Savonarola, Girolamo - Betrachtungen über den 51. Psalm

Savonarola, Girolamo - Betrachtungen über den 51. Psalm

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im Kerker geschrieben l498.

Der ein und fünfzigste Psalm.

Herr Jesu, mich errette,
Der keine Hülfe hat:
Die Folter ist mein Bette,
Der Kerker meine Stadt.
In schwarzen Eisengittern,
In meiner Ketten Last,
Muß ich vor mir erzittern.
Den du geschlagen hast.
Mein Herz hast du getroffen,
Das klagt dir seine Schuld.
Herr, laß auf dich mich hoffen
In schweigender Geduld.

Ich Unglückseliger, von aller Hilft Verlassener, der ich Himmel und Erde beleidigte, wo soll ich hingehen? Wohin mich wenden? Zu wem mich flüchten? O wer wird mein sich erbarmen? Nicht wage ich, zum Himmel meine Augen aufzuschlagen, denn ich habe schwer wider ihn gesündigt. Keine Zuflucht finde ich auf Erden, denn zum Aergerniß ward ich ihr. Was soll ich thun, soll ich verzweifeln? Nein, erbarmend ist Gott und treu mein Erlöser, er wird sein Wers nicht verachten und sein Bild nicht verstoßen. Ja zu dir, mein treuer Gott, zu dir geh' ich in Trauer und Herzeleid; du nur bist meine Hoffnung, du allein meine Zuflucht. Aber, was soll ich sagen vor dir, der ich nicht wagen kann, die Augen aufzuschlagen? Meine Klage will ich ergießen, daß sie anflehe dein Erbarmen.

Sey mir gnädig, nach deiner großen Barmherzigkeit.

Gott, der du wohnest im unzugänglichen Licht, verborgener Gott, nicht sichtbar dem leiblichen Auge, zu fassen nicht vom erschaffenen Geist, nicht auszusprechen von Menschenwort und Engelzungen! Mein Gott, ich suche dich, den Unerforschlichen, ich rufe dich, den Unaussprechlichen, der du Alles bist und überall. Du bist das Ding aller Dinge, wenn du anders ein Ding bist und nicht vielmehr die Ursache aller Dinge, wenn du anders eine Ursache bist. Mir fehlt der Name, mit dem ich deine unauszusprechende Herrlichkeit ausspräche. Mein Gott, will ich sagen, der du Alles bist, was in dir ist. Du bist sie ja, deine Weisheit, deine Güte, deine Macht und deine hohe Seligkeit. Weil du erbarmend bist, so bist du selber die Erbarmung. Aber was bin ich, als das Elend selbst? Sieh, Gott, sieh o Erbarmung, siehe, das Elend ist vor dir! Erbarmung, du thust dein Werk, deine Natur kannst du nicht verlassen noch verläugnen. Was ist dein Werk? Das Elend enden und die elenden Menschen aufrichten. So erbarme dich mein, o Gott! Gott, du Erbarmen, ende mein Elend, nimm meine Sünden weg, sie sind mein Elend. Erhebe mich Elenden, zeige dein Werk an mir, übe deine Kraft an mir. Der Abgrund rufet den Abgrund. Der Abgrund des Elends rufet den endlosen Grund der Erbarmung; der Sünden Abgrund ruft den endlosen Grund der Gnaden. Größer ist der Grund der Erbarmung, als der Abgrund des Elends. So verschlinge der Abgrund den Abgrund. Erbarme dich mein, nach deiner großen Erbarmung; nicht nach der Menschenerbarmung, die ist klein, nach deiner Erbarmung, die ist groß, die ist unermeßlich, die ist unerfaßlich, die überraget grenzenlos alle Sünden. Erbarme mein dich nach der großen Erbarmung, mit der du so sehr die Welt geliebt, daß du deinen eingeborenen Sohn dahingabst. Wo ist ein größer Erbarmen, wo ist eine reichere Liebe? Wer kann jetzt noch verzagen? Wer kann jetzt nicht gläubig vertrauen? Erbarme dich mein, nach der großen Erbarmung, mit der du durch den Sohn die Sünden der Welt vertilgt, mit der du durch sein Kreuz alle Menschen erleuchtest, mit der du durch ihn Alles neu machst, was im Himmel und auf Erden ist. Wasche mich rein, Herr, in seinem Blut, erleuchte mich in seiner Niedrigkeit, schaffe mich neu in seiner Auferstehung. Erbarme dich mein, nicht nach deiner kleinen Erbarmung, denn klein ist sie, wenn du die Menschen nur aufrichtest vom leiblichen Elend; aber groß ist sie, wenn du Sünden vergiebst und den Menschen über die Erde erhebst mit deiner Gnade. So erbarme dich mein nach deiner großen Erbarmung, daß du zu dir mich wendest, daß du auslöschest meine Schuld und mich rechtfertigest durch deine Gnade.

Tilge meine Sünde nach dem Reichthume deiner Erbarmungen. Deine Barmherzigkeit, o Herr, ist der überströmende Reichthum deiner Vaterliebe, mit der du die Elenden liebst und deine Erbarmungen sendest. Maria Magdalena fiel zu deinen Füßen, o Jesu, die wusch sie mit ihren Thränen, die trocknete sie mit ihrem Haare. Du vergabest ihr und hießest, sie gehen in Frieden. Das war deiner Erbarmungen eine. Petrus verläugnete dich und schwur sich los von dir mit einem Eide. Du sahest ihn an und er weinte bitterlich, du vergabest ihm und machtest ihn zum Apostelerstling. Das ist deiner Erbarmungen eine. Der Räuber ward am Kreuz mit einem Wort gerettet. In der verfolgenden Wuth wurde Paulus berufen und alsobald mit deinem Geist erfüllt. Das war deiner Erbarmungen eine. Aller Lebendigen Zeit wäre zu kurz, all deine Erbarmungen zu zählen. So viel Gerechte, so viel sind Erbarmungen. Keiner kann seiner selbst sich rühmen. Es mögen alle Gerechte kommen, die auf Erden und im Himmel sind, wir wollen sie fragen vor dir, ob sie selig wurden durch eigene Tugend. Mit einem Herzen und mit einem Munde geben sie Antwort allzumal: Nicht uns, Herr, nicht uns, deinem Namen gib Ehre über deine Erbarmung und deine Wahrheit!„ Nicht ihr Arm hat sie gerettet, deine Rechte that's und dein Arm und deiner Augen Licht, das ihnen wohlgefiel. Nicht durch ihr Verdienst, durch ihr Werk nicht sind sie gerettet, auf daß sich nicht Jemand rühme; sie sind es, weil es also wohlgefällig war vor deinen Augen. Du bleibest ewig derselbe Gott, in dem kein Wechsel ist des Lichts und der Finsterniß, wir sind dein Geschöpf, sind wie unsere Väter in Sünden geboren. Sie waren Sünder, wie wir es sind; aber ein Mittler ist zwischen Gott und den Menschen,. Jesus Christus, der da bleibet in Ewigkeit. Warum denn gießest du über uns nicht deine Erbarmungen aus, wie du sie ausgossest über unsere Väter? Hast du unser vergessen? Sind allein wir die Sünder? Ist Christus nicht für uns gestorben? Blieb kein Erbarmen dir mehr übrig? Herr, mein Gott, dich fleh ich an, dich beschwöre ich, tilge meine Sünde nach dem Reichthum deiner Erbarmungen. Viel und zahllos ist die Menge von diesen. Wie du so zahllose Sünder zu dir zogest und aufnahmest und gerecht machtest, so thu' du mir. Wische mein Herz ab, daß es frei von aller Ungerechtigkeit, wie eine reine Tafel werde, auf die Gottes Finger das Gesetz seiner Liebe schreibt, des Gottes, bei dem keine Ungerechtigkeit wohnen kann.

Wasche mich wohl von meiner Missethat und reinige mich von meiner Sünde.

Ich bekenne es vor dir, o Herr, du hast einmal meine Sünde vertilgt und hast sie wieder vertilgt und hast mich gewaschen tausendmal. Wasche mich wieder von meiner Ungerechtigkeit, ach wieder bin ich gefallen. Schonest du des Sünders nur nach bestimmter Zahl seiner Übertretungen? Und sagtest deinem Petrus doch, nicht siebenmal, sondern siebenzigmal siebenmal sollt' er vergeben, die bestimmte Zahl ihm sagend statt des Grenzenlosen. Soll dich der Mensch an Nachsicht übertreffen? Ist Gott nicht größer und nicht besser, denn der Mensch? Nur Gott ist gut, und alle Menschen, vor ihm sind sie Lügner; nur Gott ist groß und eitel jedes Menschen Macht. Hast du nicht gesagt: wenn der Sünder über seine Sünden seufzt, will ich ihrer nicht gedenken. Sieh, ich bin ein Sünder und seufze, denn meine Wunden eitern über meiner Thorheit; gekrümmt und traurig geh ich einher jeden Tag; ich heule vor der Unruhe meines Herzens. Aber vor dir, Herr, ist all mein Verlangen und mein Seufzen nicht verborgen. Ja wasche mich wieder von meinem Unrecht; noch ward ich nicht völlig gereinigt, vollende dein Werk, nimm weg alle meine Schuld, nimm weg den Vorwurf, vermehre das Licht, entzünde mit deiner Liebe mein Herz, vertreibe die Furcht, dem, völlige Liebe treibet die Furcht aus. Die Liebe der Welt und des Fleisches, des Ruhmes, und die Eigenliebe weichen fern von mir! Wasche mich mehr, ach immer mehr von allem Unrecht gegen den Nächsten und, Herr, gegen dich; nicht Schuld und Vorwurf nur, der Sunde Zunder wollest du vertilgen. Wasche mich mit dem Wasser deiner Gnade. O wer von dem trinkt, der wird nicht mehr dürsten in Ewigkeit, es wird entstehen in ihm ein lebendiger Bronn, der da quillet ins ewige Leben. Wasche mich mit dem Wasser meiner Thränen. Wasche mich mit dem Wasser deiner Schrift, daß ich gezählt werden möge zu denen, von welchen du sprichst: jetzt seyd ihr rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.

Denn ich erkenne meine Missethat und meine Sünde ist immer vor mir.

Vertrauend geh ich hin zu dir, Erbarmer, nicht, wie der Pharisäer kam, ich komme, wie der Zöllner, der nicht wagte, seine Augen aufzuschlagen; denn ich erkenne meine Missethat und kann nur sagen: sey mir Sünder gnädig. Meine Seele fluthet zwischen Hoffnung und Furcht, bald verzag' ich in meiner Sünden Furcht, bald erhebt mich die Hoffnung zu deiner Erbarmung. Aber, weil dem Erbarmen größer als mein Elend ist, so will ich immer auf dich hoffen und dein Erbarmen preisen ewiglich. Denn ich weiß, du willst nicht des Sünders Tod, sondern seine Bekehrung, daß er zu dir komme und lebe. Gott, gib mir, daß ich lebe in dir, denn ich erkenne meine Missethat, ich weiß, wie schwer sie ist, wie viel und wie gefahrvoll, ich vergesse sie nicht und kann sie nicht verbergen; ich stelle sie hin vor mich, daß ich sie wasche mit meinen Thränen und gegen mich vor meinem Schöpfer: zeuge gegen mich, weil ich gesündigt gegen dich und gegen mich, weil ich gesündigt gegen meine Seele. Meine eigene Seele klagt mich an vor meinem Richter, verdammt mich immer und überall. Sie ist so sehr gegen mich, daß sie immer vor mir ist, sich mir entgegenstellend, um mein Gebet nicht vor dich zu lassen, um von mir zu weisen dein Erbarmen, das mich bewahren kann vor der Rückkehr zu mir selbst. Darum fleh ich mit Zittern und Seufzen dein Erbarmen an. Wie du mir gabst, meine Missethat zu erkennen und meine Sünde zu beweinen, so mach' ein Ende meiner Roth und führ' zum Ziele meiner Buße Weg. Denn alle gute und alle vollkommene Gabe kommt ja von Oben herab, und vom Vater des Lichtes.

An dir allein hab' ich gesündigt und übel vor dir gethan, auf daß du Recht behaltest in deinen Worten und rein erscheinst, wenn du richtest.

Ja wohl habe ich an dir allein gesündigt, denn du befahlest mir, ich soll dich lieben, um deiner selbst willen und soll die Liebe zum Geschöpf zu dir erheben. Und ich liebte das Geschöpf mehr als dich, liebte es um seiner selbst willen. Aber was ist Sünde anders, als der Kreatur anhängen um ihrer selbst willen? Was ist das anderes, als handeln gegen dich? Wer die Kreatur liebt um ihrer selbst willen, der macht sie zu Gott. Und so habe ich an dir allein gesündigt, weil ich die Kreatur zu meinem Gott gemacht. Dich verwarf ich, dir nur that ich Unrecht. Ja, ich habe übel vor dir gethan, denn ich scheute mich nicht vor dir, zu sündigen. O Gott, wie viele Sünden begieng ich vor dir, die ich nimmermehr vor einem Menschen begangen hätte, von denen ich nimmermehr möchte, daß je ein Mensch sie erführe. Ich fürchtete die Menschen mehr, als dich, denn ich war blind und liebte die Blindheit, mit der ich dich nicht sah, noch achtete. Nur des Fleisches Augen hatte ich, nur die Menschen, die da Fleisch sind, sah ich und fürchtete sie. Aber, du hast alle meine Sünden gesehen und gezählt, ich kann sie dir nicht bergen noch verkehren, noch kann ich fliehen vor deinem Angesicht. Wohin flieh' ich vor deinem Geist? Wohin vor deinem Angesicht? Was soll ich thun, wohin mich wenden? Was suche ich, daß er mich vertheidige? Wen soll ich anrufen, als nur dich, mein Gott? Wer ist so gut, wer ist so mild, wer so erbarmend? Denn dir im Wesen ist es, sich zu erbarmen und zu schonen, der du deine Allmacht am herrlichsten durch Schonen und Erbarmen offenbarst. Erbarme dich mein und zeige an mir deine Macht, daß du Recht behaltest in deinem Worte, denn du sprachest es: ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Frommen. So rufe mich und nimm mich auf, gib daß ich Frucht bringe würdig meiner Buße. Du sprachest auch: wenn ich erhöht seyn werde, will ich Alle nach mir ziehen. Behalte Recht in deinem Worte: zieh mich dir nach, laß mich laufen nach dem Geruch deiner Salbe. Du hast gesagt: kommet her zu mir, Alle, die ihr mühselig und beladen seyd, ich will euch erquicken. Siehe, ich komme her zu dir, mit Sünden beladen und Tag und Nacht seufzend unter meiner Last. Erquicke mich, Herr, daß du Recht behaltest in deinem Wort und rein seyest in deinem Gerichte. Denn viele sagen: er hat kein Heil in seinem Gott, sein Gott hat ihn verlassen. Ueberwinde sie, Herr, und verlaß mich nicht. Sie sagen wohl, du habest mich verworfen vor deinem Angesicht und nehmest mich nie mehr auf. So richten die Menschen, überwind' ihr Gericht, daß an mir gepriesen werde deine Vaterhuld. Mache mich zu einem Gefäß deiner Erbarmung; die Menschen halten dich für hart und streng, besiege mit deiner süßen Liebe ihr Gericht, daß die Menschen lernen, sich der Sünder erbarmen, und die Fehlenden zur Buße entflammt werden, wenn sie an mir sehen deine Liebe und dein Erbarmen.

Denn siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeugt und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen.

Sieh nicht die Menge meiner Sünden an, sieh dein Bild an. Gedenke, daß ich Staub bin und daß alles Fleisch wie Gras ist. Siehe die Mutter hat mich in fleischlicher Gier empfangen, in ihr sog ich die Erblust an, was ist die anders, als der Mangel an der Gerechtigkeit, die aus dir stammt? Der Mensch, in dieser Sünde empfangen, wie ist er so ganz verkehrt nun und verunstaltet! das Fleisch gelüstet wider den Geist, schwach ist die Vernunft, kraftlos der Wille, hinfällig der Mensch, dem Eitlen ergeben, wo ihn die Sinne täuschen, die Einbildung ihn trügt, die Unwissenheit ihn irre leitet. Unzählige Hindernisse ziehen ihn vom Guten weg und treiben ihn ins Böse. Und so ist die Erbsünde aller Sünden Wurzel und Zunder. Du siehest Herr, wo ich bin und woher ich bin. Ganz in Sünden, von ihren Schlingen überall umfangen, wo soll ich hinfliehen? Denn nicht das Gute, das ich will, thue ich, sondern ich thue das Böse, das ich nicht will, weil ich ein anderes Gesetz in meinen Gliedern finde, das dem Gesetz meines Geistes widerstreitet und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde und des Todes. Aber, je hinfälliger und umwundener ich bin, um so mehr wird deine Liebe mich befreien. Wer erbarmt sich des Schwachen nicht, wer hat nicht Mitleid mit dem Verschmachtenden? Komm, o komm, du freundlicher Samariter, heb' ihn auf, den halbtodt Verwundeten, verbinde meine Wunden, heile mein Herz und gieß Wein und Oel, gieß deiner Liebe Balsam darein, geleite mich in die Herberge, in die Hütten deiner Gerechten, empfehle mich dem Wirth, den frommen Seelen darin, gib ihnen zwei Groschen, gib ihnen deine Gaben für mich auch und sag' ihnen: so ihr was mehr werdet darthun, von dem Euren, das doch mein ist, so ihr ihn aufnehmet und nimmer in die Wüste lasset so will ich euch es vergelten, wenn ich wiederkomme.

Denn siehe, du hast Lust zur Wahrheit, die im Verborgenen liegt: Du lassest mich wissen deine himmlische Weisheit.

Komm, du freundlicher Samarit, der du die Wahrheit liebst, die Wahrheit der Verheißungen, die du dem menschlichen Geschlechte gabest. Dein Lieben ist Wohlthun. Du bist wandellos in dir selber, nicht bist du, wie wir, bald liebend, bald nicht liebend, so daß deiner Liebe Erweisung fortgienge und wiederkäme. Du bist nur Liebe ganz, die nie sich ändert; deine Wohlthätigkeit ist deine Liebe zum Geschöpfe, je mehr du ihm wohlthust, desto mehr liebst du es. Deine Wahrheitsliebe ist, die Verheißung geben, und sie halten. Du bist treu in all deinen Verheißungen, und den Sündern, die zu dir flüchten, hast du Vergebung und Gnade verheißen, und hast ihrer keine noch betrogen, denn du hast Lust zur Wahrheit. Dem verlorenen Sohne eiltest du zu, da er noch ferne war, weil du ihn sahest mit den Augen deiner Vaterliebe; du fielest ihm um den Hals und küßtest ihn, du schmücktest ihn und riefest: lasset uns fröhlich seyn, dieser mein Sohn war todt und ist wieder lebendig worden, er war verloren und ward wieder gefunden. Warum das o Gott? Weil du die Wahrheit liebst. Vater der Erbarmungen, liebe diese Wahrheit in mir, der ich zu dir komme aus fernem Lande, geh mir entgegen und gieb mir den Kuß deines Mundes, schmücke mich und zieh mich in dein Haus, daß sich meiner freuen Alle, die auf dich hoffen, daß wir zusammenhalten das Geistesmahl. Willst du mir nur diese Wahrheit nicht halten? Wenn du Sünde zurechnest, wer kann vor dir bestehen? Du rechnest sie mir nicht zu, der du die Wahrheit liebst, du liebest sie mit grenzenloser Liebe. Was, ist die Wahrheit, die du liebest? Dein Sohn ist sie, der ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, der ist die Wahrheit, von dem alle Wahrheit ihren Namen hat im Himmel und auf Erden. Die liebest du, in ihr allein gefällst du dir, weil du sie ohne Flecken fandest, und sie wolltest du sterben lassen für die Sünder. Beachte diese Wahrheit, o mein Gott, in mir, dem großen Sünder, beachte sie, vergib ihm viele Schuld, wasch ihn ab mit dem Blut deines Gesalbten, erwirb ihn dir durch deines Sohnes Leiden. Warum gabst du die Kunde mir von deinem Sohne, warum den Glauben mir an ihn? Damit mich noch größerer Schmerz ergreife, wenn ich die Erlösung sehe und mir sie nicht aneigne? Nein, sondern damit ich ergreife, was mir bereitet ist. So nimm mich zurück, Herr, denn deine heimliche Weisheit hast du mich wissen lassen, daß sie mir helfe und zum Heil mich führe. Die hast du den Klugen und Verständigen verborgen und hast sie den Unmündigen geoffenbart, den demuthsvollen Fischern und den heiligen Propheten, die sie uns gebracht. Soll ich umsonst erkennen, was du mir geoffenbart? So erbarme dich schonend deines Knechts und gebeut, daß er sei in der Zahl deiner Unmündigen, daß ihn die heimliche Weisheit leite an ihren Quell, der droben quillt in der Höh’, daß du gepreiset werdest am Werk deiner Erbarmung, das du vollbracht an deinem Knecht, o Herr, der du nie verlässest, die auf dich hoffen.

Entsündige mich, besprenge mit Ysop mich, wasche mich, daß ich weißer werde, denn der Schnee.

Da du deine heimliche Weisheit mir zeigtest, faßte ich große Hoffnung und baue darauf, du werdest mich nicht verwerfen vor deinem Angesicht, du werdest mich mit Ysop besprengen, und ich werde gereinigt werden. Das ist ein niedrig Kraut und wärmet doch und duftet lieblich; das ist dein Sohn, ist Jesus, unser Herr, der sich erniedrigt hat bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz, der uns geliebet mit der endlosen Wärme seiner- Liebe und uns hat rein gewaschen mit seinem warmen Blut, der alle Welt erfüllt mit dem süßen Odem seiner Freundlichkeit und Sanftmuth. Mit diesem Ysop besprenge mich, seines Blutes Kraft geuß über mich, wenn er durch Glauben wohnt in mir, wenn ich durch Liebe ihm verbunden bin, wenn ich ihm folge in seiner Demuth und in seinen Leiden. Ja dann, dann reinige mich von all' meinem Unrath, dann wasche mich mit meinen Thränen, die der Liebe meines Jesus fließen. Ja, dann will ich die Nacht hindurch mein Bett mit Thränen schwemmen, dann wirst du mich waschen weißer als der Schnee. Weiß und kalt ist der Schnee. Weißer als er will ich werden von deinem Lichte umflossen. Und von der himmlischen Liebe entbrannt, will ich erkalten für die Erde.

Laß mich hören Freude und Wonne, daß die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast.

Dann, Herr, will ich zu dir flehen, und frühe, mit dem Aufgang deines Lichtes, wirst du meine Stimme hören, und vernehmen werde ich, was mein Herr und mein Gott zu mir redet; denn Frieden wirst du deinem Volk verkünden, und deinen Frieden wirst du mir geben. Dann wird mich Freude und Wonne erfüllen, wenn ich hören werde, was Maria hörte. Und was hörte Maria, da sie zu des Meisters Füßen lag? Dein Glaube hat dir geholfen, geh' hin in Frieden. Dann werd' ich hören, was jener Räuber hörte: heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein; da will ich mich freuen meiner Sündenvergebung. Da will ich Wonne fühlen über meiner Himmelsgüter Verheißung, da will ich zu kosten beginnen, wie du, o Herr, so süße bist, da will ich lernen mit den Himmlischen wohnen, und froh werden meine Gebeine seyn, die du zerschlagen hast. Wie die Gebeine den Körper stützen, so trägt unsere Vernunft die Hinfälligkeit unseres Fleisches, daß es nicht an alle Laster sich vergeude, daß nicht der ganze Mensch zu Fleisch werde und von innen verwese. Auch die Vernunft ist zerschlagen und der Wille zum Bösen geneigt. Schon folgt das Fleisch der Vernunft nicht mehr, sondern diese dem Fleische, seit sie dich verließ, den Quell des lebendigen Wassers, und sich die Gruben grub in der Zerstreutheit, die das Wasser nicht zusammenhalten, weil sie nicht voll sind deiner Gnade, ohne die das Leben kein Glück findet. Denn ohne dich vermögen wir nichts. Auf ihre Kraft vertraute die Vernunft, die keine Kraft war, da fiel sie tief in ihrer Thorheit. So komme deine Kraft denn, o Herr, es komme deine Gnade und mit ihr der Glaube, der in Liebe wirkt, er komme mit all' seinen Gaben und Tugenden, daß die Vernunft fröhlich werde, und heiter das Gedächtniß, und munter der Wille, ja froh sollen sie werden, denn du übst ihre Kraft und führst sie zum Ziele.

Wende dein Antlitz von meinen Sünden und vertilge alle meine Missethat.

Was schaust du so sehr meine Sünden an? Weissest du nicht, daß der Mensch ist wie des Feldes Blume? Was siehst du nicht lieber ins Antlitz deines Gesalbten? Ja, wende von meinen Sünden dein Antlitz, mit dem du die Thaten der Frommen billigst und der Gottlosen Thun verdammest. Sieh dein Geschöpf an und dein Bild; ich Elender zog darüber des Teufels Bildung an; wende dein Antlitz von dieser, daß du mir nicht zürnest, wende es zu deinem Bild, daß du mein dich erbarmest. Erbarmender Herr, da du mit Zachäus in sein Haus eingingest, hast du dein Bild nur in ihm gesehen und hast dich sein erbarmt und ihm dein Heil geschenkt. Vierfach wollt' er sein Unrecht erstatten und die Hälfte seiner Habe den Armen geben, und deine Erbarmung hat er gewonnen und dein Heil erlangt. Ich gebe mich dir ganz zu eigen hin, will nichts für mich behalten, will dir mit reinem Herzen immer dienen, will mein Gelübde dir halten in all' meinen Tagen. Was siehst du auf mich nicht, der ich dein Bild auch bin? Sieh weg von all' meinen Sünden, daß keine bleibe vor deinem Angesicht, denn so dich eine beleidigt, so macht sie aller mich schuldig.

Niemand kann dich einen Herrn nennen, außer durch den heiligen Geist; da ich dich also nenne, thu' ichs durch deinen Geist; wenn mich meine Sünden schmerzen, wenn ich um Vergebung flehe, thu' ichs durch deinen Geist. Entzieh mir deinen heiligen Geist nicht, daß er mit mir bleibe und in mir wirke, daß er mich vertrete mit unaussprechlichem Seufzen, und mich standhaft mache in meinen Thränen und Gebeten, damit ich endlich Gnade vor dir finde und dir den Rest meines Lebens weihe.

Gott, schaffe in mir ein reines Herz und erneuere in mir den festen Geist.

Denn mein Herz hat mich verlassen, hat nimmer mein gedacht, hat seines Heils so ganz vergessen, da es auf Irrwegen umherschweifte, der Eitelkeit folgend, die Blicke kehrend nach den Grenzen der Erde. Ich rief ihm und es antwortete nicht; es ging hinaus, ging unter und wurde der Sünde verkauft. Was soll ich sagen, Herr, vor dir? Schaff ein reines Herz in mir, ein demuthvoll, sanft, friedliebendes Herz, ! voll Liebe und Milde, das Keinem Böses thut, das niemals Böses vergilt mit Bösem, sondern mit Gutem, das dich liebet über Alles, dein immer denkt und von dir redet, das dir Dank bringt in seiner Psalmen und Lobgesange Lust, ein Herz, das freudenvoll im Himmel wandelt. Ein solch Herz schaffe in mir, aus Nichts erschaffe es, daß es durch Gnade sei, was es durch die Natur nicht werden kann; denn deine Gnade ist das Herz der Welt, das mit sich führt die Tugenden alle, und ausstößt die Laster alle.

Und gib mir einen festen Geist. Dein Geist führe mich auf rechte Bahn, er reinige mich vom Triebe der Erde und hebe mich hinauf zum Himmlischen. Denn der Geliebte und der Liebende sind Eins; wer die Körper liebt, ist Körper, wer den Geist liebt, der ist Geist. Gib mir den Geist, der dich liebet und anbetet, der du Geist bist, gib mir den richtigen Geist, der nicht was sein, der sucht, was dein ist. Erneue den in mir. Den ersten, den du mir gegeben, haben meine Sünden ausgelöscht. Den neuen Geist gib mir, der erneue, was veraltet ist; denn was von Natur, die von dir stammt, recht ist, das ist durch den bösen Willen veraltet, der die natürliche Liebe befleckte. So erneuere den Geist, daß er richtig wandle nach seiner göttlichen Natur, daß er nach dir mich immer seufzen, an dir mich hängen, und dich nimmermehr verlassen lehre.

Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.

Herr, ich stehe vor deiner Güte und Liebe und harre der freundlichen Antwort. Wer geht je zu dir, der bestürzt wieder von dir ginge? Wer flehte dich an und ging leer aus? Weit gewiß übersteigt der Reichthum deiner Liebe Alles, um das wir bitten, und niemals ward es erhört, daß du den, der zu dir kommt, von deinem Angesicht verworfen hättest. Soll ich der Erste sein, den du verwirfst? Willst du mit mir den Anfang machen, willst nicht mehr schonen und dich nicht mehr erbarmen? Der Kanaanitin denk' ich, wie du sie flehen ließest, wie sie anhielt um die Brosamen von der Kinder Tische, und du dich freutest ihrer Glaubenskraft. Von ihr sollen wir hoffen lernen auf dich und treu und demüthig im Gebet anhalten,, weil du geben willst. Denn das Himmelreich leidet Gewalt und die sich herzudrängen, reißen es an sich. Herr, so verwirf mich nicht von deinem Angesichte, der ich Tag und Nacht vor dir weine und klage, nicht daß du mich, wie der Kanaanitin Tochter, von des Teufels leiblicher Besitzung befreist, sondern daß du den Geist mir frei machest von der teuflischen Gewalt. O Jesu, du Guter, wirf mich nicht nieder, auf dich nur kann ich ja hoffen! Sieh, Herr, sie haben mich Alle verlassen; meine Brüder und meine Kinder, die ich im Geist mir erwarb, sind von mir gegangen und haben mich verworfen; mein Herz bebet in mir. Ich habe keinen Helfer mehr, als dich allein.

Tröste mich wieder mit deiner Hülfe und der freudige Geist unterstütze mich.

Ich bitte Großes von dir, o Herr! Du bist der große Gott, der erhabene König über alle Götter; Unrecht übet wider dich, wer Kleines von dir bittet. Klein ist Alles, was vergeht, klein alles Leibliche, groß und köstlich alles Geistige. Wenn du den Geist von dem Leibe nimmst, was bleibt dann, als Staub und Schatten? So hoch steht über dem Leibe der Geist, als der Leib steht über seinem Schatten. Großes bittet von dir nur, wer um das Geistige bittet, das Größte, wer bittet um deinen hülfreichen Trost. Denn wer ist dieser, als nur Jesus, dein Sohn, der wahrhaftige Gott und das ewige Leben? Soll ich nun denn nicht den unendlichen, freigebigsten Vater bitten, der ihn für mich an's Kreuz dahingegeben hat? Soll ich mich scheuen, um ihn zu flehen, da du mir ihn entgegenbringst? Er ist deiner Liebe höchste, unendliche Gabe, und ob ich ihrer nicht werth bin, so ziemt es dir doch, so Großes zu geben. Deine unaussprechliche Liebe ist's, die mir den Muth gibt zu solch einem Flehen. Wo ist ein Vater, den sein Sohn um einen Fisch bäte, der ihm eine Schlange gäbe, um ein Ei, der ihm einen Skorpion, um Brod, der ihm einen Stein dafür böte? Das können leibliche Väter nicht, die doch arg sind; du aber bist der Vater' im Himmel und die Güte selbst. Siehe, aus fernem Lande kommt dein Sohn in seiner Neue Schmerz und ^ bittet dich um den Fisch des Glaubens; denn wie den! ^ Fisch das Wasser verbirgt, so ist deine trostreiche Hülfe, dein Jesus, um den der Glaube bittet, unsichtbar. Wirst du dem Kind eine Schlange reichen? Wirst ihm geben des Unglaubens Gift, das vom Teufel, von der gekrümmten alten Schlange kommt? Herr, ich bitte dich um das Ei der Hoffnung; wie man vom Ei das Küchlein hofft, so laß mich vom Hoffen zum Schauen deiner tröstlichen Hülfe kommen. Und so lang ich hoffe, laß mir die Hoffnung zur Freude werden im Thränenthal. Wirst du mir den Skorpion der Verzweiflung geben? Ich bitte dich nm das Brod der Liebe Christi, die wie das Brod für Alle ist. Wie könntest du mir einen Stein statt ihrer bieten? Wie du mir des Herzens Verhärtung geben? Was soll ich nicht wagen, um Großes zu bitten, da du mich aufrufst zu solchen Bitten und mich anzuhalten lehrst bis zur Zudringlichkeit in meinem Flehen? Um was Größeres könnt' ich bitten, als um Jesum, meine köstliche Hülfe? Schon schmeckte ich, wie süß er ist, schon erprobte ich, wie leicht und süß seine Last ist. Des Friedens denk' ich und der Seelenruhe, da ich den Herrn besaß und meines Heilandes froh war. Darum ist mein Schmerz so groß, weil ich weiß, wie viel ich verlor. Darum flehe ich bis zur Zudringlichkeit: gib mir, was du meiner Sünden wegen mir abzogest, gib es mir wieder um des Verdienstes Dessen willen, der zu deiner Rechten steht und uns vertritt; gib es mir wieder, daß ich mit dem Apostel sagen möge: ich bin mit Christo gekreuzigt; ich lebe aber, doch ich nicht mehr, sondern Christus lebt in mir. Groß ist meine Ohnmacht; mit deinem freudigen Geiste stärke mich, daß keine Verfolgung mich von Christo scheide, kein Schrecken mich von dir mehr trenne und keine Marter meinen Glauben schwäche. Meine Kraft kann gegen die alte Schlange nicht streiten, noch sie bändigen. Wie schwach sie ist, lehrt deines Petrus Beispiel mich, der, seiner Kraft vertrauend, vor Weibern dich verläugnete, dich, dessen Herrlichkeit ihm so oft erschienen war. Vor Fragen schon bebte er und verleugnete dich; wie hätte er dich abgeschworen in folternden Martern erst? Und wäre der Fragen kein Ende worden, auch kein Ende wäre seiner Verleugnungen worden. Aber du nahmst ihn wieder auf, und nicht mehr trat er hervor, nicht mehr vertraute er der eigenen Ohnmacht, bis dein verheißener Geist ihn erfüllte, und er mit großer Kraft deiner Auferstehung Zeugniß ablegte und weder hohe Priester noch Könige fürchtete, sondern dich verherrlichte in seinen Anfechtungen und das Kreuz umfaßte, als seine süßeste Freude. So stärke denn mich mit deinem freudigen Geiste, daß ich beständig bleibe bei deiner tröstlichen Hülfe. O ohne das kann ich im vielfachen Kampfe nicht aushalten: das Fleisch gelüstet wider den Geist, überall drängt mich die Welt, der Teufel ruht nicht. Gib mir die Kraft deines Geistes, daß Tausend fallen zu meiner Seite und Zehntausend zu meiner Rechten, daß ich treu sey und ein wackerer Zeuge deines Glaubens. Was vermag denn ich, wenn selbst ein Petrus fiel?

Denn ich will die Uebertreter deine Wege lehren, daß sich die Sünder zu dir bekehren.

Nicht halte mir das für Vermessenheit; nicht elend, nicht ehrlos, nicht in Sündenbanden will ich die Uebertreter deine Wege lehren, ich will es thun, wenn du mir gesandt hast deine köstliche Hülfe, wenn du gestärkt mich hast mit dem Geiste der Freudigkeit, wenn du mich frei gemacht von meinem Elend. Du kannst es thun, die Sünde hinderts nicht; wo sie mächtig wurde, da ist deine Gnade noch viel mächtiger geworden. Hast du doch über einen Saulus dein Erbarmen ausgegossen und den Verfolger zum Prediger gemacht, der mehr that, als die andern Apostel alle. Wer kann es hindern, wenn du den Ungerechten willst gerecht machen? So ist es nicht Uebermuth, wenn ich mit deiner Kraft die Uebertreter deine Wege lehren will. Ich kann nichts Besseres thun vor deinen Augen, nichts Nützlicheres für mich; und ich will es thun, wenn du zu einem andern Mann mich gemacht. Viele Wege will ich sie führen; denn viele sind's deiner Lehren; aber alle führen zu dem Einen, denn Alle will ich in der einen Liebe führen, die uns zu einem Herzen und zu einer Seele in dir macht. Lehren will ich Jeden nach seinem Stand und seiner Fassungskraft: einen andern Weg gehen ja die Geistlichen, einen andern die Verehelichten, die Verwittweten und Enthaltsamen, einen andern die Fürsten, die Lehrer, aber sie gehen Alle zum himmlischen Vaterland. Nicht mich, Christum, den Gekreuzigten, will ich ihnen verkündigen, daß sie von ihren Wegen lassen und auf den deinen gehen.

Errette mich von den Blutschulden, Gott, der du mein Gott und Heiland bist, daß meine Zunge deine Gerechtigkeit rühme.

Ich ersticke im Blut und aus seinem Schlund schreie ich zu dir, zu dir, o Herr; höre meine Stimme! Säume nicht, der Tod ist nah. Meine Blutschulden sind meine Sünden. Wie im Blut des Leibes Leben ist, so ist in Sünden des Sünders Leben. Ergieß das Blut, daß das Thier sterbe, ergieß es durch Vergebung, daß der Sünder sterbe. Ich wälze mich nicht nur im Blute, ich bin versenkt in seinen Strömen, die mich zum Abgrund ziehen; eile mir zu helfen, eh' ich untergehe: befreie mich von der Blutschuld, der du Alles lenkest und bewegest, in dessen Hand der Geist des Lebens ist. Befreie mich, Herr, wie du den Noah befreitest aus der Wasserfluth und den Loch aus Sodoms Flammen; befreie mich, wie du Israel befreitest aus des Meeres Tiefen und den Jonas aus des Ungeheuers Rachen; befreie mich, Herr, wie du die drei Männer befreitest aus dem Feuerofen und den Petrus und Paulus aus der See-Gefahr; befreie mich, Herr, wie du zahllose Sünder befreitest aus des Todes Hand, aus der Holle Pforten, daß meine Zunge deine Gerechtigkeit rühme, wenn ich in mir sie fühle durch deine Gnade. Laß mich jubeln über deine Gnade und Vaterhuld, laß mich jubeln durch meiner Sünden Bekenntniß, das dein Erbarmen preise, in dem ein solcher Sünder gerecht ward, damit alle Menschen erkennen, daß du errettest, die auf dich hoffen und sie befreiest aus der Drangsal Hand.

Herr, thu' meine Lippen auf, daß mein Mund deinen Ruhm verkündige.

Es ist etwas Großes um dein Lob, o Herr, denn .aus deinem Quell strömt es hervor, aus dem nicht trinket der Sünder. Keinen Werth hat das Lob im Munde des Sünders; mache von Sünde mich rein, daß du zu deinem Lobe die Lippen mir aufthuest. Du hast den Schlüssel Davids, du schliessest und Niemand thut auf, du öffnest und Niemand schließt. Ja, thu' mir die Lippen auf; wie du sie aufthatest den Kindern und Säuglingen und aus ihrem Munde dein Lob dir bereitetest. Das waren die 'Propheten und Apostel und deine Heiligen Alle, die dich mit einfältigem, reinem Herzen und Munde lobten, nicht die Weisen dieser Welt, die da sprachen: wir wollen uns verherrlichen durch unsere Rede, von uns haben wir sie; was ist uns Gott? Sie haben ihre Lippen sich aufgethan, nicht du, aus ihrem Mund hast du dir nicht dein Lob bereitet. Die Kindlein lobten dich, da sie sich selbst verachteten; die Weisen dieser Welt lobten nur sich. Die Säuglinge sangen deiner Ehre, die sie erkannten durch deine himmlische Gnade; jene Weisen erkennen nur, was von dieser Welt ist und wissen nur dich zu loben. Die Heiligen lobten dich mit Mund und Herzen und Werken; Jene mit aufgeblasenem Wort allein. Deine Unmündigen haben über den Erdball dein Lob verbreitet; Jene kaum einige Schüler überredet. Deine Freunde haben durch dein Lob unzählige Menschen von der Sünde zur Tugend und zur Seligkeit gebracht, Jene wissen nichts von wahrer Tugend und Seligkeit. Deine Lieblinge haben deine grundlose Vaterhuld verkündigt, die du geoffenbart im Sohne; Jene wissen nichts von ihr. Denn immer war es dir wohlgefällig, die Demüthigen zu erhöhen und die Stolzen zu erniedrigen. Weil du denn den Stolzen immer widerstehst, so gib mir die wahre Demuth, daß du aus meinem Munde dir dein Lob bereitest. Gib mir ein Kinderherz, ohne das ich nicht eingehen kann in dein Gottesreich. Mach mich zu einem deiner Kleinen und Säuglinge, daß ich immer hänge an den Brüsten deiner Weisheit, deren Gaben besser sind, als alle Gaben und mit denen nichts verglichen werden mag von Allem, was je das Herz sich wünscht. Sie ist ein endloser Schatz der Menschen, wer sie erlangt, ist Gottes Freund.

Denn du hast nicht Lust zum Opfer, sonst wollt' ich dir es geben, und Brandopfer gefallen dir nicht.

Mein kindliches Lob sey mein Opfer. Was soll das Opfer dir, du issest nicht der Opferthiere Fleisch, noch trinkst du ihr Blut. Des Goldes begehrest du nicht, der du Himmel und Erde hast. Soll ich meinen Leib dir zum Opfer bringen? Du willst nicht des Sünders Tod, du willst, daß er sich bekehre und lebe. Züchtigen will mit Maaß ich mein Fleisch, daß es durch deine Gnade dem Geiste diene. Auch hier wird mir des Maaßes Überschreitung zur Sünde gerechnet; denn vernünftig soll unser Gottesdienst seyn. Bereit ist mein Herz, o Gott, bereit ist mein Herz durch deine Gnade Alles zu thun, was wohlgefällig ist vor dir. Das sey all mein Opfer und all mein Lob; denn das geistige willst du, nicht das Leibliche, das du schufest nur des Geistigen wegen. Als dein Sohn geb' ich mein Herz dir zum Opfer, entflammt von seiner Sünden Schmerz, und von der Liebe zu deinen himmlischen Gütern, denn solch ein Opfer gefällt dir und gilt vor dir für immer.

Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geangsteter Geist. Ein zerknirschtes und gedemüthigtes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.

Der zerschlagene Geist, nicht das zerschlagene Fleisch gefällt dir, denn dieses wird zerschlagen, wenn es die irdischen Dinge, die es wünscht, nicht hat, oder in sich fühlen muß, was ihm zuwider ist; der Geist aber wird über seine Schuld zerschlagen, weil er fühlt gehandelt zu haben wider Gott, den er liebt. Es schmerzt ihn, seinen Schöpfer und Erlöser beleidigt, dessen Blut verachtet, einen so gütigen und freundlichen Vater gering geschätzt zu haben. Solch ein zerschlagener Geist ist ein Opfer von süßem Geruch vor dir, voll von der bittern Würze des Gedächtnisses. Denn ein süßes Opfer entsteht vor dir, wenn die Sünden im Mörser des Herzens gesammelt, mit dem Stempel der Schmerzen in Staub zerrieben und mit dem Wasser der Thränen befeuchtet werden, solch ein zerknirschtes Herz wirst du nicht verachten. Wer sein, aus den Steinen der Sünden erbautes Sünderherz bricht und zerknirscht, wer es mit seinen Thränen erweicht und über seiner Sünden Menge nicht verzweifelt, der bringt dir solch Opfer in Demuth dar, wie Maria, da sie deine Füße wusch bei des Pharisäers Mahl, da Thränen ihr die Worte nahmen; aber in ihren Thränen löste ihr Herz sich und mit ihnen wusch sie deine Füße und küßte sie. Und ihr Opfer war dir wohlgefällig und sie gefiel dir besser als der Pharisäer, wie gerecht er schien; denn du sagtest: so groß sey der Unterschied zwischen ihrer Rechtfertigung und zwischen seiner Gerechtigkeit, wie zwischen dem Abwaschen der Füße mit Thränen und mit Wasser, wie zwischen dem anhaltenden Küssen der Füße und dem einmaligen Küssen des Angesichts, wie zwischen dem Salben der Füße mit der köstlichsten Salbe und dem Salben des Haupts mit gemeinem Oel. Und er hatte selbst weder Wasser noch Kuß noch Oel dir geboten. Maria's Herz will ich dir bringen und will es nicht mit Worten thun, weil du es bist, der Herzen und Nieren prüft. Nimm an dieß Opfer, und wenn es unvollkommen ist, so mach' es du, der Alles kann, vollkommen, daß es ein Brandopfer werde, ganz entbrannt von der Gluth deiner, endlosen Liebe. Verachtest du es nicht, so verachtet es keiner deiner Heiligen im Himmel und auf Erden.

Thue wohl an Zion nach deiner Güte, baue die Mauern von Jerusalem.

Es wäre mir gut und ihnen nöthig, daß alle gerettet würden und zur Erkenntniß der Wahrheit kämen. Denn ihre Gebete, ihre Tugenden und Beispiele würden mich erwecken und erneuern. Zion ist deine Kirche, thue wohl an ihr, die deine Klarheit abspiegelt. O Herr, wie ist sie so klein geworden! Alle Welt fällt ab, weit mehr sind's der Ungläubigen, als der Gläubigen. Wo sind sie unter den Christen, die das Irdische verlassen und die Klarheit des Herrn abspiegeln? Der Meisten Gott ist ihr Bauch und zu Schanden wird ihre Ehre. Thue Gutes an Zion, daß ihre Kinder an Tugenden und an Zahl vermehrt werden; ja, schau herab von deinem Himmel und thue Gutes, wie du es immer gethan, daß du vom Himmel das Feuer deiner Liebe sendest über uns und es alle unsere Sünden verzehre. Handle mit uns nach deiner großen Barmherzigkeit. Du Herr, unser Schöpfer und Erlöser, unser Friede du und unsere Freude, unsere Hoffnung und unser ewiges Heil, wir warten Alle deiner Gutthaten, du giebst und wir sammeln, du thust deine Hand auf und wir werden voll deiner Güte. Du wendest dein Antlitz ab und wir werden verstört und sinken hin in den Staub. Gieß deinen Geist aus und erneue die Erde. Was ist, o Herr, so vieler Tausende Verdammniß nütze? Die Hölle wird voll und die Kirche leer. Wach auf, o schlafe nicht, wach auf, Herr und verwirf uns nicht bis ans Ende. Baue auf die Mauern von Jerusalem. Was ist aus Jerusalem worden, aus der Stadt des Friedens und der Seligen, die unsere Mutter ist? Ihre Mauern stürzten; aber wenn der Teufel hinstürzt mit seinen Engeln, so laß an ihrer Statt die Gerechten ein, daß die Zahl deiner Erwählten voll werde in Bälde und Jerusalems Mauern erbaut und vollendet werden aus neuen Steinen, die beständig dich loben und ewiglich bleiben.

Dann werden die Opfer der Gerechtigkeit dir gefallen, die Brandopfer und die vollkommenen Opfer, dann wird man Farren auf deinem Altare opfern.

Dann wirst du das Opfer der Gerechtigkeit annehmen, denn du wirst es verzehren mit dem Feuer deiner Liebe. So nahmst du Mosis und Elias Opfer an. Du wirst es annehmen, wenn du die Seelen, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, mit deiner Gnade sättigst. Was soll das Opfer, wenn du, Herr, es nicht annimmst? So viele bringen wir dir jetzt, die du nicht annimmst, die abscheulich sind vor dir; wir bringen dir nicht die Opfer der Gerechtigkeit, sondern der leeren, äußeren Bräuche. Wo ist der Apostel Ruhm, der Märtyrer Tapferkeit, der Prediger Furcht, der Frommen heilige Einfalt? Wo sind die Werke und Tugenden der ersten Christen? Du nimmst unsere Opfer an, wenn du mit deiner Gnade und mit Tugenden uns schmückst. Du nimmst deines Volkes Opfer an und über ihm wird dein Segen seyn, wenn es wandelt vor dir und nach deinen Geboten. Dann wird der Priester Gabe dir gefallen, wenn sie, das Irdische lassend, zu besserem Leben sich gürten und auf ihre Häupter wird der Segen deiner Liebe träufen. Dann werden Bischofe und Prediger die Farren auf deinen Altar heben, wann sie vollkommen in aller Tugend, deines Geistes voll, ihr Leben freudig einsetzen für ihre Schaafe. Denn dein Altar, o Jesu, ist dein Kreuz, zu dem du erhoben wurdest. Unser Leib ist das Opferthier, das werden sie auf deinen Altar heben, wenn sie ihre Leiber dem Kreuze darbieten, der Marter und dem Tod für deinen Namen. Dann wird deine Kirche blühen und wird weil ihre Gränzen machen, dann wird dein Lob tönen von einer Gränze der Erde bis zur andern, und Jubel und Wonne werden sie füllen. Dann werden die Heiligen jauchzen in ihrer Herrlichkeit, werden fröhlich seyn in ihren Hütten und uns erwarten im Lande der Lebendigen. Mache dieß dann mir zum Jetzt, o Herr, nimm mich erbarmend an zum Opfer der Gerechtigkeit, zur heiligen Gabe, zum Brandopfer eines frommen Lebens, zum Opferthiere deines Kreuzes, durch das ich eingehen möge aus diesem Thränenthal zu einer Herrlichkeit, die du bereitet hast denen, die dich lieben. Amen.

Quelle: Rapp, Georg - Die erwecklichen Schriften des Märtyrers Hieronymus Savonarola.

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