerusalem.” So lesen wir Kapitel 13, Vers 13. Eine der Hauptgefahren der ungefestigten Jugend im allgemeinen und der weichen, warmherzigen, aber leicht veränderlichen Charaktere im besonderen ist die Unbeständigkeit. An dieser Klippe ist schon mancher hoffnungsvolle Jüngling gescheitert. Hier strandete auch Markus. Was war es, was ihn in seinem Lauf hemmte? War er am Ende doch ein Muttersöhnchen, das meinte, Reichsgottesarbeit sei eine angenehme Spielerei? Wußte er nicht, daß es eine todesernste, verleugnungsreiche Sache ist um den Dienst Jesu? Wir können es nicht bestimmt sagen. Aber das können wir mit Bestimmtheit sagen: wenn einem jungen Mann ein irdischer Beruf zu mühsam, zu schmutzig, zu niedrig ist, wenn einer nicht harte Bretter bohren will, wenn er in seinem irdischen Beruf nicht tüchtig ist, der denke niemals, daß er zur Arbeit für den Herrn geeignet sei. Wir leben in einer ernsten Zeit und gehen einer noch ernsteren Zeit entgegen. Da gilt das Uhland’sche Wort in besonderer Weise:
Edler Geist, des Ernstes soll
Sich in Jünglingsseelen senken,
Jede still und andachtsvoll
Ihrer heil’gen Kraft gedenken.
Sagt mir nicht, Uhland war ein weltlichter Dichter. Sagt mir lieber, ob es euch gläubigen Jünglingen schon in den Sinn kam, was jener “weltliche Dichter”, auf den ihr herabseht, erkannte, daß es eine heilige, ernste Sache um euer Jünglingsleben, eure Jugendzeit und Jugendkraft sei.
Oder kam Markus der Erfolg nicht schnell genug? Fehlte es an Massenbekehrungen von 3000 Seelen auf einmal, wie man das in Jerusalem gesehen? Berechnete er den Wert einer Evangelisationsarbeit nach der Zahl der Bekehrten? Wie viele wurden durch Johannes, den Lieblingsjünger Jesu, bekehrt? Die Schrift sagt uns nicht von einem. O wie ungeduldig sind wir oft in der Jugend, und wie mancher zieht sich Enttäuschung und Erkältung seines inneren Lebens zu durch fleischliche Hoffnungen, durch falsche Vorurteile und durch das Hängen an einer Schablone.
Oder war Markus seine untergeordnete Stellung als “Diener” auf die Dauer zu niedrig? Ich weiß es nicht. Aber das weiß ich, daß man eher zwölf Evangelisten und Prediger bekommen kann, als einen Mann, der zugleich willig und fähig wäre, den wichtigen und gesegneten Beruf des Kolporteurs mit Ausdauer und Begeisterung zu übernehmen. Mit um so mehr Bewunderung denke ich daran, daß der Begründer des Ev. Brüder-Vereins und der Freien ev. Gemeinde Elberfeld-Barmen, der edle Fabrikant, Dichter, Schriftsteller und Prediger, Heinrich Hermann Grafe, sich ernstlich mit dem Gedanken trug, Kolporteur zu werden, und es nur deshalb nicht wurde, weil er sich für nicht tüchtig genug dazu hielt. Mit Bewunderung hörte ich dieser Tage von einem gläubigen Lehrer, der Kolporteur werden wollte, und vor einiger Zeit von einem Offizier in Baden, der seinen Offiziersrock auszog und als Bibelkolporteur von Haus zu Haus ging. Dankbar habe ich es auch begrüßt, daß einer unserer Evangelisten, der englisch und griechisch und andere Sprachen kann und eine gute Feder führt, sich für nicht zu gut hielt, die Kolporteurtasche umzuhängen und Seelen zu suchen. –
Oder hat Markus die freie Arbeitsweise des Paulus abgeschreckt? War Paulus ihm nicht jüdisch oder in die heutige Sprache übersetzt, nicht kirchlich genug? Wagte er nicht gegen den Strom zu schwimmen und dem eitlen Wandel nach väterlicher Weise Lebewohl zu sagen und allem den Krieg zu erklären, was mit dem Worte und dem Geiste Christi nicht übereinstimmt? Man entschuldigt sich so gerne und sagt: Ich bin keine Kampfnatur. Aber wenn Goethe sagt, daß ein Mensch sein heißt in Kämpfer sein, so gilt es hundert Mal von einem Nachfolger Jesus, daß er ein “Streiter” Christi sein muß. Der Geist Christi ist ein heiliger Kampfesgeist gegen alles geistlose Formenwesen, gegen alles, was dem Wort und Geist der Schrift widerspricht. Wollte Markus mehr Entgegenkommen gegen die Juden, mehr Berücksichtigung ihrer Schwächen und Vorurteile sehen? Dann ist er zu früh von Paulus weggegangen. Keiner hat wohl mehr als Paulus die Elastizität der Liebe besessen, die allen alles wird, um ihrer etliche zu gewinnen, die nichts, was anderen heilig ist, roh anfaßt und doch dabei den schmalen Weg des Schriftgehorsams nicht verläßt. Weicht nicht, kehrt nicht um, meine jungen Brüder, weil ihr die Alten noch nicht in allem versteht. Wartet mit eurem Urteil, lernt, daß wir immer noch zu lernen haben, und macht nicht zu früh einen Schlußpunkt. –
Oder hatte Markus falsche Heiligungsideen? War er zu sehr Pharisäer oder in die heutige Sprache übersetzt, zu engherziger Pietist? Konnte er es deshalb nicht tragen, daß man mit den zum Teil liberalen Juden in den Heidenländern, mit ganzen Heiden, ja mit Lasterknechten nahe zusammen kam, daß man mit Unbeschnittenen zu Tisch saß, und daß man allen diesen in Liebe von Jesu Liebe sagte? Konnte er, wie manche junge und oberflächliche Heißsporne, es nicht verstehen, daß Paulus nicht von außen anfing zu reformieren, sondern statt auf eine Reformation auf eine Regeneration, d.h. auf eine Wiedergeburt im tiefsten Innern drang? Solche falsche ungeheiligten Ideen von Heiligung, die den Menschen zur Karrikatur, die ihn unwahr in Gebärde und Tonfall, in Rede und Leben, im Denken, Tun und Lassen machen können, die einen unfähig zur Arbeit machen, sie können dahin bringen, daß man sich in einem Schmollwinkel zurückzieht; und das ist vom Uebel, auch wenn dieser Schmollwinkel eine Einsiedlerzelle, ein Gebetswinkel ist.
Oder endlich, war dem Markus die Arbeit zu reich an Schmach? Stieß er sich an der Leidens- und Kreuzesgestalt der Jüngerschaft Christi, die besonders der Missionar und Evangelist, der Kolporteur und Hausbesucher erfährt? Ja, unter den vielen tausend Christen Jerusalems einer Familie des “innersten Kreises” der “christlichen Hautevolee” anzugehören, ist etwas anderes als auf der unwirtlichen Landstraße Pamphyliens herumzustolpern, wo niemand weiß, aus wie guter Familie man stammt, was für Opfer man bringt, und wo man mit mißtrauischen Blicken empfangen wird.
Falsche Heiligungstheorien und Weltliebe, Hängen an schriftwidrigen, altehrwürdigen Frömmigkeitsformen und geistloser Pietismus, Hochmut und Leidensscheu, sie alle können die hoffnungsvollen Knospen eines jungen Christenlebens erfrieren machen, können unfähig machen zum Dienst des Herrn. O wachet, meine jungen Brüder, wachet nicht in eigener Weisheit und Kraft, sondern indem ihr nahe ans Herz Jesu flieht!
Markus wich zurück. Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht seines jungen Christenlebens. Sind wir nun am Ende des Lebensbildes des Markus angelangt? Oder kommt, nachdem er nun unfruchtbar geworden, etwa noch als letzter Akt des Trauerspiels jene Szene, wo der Herr des Weinbergs spricht: Haue ihn ab, was hindert er das Land?
O, du, der du heute dem unfruchtbaren Feigenbaum gleichst, sei es, daß du einst einen verheißungsvollen Anfang gemacht hast, sei es, daß die Sonne der Liebe Jesu deinem kalten, toten Herzen noch keinen Fruchtansatz, keine Blüte, kein grünes Blättchen entlocken konnte, Unfruchtbarer, du hast allen Grund, jetzt gespannt aufzumerken. Gilt für die Unfruchtbaren, gilt für die im Frühling Erstorbenen jene schreckliche Inschrift, die Dante über die Hölle setzte: “Gebt alle Hoffnung auf!”?
Junger Freund, ist vielleicht die Fleischeslust wie ein Meltau auf dein junges Leben gefallen, oder hat sie dich so stumpf gemacht, daß du ihretwegen nie vom Evangelium ernstlich berührt und gerührt wurdest? Oder hat ein Griff in die Portokasse es dir unmöglich gemacht, mit dieser befleckten Hand die Gnade zu ergreifen? Haben die Detektivromane, die Kinematographentheater oder Variététheater dein aufkeimendes inneres Leben erstickt? Hält dich der Ehrgeiz und die Menschenfurcht auf, ein Jünger oder doch ein Bekenner Jesu zu werden? Hat jene unselige Liebe zu einem jungen Mädchen einen Strich gemacht durch deine Pläne und Hoffnungen, in den Dienst Jesu zu treten? Hindert dich deine Familie, nachdem sie merkt, du willst ganzen Ernst machen, und du lässest dich hindern? Hast du Zweifel, weil du von Jesu weg zu Büchern solcher Leute gegangen bist, die Jesum und sein Wort nicht oder nicht recht kennen? Was immer deine Schuld, dein Unglück, dein Feind, dein Leiden sei: Willst du gesund werden, soll es zu einem neuen Frühling bei dir kommen, so brauchst du, was Markus brauchte, und was wir nun betrachten wollen:
Ein luftreinigendes Gewitter!
Hätte er doch noch ein wenig ausgehalten, der arme Markus, so hätte er sich viele selbstgemachte Leiden, viele dunkle Stunden erspart und statt dessen es miterlebt, wie in Antiochien in Pisidien “fast die ganze Stadt zusammenkam”, wie der Herr in Ikonien und Lystra sein Wort zur Bekehrung der Seelen segnete und wie die Neubekehrten sich entwickelten. Durch seine Flucht kam er um die Freude dieser Arbeit. Was Markus inzwischen getrieben hat in Jerusalem, findet der Heilige Geist nicht erzählenswert. Lorbeeren hat er nicht geerntet. Ach, und manche bittre, dunkle, schwüle und schwere Stunde mag er durchlitten haben. Manches Gebet mag er zu Gott aufgesandt haben, manchen Anlauf mag er genommen haben. Er war eben doch kein Weltmensch. Er hatte eben doch Jesum lieb! Nun war sein Inneres zerrissen. Die Stimme der Selbstanklage und der Selbstverteidigung ließ sich abwechslungsweise in seinem Herzen hören. Doch durch das alles konnte ihm nicht geholfen werden, durch all das konnte ihm nicht erspart werden, was jetzt folgte. Wir lesen Kapitel 15,37 ff.: “Barnabas aber gab Rat, daß sie mit sich nähmen Johannes mit dem Zunamen Markus; Paulus aber achtete es billig, daß sie nicht mit sich nähmen einen solchen, der von ihnen gewichen war in Pamphylien und war nicht mit ihnen gezogen zu dem Werk. Und sie kamen scharf aneinander, also daß sie von einander zogen und Barnabas zu sich nahm Markus und schiffte nach Cypern. Paulus aber wählte Silas und zog hin, der Gnade Gottes befohlen von den Brüdern.” Die letzten Worte scheinen anzudeuten, wie die Gemeinde, wie Lukas und wie der Heilige Geist, der Lukas beim Schreiben der Apostelgeschichte leitete, die Stellungnahme Pauli beurteilten.
Paulus also zog dahin als ein der Gnade Gottes Befohlener, einem neuen, gewaltigen Wendepunkt in der Reichsgottesgeschichte entgegen. Sollte doch jetzt der Augenblick kommen, wo das Evangelium von Asien hinübergetragen wurde nach Europa, das in der Zeit der Heiden der eigentliche Ausgangspunkt des Missionswerkes werden sollte. Barnabas, von dem wir nicht lesen, daß die Gemeinde ihn der Gnade Gottes samt seinem Schützling befohlen, er fuhr mit Markus gleichsam auf ein totes Gleis. Seine Arbeit, wie immer sie ausgefallen sein mag, war kein wesentliches Glied in dem Siegeszug des Evangeliums von Jerusalem, dem Mittelpunkt des Gottesreiches, nach dem Gegenpol Rom, dem Sitze der Weltmacht. Dabei mag sich noch allerlei zu Gunsten des Barnabas und zu Ungunsten Pauli mit Recht oder Unrecht sagen lassen.
Uns interessiert heute dieser Abschnitt zunächst und zumeist als ein Punkt in der Geschichte des Markus. War sein “Weichen” aus Pamphylien ein dunkler Wendepunkt in der Geschichte des jungen Jerusalemiten gewesen, jetzt wurde dieser dunkle Punkt beleuchtet. Sollte es vom Frühlingsfrost zu einem neuen Frühling kommen, so mußte ein Umschwung draußen und drinnen vor sich gehen. Ein Gewitter des Gerichts konnte ihm nicht erspart werden. Und gerade derjenige, der der beredteste Bote der Gnade war, Paulus, wurde dazu benützt, die Sünde des Markus in ein helles und grelles Licht zu rücken. “Einen solchen, der gewichen war, und der nicht mit ihnen gezogen war zu dem Werk”, nennt ihn Paulus. Mit dem Namen eines “Apostaten” belegte er ihn nach dem Griechischen, mit dem Namen eines Abtrünnigen, den nach ihm jener in der Kirchengeschichte gebrandmarkte Sohn Constantins, Julianus Apostata, trug. Wie mag Markus zusammengezuckt sein unter dem Blitz und Donnerschlag eines solchen Wortes! Wie mag es dem, vielleicht in Jerusalem etwas verhätschelten, feinen, christlichen jungen Mann wehe getan haben, solches Zeugnis seiner Dienstuntauglichkeit aus einem so berufenen, sonst so liebevollen Munde zu vernehmen! Welch ein Meer von Vorwürfen braust auf in dem Wort *”ein solcher*”* - “der nicht mitgezogen war zu dem Werk”! Zu dem Werk, das das köstlichste ist im Himmel und auf Erden, zu dem Werk der Evangelisation. Ja, das war eine Stunde des Gerichts. Wie er sich immer entschuldigt, versteckt und gedeckt haben mag in vergangenen Tagen, hier wird ihm mit wenigen klaren Worten deutlich sein Unrecht aufgezeigt und seine Strafe diktiert. Barnabas hat ihn verteidigt und die Hand über ihn gehalten. Von Markus hören wir kein Widerwort, überhaupt kein Wort.
Mein lieber Freund, solche Gerichtswege sind Gnadenwege. Gott “Übt Gnad’ auch im Gericht”. Er verlobt sich mit uns in Gerechtigkeit und Gericht. Gerechtigkeit und Gericht ist seines Stuhles Festung. Eine Gnade, die das Unrecht verhüllte, die der Gerechtigkeit nicht Genüge täte, wäre ebenso der heiligen Majestät Gottes unwürdig, als der Wahrheit widersprechend, sie könnte dem aufrichtig Bußfertigen nie genügen und ihn nie zum Frieden kommen lassen.
Es kostet uns jungen Leuten von heute gewiß ebensoviel, als es dem Markus gekostet haben mag, wenn man unsere Sünde beim wahren Namen nennt und ihr all die Lügenmäntelchen und Schönheitspflästerchen, ja gar die Märtyrermaske herunterreißt, mit denen wir und Satan und manchmal, ohne sich bewußt zu sein, wie sie uns schaden, selbst unsere Freunde, unsere Sünde entschuldigen oder gar verhüllen möchten. Aber wohl uns, wenn wir uns demütigen unter die gewaltige Hand Gottes, der es zuläßt und schickt, daß wir jetzt ins Gericht kommen, damit wir nicht dereinst samt der Welt verdammt werden. Wie schrecklich, daß wir manchmal nicht zu feige sind, zu sündigen aber nachher zu feige sind, uns dem Licht der Wahrheit auszusetzen! Je höher einer vor seinem Fehl und Fall gestanden, je näher er dem Herrn gestanden, desto schwerer wird es ihm, wie Davids Beispiel das zeigt, seiner Sünde in ihrer ganzen nackten Brutalität, als einem Unrecht gegen Gott, ins Augen zu schauen. “Aber da ich es verschweigen wollte, verschmachteten meine Gebeine. Da bekannte ich dir, Herr, meine Sünde.” O, wie wartet der Herr, wie warten oft die Brüder so sehnlich und oft so lange vergeblich darauf, daß dieser und jener sich beugt unter das Gericht der Wahrheit. Er spielt seine Vogelstraußpolitik weiter, und das Werk des Herrn und der eigene Fortschritt leiden darunter. Die Kinder Gottes und die Welt nehmen Anstoß daran, daß du einen offenkundigen Fehler nicht offen zugibst und energisch verurteilst, wie es der armselige Zöllner so herrlich getan hat. Um deiner selbst, um der Gemeinde willen, um Gottes Willen bitte ich dich: Bitte um Vergebung, wo du Unrecht getan hast, nenne das Kind beim Namen, und du bist wieder glücklich. Gott kann dich wieder segnen wie zuvor und mehr denn je. Oder du, der du noch nicht bekehrt bist, wirst glücklich, wie du noch nie warst. Sieh, es hat ja über dich und über deine Sünde in ihrem ganzen Umfang eine gründliche Auseinandersetzung zwischen Gott und deinem Mittler, deinem Stellvertreter, Bürgen und Rechtsanwalt, Jesu Christo, stattgefunden. Die Strafe für deine Sünde in ihrer ganzen Nacktheit und Bosheit lag auf ihm. Als er der Welt Sünde trug (Joh. 1,29), trug er auch die deine, ohne daß sie beschönigt oder vermindert worden wäre. Er ward ein Fluch auch für dich (Gal. 3,13). In einem vollkommenen Opfer (Ebräer 10), das ewig gilt, ist auch deine Sünde gesühnt. Mit Christo bist auch du gekreuzigt (Gal. 2,19; 6,14). Stimme dem Urteil und Gericht über deine Sünde, das in der Kreuzigung des Sohnes Gottes ausgesprochen ist, in bußfertigem Glauben zu. “So wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, daß er uns unsere Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend” (1. Joh. 1,9). Hast du das getan, dann kannst auch du über dein ferneres Leben schreiben, was wir nun über die nächste Strecke auf dem Wege des Markus schreiben:
Ein neuer Frühling.
Dahin wollte Gott mit ihm, dahin will er mit dir. O, wie können wir hier die Gnade Gottes studieren! Wenn man Mose gegen sich hat mit dem Fluch des Gesetzes, ist es schrecklich. Aber Markus hatte Paulus gegen sich, den gewaltigsten Verkündiger der Gnade; er hatte den Paulus gegen sich, der so manchen unter Moses Fluch Zusammengebrochenen schon aufgerichtet hat! Doch die Gnade Gottes ist größer als selbst ein Paulus sich denken kann, womit wir nicht behaupten wollen, daß Paulus eine Widerherstellung des Markus für den Dienst des Herrn für unmöglich gehalten habe. Wie freundlich fügt es nun der Herr, daß derselbe Paulus, der Markus einmal das Urteil gesprochen und die Strafe zudiktiert hat, einige Jahre später der dreifache Zeuge seiner Wiederherstellung wird, nämlich in Kol. 4,10 und 11, in Philemon 24 und in 2. Tim. 4,11!
Kolosser 4,10 lesen wir: “Es grüßet euch Aristarchus, mein Mitgefangener und Markus, der Neffe des Barnabas, über welchen ihr etliche Befehle empfangen habt (so er zu euch kommt, nehmet in auf), und Jesus, der da heißt Just, die aus der Beschneidung sind. Diese sind allein meine Gehilfen am Reich Gottes, die mir ein Trost geworden sind.”
Hier sehen wir zum ersten Male wieder Markus in der Gesellschaft Pauli und zwar in der Gesellschaft des gefangenen Paulus. Einerseits hat also Markus keinen Anstoß an den Banden des Paulus genommen, hat sich auch nicht in der Bitterkeit über die einst ihm durch Paulus zuteil gewordene Bestrafung von Paulus fernhalten lassen. Paulus oder ein anderer hat sich andererseits schon mit Anweisungen oder Befehlen wegen des Markus an die Kolosser gewandt, deren Beachtung ihnen Paulus nun nochmals einschärft. Paulus hat also nicht nur an seinem Urteil über Markus nicht festgehalten, sondern denselben zum Gegenstand seiner besonderen Fürsorge gemacht. Die besondere Bitte um die Aufnahme des Markus könnte darauf schließen lassen, daß bis jetzt noch Bedenken gegen denselben bestanden haben, die erst durch wiederholte und angelegentliche Anweisungen Pauli gehoben wurden; doch ist das nicht sicher.
Nun wird also auch von Markus wieder gesagt, daß er einer von Pauli Mitarbeitern und von denen sei, die Paulus ein Trost gewesen sind. Aus dem “Dienstuntauglichen” wird ein Generalstabsoffizier im Hauptquartier, der diesen Posten noch dazu mit besonderer Auszeichnung versieht. Der, der einst Gegenstand seiner besonderen Betrübnis war, ist nun sein besonderer Trost. Welch eine Wendung durch Gottes Fügung! Und nachdem er ihn im Philemonbrief, Vers 24, wie im Kolosserbrief an zweiter Stelle, vor mehreren anderen, als Mitarbeiter genannt hat, beschäftigt sich Paulus in einem Verse seines letzten Briefes zum drittenmal mit Markus, indem er schreibt, 2. Tim. 4,11: “Markus nimm zu dir und bring ihn mit dir, denn er ist mir nützlich zum Dienst.” Also ein begehrter, im Laufe der Jahre bewährter, ungern entbehrter und durch das ausdrückliche Zeugnis der Tauglichkeit zum persönlichen Dienste des Apostels geehrter Mitarbeiter ist Markus geworden. O wie oft haben mich diese Stellen getröstet! Wie oft habe ich mir und anderen gesagt: hier ist ein Mann, der einst schwach, weich, biegsam war, mit einem Worte, ein Kautschukcharakter, empfänglich für allerlei Eindrücke, wie in besonderer Weise ein großer Teil der Jugend unserer Tage. Er läßt sich drehen und kneten, wie der starke Charakter, der ihn gerade in den Händen hat, es will. Er ist begeisterungsfähig, aber nicht beständig. Und siehe da, die Gnade ist auch eine Gnade für Weidencharaktere, für Kautschukmänner, und sie werden stark durch die Gnade, sie werden nützlich für eines Apostels Dienst und werden schließlich auch durch den Kreuzes- und Schmachcharakter des Evangeliums nicht abgeschreckt, sondern bleiben treu, wenn viele andere untreu werden. Hier sind gute Aussichten für uns, meine Brüder und Freunde, und für alle die, die sich heute noch sagen müssen, daß sie Unbeständige und Feiglinge sind. Hier sind Aussichten für Rückfällige; denn der Heiland hat auch Gaben empfangen für die Abtrünnigen (Ps. 68,19). Gerade da, wo dein schwacher Punkt ist, setzt dein Heiland ein. Der Markus, der von dem freien Paulus weglief, war dem Gefangenen treu. Der in der Jugendkraft untauglich war, wurde brauchbar zum Dienst, als seine Jugendblüte dahin war. Der Petrus, der eine Magd fürchtete, wird der Ankläger und Friedensbote für Tausende an Pfingsten und nachher. Der Paulus, der ein Lästerer Jesu und ein Verfolger der Gemeinde war, wird der beredeste Verkündiger der Herrlichkeit Jesu und der Gründer der meisten Gemeinden. So wandelt die Gnade um! Und wenn du ein Herz hättest, weich wie Brei, die Schrift sagt einfach, daß das, was ein Herz fest macht, die Gnade ist (Ebr. 13,9). Sie sagt nicht, wie fest das Herz sein müsse, wie weich es sein dürfe. Sie sagt einfach, es geschehe durch Gnade. Dein Herz kennst du vielleicht zur Genüge, aber die Macht der Gnade kennst du sicher nicht, ja du hast keine Ahnung von ihr. Willst du Zwerg dir mit deinen Zwergmaßstäben die ewige Gnade ausmessen, die himmelhoch über deine Erdengedanken erhaben ist? Meinst du, Menschlein, du besonders schwaches Menschlein, daß du den rechten Begriff habest von des großen Gottes großer Gnade? Nimmermehr! Darum fasse Mut und sei nun stark, mein Sohn, nicht durch Vorsätze und Willensanstrengungen, nicht durch Begeisterung, sondern durch einfältiges Vertrauen auf die Gnade, wie du sie auch im Leben des Markus siehst (2. Tim. 2,1).
Ist dies nun der Schluß der Geschichte des Markus? Wenn ein Mensch diese Geschichte erdichtet hätte, würde er wohl jetzt befriedigt seine Feder ruhen lassen. Was die Phantasie sich auszudenken pflegt, ist erreicht: der Ungläubige und Unbewährte wird durch Niederlage und Demütigung gereinigt, wieder hergestellt, bewährt und verklärt. Aber wir sind nicht im Reich menschlicher Phantasie und Gedankenmöglichkeiten, sondern im Reich göttlicher Realitäten, im Reiche der göttlichen, unaussprechlichen Gnade. Und so müssen wir unseren Helden jedenfalls noch eine Stufe weiter begleiten. Wir haben soeben von einem neuen Frühling mit neuen Knospen, Blüten und Fruchtansätzen gehört. Wir wollen nun den nächsten Abschnitt überschreiben:
Eine köstliche Frucht.
Petrus schreibt 1. Petri 5,13: “Es grüßen euch, die samt euch auserwählt sind zu Babylon, und mein Sohn Markus.” Hier sehen wir Markus und Petrus zusammen. Das ist eine bedeutungsvolle Tatsache, so kurz diese Notiz ist. Woran erinnert sie uns? Nicht mit Blüten und Knospen sollte das Leben des Markus enden. Als sein Ruf wiederhergestellt war, als er dem ergrauten und zum Blutzeugen heranreifenden Heidenapostel bis in seine letzten Tage nützliche Dienste geleistet hatte, war sein Wirken noch nicht am Ende, ja, hatte er sein Haupttagewerk noch nicht begonnen. Die Gnade Gottes, die alles Denken übersteigt, hatte gerade dieses schwache Werkzeug noch zu Herrlicherem ausersehen. Sie hatte gezeigt, wie wir eben ausführten, daß sie gerade an dem Punkt, an dem wir am schwächsten, am gefährdetsten sind, uns helfen und heilen und vor dem Fall bewahren kann. Aber sie wollte, wenn wir sie recht verstehen, nun auch zeigen, wie sie gerade diejenige Seite in Markus, die ihm so gefährlich war, durch die er zu Fall gekommen war, so heiligen, so sich dienstbar machen kann, daß eben diese Schwachheit selbst zur Kraft wurde, daß er “aus der Schwachheit Kraft gewinnt”, daß “sich Gottes Kraft vollendet eben in der Schwachheit” (Ebr. 11,34; 2. Kor. 12,9). Die Hauptschwäche des Markus war, daß er für allerlei Eindrücke zu empfänglich und zu leicht beweglich war. Und ausgerechnet diese Seite seines Charakters macht sich die Gnade nun dienstbar. Unter dem Einfluß des Heiligen Geistes wird die geheiligte Naturanlage des Markus zu der empfindlichen Membrane, zu der zarten photographischen Platte, die Jesu Wort und Bild in einzigartiger Lebendigkeit, in farbigen Photographien mit dem Ton seiner Stimme wiedergibt. Doch diese Bilder sind unzureichend. Der zum Evangelisten gewordene Markus schafft ein lebendiges Bild von Jesu mit einzigartiger Meisterschaft, mit liebeglühendem Pinsel, dem keine Farbe zu frisch, kein Ton zu warm, keine Kleinigkeit zu geringfügig ist, um sie nicht mit liebender Treue wiederzugeben. Eine genaue Durchforschung des Markus-Evangeliums zeigt, wie richtig die Ueberlieferung ist, daß Markus sein Evangelium nach der Erzählung des Petrus niederschrieb. Wir finden die Charaktereigenschaften des Markus und Petrus wieder in der Art des Gemäldes, das Markus von Jesu entwirft (Wir müssen es uns leider versagen, hier andere Anteil nehmen zu lassen an dem Genuß und Segen, den man hat, wenn man sorgfältig Wort um Wort das Markusevangelium liest unter dem Gesichtspunkt, seine Eigenart im Vergleich mit den andern Evangelien herauszustellen und Petrus und Markus in der Art der Erzählungsweise wiederzufinden. Aber wir möchten jedem, der Sinn dafür hat, diese Arbeit empfehlen.). Markus und Petrus haben so manches Gemeinsame in Charakter und Geschichte, daß man nicht überrascht ist, daß gerade Markus, der dazu des Petrus geistlicher Sohn war, dem Petrus die Feder leihen durfte, die bei Paulus geübt worden war. Wie schön, daß Markus in Verbindung mit Petrus das Werk des Paulus ergänzen durfte, indem er in Verbindung mit Petrus das tat, was Paulus nicht konnte, nämlich ein der eigenen Anschauung entsprungenes Bild Jesu für die Heidenchristen malen. Und zwar malte er, der Jesu Gnade so besonders in seiner besonderen Schwachheit erfahren hatte, den großen Heiland so, wie Petrus ihn dem Hauptmann Cornelius schilderte, er malte ihn als den, “der umherging und wohltat”, der durch keinen noch so großen Ansturm noch so großen Elends lahmgelegt, entwaffnet und unfähig oder unwillig gemacht wurde, zu helfen. In glühenden Farben malt er den Herrn in immer wechselnder Umgebung und zeigt den tatkräftigen Römern, für die er wohl zunächst schrieb, den Löwen aus Juda als einen Heiland, dessen Lebens- und Liebesmacht in einem ununterbrochenen und unaufhaltsamen Strome von Liebestaten und Wohltaten dahinflutet. Stellt sich irgendein Hindernis diesem Strom entgegen, so dient es nicht dazu, den Strom zu hemmen oder zu dämmen, sondern nur, um ihn dazu zu bringen, daß seine gewaltigen Fluten noch höher steigen. Ist es nicht wunderbar, wie gerade Markus, der einst so schwache Jüngling, der so wenig löwenmäßiges an sich hatte, befähigt ward, Jesum als den Löwen aus Juda zu malen, und daß man gerade ihm von den vier Tierbildern stets dasjenige des Löwen zugeteilt hat? Auch sein lateinischer Name bedeutet “der Mann, der Mannhafte”; wer denkt da nicht daran, daß sein geistlicher Vater, Simon, den Namen Petrus, der Felsenmann, trug und auch diesem Namen zuerst so wenig Ehre machte? Ist es nicht auch bei Markus so, wie Paulus von sich sagt. “Es ist aber desto reicher gewesen die Gnade unseres Herrn” und weiter: “darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, auf daß an mir vornehmlich Jesus Christus erzeigete alle Gnade zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben” (1. Tim. 1,14 und 16).
So ist denn nichts in unserem Wesen, keine starke Seite und keine schwache Seite, keine Lichtseite und keine Schattenseite, keine alltägliche und keine rätselhafte, einzigartige Veranlagung, ja keine Verschlungenheit unseres Wesens, die ein Hindernis wäre für die Gnade, ja vielmehr, die nicht in der Meisterhand der Gnade zu einer besonderen Verherrlichung der Gnade diente. So, wie in mir, so wie in dir spiegelt und verherrlicht sich die Gnade in keinem andern. Sie ist das Element, in dem unsere Eigenart zur vollkommenen Entfaltung gebracht wird. Die Gnade ruht nicht in ihrem Bemühen, in uns gerade den Gottesgedanken darzustellen, den nach Gottes Liebeswillen gerade du, gerade ich, gerade jeder einzelne Errettete darstellen soll. Und unsere besonderen Schwachheiten sind keine Verlegenheiten für Jesu allmächtige Liebe, sondern Gelegenheiten. Ueber unsere Lücken baut die Gnade ihre majestätischen Brücken. Diese Gnade, sie bleibt überall und allemal Siegerin. Die Ewigkeit wird es offenbaren, wie unser Gott aus unseren Niederlagen und Demütigungen gerade so, wie aus unseren Siegen und Erhebungen, das Material zu Lobgesängen bereitet hat für den Tag, wenn “jeder seine Harfe bringt und sein besonderes Loblied singt”. Unsere Eigenart und Eigenunart, unser Elend und unsere besondere Begabung dienen dazu, daß Gottees Wesen, seine Tugenden und sein Reichtum, sich an uns in einer Weise und von einer Seite her offenbaren, wie in keinem andern. Der Gott, der sich nicht schämte, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott Davids zu heißen, schämt sich auch nicht, dein Gott zu heißen und sich in dir, wie in keinem andern, zu verherrlichen.
Blicken wir noch einmal zurück auf diesen Sieg der Gnade in Johannes Markus. Sein Name Johannes heißt ja “Jehova ist gnädig”. Zwar hat er in seinem Evangelium das Wort “Gnade” nie gebraucht. Aber ist er und sein Werk nicht ein Meisterwerk der Gnade? Wer hat da noch den Mut, sich zu fürchten, wer vermag da noch schwach zu werden im Glauben, wer bringt es da noch fertig, die Gnade dadurch zu verhöhnen, daß er sagt: ich bin zu schlecht für die Gnade; wer wagt angesichts solch seliger Tatsachen noch zu zweifeln? Wer kann, auf dem Siegesfeld der Gnade stehend, ihre Siegesmacht in Frage stellen? Wer beugt sich noch nicht und betet an? Doch wir sind noch nicht am Ende, werden aber auch nie bis ans Ende kommen; der Atem wird uns darüber ausgehen, die Zeit wird darüber vergehen und die Ewigkeiten werden darüber dahinrollen und wir werden noch immer bewundern
Das Ernten ohne Aufhören,
daß die, alle Ausdrucksfähigkeit zu schanden machende, alle Zahlen, Wort- und Zeitvorstellungen über den Haufen werfende Gnade Gottes dem Johannes Markus geschenkt hat. Gewiß: er hat sein Jesusbild gemalt, sein Evangelium geschrieben, und das war eine köstliche Frucht der Gnade. Aber eines Tages ist die Hand erstarrt, die das Evangelium schrieb, und der Mitarbeiter Pauli, der Knecht Jesu Christi, ist entschlafen, ist abgeschieden, um bei Christo zu sein. Doch sein Evangelium war nicht die letzte Frucht seines Lebens. Diese Frucht trug vielmehr den Samen ungezählter neuer Früchte in sich. Sein Evangelium hat weiter gewirkt, sein Christusbild hat weiter gewirkt. Lukas hat sein Evangelium für die gebildeten Heiden geschrieben, so wie es der feingebildete Mann der Wissenschaft, der sorgfältige, unvergleichliche Geschichtsschreiber schreibt, aber Markus hat das Evangelium für die kleinen Leute geschrieben, das man noch heute nach 2000 Jahren zuerst den Heiden in die Hand gibt. Sie sehen ihren Erretter zuerst wie Markus ihn gesehen hat, wie Markus ihn ihnen zeigt. Und unzählige Tausende und Hunderttausende gewinnen Jesum, den Heiland für das größte Elend, lieb aus des Markus Beschreibung und preisen Gott in alle Ewigkeit dafür. Und wie viele sind wieder gläubig geworden durch das Zeugnis derer, die von Markus zu Jesu geführt worden waren! Und jede dieser Bekehrungen ist ja auch wieder nur der Anfang eines ewig währenden, ewig fruchtbaren Menschenlebens, durch das Gott in Christo Jesu verherrlicht wird. Solches hat die Gnade dem Jüngling geschenkt, der einst so feige von Paulus weggelaufen. Er, der Deserteuer, ist zum Werbeoffizier geworden und hat Millionen für den himmlischen König geworben.
So, meine Brüder, hier wollen wir schließen. Mein Mund ist zu schwach, um zu sagen, was mein Herz empfindet über das, was mein schwaches Auge schaut, von den Wundern der Gnade im Leben des Markus und in den Wirkungen, die von Markus und seinem Evangelium ausgehen. Mein Auge aber, ja aller Menschen Augen, werden es kaum je ganz überschauen können, was Gott an diesem einen Mann getan hat, der keiner der ersten und größten unter den Gliedern der Urgemeinde war.
Aber das, was wir sehen, was wir ahnen und was wir empfinden können, ist es nicht geeignet, unsere Herzen zu innigem Dank und zu tiefster Anbetung zu bewegen? Ist es nicht geeignet, das zaghafteste Gemüt mit Mut zu füllen, den trägsten Bummler, der sich einen Christen nennt, zu freudigstem Eifer für Jesum aufzurütteln? Ist es nicht dazu angetan, das kälteste Herz zur dankbaren Liebe zu entflammen für einen Gott, der solche Wunder der Gnade uns vorhält, damit wir es ihm zutrauen, daß auch in uns seine Gnade ihre Wunder vollbringen wird? Meine Brüder, mit was für einer Kraft sind wir doch hier bekannt geworden und in Berührung gekommen, was für eine Liebe begegnet uns hier. Ja, unser treuer Herr Jesus hat es sich sauer werden lassen am Kreuz von Golgatha. Er hat den letzten Atemzug und den letzten Blutstropfen dahingegeben, um in schmählichster Nacktheit, in schaudervollster Gottverlassenheit am Fluchholz eines Markus Schuld zu sühnen, um die Macht der Sünde zu brechen, die einen Markus band, und um ihn nicht nur wiederherzustellen, sondern alle Möglichkeit an Herrlichkeit und Fruchtbarkeit zur Entfaltung zu bringen, die Gott nach seinem Liebesplan in den Charakter, in die ganze Veranlagung des Markus hineingelegt hatte. Aber das hat er nicht nur für Markus getan, das hat er auch für mich vollbracht, das hat er auch für dich vollbracht. Und darum, wie immer die Welt und die Sünde, wie immer die Ohnmacht und die Erbärmlichkeit in unserem Leben ihre schmählichen, entsetzlichen Triumphe bisher gefeiert haben mögen, wie lang und beschämend die Kette unserer Niederlagen, unserer Schwankungen, unserer Sündenfälle sein möge – wir blicken aufs Kreuz und von da auf das, was das Wort vom Kreuz und die Liebe des Gekreuzigten an Johannes Markus zustande gebracht. Und dieser Glaubensblick soll dazu dienen, daß wir uns sagen, wenn Gott diesen Sünder, diesen einstigen Schwächling Markus, so völlig begnadigt und gerechtgesprochen, so umgewandelt und gestärkt und sich so unaussprechlich an ihm verherrlicht hat, dann fasse ich auch Mut, dann wage auch ich Grenzenloses (Eph. 3,20) und Unmögliches (Matth. 19,26; 17,20) zu hoffen und gläubig von der Macht der Gnade zu erwarten. Dann traue auch ich meinem Herrn Jesu zu, daß er mir immer wieder und immer mehr Mut macht, Glauben wirkt, Kraft schenkt, bis auch ich als ein durch des Markus Beispiel Ermutigter ein Beleg bin für die Wahrheit, daß gerade die Schwachheit des Markus für Unzählige ein Segensquell wurde. So kann ich glauben, daß auch ich einer von denen werde, die dem Zeugnis des Markus unaussprechlichen Segen verdanken.
Ja, mein Freund, wenn auch du dieser in Markus wirksamen Gnade dich kindlich anvertraust, dann wird immer herrlicher bestätigt zum Preise Gottes, unseres Vaters, und Jesu Christi, daß wir mit Recht über dieses Lebensbild schrieben:
Johannes Markus,
ein Triumph der Gnade!