Schlatter, Adolf - Andachten - August

Schlatter, Adolf - Andachten - August

1. August

Gott hat in vergangenen Zeiten lassen alle Heiden wandeln ihre eigenen Wege.
Apostelgeschichte 14,16

Paulus war nicht überrascht, wenn er überall in allen Städten reges Treiben, fröhliche Feste, muntres Spiel und tüchtige Leistungen in mancherlei Künsten fand. Gott ließ, sagt er, die Völker ihre Wege durchwandern. Wandern lässt uns Gott und sperrt uns nicht in einen Kerker ein und macht aus der Natur nicht eine Höhle, in der wir begraben lägen. Freie Bahn bietet sie uns dar, Gelegenheit zum Wandern in ungemessene Fernen. Den Weg zu wählen steht uns frei. Es gibt der Wege viele. Du kannst den erproben, der dir gefällt. Was soll ich mir noch mehr wünschen? Ist das nicht Glück, dass ich mir einen Weg wähle, mir ihn bahne und ihn durchwandere, soweit meine Wanderlust mich führt? Glück ist das nur, solange mir Gott verborgen ist. Tritt er vor mich, dann wird es zur bitteren Pein, dass ich meine eigenen Wege gehen muss. Gott konnte uns aber auch dann nicht ganz verborgen sein, als wir ohne ihn unseren Weg wählten und ohne ihn wanderten. Gott ließ sie, sagt Paulus, ihre Wege gehen. Dass ich der muntere Wanderer bin, beweglich und wohlgerüstet zur Fahrt nach einem fernen Ziel, dass es für mich Wege gibt, gangbare und erfolgreiche, dass ich sie gehen kann nach meines Herzens Lust, das ist nicht mein eigener Erwerb. Kindisch wäre ich, meinte ich, ich finge mit nichts an und stellte den Boden, auf dem ich wandere, selbst her. Über meinen eigenen Wegen waltet ein Wille, der mich meine eigenen Wege gehen lässt. Aber auf meinen eigenen Wegen begleitet Gott mich nicht und macht sich nicht zu meinem Weggenossen. Das wollte ich ja auch nicht; es sollten ja meine eigenen Wege sein, und nun wird, wenn die Stunde kommt, in der Er mir begegnet, das, was mein Glück war, meine Not. Nun hasse ich die Frage: Welchen Weg ziehe ich vor? Welchen wähle ich mir aus? Denn nun erschallt die andere Frage in mir: muss ich denn immer nur meine eigenen Wege gehen? Paulus sagt: Die Zeiten sind vergangen, in denen es keine anderen Wege für euch gab als euere eigenen. Wann sind diese Zeiten vergangen? Damals als Jesus geboren ward, damals als der Menschheit ihr Herr gegeben wurde, damals, als über dem Kreuz Jesu die Inschrift prangte: Christus, euer König. In der Stunde, da mir gegeben ward, dass ich meinen Herrn erkenne, endete auch für mich die harte Notwendigkeit, meinen eigenen Weg zu gehen. Nun darf ich sagen: Herr, was ist dein Wille? Und das Ziel meines Lebens liegt nicht mehr in mir selbst, auch nicht in unserer Kultur und unserem Staat, sondern im Herrn und Seinem Reich.

Unsere Gedanken, Herr Gott, sind nicht Deine Gedanken und unsere Wege sind nicht Deine Wege. Schreibe mir das mit der kräftigen Schrift Deines Geistes in meine Seele, damit ich nicht meinen Willen für den Deinen halte, sondern Deiner Führung gehorsam sei. Amen.

2. August

Er hat sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat uns viel Gutes getan und vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, unsere Herzen erfüllt mit Speise und Freude.
Apostelgeschichte 14,17

In Israel machte Gott die zu seinen Zeugen, die in seiner Sendung dem Volk halfen und ihm durch seinen Geist sein Wort sagten. Solche Männer, die mit dem Zeugnis Gottes begnadet waren, empfingen die anderen Völker nicht. Er hat aber noch andere Zeugen, die von seinem königlichen Wirken zu uns reden, und diese gab er allen. Das sind die Wohltaten, die uns durch die Natur zuteil werden, der Regen, der die Ernte reifen macht, die fruchtbaren Zeiten, die uns froh machen und nähren. Diese Zeugen stellen fest, dass die Macht, von der wir abhängen, gütig ist und für uns sorgt, und den, der uns mit allmächtiger Güte hilft, heißen wir unseren Gott. Sein Wohltun gibt auch nicht nur unserem Leib, was ihn erhält, sondern begnadet auch unseren inwendigen Menschen; denn am reichen Erntetag werden die Herzen froh. Diese Gnade ist nicht so groß wie die, die der Prophet erhielt, wenn er in seinem Herzen Gottes Wort vernahm, oder die, die Israel zuteil wurde, wenn Gottes Gesetz Licht in ihre Herzen trug. Aber Gnade, die uns Menschen gilt, empfangen wir auch dann, wenn die natürliche Segnung den Jubel erweckt, der aus einem frohen Herzen schallt. Manches griechische Fest sah Paulus mit an; denn die Griechen verstanden es, Feste zu feiern. Vieles, was dabei geschah, widersprach dem, was die Zeugen Gottes sagten; es war ja immer auch das Götterbild dabei; und aus den mit Freude gefüllten Herzen kamen nicht nur reine Töne heraus. Paulus sieht aber nicht nur auf das, was der Mensch in seiner Torheit aus Gottes Gaben macht, sondern horcht mit warmem Dank auf den Jubel, mit dem die göttliche Segnung die Menschen beschenkt; denn dieser Jubel ist ihre Antwort auf die Rede der göttlichen Zeugen, die ihnen sagen, dass Gott gütig ist und sich an allen als den bewährt, der gerne gibt. An die Botschaft dieser Zeugen schließt sich nun in fester Eintracht das an, was Paulus den Völkern als Gottes Zeuge zu sagen hat. Auch sein Zeugenamt besteht darin, dass er ihnen Gottes Gnade zeigt, die ihre Herzen mit Freude erfüllt, und an dieser Freude werden sie nun wirklich satt und für immer froh.

Lass mich, Herr, Deine gnädige Hand in allem erkennen, was uns wohltut und heilsam ist, dass mir jede Deiner Gaben das gewähre, was Du mir geben willst, den Blick zu Dir in Glaube und Dank. Erst dann wird die Freude, mit der Du uns froh machst, in uns heimisch, wenn Deine Gaben uns Dich zeigen. Amen.

3. August

Die Schwachen im Glauben nehmt auf und verwirrt die Gewissen nicht.
Römer 14,1

Es ist die Ehre jeder christlichen Gemeinschaft, welcher Art sie sei, dass sie Raum für die Schwachen hat. Will sie nur Starke bei sich haben, so hat sie sich von Jesus geschieden und ist tot. Dass auch sie, die wenig leistungsfähig sind, Bürgerrecht in ihr haben, bedarf keiner Überlegung. Zwar ist die Kirche eine Genossenschaft von Arbeitern, aber nicht so, dass sie ihren Anteil an Gott auf ihr Werk aufbaute. Ob die Leistung, die wir als Glieder der Kirche vollbringen, groß oder klein sei, das verschiebt unsere Stellung vor Gott und unseren Platz in der Kirche nicht. Den Unterschieden in unserem Vermögen entsprechen die in unserem Begreifen. Was wir als Leistung unseres Verstandes fertig bringen, ist verschieden. Aber auch daraus entsteht für unseren Anteil an der Kirche keine Not. Sie umfasst alle Stufen der uns Menschen gewährten Vernünftigkeit. Es gibt aber zwischen uns auch Unterschiede im Glauben und diese reichen in das Fundament der Kirche hinab; denn diese besteht durch die Gemeinsamkeit des Glaubens. Im Glauben entstehen nicht nur dadurch Unterschiede, dass jeder seine persönliche Eigenart hat, die auch in jede Betätigung unseres Glaubens sichtbar wird, sondern auch die Störungen in unserem inwendigen Leben tragen in unseren Glauben die Verschiedenheit hinein. Im geschwächten Menschen bleibt auch sein Glauben geschwächt und damit sind seinem Verhalten Grenzen gezogen, die er nicht überschreiten kann und darf, weil er nicht anders als nach seinem Glauben handeln kann und muss. Ist nun dann, wenn ich von dem anderen urteile, es fehle seinem Glauben an Kraft, die Gemeinschaft abzubrechen? Vor diese Frage stellt uns Paulus und er sagt: Nein! Stellt auch mit dem Schwachen im Glauben die Gemeinschaft her. Schwierig wird sie, das ist sonnenklar. Denn der im Glauben Starke kommt leicht zur Geringschätzung des Schwachen und der Schwache leicht zur herrlichen Verurteilung des Starken, weil er auch solches tut, was der Schwache für seine Person als sündlich unterlassen muss. Dennoch bleibt es das Gesetz, das für jede Christenheit gültig ist: den im Glauben Schwachen nehmt bei euch auf. Ihr dürft keinen Glauben verachten und keinem den Glauben dadurch erschweren, dass ihr ihm die Gemeinschaft versagt. So treu und stark blieb Paulus beim Grundsatz des Evangeliums, nach dem der Glaube Gerechtigkeit ist und der Glaube uns zur Gemeinde Jesu vereint, dass er auch für den schwachen Glauben, eben weil er Glaube ist, das Bürgerrecht in der Gemeinde errungen und es ihr zur Pflicht gemacht hat, die schwachen und die starken Glaubenden zu einen, weil beide an Jesus angeschlossen sind.

Meinem Glauben habe ich zu gehorchen und kann nicht den Glauben eines anderen haben. Dadurch machst Du, treuer Herr, offenbar, dass Du jedem von uns Deinen gnädigen Blick schenkst und Dich für jeden von uns zum Heiland machst. Ich will Dein Werk ehren, wo immer es sich mir zeigt. Hilf mir, dass ich meines eigenen Glaubens froh bleibe, mich aber auch an allen anderen freue, denen Du in anderer Weise gönntest, Dir glauben zu dürfen. Amen.

4. August

Dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, denn dass sie treu erfunden werden.
1. Korinther 4,1+2

Nach unserer Denkweise, die Torheit ist, sagen wir, Paulus sei ein Original gewesen, sogar ein Genie. Er hat in der Tat vieles gesagt, was vor ihm keiner sagte, und war bei mancher Gelegenheit ein Anfänger, der Neues schuf. Das ergab sich aus seinem Grundsatz, mit dem Wort dahin zu gehen, wo es noch unbekannt war. Weil er die Gemeinde auf einem noch unberührten Boden baute, musste er manches Neue erdenken und tun. Paulus lehnte aber diese Weise, sein Wirken zu betrachten, ab. Er selber sieht in sich einzig den Verwalter, und dieser erwirbt nicht neuen Besitz, sondern macht fruchtbar, was ihm übergeben ist. Die Art und der Umfang des Guts, das er zu verwalten hat, hängt nicht vom Verwalter ab. Darum gab es für Paulus nur eine einzige Pflicht, die, treu zu sein. Das ist Gottes Ordnung für uns alle. Vor allem Erwerben steht das Empfangen und daraus ergibt sich für uns das Ziel, an das wir mit heiliger Pflicht gebunden sind. Verdirb nicht, was du empfangen hast. Freilich ist es wahr, dass die Zeit sich bewegt und die Geschichte nicht stille steht, auch nicht die eines jeden Einzelnen. Wir kommen in neue Lagen und tun Gottes Willen nur dadurch, dass wir unsere Vernunft erneuern. Was gestern richtig war, ist es nicht auch heute. Aber die unzerstörbare Bedingung für jeden neuen Schritt der Christenheit ist, dass sie das ihr Gegebene nicht zerstöre, sondern wirklich besitze, und sie besitzt es nur dann, wenn sie es fruchtbar macht. Wer da hat, dem wird gegeben. Ich kann nicht neue Gabe empfangen, wenn ich das, was mir gegeben wurde, missachte und entkräfte. Wenn Paulus nur die eine Verpflichtung anerkannte, treu zu sein, so stand ihm die Herrlichkeit Jesu vor seinem Auge. Was Jesus uns gebracht hat, bedarf keiner Ergänzung und Verbesserung durch den Apostel oder durch die Christenheit. Weil Paulus an Jesus glaubte, kam es ihm nicht in den Sinn, ein Original zu sein mit dem Anspruch, dass er über Jesus emporwachse. Er empfand das Verwerfliche einer solchen Einbildung deshalb stark, weil er Gottes Willen zu tun hatte. Das stellt ihn vor die Geheimnisse Gottes, in die wir nicht eindringen, als verfügten wir über sie. Darum zeigt er sich und der ganzen Christenheit kein anderes Ziel als das, dass sie treulich verwalte, was Jesus ihr erworben hat.

Dein Geheimnis, Vater, steht auch über meinem Leben. Es ist das Geheimnis Deiner Gnade. Bewahre meine Gedanken, dass sie sich nicht an Deinem Geheimnis vergreifen, und schaffe in mir das reine Herz, das Dir für das dankt, was du mir gabst, und es treulich braucht nach Deinem Willen. Amen.

5. August

Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Feste verkündigt seiner Hände Werk.
Psalm 19,2

Gottes Gnade gibt sich uns dadurch, dass er uns sein Wort schenkt. Indem er zu uns spricht, stellt er uns in seine gnädige Gegenwart. Uns das Wort zu bringen, das ist Jesu Gabe, nicht das Werk der Natur. Das ergibt den Unterschied zwischen derjenigen Güte, die uns die Natur zuträgt, und der Gnade Gottes, die wir von Jesus empfangen. Diejenige Güte, an der uns die Natur Anteil gibt, füllt unser Auge, wendet sich aber noch nicht an unser Ohr. Gottes Kraft wird uns hier sichtbar gemacht, aber noch nicht Gottes Wille gesagt. Wir erhalten daher von der Natur, weil sie stumm bleibt, noch nicht die Antwort auf das, was in uns selbst als Frage im Blick auf Gott entsteht und oft genug uns mit drängender Gewalt erschüttert. Ist unsere Seele unruhig geworden, weil die Frage in ihr erwachte, wie Gott sich zu uns selbst verhalte, zu unserem eigenen Leben mit der uns gegebenen Pflicht und der uns bedrängenden Schuld, so können wir die Hilfe nicht bei der Natur suchen, sondern müssen zu Jesus kommen, damit er uns das Wort sage, in dem uns Gottes Gnade besucht. Dennoch spricht der Psalmist mit gutem Grund von der Botschaft, die die Himmel an uns ausrichten, und beschreibt das, was sie uns geben, als eine Verkündigung der göttlichen Herrlichkeit. Denn aus dem Anblick dessen, was uns die Himmel zeigen, entstehen Worte, die das benennen, beschreiben und deuten, was uns dort sichtbar ist, und diese uns gegebenen Worte, die das aussprechen, was wir schauen, lauten: „Herrlichkeit und Ehre“, nicht nur Herrlichkeit der Sterne oder wirkliche Macht der Sonne oder Unendlichkeit der Weltenräume und Wunderbarkeit der Natur, sondern nur dann sprechen wir richtig aus, was unseren Augen gezeigt ist, wenn wir sagen: Gottes Herrlichkeit und Ehre, wirkende Macht seiner Hand, und wir wissen, dass wir, wenn wir das Zeugnis der Natur so deuten, nichts selber erfinden, nicht dichten und träumen, sondern vernommen haben, was die Himmel erzählen, und nur wiederholen, was uns die Natur selber sagt. Entsteht aus dem Zeugnis von Gott, das die Natur uns bringt, unser Gott anbetendes Wort, dann leitet uns die Natur zu Jesus hin, zudem, in dem Gott nicht schweigt, sondern spricht und uns nicht nur das Werk seiner Hände zeigt, sondern uns seinen gnädigen Willen offenbart, der uns die Gemeinschaft seines Geistes schenkt.

Danksagung und Anbetung, Vater, darf ich aus allem empfangen, was die Natur mir zeigt und gibt, wenn ich ihre Rede vernehme, die mir von Dir erzählt, bin ich davor behütet, dass ich in die Natur versinke und nur noch sehe und begehre, was sie mir gibt. Was mir die Himmel nicht kundtun, sagst Du mir, Herr Jesus Christ, in Deinem Kreuzesbild und in Deiner Ostergröße. Nun vernehme ich auch in der Rede der Himmel das seligmachende Wort, das Dich mir offenbart. Amen.

6. August

Das was aus dem Herzen herauskommt, das macht den Menschen gemein.
Matthäus 15,18

Tödliches gibt es in der Natur; Gefahren bereitet sie mir. Aber Unreines gibt es in ihr nicht. Sie befleckt und schändet mich nicht. Es gibt zwar im natürlichen Leben Vorgänge, mit denen Scham verbunden ist. Dazu hat uns aber die Natur die Scham geschenkt, damit jene Dinge verhüllt bleiben. Gehorche dem Gebot der Natur und schäme dich; dann macht sie dich nicht unrein. Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein. Wir dürfen uns ohne Angst in der Natur bewegen; denn sie ist Gottes Werk und darum nicht meine Feindin, sondern meine Mutter, meine Ernährerin, die Quelle meiner Kraft. Aber nun füllt sich die Frage mit tiefem Ernst: woher kommt denn die Menge der Dinge, die uns schänden, die uns vor Gott die Ehre nehmen und aus seinem Licht vertreiben, die uns auch für die Gemeinschaft miteinander unbrauchbar machen, so dass sich der Mensch sogar vor dem Menschen verstecken muss? Keine erdichtete, erkünstelte Ehre kann die Gemeine verhüllen, das den Menschen entehrt; denn Schein und Lüge machen Gemeines nicht rein und stellen verlorene Ehre nicht wieder her. Woher kommt denn das Gemeine an mir? Aus deinem Herzen kommt es, sagt mir Jesus. Was dich gemein macht, deinen Leib profaniert, deine Gedanken beschmutzt und deinen Willen giftig und boshaft macht, so dass du für die anderen gefährlich bist, weil du sie ansteckst, das erzeugst du selbst in dir durch die inwendige Bewegung deines eigenen Willens. Ist es so, wie reinige ich mich? Kein Kunststück kann dies zustandebringen. Welche Kunst macht die Herzen neu? Darum hat Jesus seinen Jüngern die pharisäischen Kunststücke, mit denen sie sich die Reinheit bereiten wollten, untersagt. Denn diese Art von Reinigung erzeugt nur Täuschungen. So würden die Jünger nicht mehr erkennen, was sie unrein macht, und es bei sich hegen ohne Sorge, weil sie ihre Becher und ihre Hände reinigen. In diesem Verzicht auf alle pharisäischen Kunststücke wird wieder die Herrlichkeit Jesu sichtbar, die ihn für uns zum Heiland macht. Denn er verzichtet auf alle diese Bemühungen deshalb, weil er wirklich rein macht. Ihm ist als dem Herrn des Geistes über unsere Herzen Macht gegeben, und indem er in ihnen den Glauben schafft, gibt er uns das, was unsere Reinheit ist vor Gott.

Die Angst vor den Dingen, Herr, nimmst du mir und gibst mir die Angst vor mir selbst und ich erkenne in Deinem Licht, wie notwendig es ist, dass ich mich vor Dir fürchte. Wasche mich und reinige mich. Lege in mein Herz Deine guten Gaben. Rein werden wir bei Dir und durch Dich. Amen.

7. August

Darinnen freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind; freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind. Lukas 10,20
Das edle Gewächs, das Jesus in seine Jünger pflanzte, hat er sorgsam vor Beschädigung behütet. Das Größte, was er ihnen gab, war die Liebe, die die Gequälten heilt und die Gebundenen befreit. Um zu helfen, braucht die Liebe Macht und Jesus gibt ihr Macht und Sieg auch über das Satanische. Weil sie das Größte ist, was er uns gibt, verleiht sie uns auch die stärkste und reinste Freude. Wie könnte es eine andere Freude geben, die sich neben die stellen ließe, die dann hell und voll durch unsere Seele rauscht, wenn wir helfen konnten und die Heilandsmacht Jesu durch unseren Dienst wirksam wurde? Aber je edler ein Gewächs ist, um so schmerzhafter ist es, wenn Schädlinge an ihm nagen; um so mehr bedarf es der Hut, die es vor Verletzungen bewahrt. Leicht drängt sich auch in unsere Liebe das eigensüchtige Begehren hinein, indem unser Blick bei der Macht verweilt, die uns zuteil wurde, und den Erfolg genießt, den wir errungen haben. So beugen wir uns auf uns selbst zurück und erwecken in uns das Wohlgefallen an uns selbst, das Kraftgefühl des Siegers, der trotzig spricht: „Und wenn die Welt voll Teufel wär!“ Jesus schalt die Freude der Liebe, die seine Jünger erquickte nicht, sondern schützte sie dadurch, dass er über die Freude der Liebe die Freude des Glaubens setzt. „Euer Name steht im Buch des Lebens“, das zu wissen beschenkt uns mit der Freude des Glaubens. Heftet sich unser Blick auf das, was wir für die anderen bedeuten und ihn zu geben vermögen, dann ist die Stunde da, in der der Glaube hervortritt und sich über die Liebe stellt. Nun verschwinden die anderen wieder völlig und alles Erreichte versinkt und vor uns steht wieder die Frage nach unserem eigenen Heil und die Antwort, die ihr Jesus dadurch gibt, dass er uns die frei gebende Gnade Gottes zeigt, die unseren Namen in das Buch des Lebens schrieb. Bedeutung, Geltung und Unvergänglichkeit bekommt unser Name nicht durch das, was unsere Liebe schafft, sondern durch das, was Gottes Gnade unserem Glauben gibt. Er allein ist und bleibt auch in der höchsten Machtübung unserer Liebe unsere Gerechtigkeit.

Durch Deine Gnade bin ich, Vater, in mein Werk gestellt. Es muss aber Dein Werk bleiben und verdirbt, wenn ich es zum meinigen mache. Löse mich in der Kraft Deines Wortes und Geistes von allem, was ich bin und schaffe, von meinen Sünden und von meinem dir dienenden Werk, damit ich auf Deine Gnade traue und Deinen Namen preise, nicht den meinen. Amen.

8. August

Die Apostel sprachen zum Herrn: „Stärke uns den Glauben.“ Der Herr aber sprach: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn und sagt zu diesem Maulbeerbaum: Reiße dich aus und versetze dich ins Meer, so wird er euch gehorsam sein.
Lukas 17,5+6

In diese Bitte der Jünger stimmt die Christenheit immer ein. Wir verstehen die Jünger recht gut, wenn sie fühlen: es steht mit unserem Glauben nicht so, wie Jesus es verlangt; was er vom Glauben sagt, ihm als Verheißung gewährt und ihm als Pflicht zuteilt, geht über das hinaus, was wir haben. Auch darin urteilen die Jünger richtig, dass sie die Vermehrung ihres Glaubens von Jesus erbitten. Sie wissen: Wir können uns den Glauben nicht geben; er ist nicht unser Werk, nicht das Produkt der menschlichen Kunst. Jesus gibt ihn; das haben die Jünger erkannt. Sein Ziel ist, uns zum Glauben zu führen, und er allein hat die Kraft, uns in den Glauben zu erheben. Überrascht hat Jesus seine Jünger auch in dieser Stunde und seine Antwort klang ihnen wunderlich. Mehre uns den Glauben, bitten die Jünger; ihr habt keinen Glauben, antwortet er ihnen. Das müssen wir uns deutlich machen, wenn wir um die Stärkung unseres Glaubens bitten. Das erste, was hier erkannt und gestanden werden muss, ist, dass wir keinen Glauben haben. Damit hat er ihnen aber nicht versagt, um was sie ihn baten, sondern ihre Bitte erfüllt. Mit seiner Verheißung sagt er ihnen, dass der Glaube, sowie er vorhanden ist, die Allmacht Gottes für sich habe. Warum ist ihr Glaube klein? Sie beschauen ihn, messen ihn, ob er wohl groß genug sei, fühlen, er sei klein, und werden dadurch glaubenslos. Das treibt sie hinein in die Berechnung dessen, was ihnen wohl möglich sei, und diese Berechnung endet unvermeidlich mit dem Ergebnis: unmöglich; wir sind ohnmächtig und zum Handeln unfähig. So geht es, wenn der Mensch bei sich selber bleibt und sich auf sich selber stützt, und dies wird nicht anders, wenn er sich an seinen Glauben halten und an seinen Glauben glauben will. Dieser Stützpunkt ist ebenso unbrauchbar, wie wenn ich die Richtigkeit meiner Erkenntnis preise und mich durch meine Lehre Gott empfehle oder wenn ich meine Werke mustere und die Stärke meiner Liebe Gott vorhalte. Der Glaube hält sich an Gott und hat ihn in seiner Herrlichkeit vor Augen, dem alles gehorcht. Auf ihn richtet Jesus den Blick der Jünger und gibt damit ihrer Bitte: mehre uns den Glauben, die Erfüllung. Nun fällt es ganz aus ihrer Erwägung heraus, ob ihr Glaube klein oder groß sei; denn nun glauben sie nicht mehr an ihren Glauben, sondern an Gott.

Ich öffne, Herr, mein Ohr für Dein Glauben schaffendes Wort, für seine reinigende Kraft, da es mir alles nimmt, womit ich mich stützen und stärken möchte, und für seine beseligende Kraft, da es mir die vollendete Herrlichkeit der göttlichen Gnade zeigt. Gepriesen sei deine Heilandstat, durch die Du mich zum Glauben führst. Amen.

9. August

Die Liebe glaubt alles.
1. Korinther 13,7

Wirklich, alles glaubt sie? Haben wir nicht reichlich Grund zum Verdacht und zur bangen Sorge im Verkehr mit den Menschen? Wird nicht die Liebe, wenn sie alles glaubt, dem Spiel und Trug der Menschen ausgeliefert? Spricht nicht tausendmal die Erfahrung von Aufopferung, die vergeblich geschah, von Liebe, die umsonst sich mühte und schließlich, vielleicht erst nach heißem Kampf, zusammenbrach? An dem, was die Menschen sind und tun, entsteht die Furcht oft genug und Grund zum Zweifel bieten sie uns reichlich dar und sie haben das Vermögen, der Liebe hartnäckig zu widerstehen. Das hat Paulus noch viel reichlicher erfahren als wir, weil seine Liebe weit stärker war als die unsrige. Er bleibt aber dabei: aus der Liebe entsteht kein Zweifel, keine Ermüdung, kein Unterliegen. Ich freilich kann zweifeln, mich fürchten, erliegen und in Lieblosigkeit, die die Menschen verachtet, versinken; aber die Liebe kann dies nicht. Sie glaubt alles. Im Verkehr mit jedem Menschen, sei er, was er sei, vor jeder Lage, mögen Schuld und Elend so gewaltig sein, kann sie nur das Eine, nur glauben. Wie kommt denn die Liebe in mich hinein? Sie ist die Wirkung und Frucht der göttlichen Liebe und deshalb glaubt sie und hat eine gewisse und starke Zuversicht in sich, die keinen Bruch erträgt und keine Schranken kennt; denn sie hat Gott vor Augen und seine sieghafte Macht. Wollte ich nur mit dem rechnen, was mein Wohlwollen einem Menschen bieten kann, so müsste ich freilich auf den Erfolg meiner Liebe verzichten. Dürfte ich das aber noch Liebe heißen? Ist ein gottloser Verkehr mit den anderen Liebe? Solche Liebe, die sich auf das gründet, was ich in mir selber finde, bleibt verhüllte Eigensucht. Meine Liebe muss reicher sein als mein Besitz, wie könnte sie sonst dem anderen geben, was er braucht? Sie muss sehender sein als mein eigenes Auge, wie könnte sie ihm sonst helfen? Sie muss stärker sein als meine Kraft. Diese reicht nicht aus, um einen Menschen zu seinem Ziel emporzutragen. Das ist sie dadurch, dass sie mit Gottes Liebe einig ist. Weil ich bei der Arbeitsamkeit meiner Liebe Gott für mich habe, kann ich den Zweifel vertreiben, der an meiner Liebe nagt und sie lähmt, und kann im heißen Ringen, mit dem sich die Furcht der Liebe widersetzt, den Sieg gewinnen nach dem Wort des Johannes: die vollendete Liebe vertreibt die Furcht.

Glauben, Vater, kann ich für die Menschen nur, weil ich Dir glaube, und sie lieb haben kann ich nur, weil ich Deine Liebe kenne. Mit meiner müden, zagenden und zweifelnden Liebe flüchte ich mich zu Dir. Schütze, pflege und stärke das Pflänzchen, das Deine Hand in mich gepflanzt hat. Amen.

10. August

Wenn ich mit Menschen und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
1. Korinther 13,1 Nicht dazu verpflichtet uns Paulus, dass wir über die Liebe reden, sondern dazu, dass wir in ihr reden. Reden wir über die Liebe, so kann die Rede leicht nicht mehr sein als der laute Schall eines Tamburin. Eine Christenheit, die von der Liebe spricht, haben wir in großem Umfang; aber es liegt am Tag, dass sie damit noch nicht zum Dienst Gottes fähig ist und noch kein heilsames Wort besitzt. Ich muss die Liebe haben; das macht mein Wort stark, sieghaft und zum Werkzeug eines fruchtbaren Gottesdienstes. Mein Wort kann zwei verschiedenen Zwecken dienen. Entweder stellt es mich dar, bringt zum Ausdruck, was mich bewegt, zeigt meinen Zustand, sei es meine Armut, wenn es klagt, sei es meinen Reichtum, wenn es meine Ziele verkündet, die anderen anwirbt, und braucht, an mich anzieht und mir folgsam macht. Paulus sagt, so bleibe das Wort Schellengetön, auch wenn es höchste Wissenschaft und höchste Kunst darstellt. Starken Beifall kann man freilich so erwerben; denn der Mensch bewundert den Menschen gern, wenn er seine Größe vor ihm ausstellt. Aber einen echten Erfolg, der vor Gott besteht und für die Menschen heilsam ist, schafft mein Wort nicht, wenn es in mir seinen Gegenstand hat. Nun kann aber mein Wort auch von der Liebe seine Gestalt bekommen. Dann erhält es sein Ziel und seinen Inhalt durch das, was die anderen sind und bedürfen. Dann spreche ich mit ihnen von ihren Sünden nicht, um sie zu erniedrigen, sondern um sie aufzurichten, spreche von meiner Erkenntnis nicht, um mich als den Wissenden zu beweisen, sondern um ihnen das zu zeigen, was ihr Auge mit Licht und ihre Vernunft mit Wahrheit beschenkt, spreche von Gottes Gnade nicht dazu, um mich oder meine Kirche oder die Christenheit zu erhöhen, sondern um Gottes Gabe denen zu bringen, die mich hören. So wird das Wort dem untertan, was der Hörer ist und braucht, und dadurch ist es mächtig. Es gibt auch für unsere Rede keine Macht anders als durch den Dienst und keinen Erfolg anders als durch die Entsagung. Denn auch unsere Rede gedeiht nur dann, wenn sie Gott vor Augen hat, und verfällt, wenn der Mensch sie an sich selber kettet.

Unser Mund, der sprechen kann, unser Ohr, das hören kann, sind, Vater, die Zeugen Deiner wunderbaren Güte. Mit dem Wort führst du uns zusammen, öffnest uns füreinander, schließest Inwendiges auf und machst Verborgenes wahrnehmbar. Und nun füllst Du unser Wort mit Deinem Wort und machst, dass wir von Deiner Gnade reden dürfen. Aber nur gebeugt und in der Ferne als der, der um Dein Vergeben bittet, kann ich vor Dir stehen, wenn ich an mein Reden denke. Vergib die eitle Leere und den stolzen Schmutz meiner Worte. Geber der Liebe, heile meine Rede. Amen.

11. August

Wenn ich weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, also dass ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.
1. Korinther 13,2

Der warnende Finger des Paulus zeigt hier auf ein finsteres Rätsel hin. Ist es denn möglich, dass ein Mensch durch das Vollmaß der Erkenntnis in das Licht gestellt ist und sich doch dem Licht entzieht und nicht zum Kind des Lichtes wird? Er entzieht sich aber dem Licht, wenn er die Erkenntnis hat, ohne die Liebe zu haben. Kann ich denn Gott kennen, ohne zu sehen, was er ist, nämlich dass er Liebe ist, und kann ich ihn kennen, ohne von ihm gekannt zu sein mit jenem Blick seiner Gnade, die seinen Willen in uns wirksam macht? Und wie ist es möglich, dass ich allen Glauben habe, Glauben, der mich zum Gebieter über die Berge und Herrn der Welt macht, ohne dass ich Liebe habe? Ist nicht jeder Glaube das Ergreifen der göttlichen Liebe? Wie kann ich anders Berge bewegen als so, dass ich Gottes allmächtige Gnade anrufe und sie für mich habe? Nun soll ich aber Gottes Gnade nicht nur wissen, sondern glauben und nicht nur von ihr reden, sondern sie begehren und nicht nur nach ihr verlangen, sondern sie auch erfahren, und dennoch selber ohne Liebe sein? Dieses Rätsel ist aber nicht die Ausgeburt einer düsteren Sorge, die Paulus in einer dunklen Stunde grundlos gequält hätte, sondern hat in dem, was wir sind und tun, starken Grund. An allem, was uns begabt, bereichert und stärkt, entsteht eine Frage, die nicht von selbst ihre Antwort findet, die, ob ich das mir Gegebene an mich ziehe und deshalb schätze, weil es mich stärkt und mein Leben verklärt, und daran satt bin, dass ich selber zur Erkenntnis gelangt und zum Glauben gekommen bin, oder ob ich mir von Gottes Liebe und Gabe die Verwerflichkeit meiner Eigensucht zeigen lasse und sie in den Tod gebe. Gewiss gibt es keine Erkenntnis Gottes, die uns nicht zur Tat beruft und in den Dienst seiner Güte stellt, und gewiss gibt es keinen Glauben, der nicht geschäftig und tätig wäre, wobei das, was der Glaube begehrt, durch die Liebe geschieht. Allein dies tritt dann ein, wenn nicht mein boshafter Wille dazwischen fährt und aus dem, was Gottes ist, mein Eigentum macht, das ich missbrauche, indem es mir einzig mir selber dienen soll. Keine Steigerung der Erkenntnis und keine Kräftigung des Glaubens überwindet diese Gefahr; denn sie steigt mit der Größe unserer Begabung. Abgewehrt wird sie nur durch die Buße, durch die Öffnung des Ohrs für Gottes Gericht, das meine Eigensucht verdammt, und für sein gnädiges Wort, das mir Gottes helfenden Willen teuer macht.

Ich erschrecke vor dem, was wir Menschen fertig bringen, vor der Allgewalt unserer Eigensucht, die auch im Licht Deiner Erkenntnis nicht ersterben will. Darum aber, weil Dein Wort mir die Größe meiner Not und Schuld enthüllt, ist es mein Heil. So führt es mich zu Dir. Amen.

12. August

Wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen und hätte der Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze.
1. Korinther 13,3

Liebestat ohne Liebe, das ist die schlimmste Entstellung, zu der es unsere Frömmigkeit bringen kann, die hässlichste Verkleidung unserer Eigensucht. Paulus denkt an die beiden Wege, auf denen die Liebe zur Tat und Arbeit gelangt. Sie gibt dem Menschen, was er bedarf; ihm dienen wir mit unserer Habe; und sie opfert für Gottes Ehre, was sie kann; weil er Gott ehren und ihm allein gehorchen wollte, gab der jüdische Märtyrer den Leib den Flammen preis. Von dem, was hier wie eine Tat der Liebe aussieht, nimmt Paulus alle Beschränkung weg. Nicht nur eine ärmliche Gabe wird hier dem Darbenden gereicht; das geschieht freilich oft genug, ohne dass die Liebe das Geben beseelt; vielmehr wird hier die ganze Habe für die anderen fruchtbar gemacht; und nicht nur eine kleine Entsagung, die bald überstanden ist, bezeugt hier, dass der Opfernde Gott vor Augen hat, sondern das bitterste, qualvollste Martyrium, das den Leib völlig zerstört, soll hier bezeugen, dass der Entsagende die Größe Gottes ehrt. Aber keine Häufung der Wohltat und des Leidens schafft für die fehlende Liebe den Ersatz. Wie viel fällt von dem, was wir tun, als leer und vergeblich dahin! Wir geben oft und es sieht so aus, als ob es eine Wohltat sei, und doch ist keine Liebe drin, die wirklich zu helfen versucht. Uns soll in Wahrheit nützen, was wir tun, und doch nützt uns diese falsche Liebe nichts. Manches geschieht eifrig und willig zu Gottes Ehre und doch klebt unser Blick dabei an uns selbst. Der Märtyrer besteigt den Scheiterhaufen und greift dabei nach dem ewigen Kranz, der ihn nun immer schmücken soll, flucht denen, die ihn töten, und erhebt sich über die, die nicht desselben Heldentums fähig sind. Das von deiner Eigensucht befleckte Opfer, sagt Paulus, nützt dir nichts. Auch ein solcher Vorgang legt, so traurig er ist, für die Herrlichkeit der Liebe Zeugnis ab. Es gäbe keine unechte Liebe, würde uns nicht die echte gegeben, Wohltat, die wirklich helfen will, Opfer, das Gott in Wahrheit preist. Was die Liebe tut, würde nicht nachgemacht, strahlte nicht ihr Glanz in jedes Auge, auch in das, das von der Eigensucht geblendet ist, und von den Gaben der echten Liebe hat Paulus nicht gesagt, sie nützen dir nichts. Sie tragen eine segnende Kraft in sich, nicht nur für den, der sie empfängt, sondern auch für den, der sie gibt.

Das, Vater, ist die wonnige Süßigkeit Deiner Gnade, dass sie uns zum Geben rüstet. Du machst aus allen Deinen Gaben die Liebe zur größten. Schenke sie mir. Bleibe ich in Deinem Wort, dann ist meine Liebe behütet und vor dem geschützt, womit meine Eigensucht sie verderben will. Amen.

13. August

Der Versucher trat zu Jesus und sprach: „Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.“ Und er antwortet und sprach: „Es steht geschrieben: der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.“
Matthäus 4,3+4

Mein Platz ist zugleich in der Natur und über der Natur und beide kommt mir aus demselben Grund zu; beides ist mir damit gegeben, dass ich mit Gott verbunden bin. Nun ficht uns aber das heftige Schwanken an, das uns bald hinunterzieht in die Natur, so dass wir in sie versinken und Gott vergessen, und bald von ihr losreißt, so dass wir versuchen, ihr zu entrinnen. Während wir an dieser Stelle alle schwanken und fallen, steht Jesus aufrecht und macht aus der Versuchung seinen Sieg. Wie entsteht das Leben? Gott spricht und sein Wille geschieht. Weil er zu mir spricht: lebe!, lebe ich. Spricht er: stirb, so wird mich keine Macht und keine Kunst am Leben erhalten. Er verfügt über mich. Mit meinem Leben bin ich aber an die Natur gebunden und Jesus empfand diese Gebundenheit damals peinlich, da er hungerte. Er steht allein in der menschenleeren Öde und erfährt die zwingende Notwendigkeit, mit der uns die Natur beherrscht. Die nagende Pein des Hungers macht sie ihm deutlich. Versinkt er nun in die Natur, weil er Brot bedarf? Verschafft er es sich in der Kraft seiner Gottessohnschaft? Der Mensch lebt freilich vom Brot, aber nicht allein, antwortet Jesus. Gott ist der Geber des Lebens. Gottes Werk ist er, nicht nur das Werk der Natur, und wird nicht nur von ihr genährt. Der, der ihn schuf, ernährt ihn auch. Darum fährt er nicht mit wunderbarer Wirkung über die Natur hinaus und stößt den Hunger nicht von sich weg und begehrt nicht, dass Steine ihn nähren. Auch jetzt, da er hungert, ist er nicht in Gefahr; denn sein Leben wurzelt in Gott. Die Menschheit und die Sohnschaft Gottes, beides besitzt er und beides bewahrt er unverletzt. Er verleugnet um der Menschheit willen, die ihn des Brotes bedürftig macht, die Einheit mit dem Vater nicht, den er allein als den Geber seines Lebens ehrt, und er verleugnet um Gottes willen die Natur nicht, die ihn des Brotes bedürftig und ohne Brot hungrig macht. Damit hat uns Jesus gezeigt, was der Glaube ist.

Dein Sieg, o Jesus, stellt Dich hoch über uns, die wir verzagen, wenn uns das Brot fehlt, und es gierig bei uns anhäufen, damit es uns nicht fehle. Schöpfer des Glaubens, führe mich über das Geschöpf hinauf zum Schöpfer, von dem wir das Leben haben, damit auch mein natürliches Leben Ihm geheiligt sei. Amen.

14. August

Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: „Bist du Gottes Sohn, so lass dich hinab. Denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln über die Befehl tun und sie werden dich auf den Händen tragen, auf dass du deinen Fuß nicht an einen Stein stössest.“ Da sprach Jesus zu ihm: „Wiederum steht auch geschrieben: Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen.“
Matthäus 4,5–7

Völlig frei stand Jesus über der Natur, als er, da er hungerte, nicht nach Broten griff, sondern sich an Gottes Leben schaffendem Wort genügen ließ. Kann sich ein solcher Glaube noch fürchten? Gibt es für ihn noch Gefahren? Stehst du auf Gott gestützt oberhalb der Natur, so wirf dich, sagt ihm der Versucher, hinab; das ist die Versuchung, die die Glaubenden anficht. Haben sie nicht das Recht und auch die Pflicht, alles zu wagen? Mit den menschlichen Möglichkeiten rechnet der Glaube nicht, denn er hält sich an Gottes allmächtige Gnade. Wo findet sich nun noch eine Schranke, die ihm Halt geböte? Die Verheißung, die uns zum Glauben beruft, kennt keine Schranken. Wie oft schwankt und fällt die Christenheit an diesem Punkt! Das Urteil Jesu bleibt aber völlig klar. Das ist nicht Glaube, wenn der Mensch vorangeht und Gott sie bestätigen muss. Der Glaube macht aus Gott nicht den Diener unseres Übermuts. Den Schluss: der Herr will es, denn ich will es, ließ Jesus nicht zu. „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ Aus dem Glauben entsteht nicht der Wille, zu erproben, ob wohl Gott helfe. Vielmehr bekommt der Glaube die richtige Haltung dadurch, dass er Gehorsam wird, der auf Gottes Leitung wartet und ihr folgt. Von der unbeschränkten Gewissheit des Glaubens bricht Jesus nichts ab und in die Vollendetheit der Verheißung reißt er keine Lücke. Das hat er damals bewiesen, als er zum Kreuz ging. Der Sturz vom Balkon des Tempels war nicht gefährlicher als der Gang an das Kreuz. Furcht vor der Natur und Furcht vor den Menschen hat in dem, der in Gott den Geber seines Lebens hat, keinen Raum. Nur eines gibt es, was er zu fürchten hat: die Furcht vor Gott lebt in ihm und macht es ihm unmöglich, den Gehorsam aufzugeben, der allein unseren Willen richtig und mit Gottes Willen einträchtig macht. Als Jesus zum Kreuz ging, sprang er nicht eigenmächtig in den Tod hinab; dorthin wurde er geführt.

Dein gebender und Dein gebietender Wille, Vater, sind eins. Zeige mir beide in ihrer völligen Verbundenheit, damit mein Glaube und mein Gehorsam verbunden seien. Trennte ich den Gehorsam von meinem Glauben, so werden meine Schritte falsch, weil mich mein Eigenwille verlockt. Fehlt meinem Gehorsam der Glaube, so drückt er mich und wird mürrisch und verfälscht. Auf Dich, Herr Christus, sehe ich, dass Du mir Schutz und Führung seiest. Dein Weg ist die gerade Straße. Amen.

15. August

Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: „Dies alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest.“ Da sprach Jesus zu ihm: „Hebe dich weg von mir, Satan. Denn es steht geschrieben: Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen.“
Matthäus 4,8–10

Vom Gipfel des Berges aus sah der, dem der Vater alles übergeben hat, auf weite Länderstrecken. Es ist sein Beruf, der Herr der Menschheit zu sein. Wie wird er es werden? Du wirst es, sagt ihm der Versucher, wenn ich dir beistehe. Ich weiß, wie man die Menschen gewinnt und begeistert und Macht erwirbt und Throne aufbaut. Er fordert auch keinen hohen Preis, nur einen Augenblick, in dem er vor ihm kniet und ihn verehrt. Das ist die Versuchung derer, die zu wirken haben und dazu Macht bedürfen. Wie oft steht die Christenheit in hartem Ringen mit solchen Gedanken; seid nicht zu schroff in eurem Widerspruch, der alles Böse abstößt; vermindert die Reibungen; gebt auch der Gegenseite ihre Ehre; wie könnt ihr auf einen Erfolg hoffen, wenn ihr euch mit der Welt nicht verständigen könnt? Wir kennen alle diese Not. Denken wir uns einmal, Jesus hätte sich den von ihm begehrten Kniefall abgezwungen, was wäre geschehen? Begeisterte Huldigung wäre ihm zugeflogen; das Rabbinat wäre herbeigekommen, um ihn zu ehren, und die Priesterschaft hätte ihm gehuldigt, die Zeloten hätten sich um ihn geschart und ihm ihren bewaffneten Arm zur Verfügung gestellt und sein Name wäre schnell durch die Lande geflogen und in jeder jüdischen Gemeinde hätte man eifrig erzählt, dass der König gekommen sei, und am römischen und persischen Hof hätte man sich mit dem erfolgreichen Machthaber abgefunden. Stattdessen ging Jesus ans Kreuz. Er konnte nur einen anbeten, einzig Gott. Wie er seine Zuversicht nicht spaltete, als er hungerte, sondern Gott ein ganzes Vertrauen erwies und wie er auf jedes eigenmächtige Wagnis verzichtete und Gott den ganzen Gehorsam darbrachte, so teilte er auch seine Liebe nicht, sondern gab sie ganz und unteilbar dem Vater und konnte nichts ehren und anbeten als Gott allein. Das ist die Herrlichkeit Jesu und seines Kreuzes: er ist der, der nicht imstande war, sich der Hilfe des Satans zu bedienen, der, der Einen angebetet hat, Gott und niemand sonst.

Weil Du, Herr Christus, vor niemand knien konntest als vor Deinem Vater, knien wir alle anbetend und danksagend vor Dir. Du bist unser Priester, der Gott wahrhaft ehrt. Du hast in Dir die Liebe, die keine Untreue kennt. Du richtest nicht Menschenmacht und Satansmacht unter uns auf, sondern bringst uns Gottes Reich. Darum ist es das Bekenntnis Deiner ganzen Schar: Gelobt bist DU, der Du kommst im Namen des Herrn. Amen.

16. August

Ich von Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister. Ein anderer baut darauf. Ein jeglicher aber sehe zu, wie er darauf baue.
1. Korinther 3,10

Paulus verglich die Kirche nicht mit einem fertigen Bau. Die Grundmauer, sagt er, habe er ausgeführt, und damit ist festgestellt, an welchem Platz und in welchen Maßen der Bau entsteht. Bis aber auf die Grundmauer der vollendete Bau gestellt ist, muss noch viel Arbeit geschehen und manche Hand sich regen. Nie dachte Paulus daran, die Kirche bei dem festzuhalten, was sie durch ihn selbst geworden war. Er gab ihr offene Türen, damit jederzeit neue Menschen in sie treten könnten, und neue Menschen bringen neues Leben mit neuer Not und neuer Kraft. Nach dem Weggang des Paulus von Korinth hatte Apollos eine neue Gruppe jüdischer Männer in die Gemeinde geführt und die, die aus der östlichen Kirche zu ihr herüberkamen, trugen mancherlei, zum Teil stürmische Bewegung in sie hinein. Paulus war in Sorge, warnt und verlangt, dass die Gemeinde den Zusammenhang mit ihm bewahre. Dass er sie aber bei sich festhalten dürfte, das gilt ihm als ganz unmöglich. Denn die Kirche steht noch nicht am Ziel, sondern ist im Bau. Ist sie denn nicht Gottes Behausung im Geist und sein Tempel? Kann ein unfertiger Tempel, der erst noch gebaut werden muss, uns Gottes Gnade zeigen? Muss nicht die Kirche ohne Wandel sich selber gleich bleiben im Besitz des Wortes, das sich nicht ändern kann, weil es Gottes Wort ist, und in Gehorsam gegen ein Gesetz, das unwandelbar gilt, weil es Gottes Willen verkündet? Die Grundmauer, sagte Paulus, ist für immer errichtet und bleibt, wie sie ist; denn das ist Christus, unter den jeder gestellt wird, der in die Kirche hineingebaut wird. Christus ist aber nicht der Verkündiger einer Lehre oder der Verfasser eines Gesetzes, sondern der königlich regierende Herr, dessen Wirken sich fortsetzt von Geschlecht zu Geschlecht und nicht vollendet ist, bis Gottes Reich in Herrlichkeit erscheint. Die Kirche kann nicht am Ziel sein, bis Christus sein Werk vollendet hat. Darum bringt die bewegliche Wandelbarkeit der Kirche keine Unsicherheit in sie hinein, weil sie mit Christus verbunden ist. Verändert sich ihr Wort und wandelt sich ihre Arbeit, ihr Herr hat die allmächtige Gnade, die jeder Zeit und jedem Glied der Kirche das gewährt, was sie bedürfen. Ist die Kirche nicht unfehlbar, ihr Gott ist unfehlbar.

Unsere Bauarbeit, lieber Herr, bringt uns mancherlei Unruhe und Verwirrung. Behüte mich vor dem Anstoß, den ich mir leicht an der Unfertigkeit Deiner Schar und an der Unvollkommenheit ihrer Arbeit hole. Lass mich auf Dein Wort sehen, das unserem Bau in Christus den festen Grund bereitet hat, damit ich in der Gemeinschaft mit Deiner Schar bleibe und mit Hand anlege, wie ich es mit der mir gegebenen Gabe kann. Amen.

17. August

Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
Römer 7,19

Wenn Gottes Gebot zu mir kommt, weckt es freilich meinen Widerwillen auf. Denn ich muss empfinden, dass es von meinem Willen gänzlich verschieden ist. Ich kann ihm aber auch zustimmen und meinen Widerspruch zum Schweigen bringen. Dann will ich das Gute. Allein damit ist die in mich hineingelegte große Frage noch nicht erledigt. Denn der Wille ist entwertet und widerlegt, wenn er nicht in der Tat zur Vollendung kommt. Kann ich auch dann, wenn ich das Gute will, so handeln, dass es geschieht? Hier gibt es aber erst wieder Schwierigkeiten, die mir neue Not bereiten, auch wenn das inwendige Gespräch mit dem göttlichen Gebot so zum Abschluss kam, dass ich zum Guten entschlossen bin. Denn zum Handeln brauche ich meinen Leib. Alles, was Tat wird, vollzieht sich im natürlichen Bereich. Das heißt, Lust und Unlust sind aufgewacht und ziehen mich. Glück und Unglück werfen die Bilder in mich hinein und Gott verbirgt sich für mich hinter der massiven Sichtbarkeit des natürlichen Geschehens. Dafür stehen die Menschen als gewaltige Gestalten vor mir, die mir bei jedem Handeln unentbehrlich sind. Mit ihnen, gegen sie, für sie handle ich, und sie legen mir ihren Willen auf, dem ich mich fügen muss. Ihr Lob ist falsch; ihre Ansprüche fordern das Böse; ihre Gemeinschaft erträgt Gottes Ordnung nicht. Diese zum Bösen treibenden Kräfte sind stärker als mein guter Wille. Sowie ich handle, erhält das natürliche Begehren das Übergewicht. Daher sitzt in uns Menschen die Angst vor dem Handeln und wir versuchen es, der Natur zu entrinnen und einen Standort zu erreichen, der uns von der Welt entfernt und uns das Handeln erspart. Sie sind oft rührend, diese Versuche, zwischen unserer Seele und der Welt eine Mauer aufzurichten, hinter der die Seele geborgen sei. Sie scheitern alle; denn sie streiten gegen die Bedingungen, an die unser Leben gebunden ist. Es gibt kein Kloster, und sei es noch so hoch ummauert und in feierlicher Stille eingetaucht, in dem das Wort aufgehoben wäre: Das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wie wird es aufgehoben? Im zentralen Vorgang, der das Innerste in uns ist, entsteht die Änderung. Dort wird uns ein neues Verhältnis zu Gott beschert, nicht nur das, das die Natur uns bereitet, auch nicht nur das, das aus dem uns enthüllten göttlichen Gebot entsteht, sondern das, das der gebende Gott uns schenkt, dessen Gnade zu uns kommt. In Christus sein, sagt mir Paulus, das ist die Befreiung vom Geflecht der natürlichen Notwendigkeit, die stärkere Macht als der natürliche Trieb und als der Menschen Gebot. Das Ende meiner Ohnmacht ist, dass ich im Glauben mit Gott verbunden bin.

Herr Gott, es ist nicht Dein Wille, dass ich auf mich selbst mich stütze und in mir selber ruhe. In mir ist nicht Friede und nicht Kraft und nicht Heil. Das alles ist bei Dir und ist Deines Geistes Werk, Deines Geistes Geschenk. Komm zu mir, Geist des Lebens, dann will und handle ich. Amen.

18. August

Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von neuem Tuch; denn der Lappen reißt doch wieder von dem Kleid und der Riss wird ärger.
Matthäus 9,16

Vieles an uns ist Flickwerk und gleicht einem alten Gewand, auf das ein neues Stück Zeug genäht wurde. Dieses Flickwerk entsteht dadurch, dass wir einen christlichen Zusatz zu dem hinzutun, was wir ohne Jesus sind. Unsere natürliche Art bleibt an uns, wie sie war, wild und krank, ohne dass sie gereinigt und geheiligt wird. Weil wir aber auch bei Jesus manches sehen, was uns lockt, verbinden wir mit ihr ein gewisses Maß von christlicher Lehre und Sitte. So wurden die Jünger des Johannes darauf aufmerksam, dass die Jünger Jesu, ohne zu fasten, frei von der Furcht mit freudiger Hoffnung auf Gottes Reich warteten. Mussten nun sie noch bei ihrem Fasten bleiben? War die Freiheit nur für die Jünger Jesu da, nicht auch für sie? Jesus warnte sie: Verderbt euer Gewand nicht durch einen neuen Flick. So wäre es weder neu noch alt und nützte euch gar nichts mehr, sondern zerrisse ganz. Was von Jesus her stammt, hilft uns nichts, wenn wir es nur dazu brauchen, unser altes Wesen zu verschönen. Im alten Weg sind wir durch den neuen Zusatz gehemmt und haben doch das nicht gewonnen, was uns Jesus gibt. Komme ganz zu mir, sagt mir Jesus, und folge nicht neben mir noch anderen Meistern nach; dann entsteht nicht ein Flick auf deinem alten Wesen, sondern ein neuer Mensch. Verschwindet dann das Alte? Trägt nicht jeder an seinem Leib und an seiner Seele, was die Geburt ihm gab? Und sitzt nicht das fest in uns, was die Welt in uns hineingetragen hat? Verschwinden kann und soll das nicht; denn wir sind fest gewurzelt an dem Ort, an dem wir angewachsen sind. Wenn ich mich aber zu Jesus halte, hat mein Leben nicht mehr an meinem alten Wesen seinen Grund und sein Ziel. Das Neue bleibt vom Alten deutlich unterschieden und vermengt sich nicht mit ihm, sondern steht über ihm und ist das, was uns regiert. So wird auch unser alter Rock uns wirklich brauchbar. Jetzt erst werden wir im richtigen Sinn natürlich, der Natur untertan und Herr über sie und ihrer froh, und stehen in fester Gemeinschaft in den Verbänden, in denen wir leben, mit treuer und heilsamer Arbeit, die ihnen nützt. Aber unser altes Gewand ist nicht mehr unsere einzige Habe, sondern darüber steht, was uns Jesus gibt, und er bewährt die Neuheit seiner Gabe darin, dass er uns den Weg Gottes gehen macht.

Ich hasse, lieber Herr, meine Halbheiten, hasse, was als leeres Wort und unechte Verzierung an mir hängt. An Dir sehe ich den neuen Menschen und wende dorthin mein Verlangen. Herr, hilf! Amen.

19. August

Seid niemand nichts schuldig, als dass ihr euch untereinander liebet. Denn wer den anderen liebt, der hat das Gesetz erfüllt.
Römer 13,8

Jede Rechtspflicht lässt sich erfüllen. Denn es gibt keinen Menschen, der so über mich Herr wäre, dass ihm mein ganzes Leben und meine ganze Kraft gehörte. Der Anspruch, den ein Mensch an mich hat, ist immer begrenzt. Ich kann ihn daher befriedigen und ihm bezahlen, was er von mir zu fordern berechtigt ist. Aber über dem Recht steht die Liebe und sie hat kein Maß. Ihr Anspruch endet nicht, verpflichtet immer neu und füllt mir jeden Tag wieder frisch mit ihrem Werk. Man liebt nie genug. Weil die Liebe nicht aufhören kann, ist sie größer als das Recht; sie ist aber nicht gegen das Recht, sondern erfüllt das Gesetz. Das ist das allererste, was sie tut. Sie schafft vor allem Gerechtigkeit und gibt dem anderen das, was ihm gehört. An dieser Stelle scheiden sich die unechte und die echte Liebe. Wenn ich dem anderen im Namen der Liebe zumute, dass er auf sein Recht verzichte, so habe ich mit hässlicher Unwahrhaftigkeit meinen Eigennutz mit dem Namen „Liebe“ verschönt. Was tut denn die Liebe? Nimmt sie oder gibt sie? Sie gibt. Sie gibt dem anderen seine Ehre und erniedrigt ihn nicht. Sie hilft ihm, zu erwerben, und saugt ihn nicht aus. Wie sie ihm seinen natürlichen Besitz sichert, so schützt sie auch sein geistiges Eigentum. Sie raubt dem anderen nicht den eigenen Willen und verbietet ihm die eigene Überzeugung nicht. Sie hält ihre Hände rein von aller Gleichmachung; denn sie ist das Kind der Freiheit und kann deshalb nicht knechten, sondern befreit. Sie sinkt nicht unter das Gesetz hinab, sondern bewegt sich nach oben und fährt über das Gesetz hinauf und ist mit dem, was das Gesetz verlangt, noch nicht zufrieden, weil sie nach der ganzen Gemeinschaft begehrt. Das ist ihre Art, die ihr nicht fehlen kann, weil sie mein eigener Wille ist, nicht von außen in mich hineingetragen, nicht von einer fremden Macht mir auferlegt, sondern meines eigenen Ichs innerste Bewegung, eins mit meinem Leben und darum in mir vorhanden, solange ich lebendig bin.

Weil Du, Vater, uns die Liebe gibst, gönnst Du uns einen Blick in Deine Herrlichkeit. Die Liebe hört in uns nicht auf; denn sie endet nicht in Dir. Sie hat in Dir die Fülle, aus der Gnade um Gnade zu uns kommt, den nie erschöpften Reichtum, der Ewigkeiten mit immer neuem Leben füllt. Amen.

20. August

Dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt.
2. Timotheus 3,17

Dem Menschen Gottes, den Gott macht und Gott mit sich in Verbindung hält und Gott als sein Werkzeug braucht, kann es nicht an einem Merkmal fehlen, das ihn kenntlich macht. Er ist, sagt Paulus, zu jedem gütigen, hilfreichen, heilsamen Werk geschickt. Er ist nicht träg; denn Gott ist der Wirkende. Er beschäftigt sich nicht nur mit Gedanken als Forscher und Redner; denn Gott ist nicht nur eine Idee oder ein Denker, sondern der Schaffende. Er betet nicht nur; denn er betet nicht umsonst, sondern empfängt, und weil er empfängt, handelt er. Er ist zu einem boshaften und schädlichen Werk nicht fähig. Wie sollte er andere verderben, wenn er Gottes ist? Er ist das Werkzeug der göttlichen Güte nicht bloß für einzelne Nöte und besondere Bedürfnisse, sondern zu jedem guten Werk bereit. Wirkliche Hilfe wird nicht durch teilweise, zersplitterte Gaben geleistet. Gott sorgt für den Leib und für den Geist; er tröstet und macht froh, heilt den Schaden und gibt Leben. Gibt es ein Mittel, durch das ein Mensch Gottes entsteht? Dankbar sah Paulus auf seine Bibel, weil sie aus uns die Menschen Gottes bereitet, die zu jedem Guten fähig sind. Darum ist sie reich und spricht nicht bloß in einem einzigen Ton zu uns. Sie straft, aber nicht allein, sondern sie lehrt auch. Jenes tut sie, damit wir wissen, was Sünde sei; dieses tut sie, weil sie uns Gottes guten Willen zeigt. Sie straft nicht nur, sondern sie richtet auch auf und erzieht und bildet uns. Sie übt unser Auge, dass wir sehen lernen, weckt unser Ohr, dass wir zum Hören gelangen, macht uns kampftüchtig, so dass wir für das Böse verschlossen sind, macht uns dankbar, so dass wir die Gaben der göttlichen Gnade erkennen und schätzen, macht uns gehorsam und macht uns reich, so dass wir zu geben und zu helfen imstande sind. Darum erwartet Paulus, dass wir alle, wenn wir unsere Bibel zu brauchen wissen, Menschen Gottes werden, die zu jedem guten Werk tüchtig sind. Dazu macht uns die Schrift dadurch, dass sie uns zu Christus führt und uns in ihm den zeigt, in dem wir den Glauben empfangen.

Was Du tust, Vater, hat immer ein großes und herrliches Ziel. Darum gibst Du allen, die Du mit Deiner Gnade beschenkst, einen vollen Beruf. Gibst Du mir viel Arbeit, so habe ich auch viel zu bitten, und ich bringe Dir, der Du weißt, was ich bedarf, meine Bitten dar. Amen.

21. August

Die Knaben werden müde und matt und die Jünglinge fallen. Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.
Jesaja 40,30+31

Unermüdlichkeit ist nicht ein Segen, den uns die Natur spenden könnte. Denn die natürlichen Kräfte haben alle ein bestimmtes Maß und jeder Bewegung sind Widerstände entgegengestellt, so dass sie langsamer werden muss und schließlich endet. Nur die Verheißung spricht von einer unermüdlichen Bewegung. Der Prophet verspricht sie Israel und sagt ihm, sein Lauf werde nicht enden, sondern durch den Zufluss frischer Kraft immer wieder erneuert werden. Was aber der Gemeinde verheißen ist, senkt sich auch als göttliche Gabe in das Leben jedes Einzelnen hinein, der an der Gemeinde Anteil hat, da sich ja die Gemeinde dadurch bewegt, dass sich ihre Glieder bewegen. Ihnen allen ist die Füllung des Lebens mit einer Kraft verheißen, die nicht versagt. Ihnen ist ein Lauf beschieden, bei dem sie nicht erlahmen, eine Arbeit geschenkt, an der man nicht satt wird, und eine Liebe gewährt, die nicht verwelkt. Denn sie harren auf den Herrn. Dass sie auf ihn warten, das gibt ihnen die Unermüdlichkeit. Wie kann ich ermatten, wenn Gott noch am Werke ist, wie die Arbeit beiseite legen und mich zur Ruhe begeben, solange Gott sein Ziel noch nicht erreicht hat? Gehöre ich zu den Wartenden und Hoffenden, so bin ich in Spannung und diese bringt mich in eine Bewegung, die nicht aufhören kann, solange mich die Hoffnung treibt, und diese kann nicht verblassen, weil sie in Gott begründet ist. Wer müde geworden ist, schaut nur noch rückwärts; wer aber harrt, der schaut vorwärts, und wer vorwärts schaut, bewegt sich und diese Bewegung kann nicht enden; denn Gottes Gnade endet nicht und sein Werk geht voran nicht bloß von Tag zu Tag oder von Geschlecht zu Geschlecht, sondern auch von Ewigkeit zu Ewigkeit, weil Gottes Reichtum nie ausgeschöpft wird. Der Quell des Lebens, der in Ihm entspringt, lässt neues Leben Welle um Welle strömen und verarmt nie.

Wie der Glaube und die Liebe, so bleibt, Herr Gott, auch die Hoffnung, die Du uns schenkst. Auf Dich hoffen wir, der nicht schläft noch schlummert und weder arm noch müde wird, und du erneuerst mit jedem Erweis deiner Gnade auch die Kraft der Hoffnung, die auf Dich harrt. Amen.

22. August

Ihr seid in unseren Herzen, mit zu sterben und mit zu leben.
2. Korinther 7,3

Was ist Liebe? So muss ich immer wieder fragen. Weil die Liebe göttlich ist, ist sie selten und uns fremd. Auch dann, wenn wir sie haben, vermengen wir sie leicht mit dem, was uns natürlich ist, und dadurch wird sie entstellt. Paulus beschrieb den Korinthern seine Liebe zu ihnen dadurch, dass er sagte, sie seien in seinem Herzen. Von Natur ist nichts in meinem Herzen als ich selbst. In meinem Ich hat alles, was in mir vor sich geht, seine Wurzel und sein Ziel. Das natürliche Verlangen ruft: ich möchte, ich bedarf, mir bringt dies Lust und mir tut jenes weh, und das wird noch nicht anders, wenn ich meine Augen fleißig öffne und in ein reiches Bild der Welt ansammle. So kann ich ein Menschenkenner werden, der eifrigen Verkehr mit vielen pflegt und tiefe Einblicke in ihr Inneres gewinnt, auch intime Berührungen mit dem, was in ihnen heilig ist. Dennoch bleibt auch jetzt noch mein Herz zugeschlossen und der andere steht nicht in mir, nur vor mir, und bleibt für mich nur ein Gegenstand, den ich beobachte, vielleicht auch anhaltend und eifrig studiere. In meinem Herzen wohnt dagegen niemand als ich selbst. Aus der Umschau in der Welt kann Arbeit werden, die mich für andere in Bewegung bringt, nicht nur in emsige, sondern auch in wohltuende und heilsame. Allein auch so ist meine innere Einsamkeit noch nicht durchbrochen. Auch wenn ich für andere arbeite und mich in ihren Dienst stelle, sind sie noch nicht in mir und nicht ein Teil meines Lebens und all mein Arbeiten behält schließlich doch sein Ziel in mir. Immer noch habe ich in meinem Herzen nur für mich selbst Raum. Wie kann mein enges, nur mit sich selbst gefülltes Herz so weit werden, dass es auch andere in sich hineinlassen kann? Das geschieht dann, wenn Gott in ihm Platz bekommen hat, dann, wenn in ihm ein Heiligtum entstanden ist, in dem ich nicht mein eigenes Bild aufstelle, weil über ihm Gottes Name steht. Jetzt ist die Türe geschlossen, durch die auch andere in mich hineintreten können, so dass ihr Wohl ein Teil meines Wohls, ihr Leid ein Teil meines Leids, ihr Sündigen meine Schuld, ihr Leben mein Leben wird. Zum Leben und zum Sterben nahm Paulus die Korinther in sein Herz hinein; denn die Liebe nimmt, sowie sie uns geschenkt ist, alles unter ihre Leitung. Sie gibt uns nichts Zerstücktes, sondern eint uns miteinander ganz. Soll ich sie deshalb fürchten? Belädt sie mich vielleicht mit einer schweren Last? Freilich bringt jeder, der in mein Herz hineintritt, auch seine Last mit sich und wir müssen zusammen dem Wort des Paulus gehorchen: einer trage des anderen Last. Weil aber unsere Gemeinschaft dadurch zustande kommt, dass Gott in unserem Herzen den ihm geheiligten Raum erhält, so ist uns mit der Liebe zugleich der Glaube gegeben. Weil die Liebe glaubt, und zwar alles glaubt, fürchtet sie sich nicht, sondern treibt die Furcht aus uns aus und wird dadurch, dass sie die Last des anderen trägt, gestärkt.

Nun bitte ich Dich, Herr, Gott, um Dein großes Geschenk, mit dem Du uns erfahren lässest, dass Du die Liebe bist. Werde mir so wirklich, so gegenwärtig, so gnädig, dass die Mauer fällt, die mich selbst einsperrt. Machst Du mich für Dein Wort und Deinen Geist offen, dann ziehen auch die in mich ein, die Du zu mir führst, und wir werden durch das heilige Band der von Dir gewirkten Liebe eins. Amen.

23. August

Sündigt dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm allein. Hört er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er dich nicht, so nimm noch einen oder zwei zu dir, auf dass alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen Mund. Hört er die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner. Wahrlich ich sage euch: was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein.
Matthäus 18,15–18

In der Christenheit darf Gottes Gebot nicht schwankend werden. Es gehört vielmehr zu ihrem heiligen Beruf, dass sie den Kampf gegen das Böse gemeinsam führe. In der Christenheit stärkt sich jeder am Widerstand der anderen gegen das Sündliche. Die Wahrhaftigkeit aller trennt alle vom Lügen und die Liebe aller macht allen ihre Eigensucht zur hässlichen Not. Gemeinschaft ist aber ein hohes Ziel, vollends dann, wenn sie im gemeinsamen Kampf gegen alles Böse wirksam wird. Die Gemeinschaft kommt in Verwirrung, wenn sie zu weit greift und das Recht eines jeden, sein Innerstes für sich zu haben, antastet. Darum verbot Jesus dem, der in der Gemeinschaft der Jünger lebt, sich mit seiner Klage sofort an die Brüder zu wenden. Freilich darf das, was recht ist, nicht verletzt und die Gemeinschaft nicht durch die Duldung von Unrecht geschwächt werden. Der Verletzte soll aber nicht zur Gemeinde gehen, sondern zum Fehlenden, der ihn geschädigt hat. So kannst du den Bruder gewinnen, sagt uns Jesus, und das hohe Ziel, das er uns damit zeigt, soll uns für einen solchen Gang mit Mut ausrüsten und mit Weisheit begaben. Da aber Jesus die Macht der Sünde kennt, verheißt er nicht, dass ein solcher Schritt sicher gelinge. Menschen werden nicht nur gewonnen, sondern auch verloren, und einen mechanisch wirkenden Schutz gegen die Versündigung gibt es nicht. Keine Höhe der Erkenntnis, kein Sakrament, auch keine werbende Liebesmacht des Bruders, der den Bruder vom bösen Handeln befreien will, trägt die Bürgschaft in sich, dass sich der Sündigende unter das ihn strafende Wort beuge. Aber auch dann lässt Jesus dem Geschädigten nicht zu, dass er schon jetzt auf die Erneuerung der Gemeinschaft verzichte. Er hat noch zwei Mittel bei der Hand, die vielleicht den Bruder gewinnen, das unparteiische Urteil anderer Brüder und das einträchtige Urteil der gesamten Bruderschaft. Erst mit diesem fällt über das Schicksal des Boshaften die Entscheidung. Hält er auch gegen die Gemeinde an seinem Unrecht fest, dann ist diese verpflichtet, das Band zwischen ihr und ihm aufzulösen. Um den Preis der Duldung des Bösen wird die Gemeinschaft nicht gewährt und Jesus spricht in Kraft seines königlichen Amtes, wenn er sagt, dass ein solches Binden das Binden im Himmel bewirke, wie auch das Lösen und Vergeben der Gemeinde die Vergebung Gottes gewährt.

Ich kann die Last der anderen, heiliger Vater, nicht auf mich nehmen, wenn nicht Dein Vergeben mein Schutz und meine Stärke ist. Sonst bin ich, wenn Unrecht geschieht, ratlos und ohnmächtig und gewinne am Unrecht des Bruders nur den Zorn, der ihn schilt und von sich stößt. Wie könnte ich nach Deinem Willen handeln, wenn ich nicht um die Weisheit bitten dürfte, die von oben kommt? Alle Hilfsmacht, die den anderen hilft, ist Dein Geschenk. Ich suche und erbitte sie von Dir. Amen.

24. August

Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht.
Sprüche 23,23

Kaufe Wissen! Das wäre nicht dieselbe Mahnung wie die, die dieser Spruch uns gibt. Freilich muss uns Wissen zufließen, damit Wahrheit unser Eigentum werde, und die Mahnung: erwirb Wissen und mühe dich darum, hat guten Sinn. Nun muss uns aber noch etwas Größeres gelingen, nämlich dies, dass uns unser Willen in die Wahrheit führt. Viel Wissen kann uns auch mit viel Unwahrheit belasten, und dies geschieht dann, wenn in uns die Risse entstehen, die das zerspalten, was nur geeint uns ins rechte und fruchtbare Leben helfen kann. Die Wahrheit kommt nicht aus uns heraus, sondern wird uns durch das zugetragen, was uns gezeigt wird. Das haben wir aber nicht nur zu sehen, sondern auch mit unserem eigenen Urteil zu erfassen. Hier kann ein Riss entstehen, der uns tief verwunden kann. Das Sehen und Begreifen ist aber nicht das einzige, was uns mit dem Wissen zuteil wird. Denn es wird uns dazu gegeben, damit wir wollen und handeln, und an dieser Stelle kann wieder ein Riss entstehen, der uns inwendig entzweit. Dann erst ist die Wahrheit bei uns eingekehrt, wenn sich ohne Bruch und Spaltung Glied an Glied in unserem inneren Leben aneinanderreiht. Mit jeder Verkrümmung geraten wir in die Unwahrhaftigkeit hinein. Deshalb wird es für uns ein hohes Ziel, Wahrheit zu empfangen und durch sie wahr zu werden. Ich will mich willig mahnen lassen: Kaufe sie um jeden Preis und verkaufe sie nicht um keinen Preis. Freilich ist sie wie alles Gute Geschenk der freien Güte und sie kommt zu mir wie das Licht und die Luft als mir dargereichte Gabe. Weil sie aber wirklich mir dargeboten wird, muss ich nach ihr greifen und ihr meine Liebe geben, damit sie mein eigen wird. Sie hat aber viele Feinde nicht nur um mich her, sondern auch in mir selbst, und es mag leicht geschehen, dass es mich hart ankommt, den Preis zu zahlen, mit dem ich sie erwerben kann. Ich müsste mit ängstlicher Sorge zweifeln, ob es mir wohl gelinge, diesen teuren Besitz zu gewinnen, gäbe es nicht eine Wahrheit, die über allen Wahrheiten steht und zu ihnen allen führt, die in der Mitte meiner Seele leuchtet und alles, was sie denkt und will, bestrahlt. Das ist der Aufblick zu Gott, die Erinnerung an den, aus dem und zu dem alle Dinge sind. Wenn die Gewissheit Gottes in mir befestigt ist, dann macht sie meinen Verkehr mit allem, sei es Sichtbares oder Unsichtbares, Natur oder Geist, der Wahrheit untertan. Ist mein Blick auf Gott gerichtet, so wird mir das Auge geöffnet, so dass ich die Dinge sehen kann, und mein Urteil geregelt, so dass es nicht fabeln und schwärmen kann. Dann ist es mir weiter verwehrt, mich zum Herrn der Dinge und Menschen zu machen, damit ich an ihnen meine eigensüchtige Macht bewähre, sondern ich empfange nun durch meine Lage meine Pflicht und meinen Dienst. Nun bin ich in die Wahrheit hineingesetzt.

Wo soll ich, Herr Christus, die Wahrheit kaufe, wenn nicht von Dir? Bei Dir ist mir der Ort bereitet, an dem ich Gottes gewiss zu werden vermag. Weil ich der Wahrheit bedarf und nach ihr verlange, komme ich als Dürstender zu Dir. Tue an mir nach Deiner Verheißung, die alle, die dürfen, zu Dir ruft. Amen.

25. August

Wir sind nicht von denen, die da weichen und verdammt werden, sondern von denen, die da glauben und die Seele erretten.
Hebräer 10,39

Wir sind nicht von denen, die da weichen; bräche ich hier ab, so könnte sich der Trotz meines Eigenwillens in dieses Wort verkleiden. Straucheln wir nicht oft, weil wir entschlossen sind, den von uns begangenen Weg nicht aufzugeben, was immer sich uns widersetzen mag? Es ist jedesmal ein schmerzlicher, eine Wunde bewirkender Vorgang, wenn wir einen gefassten Entschluss wieder zerbrechen müssen und ernsthafte Opfer umsonst gebracht wurden. Das schneidet tief und schmerzlich in unsere Eitelkeit hinein. Gibt es ein Merkmal, das deutlich und sicher den eigenwilligen Trotz von der mannhaften Beharrlichkeit trennt? Wir sind, sagt der Apostel, nicht von denen, die da weichen, weil wir zu denen gehören, die da glauben; weil wir glauben, weichen wir nicht. Jetzt kann ich nicht in den Trotz hineingeraten. Denn Trotz und Glaube sind ebenso wenig miteinander vereinbar, als feiges Verzagen mit Glauben zusammengeht. Der Trotz rechnet mit der eigenen Kraft, der Glaube mit Gottes Kraft; das sind zwei inwendig gänzlich verschiedene Vorgänge, die aus zwei verschiedenen Wurzeln stammen; denn der Trotz kämpft für den eigenen Willen, während der Glaube sich an Gottes Willen hängt. Deshalb, weil der Glaube auf Gottes Willen gestellt ist und ihn tun will, macht er mich biegsam. Denn er lässt nicht zu, dass ich mich von der göttlichen Leitung löse; ihr will ich folgen, wohin sie mich ruft. Ich habe ja im Glauben gründlich und völlig darauf verzichtet, wie die Verfügung über Gottes Willen zuzuschreiben oder ihn schon von Anfang an erkennen zu wollen. Ich warte, weil ich glaube, bis Gott redet, höre, wenn er zu mir spricht, und bin für seinen Ruf bereit. Damit endet jener falsche Stolz, der heldenhaft auf seinem eigenen Wege voranstürmt. Aber die Biegsamkeit des Glaubens ist zugleich unbiegsame Unbeweglichkeit, die nicht weichen kann. Denn an Gottes Wort und Gottes Gnade entsteht die feste Gebundenheit an Ihn, die nicht darum nicht zerbrechen kann, weil mein Glaube unbeweglich wäre, sondern deshalb, weil seine treue Hand mich hält. Deshalb legt der Glaube in meine Seele die sichere Hoffnung, die nicht schwanken kann, weil sein Blick auf Gott gerichtet ist, und deshalb beschenkt er mich mit der unermüdlichen Liebe, die vom Dienst nicht lassen kann, weil der Blick des Glaubens auf den gerichtet ist, dem keiner vergeblich dient. Wer glaubt, weicht nicht.

Gib mir, gnädiger Gott, die Festigkeit, die mir das gerade Herz verschafft, das sich nicht krümmt, und den geraden Gang gewährt, der nicht schwankt, und gib mir die wache, zum Hören bereite Beweglichkeit, die nicht rückwärts blickt und am Vergangenen hängt, sondern willig Deiner Leitung folgt. Amen.

26. August

Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.
Johannes 14,14

Das Wirken und das Bitten bindet Jesus zu einer festen Einheit zusammen. Uns liegt es näher, die Not und das Bitten miteinander zu verbinden und für die Bitte den Stoff aus dem zu gewinnen, was uns fehlt. Das ist kein verwerflicher Vorgang; denn das aus dem Schmerz geborene Gebet steht unter Gottes väterlicher Güte und Barmherzigkeit. Jesus spricht aber zu den Jüngern vom Gebet in seinem Namen und die Beziehung zum Namen und zur Sendung Jesu bekommt ihr Gebet dadurch, dass es in ihrem Dienst und Werk seine Wurzel hat. Die Jünger sprachen im Namen Jesu als die von ihm Beauftragten, die nicht ihr eigenes Wort sagen, sondern das seine, und wie sie in seinem Namen redeten, so handelten sie auch in seinem Namen und stellten nicht sich selber als die Helfer und Bringer der göttlichen gaben dar, sondern richteten den Blick aller auf Jesus, warben für ihn und schufen den Glauben an ihn. Wie sie im Namen Jesu reden und wirken, so sollen sie auch im Namen Jesu bitten, als die, denen er ihre Stellung vor Gott gab, die in seinem Auftrag handeln und das tun, was er sie tun heißt. Wie können sie wirken, wenn sie nicht um das bäten, was ihr Handeln schaffen soll? Wirksamkeit ohne Gebet wäre ein selbstisches Handeln, das heißt Sünde. Sie wollen ja nicht ihre Ehre bewirken, nicht ihre Herrschaft ausdehnen oder ihren Besitz vermehren. Sie sind Knechte und wollen das tun, was er sie tun heißt. Dies übersteigt aber beständig ihr eigenes Vermögen und kann nur dann gelingen, wenn Christus selber für sie und durch sie wirksam wird. Sie bringen sich das zum Bewusstsein und zu kraftvoller Wirklichkeit, indem sie Schritt um Schritt ihr Wirken in ihrem Bitten begründen und dabei im Namen Jesu den Grund und die Regel haben, die ihr Wirken und Bitten trägt. Deshalb versieht Jesus ihr Gebet, weil es in Seinem Namen geschieht, mit einer Verheißung, die keine Beschränkung hat. Er macht seine Verheißung so unbedingt wie seine Zuversicht zu seiner Sendung und setzt ihr keine Schranken, weil sein königliches Amt ihn zum Herrn über alles macht. Für das, was in seinem Namen den Grund und die Regel hat, tritt Gottes Gnade und Regierung ein. Damit erläutert und bestätigt er seine Verheißung, die dem Glauben, soweit er vorhanden ist, die die Berge bewegende Macht Gottes verhieß.

Alle Deine Gaben, Herr Christus, sind wunderbar groß, auch die, dass Du uns beten lehrst. Dein Name bedeutet für uns Glauben, der sich in Gottes Gnade hineingesetzt weiß und Murren und Zweifel vom Gebet wegtreibt. Dein Name bedeutet Gehorsam, der den Willen Gottes tun will und unserem Eigensinn ein Ende macht. Dein Name bedeutet Liebe, die nicht das Ihre sucht und uns samt unserem Gebet von der lüsternen Begehrlichkeit befreit. Mit deinem Namen verbindest Du Deine Verheißung, die in unser Gebet die Gewissheit und Freudigkeit hinein trägt und aus ihm allezeit die Danksagung macht. Amen.

27. August

Ihr Tisch müsse vor ihnen zum Strick werden, zur Vergeltung und zu einer Falle. Ihre Augen müssen finster werden, dass sie nicht sehen, und ihre Lenden lass immer wanken. Gieße deine Ungnade auf sie und dein grimmiger Zorn ergreife sie.
Psalm 69,23–25

Soll ich auch so beten? Das ist eine kindische Frage. Ich leide kein Unrecht und habe keine Feinde. Wo sich in meinen Verhältnissen Schwierigkeiten zeigen, entstehen sie nicht nur durch die anderen, sondern auch durch mich. Wie wäre es aber dann, wenn ich einmal ernsthaft Unrecht litte, oder wenn ich sehe, dass andere um Gottes willen gequält und verfolgt werden, soll ich dann so beten, wie der Psalmist es hier tut? Bittet für die, die euch verfolgen, sagt mir Jesus, und wenn ich das kann, so entsteht aus dem Gebet des Psalmisten daraus keine Einrede. Dann gilt auch hier: Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt wurde; ich aber sage euch. Warum soll ich nun aber das in der Bibel lesen? Wie kann mich ein solches Wort stärken? Wäre mir der Psalter wirklich eine größere Hilfe, wenn er nur Gebete wie Psalm 23 oder 91 enthielte? Wenn ich mir vorstellen müsste, bei all dem Schweren, das die Alten litten, durch die Bedrückung des Volkes von außen und durch die Zerrüttung der Gemeinde im Inneren, sei keine Klage zu Gott emporgestiegen und nie seine rächende Gerechtigkeit angerufen worden, sie hätten in jeder Lage nur gebetet: Der Herr ist mein Hirte; es mangelt mir nichts? Dann wäre der Psalter nicht mehr wahr, nicht mehr ein menschliches Gebet. Beten soll der Mensch, freilich so, dass er im Gebet die Einigung mit Gottes Willen sucht, doch so, dass er, der Mensch, sie sucht. Und wenn sein Gebet wahrhaftig ist und nicht nur eine eingeübte Formel und angelegte Tracht, dann kommt unvermeidlich in seinem Gebet die heiße Klage ans Licht, sowie die Bosheit der anderen in sein Leben verwüstend eingreift. Kann ich nicht neutestamentlich beten, so bleibt es doch unbedingt nötig, dass ich bete. Besser ist es, ich bete einen Rachepsalm, als ich trage einen gottlosen Hass in mir. Wenn ich meine Empörung über das Unecht, das geschieht, zur Bitte mache und in den Ruf nach Gottes Gerechtigkeit verwandle, so bin ich keine Gefahr für den Frieden. Im öffentlichen Leben der Völker wie im privaten Verkehr der Einzelnen sind nicht die die Zerstörer des Friedens, die beten, sondern die Gottlosen und Atheisten, die für ihr Handeln keine Regeln kennen als ihren Eigennutz.

Auch unser Gebet, Vater, bedarf Deiner Vergebung; denn es offenbart sich in ihm unsere menschliche Art. Deine Gerechtigkeit und was wir Gerechtigkeit heißen, ist weit voneinander getrennt. Du hast uns aber in Deiner väterlichen Güte gewährt, dass wir vor Dir reden dürfen ohne Angst und Zwang, und legst in unser Beten Deinen Segen. Amen.

28. August

Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.
Matthäus 7,1

Das ist ein besonderes süßes Stück des Evangeliums. Denn richten ist eine schwere Sache. Wer richten will, sollte wissen, das geschah. Wie kann ich das aber wissen? Was sichtbar ist, kommt aus dem Herzen des Menschen heraus; ich aber bin nicht Herzenskenner. Wer richten will, muss wissen, was die Gerechtigkeit verlangt, damit der Schuld das widerfahre, was sie verdient, und der Guttat der Lohn zuteil werde, der ihr gebührt. Wer kann vergelten? Wie verkehrt verfahren wir in der Weise, wie wir einander die Ehre und die Schande zuteilen und den Lohn und die Strafe verwalten! Du kannst nicht richten, sagte Jesus, du sollst es aber auch nicht. Können wir aber auf das Gericht verzichten? Eifrig sagte die jüdische Schar: gerichtet muss werden; das ist ein Teil unseres Gottesdienstes; das Gericht unterlassen heißt Gott verleugnen. Wie kann ich mit dem Sünder Gemeinschaft haben, ohne dass ich mich selbst zum Sünder mache, wie Bosheit dulden, ohne dass ich zum Widersacher Gottes werde? Wenn wir nicht richten, meinten sie, werden wir gerichtet. Nein, sagt mir Jesus; wenn du richtest, dann wirst auch du gerichtet. Dann hast du dich aus der vergebenden Gnade herausgestellt und unter Gottes Recht begeben. Dieses lässt dir aber nicht zu, dass du nur die anderen richtest und dich selber nicht. Das Gericht ist die Enthüllung der Wahrheit und ihre fehllose Verwirklichung. Daher duldet das Gericht keine Heuchelei und lässt mir nicht zu, dass ich mich freispreche, dagegen die anderen richte, und weil ich Gottes Gericht gegen mich habe, so weiß ich, dass ich mit meinem Urteil, das den anderen trifft, mich selbst verdamme. Was soll ich denn tun? Jedes Verbot kann nur dadurch erfüllt werden, dass ich anstelle des Bösen das Gute tue. Vergeben sollst du, sagt mir Jesus. Wir müssen richten, sagten die Juden, und können nicht vergeben; denn vergeben kann Gott allein. Die Antwort Jesu war: Gott kann nicht nur vergeben, sondern hat euch vergeben, und weil er euch vergeben hat, vergebt auch ihr. Sein Vergeben bringt nicht Unfug und Wirrwarr in der Welt hervor; denn es richtet den Schuldigen auf und macht seiner Bosheit ein Ende. Du vermehrst, sagt mir Jesus, mit deinem Richten die Sünde und belädtst dich selbst mit ihr. Vergib, so überwindest du das Böse mit Gutem, und das ist der einzige Weg, wie es überwunden werden kann.

Ich bete Deine Gnade an, die meine Sünde nicht richtet, weil sie mir in Deinem lieben Sohn den Versöhner gegeben hat. Nun rüste mich mit der Waffe aus, die mich stärker als die Sünde macht und die Bosheit zu überwinden vermag, mit dem heilenden Vergeben, das aus Deinem Vergeben stammt. Amen.

29. August

Er antwortete aber und sagte zu einem unter ihnen: „Mein Freund, ich tue dir nicht unrecht. Bist du nicht mit mir eins geworden um einen Groschen? Nimm, was dein ist und gehe hin. Ich will aber diesem Letzten geben gleich wie dir. Oder habe ich nicht Macht, zu tun, was ich will, mit dem Meinen? Siehst du darum scheel, dass ich so gütig bin?“
Matthäus 20,13–15

Sind wir unversöhnt, so bleiben wir unversöhnlich und zeigen dies dadurch, dass uns alles ins Murren treibt. Nun schmeckt uns alles bitter. Wenn wir entbehren müssen und uns Gottes Hand hart anfasst, so murren wir. Das endet aber nicht, wenn Gott gütig gegen uns ist, als machte uns Gottes Gnade froh. Nun gibt es vielmehr neuen Anlass zum Murren. Er ist ja auch anderen gnädig, nicht nur mir. Wie soll ich noch zufrieden sein, wenn die anderen nicht weniger erhalten als ich selbst? Es braucht nicht viel Überlegung, um zu erkennen, wie gottlos und fluchbeladen der Anspruch ist, dass Gott nur gegen mich, nicht auch gegen die anderen gütig sei. Will ich denn Gott an mich ketten und seine Gnade meiner Eigensucht dienstbar machen? Die Bosheit führt auch jetzt zur vollendeten Torheit. Es gibt nichts Törichteres, als wenn wir die Güte in Bitterkeit verwandeln. Es waren aber nicht Petrus und die ersten Jünger allein der Hilfe Jesu bedürftig, damit sie sich nicht aus der Größe ihres Dienstes diese Versündigung bereiten. Denselben Schutz bedürfen wir alle, die wir irgendwie, z. B. durch die Erteilung eines kirchlichen Amts, gewürdigt sind, Arbeit im Dienst Jesu zu tun. Oft wird dabei das Murren hörbar, das sich beklagt, dass wir nicht allein reden und nicht allein regieren können, weil Gott auch andere braucht, anders begnadet und ihnen gütig ist. Wenn wir aber nicht die eigene Leistung messen, sondern auf die gebenden Hände Gottes achten, dann sehen wir mit Jubel an den anderen, wie gut er ist. Weil er gütig ist, ist er es gegen alle, sogar gegen mich. Indem die anderen zeigen, was mein Gott ist, und die ihnen gewährte Gnade mir sichtbar macht, was mein Herr tut, schenkt er mir Freude über Freude in reichem Strom. Denn die Tiefe des göttlichen Reichtums wird an uns allen in immer neuer Weise offenbar und schafft immer neuen Grund zur frohen Danksagung. Gefällt uns dagegen unsere Eigensucht, die sich nicht mit den anderen freuen mag, dann lautet unser Urteil: „Nimm das Deine und geh!“ Der Lohn für unser Murren besteht darin, dass wir aus der Schar derer hinausgewiesen werden, die Gott dienen dürfen, und damit sind wir in die freudlose Nacht verbannt.

Die Arbeit will ich tun, Herr Gott, die Du mir gibst, und freudig Deine Gnade immerdar loben, die mir meine Arbeit gab. Sei sie groß, sei sie klein, Du gabst sie mir in Deiner Gütigkeit. Wenn mein Handeln Deinen Willen tut und mein Leben Deine Gnade offenbart, so hängt das ganz und gar an Dir und Deiner Freundlichkeit. Darum bitte ich Dich um einen reichen Anteil an jener Freude, die du den Deinen dadurch schenkst, dass du sie alle aus Deinem Reichtum begabst und mit Deiner Weisheit führst. Amen.

30. August

Der Herr sprach zu Mose: „Schreibe zum Gedächtnis in ein Buch und befiehl es in die Ohren Josuas. Denn ich will den Amalek unter dem Himmel austilgen, dass man seiner nicht mehr gedenke.“
2. Mose 17,14

Die Stämme der Wüste leben vom Raub. Sie säen nicht und ernten nicht; denn ihre Heimat versagt ihnen die reifende Ernte. Wovon sollen sie leben? Der Amalekiter handhabt den Speer und das Schwert, wie der Löse die spitzigen Krallen seiner starken Pfoten und die Zähne seines mächtigen Gebisses gebraucht. Eine durch die Wüste wandernde Schar wie die, die Mose führte, galt den Amalekitern als unerwünschte Beute. Sie versuchten, sie zu berauben; aber ihr Plan scheiterte, und nachdem ihr Überfall abgewehrt war, ergeht der Spruch: Amalek soll ausgerottet werden. Nicht bleibender Hass in immerwährender Fehde, die sich von Geschlecht zu Geschlecht ohne Ende forterbt, soll das Ergebnis dieses Kampfes sein. Das menschliche Raubtier muss verschwinden. So wurde Amalek zu einem der sterbenden Völker und die Zahl derselben ist groß. Sie sterben daran, dass sie nichts anderes haben als das, was die Natur ihnen gab. Denn das, was die Natur aus uns macht, ist nicht ewiges Leben. Sie brachte üppig wachsende Wälder von Pflanzen hervor, die wieder versanken, und gewaltige Tiergeschlechter, die wieder starben; so schafft sie auch Menschengeschlechter mit mannigfaltiger Ausrüstung und auch sie empfangen damit, dass die Natur sie schafft, noch nicht den bleibenden Bestand und einen ewigen Beruf, sondern welken dahin, wie sie aufblühten, dem Gesetz der Vergänglichkeit untertan. Neben dem sterbenden Amalek stand die durch die Wüste ziehende Schar und diese hat einen ewigen Beruf. Woher stammt er? Nicht aus der Natur, nicht aus der Eigenart ihrer Rasse oder ihrer bevorzugten natürlichen Ausstattung. Es bleibt beim Wort des Paulus: was gab dem Juden den Vorzug und der Beschneidung den Nutzen? Gottes Worte wurden ihnen anvertraut. Unvergängliches Recht und ewiges Leben entsteht nur durch das, was Gottes Gnade uns als ihr Geschenk darreicht. Das Geschick unseres Volks steht unter demselben heiligen Gotteswillen. Wenn wir das, was uns die Natur gewährt, noch so eifrig ausnützen und auch ihre unsichtbaren Kräfte mit großer Geschicklichkeit packen und uns dienstbar machen, die Natur macht die Völker sterblich, auch wenn sie in die feinste Kultur verwandelt wird. Nur ein Bau steht unbeweglich, Gottes lebendiges Haus, aus den lebendigen Steinen erbaut auf den Eckstein, der den Tod durch Auferstehung bezwang. Gottes Wohnung im Geist zerfällt nicht.

Ich sehne mich, Herr, heraus aus der Eitelkeit unseres natürlichen Lebens und danke Dir für Deine himmlische und ewige Gabe, die uns Dein Wort beschert. Das Fleisch ist nichts nütze, der Geist ist es, der lebendig macht. Schreibe mir dies Dein Wort in die Seele, damit ich es glaube und es mich in allem leite, was ich denke und will. Amen.

31. August

Das andere Gebot ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Matthäus 22,39

Es ist eine froh machende und stärkende Gewissheit, dass ich meine Pflicht nicht mit eigener Wahl aufsuchen und selbst erst entdecken muss. Deinem Nebenmann gib deine Liebe, sagt mir Jesus, dem, den Gott zu dir geführt und neben dich gestellt hat. Die selbstherrliche Verfügung über den Verlauf meines Lebens ist mir damit genommen. Denn mein Nächster ist ohne mein Zutun da. Wir wurden zusammengeführt durch die Hand, die unser beider Leben regiert, und damit, dass er mein Nächster ist, ist meiner Liebe das Ziel gegeben und meine Pflicht mir gezeigt. Darf ich sie dadurch von mir weisen, dass ich sage, es sei doch nur ein Zufall, dass gerade dieser mein Nächster sei? Dem Priester und Leviten, die durch die Wüste am Halbtoten vorbei nach Jericho gingen, gestattete es Jesus nicht, zu sagen, dass nur ein Zufall sie zu dem geführt habe, der ihrer Hilfe bedürftig war. Sie haben ihn freilich nicht gesucht, als sie ihre Wanderung antraten. Aber gerade deshalb, weil nicht ihr eigener Wille diese Begegnung herbeiführte, entsprang aus ihr die heilige Pflicht, die sie nur dann abweisen können, wenn sie die Regierung Gottes verachten, die in allem wirksam ist. Wenn ich nicht gottlos denken will, sondern auf Gottes Hand achte, kann ich nicht vom Zufall reden, wenn er meinen Weg zu dem hinlenkt, der meiner Liebe bedarf. Auch dann, wenn ich mit eigenem Willen und freier Wahl den anderen zu mir ziehe und zu meinem Nächsten mache, stehen wir beide unter der Regierung Gottes, da unser Handeln an Bedingungen gebunden ist, die nicht wir selber setzen. Dadurch wird meine Pflicht heilig, dass ich sie nicht von mir aus bestimmen kann, sondern durch die mir gesetzte Lage empfange. So ist sie ein Anspruch, der von oben herab zu mir kommt und meinen Gehorsam verlangt. Wie leicht wird mir aber zugleich mein Dienst gemacht! Er wäre schwer, müsste ich mich auf die Fahrt machen, um die zu entdecken, die ich lieb haben darf. Hier aber habe ich nichts erst zu suchen. Sie sind mir ja nah und da, die von Gott neben mich Gestellten. Müsste ich ein Programm für mein Leben entwerfen und es nach meinen Plänen ordnen, wie käme dabei etwas anderes heraus als stetes Schwanken und immer neue Unsicherheit? Nun aber lautet das mir gegebene Gebot: tue, was die Stunde fordert; gib dem, der neben dir steht, das, was du ihm geben kannst, dieselbe Schätzung, wie dir selbst, die Gabe, die dein eigenes Leben nährt und füllt.

Ich will Dir, Vater, von Herzen danken, dass mich Dein süßes Gebot aufweckt, wenn ich in mir selbst versinke und niemand in meine Nähe lasse und auch die nicht sehe, die meine Nächsten sind. Wenn Dein Gebot kräftig zu mir spricht und die Eigensucht, die mich einsam macht, verscheucht, dann finde ich Tag um Tag Pflicht und Dienst in reicher Fülle. Dafür sei Dir Lob und Dank gesagt Tag um Tag. Amen.

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