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Sarcerius, Erasmus - Zwo Predigten über den Text des Propheten Esaiä am 9. Capitel (V. 6. 7.) - Predigt 2
Die andere Predigt.
Geliebte im Herrn! Euer Liebden haben in gestriger Predigt vernommen, wem das neu geborene Kindlein Jesus Christus geboren sei, und wem Gottes Sohn geschenkt und gegeben ist. Item, dass wir das leibe neu geborene Kindlein von wegen unserer Unwürdigkeit nicht sollen ausschlagen. Und zum Dritten eine herrliche und schöne Beschreibung aller Gottseligen und Christen, als der Unterthanen Jesu Christi, des Königs. Nun in heutiger Predigt, will Gott, sollen Euer Liebden anhören, was doch das liebe und neu geborene Kindlein für herrliche und schöne Namen hat, nämlich an der Zahl sechs, als: Wunderbar, Rath, Kraft, Held, ewiger Vater und Friedefürst. Diese Namen zu wissen, steht billig einem jeden Christen zu. Denn es wäre ja eine Schande, sich für einen Unterthanen des gewaltigen Königs auszugeben und Desselbigen Namens in Mangel stehen. Nun, wir wollen ordentlich von solchen Namen handeln.
Von dem ersten Namen des neu geborenen Kindleins Jesu, welches heisst Wunderbar.
Wunderbar wird das liebe und neu geborene Kindlein genannt, erstlich darum, dass es von Ewigkeit her und von Art und Natur ein wunderlich und seltsames Kindlein ist, welches über allen menschlichen Verstand, Urtheil und Gericht ist, auf welches Vernunft, menschliche Weisheit und die Welt sich nicht verstehen können, viel weniger sich in dasselbige richten oder schicken; ja, welches Kindlein über aller menschlichen Dinge Erfahrung ist.. Darum, je mehr die Weltweisen und Klugen sich unternehmen, gemeldetes Kind mit der Vernunft und menschlicher Weisheit zu finden und zu ergreifen, je weniger sie hierinnen Etwas ausrichten und endlich dasselbige verlieren. Derhalben ich nicht eine kleine Vorsorge trage, dieweil heutiges Tages weise und erfahrene Leute nach der Welt das neu geborene, auch wunderliche und seltsame Kindlein durch ihre Vernunft und menschliche Weisheit erforschen, justificiren und übermeistern wollen, sie werden’s verlieren; wie denn schon halb am Tage ist, Gott vom Himmel müsse es geklagt sein; so doch solche Klüglinge ja wissen sollten, dass oft genanntes Kindlein mit Vernunft und menschlicher Weisheit nicht zu fassen sei, und dass des Kindleins Gottes Weisheit billig ihre weltliche Weisheit justificiren und rechtfertigen sollte.
Zum Andern wird das neu geborene Kindlein Wunderbar genannt von wegen seines Amtes; denn es macht wunderliche Nachfolger und Unterthanen in seine Reiche, in welche sich Vernunft und menschliche Weisheit auch nicht schicken, und auf welche weltweise und kluge Leute sich auch nicht verstehen mögen. Darum sie dieselbigen verachten, verspotten, verlachen und verfolgen.
Nun sind auch wohl vieler Menschen Kinder wunderlich und seltsam genug; aber dieselbigen können weit nicht mit Jesu Christo, dem wunderlichen und seltsamen Kindlein, verglichen werden, welches von Ewigkeit seiner Art und Natur nach also ist. Darnach so mögen sich Vernunft und menschliche Weisheit, sammt den Vernünftigen und Weltweisen, in der Menschen wunderliche und seltsame Kindlein richten, welches aber bei Christo, dem wunderlichen und seltsamen Kindlein, nicht ist. Item, so stehet es auch wohl bei Menschen, dass sie sonst wunderliche und seltsame Kinder ziehen und verwöhnen; doch gleichwohl sind sie den wunderlichen und seltsamen Unterthanen und Nachfolgern unseres Herrn Jesu Christi, des wunderlichen und seltsamen Kindleins, nicht gleich zu achten.
Weiter, wie nun Christus ein seltsames und wunderlichen Kindlein ist, also ist auch sein Reich ein wunderliches und seltsames Reich vor den Augen der Vernunft und menschlicher Weisheit verborgen; also ist auch seine Lehre, also sein Sacrament, also ist sein Gottesdienst, und endlich, wer zum Reich des wunderlichen und seltsamen Kindleins Jesu gehört.
Einrede: Warum ist nun das Kindlein Jesu so ein wunderlich und seltsames Kindlein und nicht vielmehr ein solches Kindlein, darein sich Vernunft und menschliche Weisheit, sammt allen Leuten, richten und schicken mögen? Antwort: Auf dass die Vernunft und menschliche Weisheit und was hieran hängt, als Fleisch und blut, eigene Kräfte und Vermögen, all unser Verdienst sammt allen Vernünftigen, Klugen, Weltweisen und Starken zu Schanden, und dass aus dem Gegentheil Gottes Gnade und Barmherzigkeit erhoben werde, und dass auch der heilige Geist seine gebührliche Ehre habe. Hierum nun geschrieben steht Esaiä am 29.: Darum spricht der Herr, dieweil dies Volk zu mir nahet mit seinem Munde und mit seinen Lippen mich ehret, aber ihr Herz ferne von mir ist, und sie mich fürchten nach Menschengeboten, die sie lehren: so will ich auch mit diesem Volke wunderlich umgehen, auf das wunderlichste und seltsamste, dass die Weisheit seiner Weisen untergehe und der Verstand seiner Klugen verblendet werde. Item am 33.: Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Räthe? Wo sind die Kanzler? Und thut hie zu diesen Worten der Apostel in der 1. zu den Corinth. am 1. Cap.: Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Thorheit gemacht?
Zum Beschluss aber dieses Namens des neu geborenen Kindleins Jesu lernen wir neben andern Dingen vier Lehren. Erstlich, dieweil Jesus ein solch seltsames und wunderliches Kindlein ist, so will nothwendig folgen, dass es muss eine sonderliche Gabe Gottes sein, sich in solch Kindlein zu schicken und zu richten; wie denn auch diese und dergleichen Sprüche vermelden Matthäi am 11.: Und Niemand kennet den Sohn, denn nur der Vater. Item im Johanne: Niemand kommt zum Sohn, der Vater zieht ihn denn. Item Joh. am 15. und 16. Cap. verheisst Christus seinen heiligen Geist, dass derselbe von ihm Zeugniss gebe und ihn verkläre.
Zum Andern, dass sich Niemand verwundern soll, warum die Allerverständigsten, Weisesten und Gewaltigsten in dieser Welt sich an dem neu geborenen Kindlein Jesu ärgern und ihm zuwider sind. Denn es ist ein wunderliches und seltsames Kindlein, darein sie sich nicht schicken oder richten mögen. Arme und unselige Leute sind aber Die, welche sich an ihm also zum Verderben ärgern; wie denn auch aus dem Gegentheil unser lieber Herr Christus Die selig preiset, welche sich an ihm nicht ärgern.
Zum Dritten, dass es gleichfalls eine Gabe Gottes sei, sich an den wunderlichen und seltsamen Nachfolgern und Unterthanen des wunderlichen und seltsamen Kindleins Jesu nicht ärgern, und sich in dieselbigen schicken und richten können. Darum auch David gesagt am 41. Psalm: Selig ist Der, welcher sich auf einen Armen und Dürftigen versteht.
Zum Vierten, dass es auch Gottes Gabe ist, das wunderliche und seltsame Reich des wunderlichen und seltsamen kindleins Jesu sammt seinen zugehörigen Dingen, als Lehre, Sacramente und Gottesdienste recht und fruchtbarlich zu verstehen.
Von dem anderen Namen des neu geborenen Kindleins Jesu, welches heisst Rath.
Rath heisst dies neu geborene Kindlein Jesus, erstlich, dass es von Ewigkeit her von Art und Natur der allervollkommenste und kräftigste, ja allmächtigste Rath ist, ausserhalb welchem kein guter, rechter, heilsamer, kräftiger, nützer und glückseliger Rath ist. Zum Andern von Amts wegen, dass aller guter, rechter, heilsamer, kräftiger, nützer und glückseliger Rath von ihm sei, item, dass alle rathsamen Leute, alle guten und nützlichen Räthe seiner Hände Werk seien. Daraus es sich nun schliesst, dass aller heilsamer und guter Rath von dem Kindlein Jesu zu bitten sei; und wer da ein guter Rath ist und guten Rath bekommen, dass derselbe dem gemeldeten Kindlein dankbar sei.
Weit aber ist dies Kindlein Jesus, welcher allhier Rath genannt wird, mit den Räthen, die Menschen sind, nicht zu vergleichen; welche, so sie auch gute Räthe sind, so sind sie es doch nicht von Ewigkeit, Art und Natur, gleichwie Christus, das neu geborene Kindlein. Und ob sie gleich guten, rechten, heilsamen, kräftigen, nützen und glücklichen Rath geben können, so haben sie Solches aus lauter Gnade und Gabe Christi, des ewigen, allmächtigen und natürlichen Raths. Überdas, so ist wohl wahr, dass solche gute Räthe als Menschen etlichen Personen rathen können, in etlicher Noth, in etlichen Zeiten und Stunden, auch an etlichen Orten und Stätten. Aber allen Menschen rathen, in aller Noth, zu allen Zeiten und an allen Orten, Das kann allein Jesus Christus, das neu geborene Kindlein, der allmächtige Rath. Item, so geschieht oft, dass menschliche Räthe viel heilsamen und nützen Rathes zusagen, und wenn es alsdann an das Treffen geht, und guter Rath von Nöthen ist, mögen sie nicht gleich leisten, was sie zugesagt haben. Aber Jesus, dies neu geborene Kindlein, ist ein solcher Rath, der da allmächtig ist zu leisten und zu halten, was er versprochen hat zu rathen. Item, menschliche Räthe können unbeständig sein, heute zu einem Dinge rathen, morgen wieder davon abrathen, item in ihren Räthen lügen und trügen. Christus aber, das liebe Kindlein, ist allzeit in seinen Räthen beständig, fehlet nicht, leuget nicht und treuget nicht. Item, so strecken sich gemeiniglich aller Menschen Räthe nicht weiter, denn sofern sich strecken Vernunft und menschliche Weisheit, und wo man dieser Dinge in Mangel steht, so hat menschlicher Rath ein Ende. Aber das Kindlein Jesus ist noch allmächtig und mag rathen, wenn Vernunft und menschliche Weisheit nicht rathen kann, und wenn die Allerweiseste und Vernünftigsten in Rathgebung verzweifeln müssen.
Das Mittel aber, dadurch Christus, das neu geborene Kindlein, räth und guten Rath giebt in dem geistlichen Reich und in den Dingen der Seligkeit, ist sein Wort, in welchem allein gottselige, nütze und gute Räthe zu finden sind, zur Seligkeit. So Viel betrifft das weltliche Reich, hat er Vernunft, menschliche Weisheit, gute Künste u.s.w. Einrede: Warum ist Christus, das neu geborene Kindlein, allein ein solcher Rath, wie bisher gehöret? Antwort: Dass es allein Ehre habe, und auf dass sich Niemand zu berühmen habe in seiner fleischlichen Weisheit und Klugheit, gute, nützliche und gottselige Räthe zu geben. Weiter aber, wie nun das neu geborene Kindlein Jesus ein Rath ist, also ist ein Reich ein Reich der guten und nützlichen Rathschläge, sein Wort eine Lehre, daraus guter und nützer Rath zu nehmen ist, seine Sacramente rathsame Sacramente, sein Gottesdienst voll Rathes. Und also Alles, was seinem Reiche zuständig, ist voll guter, nützer und gottseliger Rathschläge.
Von dem dritten Namen des neu geborenen Kindleins Jesu, welches heisst Kraft.
Kraft wird das liebe und neu geborene Kindlein Jesus genannt, erstlich, weil es von Ewigkeit her von Art und Natur die Kraft selbst ist, ja auch kräftig, ausserhalb welchem keine wahrhaftige, rechtkräftige und tröstliche Kraft ist. Zum Andern von Amts wegen; denn er als ein kräftiger Herr trägt, regirt und erhält, was da im Himmel und auf Erden ist; item, der da in’sgemein tröstet in aller Angst und Noth, in aller Anfechtung alle Erschöpften und Machtlosen, welcher Kraft und Vermögen ganz kraftlos worden ist; item, der da giebt alle Kraft und Macht, dass die Menschen sich und andere Leute tragen, erretten und trösten mögen, Einer dem Andern in Angst und Nöthen Hilfe, Trost, Beistand und Errettung zu leisten. Darum auch folgt, dass, wer kräftig und stark sein will, ihm und anderen Leuten zum Besten, dass derselbige allein das Kindlein Jesum derwegen ansprechen muss; und wer da Kraft und Stärke bekommen hat, dass er allein demselbigen dafür dankbar sei.
Nun ist aber das neu geborene Kindlein Jesus, welches da Kraft heisst, so fern, als Himmel und Erde von einander ist, von anderen Menschen, die da auch Kraft mögen heissen oder kräftig sind, zu scheiden. Denn was solche Menschen von Kraft und Stärke besitzen, Das haben sie nicht von Ewigkeit, auch nicht von Art und Natur, viel weniger von ihnen oder ihren Kräften und Vermögen, sondern aus lauter Gnaden und aus Geschenk des neu geborenen Kindleins, das das Kraft heisst von Ewigkeit her, von Art und Natur. Überdas, so mögen kräftige und starke Menschen wohl Etwas ausrichten mit ihrer Kraft und Stärke, aber Alles ist ihnen nicht möglich. Item mögen sie in etlichen Nöthen und Ängsten anderen Leuten helfen und rathen, aber nicht in allen. Item mögen sie etlichen Personen Kräfte und Stärke mittheilen, aber nicht allen, an etlichen Orten und Stätten ihre Kraft und Stärke beweisen, aber nicht allenthalben; auch zu etlichen Stunden und Zeiten, aber nicht allezeit. Item, so mögen auch Menschen, die da kräftig und stark sind, ihre Kraft und Stärke verlieren, item Viel zusagen anderen Leuten, wie sie ihre Kräfte und Stärke bei ihnen erzeigen wollen, aber doch fehlen. Solche Mängel und Gebrechen findet man aber bei Christo, dem Kindlein nicht, welcher also kräftig ist, dass er mit seiner Kraft Alles ausrichten kann und durch dieselbige den Leuten aus aller Noth und Angst helfen. So ist auch seine Kraft und Stärke an Unbeständigkeiten der Personen, Orte und Städte, Zeit und Stunden nicht gebunden. Dieselbigen natürlichen Tugenden kann er auch nicht ablegen, viel weniger in Versprechung seiner Kraft und Stärke fehlen oder trügen. Daher es auch billig allein den Namen trägt, dass es eine allmächtige Kraft heisst.
Nun solche seine Kraft und Stärke zu üben, hat das neu geborene Kindlein dazu ein Mittel, als nämlich das Wort, welches auch der Apostel Paulus zu den Römern am 1. Capitel nennet eine Kraft Gottes, einem Jeden dienstlich zu seiner Seelen Seligkeit, der daran glaubt.
Einrede: Warum hat sich Jesus Christus, das Kindlein, solchen Namen Kraft, wie bisher vernommen, allein vorbehalten? Antwort: Um zweier Ursachen willen. Eine, auf dass die Starken, Kräftigen und Mächtigen sich Nichts zu berühmen haben in ihrer Stärke, Kräften und Vermögen, und dass also das liebe und kräftige Kindlein alle Ehre allein behalte, allein übertreffe mit seiner Kraft und Macht alle menschliche Kraft und Macht und allein den Namen habe, welcher ist über alle Namen, welche da mögen genannt werden, nicht allein in dieser, sondern auch in jener Welt, zu den Eph. am 1. Cap. Die andere Ursache, damit Christo Jesu in Kraft und Macht Niemand gleich werde und also das kräftige Kindlein vor Menschen, die da kräftig und mächtig sind, bleiben möchte. Endlich aber, wie nun Christus Jesus, das Kindlein, Kraft und Macht ist und heisst, also ist auch sein Reich ein kräftig und mächtig Reich, das man wohl eine Zeit lang stürmen mag, aber nicht einstürmen. Also ist auch sein Wort eine kräftige und mächtige Lehre, also sind seine Sacramente kräftige und mächtige Dinge, also sein Gottesdienst und Alles, was zu seinem Reiche gehört.
Hieraus wir aber nun nicht geringen Nutzen und Trost schöpfen mögen zu diesen sorglichen und gefährlichen Zeiten, dass wir dennoch wissen, dass das liebe, neu geborene Kindlein, welches da Kraft heisst, sammt seinem Reich und Allem, was daran hängt, endlich vor allen Tyrannen und Verfolgern wohl bleiben werde, und dass auch dasselbige Kindlein mächtig genug sei, uns wider allen Willen, die uns Übles thun, aus aller Noth zu erretten.
Von dem vierten Namen des neu geborenen Kindleins, welches da heisst Held.
Es wäre uns nichts sonderlich Tröstliches, zu hören, obgleich Jesus Christus, das neu geborene Kindlein, Kraft heisse, oder ob es gleich kräftig und mächtig wäre, so dasselbige nicht zugleich auch ein Held wäre, das ist, ein solches Kindlein, welches da schätzen und schirmen könnte.
Nun trägt gemeldetes Kind den Namen Held auch um zweier Dinge willen. Zum Ersten, dass dasselbige von Ewigkeit, Art und Natur ein fester Schirm und Schutz selbst ist, ausserhalb welchem ein kräftiger Schutz oder Schirm nicht ist; von welchem auch allein aller kräftiger Schutz und Schirm zu bitten ist. Zum Andern von Amts wegen, dass nun oft genanntes Kindlein auch mächtig ist, uns zu schützen und zu schirmen wider den Teufel, wider die Sünde, wider den Tod, wider die Hölle und wider die ewige Verdammniss, ja, wider die Welt und sonst wider alle unsere Feinde und in’sgemein wider alle Fährlichkeiten. Item, welches Kindlein alle Menschen, die schützen und schirmen sollen, zu Schützern und Schirmern macht, giebt ihnen Kraft, zu schützen und zu schirmen; item, verleihet uns solchen Glauben, dadurch wir uns wider erzählte Feinde und Gefahr schützen und schirmen mögen. Derhalben auch Johannes in seiner ersten Epistel am 4. Cap. den Glauben an Christum Jesum unsere Überwindung nennt; item, von welchem die Menschen auch den Namen haben und tragen, so sie Helden genannt werden und Etwas ausrichten, das ehrlichen, kräftigen und wirklichen Helden wohl ansteht, eignet und gebührt.
Derhalben muss man das liebe Kindlein von allen Menschen, welche den Namen Held tragen, auch dass sie ihn haben mit Heldenwerken bewiesen, wohl unterscheiden. Denn dass dieselbigen Helden schützen und schirmen können und sich und anderen Leuten hiemit dienen, Das haben sie aus lauter Gnade und Geschenk Christi, des rechten, einigen und natürlichen Helden. So ist auch jener Schutz und Schirm allein an etliche Fälle gebunden, dessgleichen auch an Umstände der Personen, Örter und Zeit. Aber Christi, des allmächtigen Helden, Schutz und Schirm strecket sich in alle Fälle der Noth und ist kräftig bei allen Personen, an allen Orten und zu allen Zeiten. Item, Menschen, Helden mögen ihren Namen verlieren; item kann in ihnen ihr Schutz und Schirm geschwächt werden; item mögen sie ihre Heldenkräfte ausziehen; item viel herrlichen Schutz zusagen und doch fehlen. Aber Christus, der Held, behält seinen Namen ewiglich, bleibt zu allen Zeiten gleich mächtig und stark zu schützen und zu schirmen, leugt und treugt nicht in seiner Zusagung, Schutz und Schirm betreffend.
Das Mittel aber, dadurch das liebe neu geborene Kindlein schützt und schirmt, ist sein heiliges Wort vornehmlich, welches nicht allein auch ein Stück ist von dem Harnisch, welchen Paulus schmiedet zu den Ephesern am 6. Cap. wider den listigen Anlauf des Teufels und aller seiner Feinde, sondern auch die herrliche und tröstliche Zusagung, welche wir durch den Glauben zum Schutz und Schirm ergreifen. Sonst hat auch Christus, der Held, viele andere Mittel, seinen Schutz und Schirm zu beweisen, nach Gelegenheit der Feinde und der Gefährlichkeiten.
Einrede: Warum ist nun Christus allein ein solcher Held, wie bisher dargethan? Antwort. Damit uns benommen würde die Ursache, uns als Helden zu berühmen, und dass also Christus, der ewige und natürliche, ja auch allmächtige Held allein die Ehre habe. Item, dass wir uns lernen demüthigen und von ihm allein bitten, dass wir durch den Glauben auch mögen Helden sein, Teufel, Sünde, Tod, Hölle, ewige Verdammniss und die Welt zu überwinden.
Wie aber nun Christus, das Kindlein, ein gewaltiger und allmächtiger Held ist wider alle Feinde und Widersacher, also ist sein Reich ein Heldenreich, welchem endlich weder Teufel, noch Sünde, Tod, Hölle, ewige Verdammniss und Welt schaden kann, ja ein Reich, darin die gottseligen Unterthanen wohl mögen von erzählten Feinden angefochten werden eine Zeit lang, aber endlich nicht verdrückt. Also ist sein Wort eine Heldenlehre, welche endlich nicht zu tilgen ist, ja, welche durch Verfolgung je mehr und mehr erweitert wird und zunimmt. Dessgleichen ist es auch gelegen mit seinen Sacramenten und Gottesdienst, welche Dinge dem allmächtigen Helden Jesu Niemand aus seinen Händen reissen wird.
Von dem fünften Namen des neu geborenen Kindleins Jesu, welcher heisst ewiger Vater.
Solchen Namen trägt das liebe Kindlein Jesus eben wie die anderen um zweierlei Ursachen willen. Erstlich, dass es von Ewigkeit her von Art und Natur ein ewiger Vater ist; item, dass ausserhalb ihm keine rechte Vaterschaft ist; item, von welchem alle Vaterschaft als von einem wahrhaftigen Gott zu bitten und zu erlangen ist. Danach von wegen seines Amtes, dass er wie ein Vater alle Zeit sein Reich und Kirche gebieret und erweitert. Item, bleibet alle Zeit Vater, ist kein Richter und Verdammer, wie er denn selbst von ihm zeugt Joh. am 3.: Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern, dass die Welt durch ihn selig werde. Item, so hören in ihm die väterlichen Affecten und Begierden nimmer auf. Item, welcher rechter, frommer und weiser Vater zu sein schenkt und giebt. Item, macht auch gottselige und gute Väter, welche ihr väterlich Amt treulich und wohl ausrichten.
Nun ist aber Christus, dies liebe Kindlein und der ewige Vater, weit und fern von allen anderen Vätern abzuscheiden. Denn diese Väter sind sterbliche und vergängliche Väter, jener aber ein ewiger Vater. Diese sind Väter aus Gnaden und Geschenk, jener von Natur. Diese mögen ihre väterlichen Ämter und Affecten gegen ihre Kinder in Vergessenheit stellen, jener aber nicht. Diese haben etwa ein Ansehn der Personen unter den Kindern, item der Orte und Städte, item der Zeit und Stunden, nach welcher Umstände Gelegenheit sie ihre väterlichen Ämter und Affecte üben und treiben. Jener erzeigt sein väterlich Herz und Wohlthaten auch an den bösen Kindern, thut gut den Bösen und Frommen an allen Orten und Städten und zu allen Zeiten und Stunden. Diese können fehlen, lügen und trügen, jener weiss von solchen Lastern Nichts. Diese werden etwa aus freundlichen Vätern zornige Richter und Tyrannen, jener ist frei von allem Richten und Verdammen bis zu seiner Zeit, wann er wird kommen zu richten und zu verdammen alle Unbussfertigen.
Hieraus nun sehr grosser Trost sich erzeuget, auf dass wir wissen, dass Christus, das liebe Kindlein, wohl hasset die Sünde, ist zornig wider dieselbige und straft auch diese in den ungehorsamen Kindern. Jedoch wirft er sie nicht eilig hinweg, verdammt sie auch nicht, wo sie sich unterrichten lassen; gleichwie auch selbst ein Vater seine Kinder nicht verwirft, wo sie sich bessern.
Das Mittel aber, dadurch Christus, der ewige Vater, sein Reich und Kirche gebauet, ist das Wort Gottes.
Einrede: Warum hat Christus, das liebe Kindlein, ihm allein den Namen behalten, dass er heisse ewiger Vater? Antwort: Auf dass es allein die Ehre haben, und dass uns Ursach zu rühmen benommen werde. Überdas weiter, gleich wie Christus nun ein ewiger Vater ist, also ist sein Reich auch ewig, welches sich hier anhebt und wird währen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Item, wie er ein freundlicher Vater ist, also ist auch sein Reich ein freundliches Reich, seine Lehre eine freundliche Lehre, seine Sacramente Zeichen alles väterlichen und freundlichen Willens und Gnaden, und sein Gottesdienst ein freundlicher Dienst.
Von dem sechsten Namen des neu geborenen Kindleins Jesu, welches heisst Friedefürst.
Friedefürst heisst dies neu geborene Kindlein Jesus, erstlich, dass es von Art und Natur friedlich ist, ja der Friede selbst, und Das von Ewigkeit her, von welchem als von einem wahrhaftigen Gott aller wahrhaftige Friede, beide der äusserliche und der innerliche, zu bitten ist. Zum Andern von Amts wegen, dass es, indem es die Sünde vergiebt, von Stund an mitschenkt und giebt den Frieden des Herzens und Gewissens, den innerlichen Frieden. Item macht es friedsame Leute, regirt und erhält allen Frieden. Nach dem so giebt es auch den äusserlichen Frieden und hilft getreulich allen Unfrieden verhüten.
Damit aber gleichwohl Christum Niemand halte für einen solchen Friedefürsten, wie etwa grosse Herren auch Friedefürsten genannt werden, so ist zu wissen, dass man Christum, den Friedefürsten, muss absondern von allen Menschen, welche sonst den Namen Friedefürst tragen. Denn sind Menschen Friedefürsten, so sind sie es nicht von sich selbst, auch nicht von Art und Natur, viel weniger von Ewigkeit her, sondern aus Gnaden. Item, ob diese gleich all ihre Kräfte und Vermögen ausrechnen, mögen sie doch nicht mehr, denn den äusserlichen Frieden helfen und machen, welcher auch an Personen, Ort und Zeit gebunden ist. Item, sagen Friedefürsten unter den Menschenkindern etwa Frieden zu, es steht aber in ihrem Vermögen nicht, den zugesagten zu halten. Item ist es menschlicher Friedefürsten tägliche Gewohnheit, dass sie zum öftern Mal ihres Amtes, Friede zu machen und zu erhalten, vergessen. Einen solchen Friedefürsten aber haben wir an Christo Jesu nicht, sondern Den, welcher von Art, Natur und Ewigkeit her allzeit ein Friedefürst ist, allmächtig, beide den innerlichen und äusserlichen Frieden zu geben allen Menschen, an allen Orten und zu allen Zeiten, item in allen Fällen, vor der Vernunft möglich oder unmöglich. Welcher seines Amts, Friede zu machen, nicht vergessen kann, vielweniger, versprochenen Frieden durch seine Zusagung nicht zu halten.
Einrede: Durch welches Mittel giebt Christus, der Friedefürst, seinen Frieden? Antwort: Durch sein Wort. Wenn man es hört, annimmt und glaubt, kommt man zum innerlichen Frieden des Gewissens; auf welche Dinge auch hernachmals folgt der äusserliche Friede.
Einrede: Ja, wo Christus, dieser Friedefürst, zugegen ist, sucht man nichts Wenigeres, denn Frieden, wie denn durch die tägliche Erfahrung vor Augen. Antwort: Dass Unfrieden ist, wo Christus, der Friedefürst, zugegen, ist seine Schuld nicht, sondern Derer, welche den Friedefürsten Jesum Christum nicht wollen annehmen.
Einrede: Warum hat Christus allein den Namen für sich behalten, dass er beides Friedens Friedefürst und Geber ist von Natur und Ewigkeit? Antwort: Damit er allein die Ehre habe und unsere Münder gestopft werden, sich keines Ruhms zu unternehmen.
Endlich aber, wie nun Christus ein Friedefürst ist, also ist sein Reich ein friedlich Reich, sein Licht ein Licht des Friedens, seine Sacramente solche Zeichen, welche uns alles brüderlichen Friedens vermahnen und erinnern sollen, sein Gottesdienst voll Friedens, indem er von uns erfordert die brüderliche Liebe, seine Prediger Friedeprediger, wie sie auch der Prophet Esaias nennet, und seine Unterthanen ein friedlich Volk.
Einrede: Was ist es von Nöthen gewesen, dass Christus, das liebe Kindlein, solche grosse und herrliche Namen gehabt hat, bezeichnend solche grosse Ämter? Antwort: Desswegen, dass er auch grosse und gewaltige Feinde gehabt, welche ihn leichtlich hätten verhindern mögen in Anrichtung seines Reichs, wo er nicht ein so mächtiger Herr gewesen wäre. Darum sagt der Prophet: Auf dass seine Herrschaft gross werde und des Friedens kein Ende u.s.w.
Der andere Artikel in dieser Predigt.
Zum Andern sollen Euer Liebden hören in dieser Predigt, was nun das liebe, neu geborene Kindlein Jesus für ein Reich habe, nämlich ein ewiges Reich und derhalben ein geistliches Reich. Denn so das Reich Christi ein weltliches Reich wäre, so könnte es nicht ewig währen. Ja, auch ein solches Reich, das hier auf Erden ist und hier anhebt und streckt sich nach diesem Leben in das ewige Leben. Aus der Ursache sagt der Prophet, dass Christus, der König, werde auf dem Stuhle seines Vaters David sitzen. Nun hat David hier auf Erden regirt. Darum soll man nicht imaginiren, gleich als wäre das Reich Christi über den Wolken, zu welchem hie Niemand kommen möchte. Es ist hier auf Erden und stehet in der Versammlung der Heiligen und christlichen Kirchen.
Der dritte Artikel
vermeldet, mit was fürnehmen Stücken das Reich Jesu Christi geschmückt und gezieret sei; item, was fürnehmlich die Unterthanen in demselbigen Reiche üben und treiben sollen. Denn Christi Reich ist nicht ein Reich des Müssiggangs. Daher Esaias sagt, dass er sein Reich zurichte und stärke mit Gericht und Gerechtigkeit. Gericht aber üben im Reiche Christi heisst sich für einen armen Sünder erkennen, welcher Gottes Gebote mannichfaltig und oft überschritten, sich also beschuldigen, anklagen und verdammen als Den, welcher von wegen der begangenen Sünden billig Gottes Strafe und Zorn, hie zeitlich und dort ewiglich, verdient habe. Und Das thun heisst die Schrift sonst mit anderen Worten Reu und Leid tragen.
Gerechtigkeit üben heisst sich nun aus Erkenntniss der Sünde und aus der Reue wiederum aufrichten durch den Glauben an Gottes Gnade und Barmherzigkeit, zur Vergebung der Sünden und zu einem neuen und gottesfürchtigen Leben. Es heisst, in den Sünden nicht verzagen, auch die Sünden über Gottes Barmherzigkeit und Gnade nicht erheben, sondern durch den Glauben festiglich beschliessen, dass Gott uns alle unsere Sünden sammt angehängten Peinen und Strafen um seines lieben Sohnes willen verzeihen und nachlassen will und in Dem uns auch seinen heiligen Geist schenken und geben, der uns Hilfe und Beistand thun soll, dass wir uns vor Sünden weiter mögen hüten und ein neu und Gott wohlgefällig Leben anfangen und in das Werk bringen.
Der vierte Artikel
stehet in einer Frage: Wem man’s zuschreiben soll, dass das Reich Christi ein solches Reich ist, wie bisher gehört, welches mit Gericht und Gerechtigkeit zugerichtet und gestärket sei, von nun an bis in Ewigkeit? Antwort: Nicht unseren Kräften, Vermögen und Verdiensten, sondern dem Eifer des Herrn Zebaoth. Denn dieweil er geeifert und uns so lieb gehabt, dass er seinen eingeborenen Sohn in die Welt geschickt, hat er gemeldet Reich angerichtet und mit erzählten Tugenden geschmücket. Amen.
Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters