Schopf, Otto - A Vorträgle
als Nachträgle zum Geburtstägle.
(Dieses Gedicht in schwäbischer Mundart widmete der Verfasser seiner einzigen Schwester zu deren Geburtstag 1912.)
So, lieb’s Herzele, jetzt hätt’ i zu Dei’m Geburtstägle
Als Nachträgle no a klei’s Vorträgle,
Und zwar:
erschtens: über de Wert vom Lebe im allgemeine,
zweitens: über de Wert vo ganz schbeziell vom Deine!
Am A’fang wird’s no a bißle „abschtrakt“,
Noher aber „concret“, wie ma mit’m Fremdwort sagt.
D’r Wert von `nr Sach’, se hab’ was se will für’n Name,
Hängt mit vielerlei Umständ’ z’samme,
Zum Beischpiel: Mit ihrer Selteheit oder ihrem Nutze für’s allgemeine,
Dann weiter mit d’r Größe oder mit d’r Kleine,
Mit ihrer Schtärke oder mit ihrer Feine,
Mit ihrer Dauerhaftigkeit und mit ihrer Reine.
Also: dees Lebe isch wahrli lebenswert,
Dees rein isch und dees auf lang währt,
Dees wo schtark isch oder fein isch,
Dees wo selte groß oder selte klein isch,
Oder dees, wo viele was nützt und viele g’freut,
Oder dees, wo in schtiller Verborgeheit
Ganz einzig halt isch in seiner Art,
Und wie ma’s net überall gewahrt.
So viel vom „Abschtrakte“ und allgemeine,
Und jetzt zum „Concrete“, dees heißt: zum Deine!
Lege m’r a mol de Maßstab dra’
Und froge m’r, ob m’r’s lebenswert nenne ka’!
Froge m’r z’erscht: Isch Die’ Lebe rein?
En einer Art: Ja! und en einer Art: Nein!
Nein! wenn m’r’s a’guckt em G’setzeslicht,
Onser Beschtes taugt nix vor Gottes G’richt.
Aber: Ja! vom Standpunkt d’r Gnade aus,
Weil d’ Gnade tilgt alle Flecke aus!
Isch’s au fescht? Au wieder „nein!“ und „ja!“
Nein! – guckt m’r dees Mädle von außa a’;
Nein! wann m’r an’s schwache Herzle denkt,
Und wie D’ als von allerlei Schmerze bedrängt.
Aber: Ja! wann m’r denkt: en dem schwache G’fäß
Do isch dees dren und do lebt dees,
Was nach Gottes Wort `s ewig Lebe heißt,
Und was D’r g’schenkt isch durch Gottes Geischt.
Und Schtärke, i mein do d’ Lebenskraft,
Mit dere m’r wirkt und mit dere m’r schafft,
Wo m’r andre beeinflußt und d’ Feinde schlägt
Und Schätze hebt und au Laschte trägt.
Ja, do sieht’s au schlimm aus von außa g’seha!
Aber an Dir isch dees Wonder g’schäha,
Daß D’ mendeschtens a Senfkörnle Glaube hascht,
Des versetza ka au au Bergeslascht.
Für Di’ isch’s Schwachsein gar net so arg,
Denn: „wenn i schwach ben, no ben i schtark!“
So schreibt d’r Paulus und rechnet d’rbei
Mit `s Heilands Kraft, die en ehm mächtig sei.
Und so bisch D’ `n Ries’ bei all Deiner Kleinheit,
Und die onsichtbar Kraft schafft gleich au a Feinheit,
Denn `s Heilands Kraft ist mendeschdens königlich,
Und „königlich“ isch „fein“ au g’weniglich.
Und bsondere Größe, wem die beschert,
Und bsondere Kleinheit gibt au besondern Wert?
Ha no, dees isch einfach, denn was ka so klein
Und au so groß wie a richtig’s Kend Gottes sein?!
D’r Geischt Gottes, der leuchtet en d’ Herze `nein
Und no macht schnell d’ Scham und d’r Schmerz ons klein.
`s Bewußtsein onsrer Schuld und Armut und Blöße
Nemmt d’ Einbildung weg und de Hochmut und d’ Größe,
Und mehr no als all dees macht d’ Gnade ons klein;
M’r frogt: Herr, worum i grad dein Kend darf sein?
Worum überschütt’scht mi mit deiner Huld,
Und heilscht meine Schäde und vergibscht m’r mei Schuld?
Und wer isch groß, wann net groß isch a Chrischt,
Dem `s Höchschte uf Erde no z’niedrig ischt,
Dem d’ Welt net groß g’nug zum Heim und zum Haus,
Dem alle Welte `s Herz füllet net aus?
Isch der net groß, dem nach „Ewigkeit“
Sein Herz so verlangt und sein Seel’ so schreit?
Dem bloß d’s Göttliche sein Herz recht füllt,
Dem `s Göttliche bloß sein’ Hunger stillt?
Dem sei Geischt z’rückwandert viel tausend Jahr,
Bis zu’r Zeit, wo d’ Welt no net war?
Der `naus denkt über de jetzig Welt,
Der nach „Ewigkeiten“ sei’ Zukunft zählt?
Isch der net groß, den d’r große Gott
Sein Kend heißt, aller Welt zum Schpott,
Den d’r Heiland „Bruder“ heißt, ohne sich z’schäme,
Und den er mit uf sein Thron will nehme?
Isch der net groß, dem d’r heilig Geit –
Der selber die Tiefen d’r Gottheit weist –
Aufschließt de großen Gottesgedanke?
M’r ka ja bloß schtaune und lobe und danke!
Und so a Mnesch – ka m’r jetzt no frage?
Muß m’r net fürchte, a Dummheit z’sage? –
Und so a Mensch von der Größ und der Kleinheit,
Von so `ner Stärke und so `ner Feinheit,
Und von so `ner aus Gnade em g’schenkten Reinheit:
Isch der au a Nutze für d’ Allgemeinheit?
Do braucht m’r nis z’sage, so viel m’r au hätt,
Weil dees sich halt ganz von selber verschteht.
Als d’s Letzte bleibt no was Extras vorz’trage,
Nämlich ebbes über d’ Selteheit, B’sonderheit z’sage,
Ueber dees i gern schtundelang spräch und gern schriebe,
Weil en dem Punkt sich bsonders halt zeigt Gottes Liebe!
Dees hat d’r lieb Gott halt bsonders schön g’macht,
Und hat sich’s ganz besonders lieb ausdacht,
Daß jeder soll habe sei bsonders Plätzle,
Sei bsonders Gesetzle und bsonders Sätzle,
Sei bsonders Wegle, um Friede z’finde,
Seine bsondere Schwierigkeite zum überwinde,
Sei bsonders Köpfle, sei bsonders Gsichtle,
Sei bsonders Gschäftle, sei bsonders Gschichtle,
Sei bsonders Kreuzle für Ihn zum trage,
Sei bsondere Botschaft für andere z’sage,
Sei bsonders Opfer, dees er darf bringe,
Sei bsonders Loblied, um’s Ihm zu sinde,
So daß jeder net bloß isch a Selteheit,
Nein, daß au in aller Welt und Zeit –
Es mag no sei, was es au sei –
Ganz Tiefelegleiche gibt’s keine zwei.
Nein, jeder isch einzig en seiner Art,
Daß m’r bei Gott kei Schablone gewahrt;
Jeder isch a Kunscht- und a Meischterwerk,
Dees d’r Geischt d’r Wahrheit und Gnad und Schtärkt
Hat gmacht zum a bsondere Heiligtum,
Zum a einzigartige Gottesruhm,
Und deswege isch jedes Lebe bsonder,
Und jedes isch wertvoll und jedes a Wonder.
Wenn bloß `s Lebe `m Heiland g’hört,
No isch’s scho selte und köschtlich und lebenswert,
No bingt’s au Früchte nach seiner Art,
So wie’s em grad vom Vater g’wiese ward.
Und so isch au Deins und drum isch’s ebe
So anders als alle andere Lebe;
`s hat sei bsonders G’heimnis, sein bsondern Platz,
Sein bsondern Sege, sein bsondern Schatz,
Net bloß, weil i und no eine und no a paar andern,
Die mit ons z’samme durch’s Lebe wandern,
Di brauche und lieb hent, isch’s lebenswert, -
Di brauche und lieb hent, isch’s lebenswert, -
Nein, weil’s so, wie `s halt isch, Die’m Heiland g’hört!