Schlatter, Adolf - Der erste Brief des Johannes. - Kap. 5,13-21. Die Hauptwahrheiten, bei denen die Gemeinde zu bleiben hat.

Schlatter, Adolf - Der erste Brief des Johannes. - Kap. 5,13-21. Die Hauptwahrheiten, bei denen die Gemeinde zu bleiben hat.

Johannes stellt zum Schluss die Hauptsätze zusammen, welche der Gemeinde ihren Weg zeigen im Unterschied von der Welt und von jeder Verführung in ihrer eigenen Mitte. Das schrieb ich euch dazu, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, V. 13.

Gewiss sein sollen wir des ewigen Lebens. Das ist das Geschenk des Evangeliums, dass wir wissen, dass wir nicht der Raub des Todes sind, sondern ewiges Leben empfangen haben. Damit erst kommt die Lust und die Freude und der Dank in unsere irdische Existenz hinein. Ihr habt es, sagt Johannes; es ist euer. Gott hat es zu euerm Eigentum gemacht. Wer hat es? Die, welche an den Namen des Sohnes Gottes glauben. Wer Jesus den Sohn Gottes nennen kann, fröhlich und fest, ohne Künstelei und Zweifel, so dass es Überzeugung in ihm ist und Wahrheit, der hat das ewige Leben. Glaube an ihn ist Besitz desselben. Dazu schrieb Johannes seinen Brief. Er wollte die Gemeinde bei Jesus festhalten, ihr die Kunst des Glaubens an ihn zeigen und ihr deutlich machen, dass sie mit demselben das höchste Gut und vollkommene Geschenk empfangen hat, das ewige Leben. Dann wird sie sich durch nichts zur Geringschätzung Christi verleiten lassen und zur Unlust, ihm zu dienen, sondern wird bei ihm bleiben mit jenem geraden Ernst, der aus dem Bleiben bei ihm all das schöpft und gewinnt, was uns unser Brief als dessen Merkmal und Bewährung vorgehalten hat.

Der Glaube an ihn ist mit Freudigkeit zu Gott verbunden und macht uns dadurch zum Beten fähig und geschickt. Das ist ein weiteres Hauptstück des Christenstands und macht den Beruf der Gemeinde aus. Die Freudigkeit entspringt daraus, dass er uns hört, wenn wir etwas nach seinem Willen bitten, V. 14. Die Gemeinde weiß, dass Gottes Ohr ihr offen steht für alles, was seinem Willen angemessen ist. Gegen den Willen Gottes kann sie niemals beten. Ihr erstes Begehren geht darauf, dass Gottes Wille geschehe. In ihm hat sie die Regel, die ihre Wünsche führt und begrenzt. Welch weiter Raum ist ihr aber damit gegeben zu unendlich vielen und großen Bitten! Gottes gnädiger Wille teilt uns einen unendlichen Schatz von Gütern, von Lust und Leben zu und in diesen Reichtum darf sie bittend hineingreifen, darf ihr Verlangen auf denselben richten mit ernster Bitte und ist hierbei sicher, stets Gehör zu finden. Es bedarf für sie nicht mehr als Gottes Gehör. Wir wissen, dass er uns hört; also wissen wir auch, dass wir das Erbetene haben. Hört uns Gott, so haben wir's. Am erstern ist kein Zweifel, darum auch am letztern nicht. Wir haben es, sagt Johannes, und zeigt uns auch hier des Glaubens Art, der keine Zerspaltung in sich trägt und Gottes Güte nicht halb, sondern ganz bejaht. Er bricht die Zuversicht im Gebet durch keine Bedingung, sagt nicht einmal: wir werden es erhalten, sondern: wir haben es. Vielleicht geht es noch durch langes Warten und mancherlei Wendungen hindurch, bis das von unsrem Gebet begehrte Ziel erreicht und vollendet ist. Aber Johannes wartet gern, lässt sich auch seltsame Fügungen Gottes wohlgefallen. Denn er weiß: ich habe es dennoch; das Erbetene ist jetzt schon mein; ihn habe ich darum gebeten, der mich gehört hat und den niemand. umsonst gebeten hat.

Der wichtigste Gebrauch, den die Gemeinde vom Gebet zu machen hat, ist der, dass sie es als Waffe und Schutzwehr gegen die Sünde benützen darf. Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, nicht zum Tode, so wird er bitten, nicht schelten wird er, und die Liebe sterben lassen und den Sündigenden sich selbst und Gottes Gericht anheimgeben, sondern bitten, und Gott wird ihm Leben geben. So hat uns auch Jakobus die Gemeinde beschrieben als eine zur gemeinsamen Überwindung des Bösen verbundene Genossenschaft, die durch ihr Gebet die Folgen der Sünde hemmt, die göttliche Vergebung erlangt und die Aufrichtung des Fallenden bewirkt. Hier ist allerdings die Verheißung, die Johannes uns geben darf, nicht unbegrenzt. Sie gilt denen, die nicht zum Tode sündigen, nicht so sündigen, dass sie sich selbst den Tod bereiten, als das Ende, welches Gottes Urteil und Gericht ihrer Sünde zugemessen hat. Die Gemeinde darf nicht hoffen, sie könne jeden Fall verhüten, alles Böse unschädlich machen und jedem helfen, dass er sich nicht verderbe und dem Tod verkaufe. Es gibt Tiefen der Bosheit, die nicht vergeben werden, sondern dem Gericht Gottes anheimfallen. Hier soll auch unser Gebet sich zurückhalten. Denn wir sollen nicht vergeblich bitten, nicht da beten, wo der Wille Gottes wider uns ist. Für Sünden, die Gott richten will, können wir nicht Verzeihung suchen. Wir können nur so lange bitten, als der Sündigende noch im Bereich der Gnade steht. So lange ist er noch nicht tot, sondern hat in der Gnade das, was ihn lebendig macht; dann dürfen wir ihm unser Gebet als unsere Hilfe schenken, dass es ihn in derselben erhalte. Wenn er aber für sich diese unwirksam gemacht und verloren hat, sollen wir uns stille unter Gottes Urteil beugen und seine Gerechtigkeit ehren und in der Furcht Gottes bedenken, dass zwischen Gott und dem Bösen der unvereinbare Widerstreit besteht, der Gottes Gericht notwendig macht.

Es gibt Sünde zum Tode; wir können uns verderben, das ewige Leben verlieren, hinunterfallen in das satanische Reich. Das ist die Gefahr, die am menschlichen Leben und Wesen haftet und die nicht nur Johannes bezeugt, sondern von der das ganze apostolische Wort redet; denn es kehrt bei allen Aposteln wieder, dass neben denen, die errettet werden, die stehen, welche verloren sind. Verloren sind sie deshalb, weil sie zum Tode sündigten. Verlorenheit ist Tod und er kommt über uns nicht anders als durch das Sündigen. Jedes Unrecht ist Sünde. Wir sollen die scharfe und klare Empfindung für die Bosheit und Verwerflichkeit jedes Unrechts behalten, sollen keine Ungerechtigkeit leicht nehmen, da sie ja unter der Gnade stehe, und jede Verlegung der göttlichen Ordnung und Gerechtigkeit ernstlich meiden. Aber nicht jedes Unrecht ist Sünde zum Tod und macht uns der Hilfe und Verzeihung unfähig, sonst wären wir alle unrettbar tot; sondern es gibt Sünde nicht zum Tod, von der wir durch Gottes Verzeihung befreit werden. Ein Kennzeichen, woran man es in allen Fällen sicher merkt, ob der Fall eines andern tödlich und unaufhebbar sei, oder Gottes Verzeihen ihn noch heilen will, kann uns Johannes nicht geben und kein Mensch kann es.

Das ist das Geheimnis der göttlichen Regierung und Rechtsverwaltung, das wir nicht nach unsern Regeln bestimmen und aufklären können. Je unmittelbarer die Sünde sich gegen Christus kehrt, je kräftiger und heller der Sündigende Gottes Wort hat und seinen Willen kennt, je reicher er begabt war durch göttliche Gunst und Gnade, um so schwerer und gefährlicher ist sein Sturz. Um Gottes Urteil zu kennen und zu begreifen, müssten wir aber hineinblicken können ins Inwendige der Persönlichkeit, wie Gottes Wahrheit und Hilfe sich ihr innerlich bezeugt und angeboten haben, und wie sie sich gegen ihn verhärtet und ihm entzogen hat. Das sind Geheimnisse, die niemand sieht als der, vor dem unser aller Wille mit seinem Grund und seiner Art völlig durchsichtig ist.

Für unser Gebet gilt die Regel, dass es im Glauben seine Eigenschaft und sein Maß haben muss. Wo uns in der Sünde der andern die teuflischen Züge der Hoffart, die sich gegen Gott erhebt, und des Hasses, der sich gegen ihn empört, nicht sichtbar sind, so dass wir sie gläubig unter Christi Versöhnen stellen können, da dürfen wir beten und sollen es tun, und sollen uns an die Verheißung halten, dass Gott die Bitte der Liebe nicht verwirft. Tritt uns die Bosheit in ihrer Schrecklichkeit entgegen, dass wir erbeben müssen und sie nicht mehr mit unserem Glauben umspannen können, so haben wir uns in die Beugung zu begeben, die mit Gottes Willen eins bleibt und ihn walten lässt.

Wie die Glaubenden sich zur Sünde stellen, sagt die bündige Regel: wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt. Hierzu hat uns Johannes die Erläuterung schon gegeben. Wir wissen, dass Gottes Werk in der Welt wider das Böse steht, weshalb der, dem er das Leben gibt, von ihm geschieden ist. Denn der aus Gott erzeugte bewahrt ihn und der Böse rührt ihn nicht an, V. 18. Unser Schutz und Schirm ist der, dem Gott das Leben gab. Das ist Jesus1), den der Apostel hier so nennt, damit es uns deutlich sei, dass Jesus und die Sünde gänzlich von einander geschieden sind und dass es sein Beruf und Wesen ist, uns vor derselben zu behüten. Weil er aus Gott hervorgegangen ist, ist er der Zerstörer der Sünde, der ihr ein Ende macht. Ihm sind alle übergeben, die Gott als seine Kinder lebendig macht, damit er sie behüte und erhalte, und Christi Hut und Schirm macht, dass wir nicht sündigen. Weil Christus bei uns ist, berührt uns der Böse nicht und hat die Macht verloren, seine finstern Gedanken und Triebe uns mitzuteilen. Wären wir durch Christi Nähe nicht für den Bösen unerreichbar worden, so bliebe unser Weg nicht von der Sünde frei.

Johannes wiederholt und deutet uns auch hier Jesu Wort, wie er sich als den Hirten darstellt, der die Herde vor dem Wolf behütet, so dass des Hirten wegen der Wolf die Schafe nicht mehr fassen kann.

Die Erlösung vom Bösen bringt unsere Trennung von der Welt hervor. Wir sind aus Gott und haben für das, was wir sind, den Grund in Gott gefunden; die Welt dagegen liegt ganz im Bösen und kann sich aus der Abhängigkeit und Untertänigkeit von ihm nicht lösen. Jeder, der zur Welt gehört, hat an derselben teil. Durch Christus dagegen ist es Gott, der in uns wirksam ist.

Dies führt zum letzten Satze, mit dem Johannes schließt; derselbe spricht den Anteil der Gemeinde an Gott aus. Gottes Sohn ist gekommen. Durch ihn sind uns die Augen für Gott geöffnet worden. Er gab uns Verständigkeit, den Wahrhaftigen zu erkennen, nahm uns unsere Torheit, die Gott übersah und sich um ihn nicht kümmerte, und brachte unser Herz in Ordnung und unsere zerrütteten Gedanken in den rechten Lauf, so dass uns der Wahrhaftige gewiss und bekannt geworden ist, er, dessen Wesen sich völlig mit der Wahrheit deckt, so dass kein Trug, kein Schein, keine Täuschung in ihm ist, dessen Erkenntnis uns über die trüglichen Erwartungen und leeren Nichtigkeiten erhebt, weil wir in ihm den erreichen, der in Ewigkeit so ist, wie er ist, und dessen Rat und Wort in Unvergänglichkeit besteht.

Indem wir ihn durch seinen Sohn erkannten, sind wir in ihm, dadurch dass wir in seinem Sohn sind. Als die von Christo Aufgenommenen sind wir von ihm aufgenommen und umfasst. Und er, den wir durch Jesus kennen lernten, auf den uns Jesus gegründet hat, der in Jesus uns umfasst und regiert, er, kein anderer ist der wahrhaftige Gott und er ist das ewige Leben. Er hat's in sich und gibt es dem, der in ihm ist. So ist die Gemeinde zum höchsten Ziel geführt und wahrhaftig erlöst. Sie hat Gott gefunden. Der wahrhaftige Gott ist ihr Gott worden.

Früher beteten sie nichtige Götter an und um sie her wurde der Dienst derselben noch mit Eifer betrieben und verteidigt, und ihr Verkehr mit den Leuten brachte allerlei Gelegenheit, bei der ihr alter Gottesdienst ihnen wieder nahe kam. Der Apostel hat sonst nirgends die Sorge ausgesprochen, dass heidnische Dinge die Gemeinde überwältigen könnten. Auch hier drückt er keine solche Sorge aus. Er erinnert nur mit einem kurzen, entschiedenen Wort, dass sie nicht mehr rückwärts sehen können auf ihren früheren Gottesdienst. Kindlein, hütet euch vor den Götzen. Jetzt habt ihr wirklich Gott. Bei Jesus habt ihr ihn gefunden, den, welcher der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist. Götzen und Gott vertragen sich nicht. Seid ihr im Wahrhaftigen, so liegt euch ob, die völlige Trennung von allen heidnischen Dingen sorgsam und ernst durchzuführen und das jetzt zu fliehen, was ihr einst angebetet habt.

Diese Schlusssätze sind eine festgefügte Kette, aus der sich kein Glied herausbrechen lässt. Der Besitz des Lebens, das Gott gibt, bringt uns die Unfähigkeit zur Sünde, und die Unfähigkeit zur Sünde bringt uns die Befreiung von allen teuflischen Wirkungen, und die Entrückung aus der Untertänigkeit unter den Teufel macht uns anders als die Welt. Das alles ist das Werk des Sohns. Durch ihn gehören wir dem wahrhaftigen Gott an. Nun wissen wir, wie viel das an den Eingang des Briefs gestellte Wort umfasst: wir haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn.

1)
Die andre Übersetzung: der aus Gott Erzeugte behütet sich selbst, ist nicht unmöglich, aber weniger wahrscheinlich.
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