Schlatter, Anna - Einige Mutterworte in Gottfrieds Reisetasche

Schlatter, Anna - Einige Mutterworte in Gottfrieds Reisetasche

Vorwort an christliche Mütter.

Es gibt Gottlob in und außer unserm Vaterlande christliche Mütter, ja recht christliche Mütter, und diese haben dann mit der erflehten Gotteshülfe christliche Kinder erzogen. In diesen Mütterhänden möchte ich dies Büchlein wissen, auf daß sie es in die Hände ihrer in die Fremde gehenden Söhne legen könnten, denn es trägt wohl manche Mutter in ihrem Herzen die Gesinnungen und Gefühle dieser auf das Heil ihrer Kinder so sehr besorgt gewesenen Mutter, aber sie können es nicht so aussprechen, mancher auch fehlt es an Zeit und Gelegenheit, sie werden mir also Dank wissen, daß ich um die Erlaubniß gebeten, dies Büchlein drucken zu lassen. Ich hoffe mit Zuversicht, es sei nicht umsonst durch die freundliche Liebe der Schwester des gut gerathenen Sohnes, für welchen es (von einer der besten, trefflichsten unter den Müttern) geschrieben ward, in meine Hände gekommen; es werde vielmehr manchen christlichen Jüngling zum Segen werden, und dieser Hoffnung freut sich innigst

die Herausgeberin.

Einige Mutterworte in Gottfrieds Reisetasche

Du gehst in die Fremde, mein lieber Gottfried! So sprechen Vater und Mutter, Geschwister und Freunde, und das Wort „in die Fremde“ faßt etwas in sich, das die Herzen aller, die dich lieben, mit einer stillen Wehmuth erfüllt. Auch dir wird es ernst und nicht ganz lustig zu Muthe seyn, wenn du jetzt dies Büchlein - getrennt von Vater und Mutter, Vaterhause und Vaterstadt in einer stillen Stunde in die Hand nimmst, und die Handschrift der Mutter erblickst, die dich vor Kurzem zum letztenmal für einige Zeit, ach vielleicht zum letztenmal für dieses Leben an ihr Herz drückte.

Es ist recht, wenn es dir feierlich zu Muthe ist, selbst eine Thräne im Auge würde in dieser Stunde dir keine Schande machen, denn wir Menschenkinder haben auf Erden nur ein Vaterhaus, so wie auch nur ein Elternpaar, und so viel Schönes und Gutes Gottes Hand und anderwärts finden läßt, was wir in diesem Hause hatten und genossen, und an diesen Eltern, - das finden wir so sonst nirgends! Undankbar ist der Sohn, welcher nicht mit Liebe, Freude und Dankbarkeit zurück denkt an den Ort, wo ihm Gott sein Leben durch gute Eltern, und der Gaben unzählige in ihnen und durch sie gab. Undankbar ist der Sohn, der nicht eine Vorliebe für seine Eltern behält, die die ersten Beschützer und Leiter seiner Kindheit waren, und für die Geschwister, welche dies alles mit ihm gemein hatten. Dich, mein Lieber! halte ich nicht für einen solchen Undankbaren; ich weiß, wir werden deinem Herzen unvergeblich und theuer bleiben, und es wird nicht nöthig seyn, dir die ersten Tage deiner Trennung von uns, durch Ermahnungen wichtig zu machen, lieber will ich zu deiner und meiner Ermunterung, die leichte Seite des „in die Fremdegehens“ aufsuchen.

Warst du wohl bisher daheim mein Lieber? Sind wir nicht alle in der Fremde?

Unser Vaterland ist im Himmel, sagt uns die liebe heilige Bibel, und Christus selbst „verspricht uns“ im Vaterhause unsere Stätte zu bereiten (Joh. 14,2). Wir fühlen es ja tief in unserer Brust, daß diese Erde nicht unser wahres Vaterland ist, und treibt uns immer von hinnen, erinnert uns, etwas zu suchen, was nicht vergehen kann, wenn all dies, was wir um uns verwelken sehen, vergangen seyn wird. Darum sind wir Alle, die wir noch nicht bei unserm Vater, Gott, zu Hause sind, „in der Fremde,“ und darum scheint es nicht so wichtig, ob wir in Berlin oder London, in Frankreich oder Deutschland, ja ob wir in Europa oder einem andern Theile dieser Erde wohnen, denn überall sind wir im Vaterhause, und überall ist die Erde des HErrn, von Ihm uns zum Wohnsitze gegeben.

Auf diesem Wohnsitze ordnet Er - wie die Schrift sagt: „jedem Menschen, so wie jedem Volke den Platz und die Grenze an, wie Lange, wo, und wie weit sie wohnen sollen.“ - Auch dir hat Er die Plätzchen alle ausgemessen, die du bewohnen, und die Zeiten bestimmt, wie lange du sie bewohnen sollst. Du hast nun einen Beruf, wie ich hoffe - vor Gott, und mit Nachdenken über dessen mehr oder minder große Wichtigkeit gewählt, (denn ein jeder Beruf, er scheine auch noch so gering zu seyn, hat eine ernste Seite) und dieser dein Beruf fordert dich auf, deine Ausbildung für denselben jetzt in der Fremde zu suchen. Du gehest also mit und nach Gottes Willen in die Fremde; darum rufe ich dir zu: Sey getrost, mein Sohn! Gott wird mit dir seyn! Wenn du bleibest bei deinem Gott, wenn du unter seinen Augen wandelst, und dein Herz an sein Vaterherz Alles niederlegt, was du thun und lassen willst, was dir Frohes oder Schweres begegnet, was du bedarfst und genießest; wenn du im Geiste Alles von Ihm empfängst und Ihm wieder darbringst, so bist du, deinem innern Menschen nach, gar nicht in der Fremde, sondern recht zu Hause, weil du beim Vater bist! Wo unser Vater ist, da ist ja unsere Heimath! Unser Vater aber ist nie in der Fremde, denn Himmel und Erde und alle Räume des ganzen Weltalls sind Sein! und durch diesen inneren verborgenen Umgang mit dem Vater, durch dies Wandern vor Ihm, bereitest du dich am besten vor, alsdann, wenn Er dir ruft, mit deinem ganzen Wesen zu Ihm heim zu gehen, und diese Fremde auf immer zu verlassen! - Er helfe dir jetzt selbst durch seinen Geist zu dieser Vorbereitung, und dann hernach zu diesem Heimgehen!

Es liegt meinem dich so innig liebenden Mutterherzen Alles daran, daß die Gnade des himmlischen Vaters dir durch den Geist Jesu Christi dazu helfen möge, immerdar vor Gottes Augen zu wandeln! Mit der Erfüllung dieses Wunsches sind alle meine Wünsche für dich erreicht, alle meine Sorgen um dich weggenommen; denn vor Gottes Auge kannst und wirst du nie etwas Böses thun, vor Gottes Auge wirst du stets und gern das Gute, was Er liebt, vollbringen, und unter Seinen Blicken wird dir immer wohl seyn; darum will ich dir helfen bitten um diesen besten göttlichen Segen.

Dein irdisches Schicksal, dem äußern Menschen nach, liegt mir lange nicht so schwer und angelegen auf der Seele, wie dein Wandel vor Gott! - Wer am ersten trachtet nach Gottes Reich (und dieses ist, wie Christus lehrt, inwendig in uns) und nach der Gerechtigkeit Christi, die uns allein vor Gott bestehen hilft, und alle unsere Sünde und Ungerechtigkeit bedecket; wer, sage ich mit der Schrift, diesen zwei Stücken nachtrachtet, Gott und seiner Gerechtigkeit, dem wird das Uebrige hinzugethan, was er für des Leibes Nothdurft bedarf. Verstehe nur die Sache recht, damit ist nicht gesagt: „es falle ihm dann jedes Bedürfniß von selbst, ohne Arbeit zu.“ - Aber damit ist gesagt: ein solcher Mensch, welcher zuerst und vorzüglich nach Gottes Reich und Gerechtigkeit trachtet - der wird das rechte Maß in allem treffen, der wird arbeiten mit Treue und Weisheit, als vor Gott, der wird um Segen bitten zu jeder Arbeit und Segen empfangen zu jeder, der wird um Bewahrung vor Gefahr und Abwendung des Schadens und unweiser Unternehmungen ebenfalls Den bitten, der aller Dinge Lauf in Seinen Händen hat, und dadurch wird er mehr als jeder Nichtbetende den Schutz, die Leitung und Bewahrung seines Gottes erfahren. daß dir dieser so verachtete Glaube an die Wahrheit jedes Ausspruchs geschenkt werden möge! Mit diesem Glauben wäre dir alles geschenkt. Denn in jedem Falle deines zukünftigen Lebens würde dir die reiche Bibel den Weg zeigen, welcher der beste, glücklichste Weg für dich seyn würde. - Heute und jeden Tag ruft sie dir zu: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz! und laß deinen Augen meine Wege wohlgefallen!“ ruft dir zu: „Ich will dich mit meinen Augen leiten!“ - ruft dir zu: „Ohne mich kannst du nichts thun.“ So hast du in dem ersten Zurufe die Weisung: was du zu thun hast - in dem zweiten, den Trost, wenn es dunkel um dich ist -in dem dritten, die Lehre, daß du nichts kannst, dein Gott aber alles vermag. Also schon ein tägliches Brod für deinen ganzen Menschen in diesen drei Worten der heiligen Schrift. Ich bleibe immer gerne bei der Grundlehre stehen, weise meine Kinder immer gerne auf das Legen eines guten Fundamentes, wenn sie im Begriffe stehen ein neues Gebäude anzufangen: Darum enthält auch dies Büchlein für dich in der Fremde nur solche Grundlehren.

Jeder Tag, mein Lieber, wird für dich auch seine eigene Plage und seine eigene Lehre mit sich bringen, denn du stehst ja noch in doppeltem Sinne in der Lehrzeit! Mache nur nie ein saures Gesicht, wenn er auf Gottes Geheiß die neue Lehren bringt, die du bisher noch nie gelernt hast; diese neuen Lehren sollen das Glück deines Lebens gründen helfen. Mit den Menschen, der Lage, den Geschäften in deiner Vaterstadt, warest du nun so ziemlich bekannt, weniger Neues hättest du daselbst lernen können, als du, wie ich hoffe, durch deine Versetzung an einen fremden Ort lernen kannst. Dazu nun beglückwünsche ich dich; denn in dieser Zeit, wo unser ewige Geist in seine körperliche Wohnung für eine kleine Weile eingeschlossen ist - ist die Lehre das Köstlichste, Wünschenswertheste und Beste, was wir gewinnen können, und der Mensch verläßt den Schauplatz dieses Lebens am reichsten, der am meisten gelernt hat. Freilich kommt es hauptsächlich auf das an, was wir lernen, wir können unsere Lebenszeit unter dem Lernen nützlicher oder unnützer Dinge verlieren. Vor Letzterem bewahre dich Gott! Gott und seinen Sohn Jesum Christum recht erkennen lernen, ist hier schon Anfang des ewigen Lebens, also die erste Hauptlehre; hernach den Zweck unsers jetzigen Lebens ganz und recht zu lernen, ist, wie mich dünkt, eine Aufgabe für unser ganzes Leben. O selig ist der Mensch, der in jeder Stunde den Zweck und Werth dieser Stunde vor Augen hat - denn sie kann für ihn eine Quelle werden, aus welcher er in Ewigkeit Freude schöpfen kann. Glücklich bist du, mein Sohn! wenn du jeden Gegenstand, der dir begegnet, jeden Menschen, mit dem du in Verkehr kommst, als einen Gegenstand betrachtest, der dich etwas Lehren kann, von dem du etwas lernen sollst.

Ich betrachte die Fremde, mit allen ihren Gefahren und Versuchungen nicht mit größerer Aengstlichkeit für dich als deine Vaterstadt. Denn in dir selbst liegt die Quelle alles Uebels, und in dir selbst, durch Gottes Gnade, die Quelle alles Guten. Wirst du gegründet und recht fest stehen auf dem einzigen Grunde und Anker aller menschlichen Tugend und Güte, auf Jesum Christum, den Anfänger und Vollender auch deines Glaubens - wird dein ganzes Gemüth an Ihm sich festhalten, so wird Er dich schützen, daß kein Mensch, wie schlecht und böse er auch seyn möchte, dich schlecht oder unglücklich machen könnte. Gestützt auf Christum, deinen Helfer und Heiland, dein einziges Vorbild in jeder Lage deines Lebens, wird dir vielmehr der böseste, drückendste Mensch zum Segen, zur Lehre werden können, wenn er, ohne daß du ihn aufgesucht, mit dir in Verbindung kommt; drücken, plagen, dir das Leben sauer machen, können böse, verkehrte Menschen, - aber unglücklich und selbst böse kann dich keiner machen, wenn du nicht willst. Wenn sie dich kränken, deine Geduld und Sanftmuth üben - oder dich reizen, und deine Wachsamkeit und Gebet wecken, so helfen sie dir nur zur Erlernung solcher Tugenden, deren Werth noch im Himmelreich geltend ist. Es kommt also nicht darauf für dich an, was und wie andere Menschen sind, aber darauf, was du bist. Von dir erwartet man nun, daß du, ein Sohn christlicher Eltern, nach evangelischer Lehre erzogen - dieselbe mit deinem Leben in allen Stücken zieren werdest.

Meine größte Freude und Hoffnung für dich besteht darin, daß du nicht deiner selbst bist, sondern ganz und gar abhängig von deinem Gott und himmlischen Vater, welcher den ganzen Gang deines Lebens in Seiner weisen, liebevollen Leitung hat. So wenig die Pflanze, von welcher wir die Schönheit oder den lieblichen Geruch bewundern, oder das Insekt, dessen wundervollen Bau wir betrachten, sich selbst so künstlich und schön bilden, sich selbst den Platz auswählen konnte, auf welchem es aufwachsen und leben wollte, oder sich selbst seine Schönheit und Künstlichkeit gab, so wenig bist du Herr über den Gang deines äußern Schicksals. Du kannst wählen mit deinem freien Willen Gutes oder Böses; und Gottes Wort, wie deine Vernunft, sagen dir: die Wahl des Guten bringet gute Früchte und Folgen, die Wahl des Bösen aber, böse hervor. Allein den ganzen Erfolg deiner Wahl und deiner Thaten, kannst du weder übersehen noch leiten; den leitet Gott, und Der belohnt mit unaussprechlicher Liebe jede Selbstüberwindung, jeden Gehorsam gegen seinen Willen, jedes ihm geschenkte Vertrauen aus lauter Barmherzigkeit. Der bestraft mit großem Ernst jedes Entgegenstreben gegen seinen Willen, jedes Verachten seiner Befehle. - Vorzüglich bewähret sich der Ausspruch Jesu, unsers HErrn und Meisters (Matth. 10,39. 16,25., Markus 8,36.), wo Er sagt: „Wer sein Leben (seine Lust, Ehre, Nutzen) sucht, der wirds verlieren, wer es aber verlieret um meinetwillen, der wirds finden. - Ich sah dies göttliche Wort schon unzählige Male in Erfüllung gehen an solchen, die sich selber in Allem, oder doch in diesem und jenem suchten, was sie unternahmen, und die den Zweck, welchen sie zu erreichen suchten, nicht fanden, das Gut, welches sie zu gewinnen hofften, verloren.

Ich sah andere, die nicht sich selbst, sondern Gott und ihren Nächsten - Gottes Ehre und der Menschen Heil suchten, und darüber vieles, ja alles was sie besaßen auf's Spiel setzten, und die doch dabei nichts verloren, sondern gewannen noch in diesem Leben, und zwar bessere Güter, als die aus reiner Liebe geopferten.

Möchtest auch du, mein Sohn! jetzt schon von diesem Geiste der Liebe beseelt, dein Leben unter fremden Menschen beginnen, so wüßte ich, daß dein Gewinn groß wäre! Du würdest deine Principalen, Lehrherrn, Freunde, Hausgenossen, deine Mitarbeiter und ihr Wohl zu Gegenständen deines Fleißes, deiner Treue und deiner aufopfernden Liebe machen; du würdest oft deine Wünsche den Ihrigen aufopfern, wo dies geschehen könnte; damit würdest du die Liebe Aller erwerben, und den Beifall Gottes dazu, damit würdest du deinem HErrn und Meister nachfolgen, welcher sein Leben für seine Feinde ließ, und durch seinen Jünger Johannes uns auffordern läßt, das Leben für die Brüder zu lassen. 1 Joh. 3,16. Zwar gibt es für jeden Christen Fälle im Leben und es kann auch in deinem Leben oft Fälle geben, Gottfried, wo durchaus das Verlangen, die Wünsche anderer Menschen nicht erfüllt werden dürfen - wo das Wort gilt: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen;“ wo dem Verführer oder der Verführerin ins Gesicht gesagt werden muß: „Gehe hinter mich, Satan!“ In diesen Fällen, welche dein Gewissen und das göttliche Wort dir als Anlässe zur Sünde sogleich entdecken werden, bitte ich dich lieber alle Menschengunst zu verlieren, als den Beifall und die Liebe Gottes. Menschen können dir nicht helfen, wo der von dir aus den Augen gesetzte Gott gegen dich ist - und Menschen können dir nicht schaden, wenn Er dich segnen will! Menschliche Macht erstreckt sich nur auf deinen gebrechlichen Leib. Gottes Macht waltet aber über dir von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er, der aus Liebe für dich am Kreuze starb, um dich von jeder Sünde zu erlösen, gebietet dir ernstlich, in keine Sünde zu willigen; und alles was den Blick seines heiligen Auges nicht ertragen mag, was den Gedanken an den Tod schwer und furchtbar macht, ist Sünde; davor fliehe, fliehe mein Sohn!

Grobe und feine Anlässe genug werden in dir und außer dir sich darbieten zur Sünde darum wache und bete! Ich kann sie dir nicht nennen, kann dich nicht spezieller davor warnen, aber wenn du jeden Tag dich hingibst Gott, deinem Vater und Erlöser, so streitet Er für dich und sieget in dir. Der Glaube an Seine Nähe und Seine Liebe ist der Sieg, welcher die Welt überwindet, Sein Wort dein Schwert, Sein Geist dein Führer!

Deine Liebe zu den Wissenschaften wird wohl in dir das Verlangen wecken, die Werke der Natur kennen zu lernen, und dies Verlangen könnte eine Leiter werden, auf welcher du emporsteigest zu dem großen, weisen, mächtigen, liebenden Schöpfer, Regierer und Erhalter derselben. Ist Er ja so groß, so mannigfaltig, in Blumen und Insekten, in Thieren und Mineralien, wie groß, wie herrlich ist Er erst in den Geistern der Menschen, die Er zu seinem Bilde erschuf. (Da, mein Sohn, muß ich eine Erinnerung beifügen, an etwas, was ich dir und deinen Geschwistern so oft sagte, und die Bitte an dein Herz legen, nie leichtsinnig oder um deine unnütze Neugierde zu befriedigen, ein Geschöpf zu quälen, ihm unnützer Weise sein Leben, das einzige was es hat, zur Qual zu machen oder zu nehmen. Gott ließ es werden, dies sey dir genug, um seiner zu schonen, mit Barmherzigkeit es zu behandeln, und selbst das Schädliche nicht zur Lust zu tödten.) Und wie über allen Ausdruck ist der HErr groß und liebenswürdig in sich selber, (nicht nur in der Natur und in der unendlichen Mannigfaltigkeit im Großen und Kleinen seiner Werke) nämlich in der Person Jesu Christi! Darum, mein lieber Gottfried, lasse dich nicht so sehr einnehmen von der Liebe zu den Schönheiten und Liebenswürdigkeiten anziehender Geschöpfe oder Naturprodukten, daß du, (was aber beinahe unbegreiflich ist) ihres Schöpfers darüber vergäßest, dann hättest du den Kern weggeworfen, und die Schale behalten. Darum vergiß auch hierin nie den höchsten Zweck über den kleinern, noch weniger den Zweck über dem Mittel.

O mein Theurer! was kann ein volles Mutterherz einem scheidenden geliebten Sohne auf solche Blättchen schreiben? Es ist Alles wie Nichts gegen das, was ich dir sagen möchte, zu sagen für nöthig hielte! - Allein wenn ich noch zehn Mal schriebe, könnte ich doch mein Herz nicht auf Papier bringen, darum will ich mich nur an deinen unsichtbaren Begleiter wenden und Ihn bitten, dir von Stunde zu Stunde die nöthigen Lehren, Warnungen, Ermahnungen, Tröstungen zu Theil werden lassen. Gehe ich heim, zu deinem und meinem Gott und Vater, ehe ich dich wieder sehe, so werde ich dann noch kräftiger für dich beten können, und Gebet ist das beste, was Eltern an ihre Kinder wenden können. Unseres Heilandes Treue wird mit mehr als mütterlicher Liebe dich überall hinbegleiten, dieser lege ich dich in die Arme. Sie helfe dir dazu, daß dein Ausgang in die Fremde dich dem himmlischen Vaterlande näher bringe. Sie hat ihre Boten und Wächter überall an jedem Wege, die Geisterwelt umgibt uns gewiß näher, als die Körperwelt; allein wir sinnliche Menschen sind so schwach und gebunden, daß wir nicht durchzudringen vermögen vom Sichtbaren ins Unsichtbare. Lasse nur das Wort Gottes dein Leuchter seyn, und ein Licht auf deinen Wegen. Wunder über Wunder umgeben uns in der körperlichen wie in der geistigen Welt. Darum kann und im natürlichen Leben nur der Glaube helfen, wo die Vernunft nicht sieht, um so mehr im geistigen Leben. Ich vertraue Gott und dem Worte Seiner Gnade, ich werde dich dann, wenn das Sterbliche wird angezogen haben die Unsterblichkeit, mit hoher Freude wieder sehen. An das schreckliche Gegentheil, daß ich dich nicht wieder sehen sollte unter den seligen Kindern Gottes, mag ich gar nicht gedenken. Mag es dir in der Welt gehen wie Gott will, wenn du nur auf ewig selig wirst durch unsern HErrn Jesum Christum!

Wenn es dir selbst um die große Hauptsache des Seligwerdens zu thun ist, so wirst du alle dazu führenden Mittel, als: Gebet um den heiligen Geist des Glaubens, Lesen des göttlichen Wortes, Besuch evangelischer Predigten, Genuß des heiligen Abendmahls, Umgang mit christlich denkenden und handelnden Menschen, so viel Gott Anlaß dazu schenken wird, treu benützen - denn wer hungert, sucht Speise! Hast du keinen Ernst zum Seligwerden, so würden auch meine Ermahnungen zur Benutzung der Mittel nicht von dir gehört werden. Unser HErr und Heiland erleuchte dich selbst immer mehr über den verlornen Zustand deines Herzens ohne Ihn. Dann weiß dich, wo du immer seyn magst, auf gutem und richtigem Wege, deine dich auf Christi Seele legende treue Mutter.

Kann auch ein Weib ihres Kindes vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie sein auch vergäße, so will Ich doch dein nicht vergessen, spricht der HErr dein Erbarmer. Amen!

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