Sam, Conrad - Eine Predigt über eine Stelle aus dem VIII. Kapitel des Evangeliums Matthäi, gehalten zu Bern auf Sonntag nach Pauli Bekehrung,

Sam, Conrad - Eine Predigt über eine Stelle aus dem VIII. Kapitel des Evangeliums Matthäi, gehalten zu Bern auf Sonntag nach Pauli Bekehrung,

von Conrad Sam1), Prädikanten von Ulm.

Da er aber vom Berge herabging, folgte ihm viel Volks nach.

Hier sehen wir, dass es sich also verhält, wie Gott durch Jesajas geweissagt, der da spricht: „Mein Wort wird nicht leer wieder zurückkehren, sondern wird alles das wirken, wozu ich es geschickt habe.“ Christus predigte nicht vergebens das göttliche Wort auf dem Berge, denn es brachte Frucht, dass ihm nämlich viel Volk nachfolgte; wie es der Evangelist erzählt. Wo das Wort Gottes noch jetzt lauter und mit Ernst gepredigt wird, da laufen ihm gewöhnlich die Auserwählten zu und folgen ihm nach; wo es aber ohne Ernst und mit Menschenlehren verfälscht und vermischt verkündigt wird, da richtet man nichts aus : denn die Schafe Christi hören deren Stimme nicht und folgen ihnen auch nicht nach. Daher tut es Not, dass eine christliche Obrigkeit ein fleißiges Aufsehen habe, wie das Wort Gottes ihren Untertanen verkündigt werde, und zwar nicht allein in der Stadt Bern, sondern auch auf dem Lande, damit dem armen Volke der Kern des göttlichen Wortes und nicht die Spreu der Menschenlehre dargeboten werde. Sonst würde es den armen Leuten wie den Ackerpferden gehen, die das Haferfeld bebauen, aber keinen Hafer bekommen.

Und siehe, ein Aussätziger kam und betete ihn an und sprach: Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen.

Lucas schreibt Kap. V: Er fiel auf sein Angesicht und betete ihn an, das ist, er verehrte ihn als einen, der ihn vom Aussage zu reinigen vermöge. Dazu trieb ihn der Glaube, wie es denn seine eigenen Worte anzeigen, da er spricht: „Herr, so Du willst, kannst Du mich wohl reinigen.“ Da sieht man, dass er an Christum glaubt und ihm vertraut, dass er ihm wohl helfen könne. Der Glaube lehrt ihn auch recht bitten. Paulus spricht Röm. VIII: „Wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie es sich gebührt“ rc. Ein Gläubiger lernt aber durch den Geist recht bitten und stellt alle Dinge dem Willen Gottes anheim, wie es der Aussätzige tat, indem er spricht: „Herr, so Du willst“ rc. Wer aber nicht den Glauben hat, der kann nicht recht bitten. Wie es auch Gott mit ihm macht, gefällt es ihm nicht. Darum ist der Glaube in allen Dingen notwendig; ohne ihn murrt der Mensch stets wider Gott, wie es die Kinder Israels in der Wüste taten,

Der Aussätzige hat ein kurzes und rechtschaffenes Gebet verrichtet: „Willst Du, so kannst Du mich reinigen.“ Ihn sollen wir zum Beispiele nehmen und alle Dinge Gott anheimstellen, indem wir sagen: Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe. Und Jesus streckte seine Hand aus und rührte ihn an und sprach: Ich will's tun, sei gereinigt. Und alsobald ward er von seinem Aussage rein.“ Hier soll Niemand denken, dass nur das Wort an sich „ich will's tun, sei gereinigt“ die Kraft gehabt habe, den Aussätzigen zu reinigen, denn wenn es dem also wäre, wollten wir durch dieses Wort allen Aussätzigen helfen. Darum hat nicht das Wort, sondern die Kraft Gottes den Aussätzigen gereinigt. Christus hat durch das Wort: „Ich will's tun“ nur seinen allmächtigen Willen und seine Kraft zu erkennen gegeben. Es ist eine leere Rede, wenn man sagt: das Wort tut es; wie auch vom Nachtmahle des Herrn geredet wird, das Wort Christi: „das ist mein Leib,“ verwandle das Brot in den wirklichen Leib Christi. Das ist aber nicht der Fall, wie es vergangener Tage genug gehört worden.

Und Jesus sprach zu ihm: Siehe zu, sage es Niemand.

Nach diesem Befehle hat der Aussätzige nicht gelebt, sondern wie Marcus, Kap. I, erzählt, hat er die Geschichte kund getan und sie ausgebreitet, und so des Herrn Befehl verachtet. Damit hat er aber nichts Anderes ausgerichtet, als dass das Volk in dem Maße zum Herrn sich hinzudrängte, um aus Vorwitz ihn zu hören und Wunderwerke zu sehen, dass er nicht mehr öffentlich in der Stadt herumgehen konnte. Sie suchten dabei mehr des Leibes als der Seelen Heil; darum tat der Aussätzige ohne Zweifel unrecht, dass er diese Geschichte wider den Befehl Christi so ausgebreitet hat.

Sondern gehe hin und zeige dich dem Priester.

Auf diese Stelle haben die Päpstler die Ohrenbeichte begründen wollen, als ob der Aussatz die Sünde bedeute und „zeigen“ „beichten“ heiße. Diese offenbare Fälschung der Schrift sollte hinreichen, alle Christen zu bewegen, von der Päpstler Lehre abzustehen und gegen alle ihre Lehre Verdacht und Argwohn zu hegen. Wer sollte ihnen noch Glauben schenken, wenn sie durch eine solche falsche Auslegung der Schrift dem armen Volke eine so schwere Last aufgebürdet haben? Christus hat hier auf das Gesetz Mosis Rücksicht genommen, welches noch nicht durch seinen Tod aufgehoben war; denn darin war den Priestern die Macht verliehen, durch ihr Urteil zu entscheiden, ob Einer vom Aussage gereinigt wäre oder nicht, Lev. XIV. Wer nun recht gereinigt war, sollte nach dem Gesetze ein Opfer bringen. Dahin zielt Christus, wenn er sagt: „Gehe hin und zeige dich dem Priester und opfere die Gabe, die Moses befohlen hat, ihnen zum Zeugnis“, das ist, ich will, dass du das Gesetz haltest, dass du dich dem Priester zeigest, damit er dich rein erkläre, und du ihm das Opfer bringest zum Zeugnis, das ist, zu einem Gesetz oder Recht, weil sie auch daran ihren Teil oder ihr Recht hatten. Christus wollte ihnen jetzt noch keinen Nachteil bringen, darum hieß er den Aussätzigen hingehen und sich dem Priester zeigen, und opfern rc. Was geht das die Ohrenbeichte an? Hat ja kein Buchstabe Bezug darauf, wer kann ihnen noch ferner Glauben schenken, nachdem er solche Fälschung bei ihnen gefunden?

Da aber Jesus einging zu Kapernaum, trat ein Hauptmann zu ihm, der bat ihn und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gichtbrüchig und hat große Qual.

Am Aussätzigen, der ein Jude war, haben wir ein Beispiel des Glaubens gehabt; aber an diesem Hauptmann haben wir ein ausgezeichnetes Muster des Glaubens und der Liebe. Der Aussätzige glaubte, dass Christus, der bei ihm stand, ihn reinigen könne. Der Hauptmann aber glaubt, Er könne nur mit Einem Worte seinen Knecht gesund machen, wenn er schon nicht gegenwärtig wäre. Aber auch an der Liebe übertrifft der Hauptmann den Aussätzigen, denn dieser sucht nur seine eigene Gesundheit, der Hauptmann aber sucht die Gesundheit seines Knechtes und nahm sich desselben so herzlich und ernstlich an, als wenn die Krankheit ihn selbst anginge. Man findet unter uns Leute, die sich um ihre Knechte und Mägde nichts bekümmern, ja sie sogar aus dem Hause treiben, wenn sie krank werden. Seht, wie liebreich dagegen dieser Heide gegen seinen Knecht gehandelt! Man klagt allenthalben über die Dienstboten und diese beklagen sich wiederum über ihre Herren und Frauen. Solche Klagen rühren auf beiden Seiten daher, dass wir nicht wahre Christen sind und uns daher die Liebe mangelt. Die christlichen Herrschaften, Meister und Frauen sollen bedenken, dass sie auch einen Herrn im Himmel haben; darum sollen sie freundlich und nach Billigkeit sich gegen ihre Diener betragen, wie sie auch wünschen, dass Gott gegen sie gesinnt sei und handeln wolle. Desgleichen sollen auch die Dienstleute allen Fleiß anwenden zum Nutzen und Frommen ihrer Dienstherren und Frauen, sie sollen nicht Augendiener sein, sondern so dienen, als dienten sie Gott selber; wie solches Paulus im 6ten Kap. an die Epheser und im 4ten an die Kolosser gelehrt hat.

Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.

Hier sehen wir, wie freundlich Christus gegen diesen armen Sünder gewesen. Wiewohl dieser Hauptmann ein Heide war, und ein Kriegsmann, die doch gemeiniglich nicht die frömmsten sind, hat ihn doch Christus gleich erhört und ihm Hilfe zugesagt. Da Christus ein solches Wohlgefallen an einem gläubigen Herzen hat, sollte er uns billig zu ihm hinziehen, dass wir an ihn glauben, auf ihn vertrauen, auf dass wir auch gleiche Güte und Freundlichkeit erfahren.

Der Hauptmann antwortete und sprach: „Herr, ich bin nicht wert, dass Du unter mein Dach gehst“ rc.

Dieser Hauptmann hatte einen solchen Glauben, dass er mit Einem Worte der Zusage von Christo genug hatte und nichts weiter begehrte, indem er vermeinte, Christus möchte mit Einem Worte solches zu Stande bringen, und es daher nicht nötig sei, dass er in sein Haus komme, darum sagte er: „Herr, ich bin nicht wert rc.“ Solcher Glaube wird nicht unter uns gefunden. Wir haben uns mit dem Worte und der Zusage Gottes nicht begnügt, sondern haben gewollt, dass man uns Christum leiblich im Sakrament ins Haus trage. Ist Einer krank geworden oder gestorben, so ist die erste Frage gewesen, ob er auch das Sakrament empfangen, als ob all unser Trost und all unsere Seligkeit davon abgehangen. Da hat nichts gegolten, was Christus Joh. VI sagt: „Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben.“ Ferner: „Wer zu mir kommt, den wird nicht mehr hungern, und wer an mich glaubt, den wird nicht mehr dürsten.“ Den Hunger und Durst der Seele haben sie durch das Sakrament stillen wollen. Wir haben uns nicht mit dem Worte sättigen können, sondern haben Christum auch leiblich und wesentlich genießen wollen und deshalb wollten wir ihn ins Haus tragen lassen. Der Hauptmann hielt sich nicht wert, dass Christus, der damals noch in Knechtsgestalt auf Erden wandelte, in sein Haus komme und wir dürfen so vermessen sein, dass wir den verherrlichten und herrschenden Christum (wie wir es vorgeben) ins Haus tragen lassen, als ob er uns durch seine Worte und seine Verheißung nicht helfen könnte oder wollte, sondern als müsste er leiblich und wesentlich bei uns sein.

Denn ich bin ein Mensch, dazu der Obrigkeit untertan, und habe unter mir Kriegsknechte.

Damit will er sagen: ich bin in Bezug auf Gewalt nicht mit Dir zu vergleichen, denn ich stehe unter der Gewalt eines Anderen. Du aber hast alle Dinge in Deiner Hand; dennoch richte ich Alles mit dem Worte aus; was ich heiße und befehle, das tun meine Knechte, wie viel mehr vermagst Du Alles durch Ein Wort auszurichten, die Krankheiten zu vertreiben, die Gesundheit zu verleihen, den Tod zu entfernen, das Leben zu erhalten; darum ist es nicht nötig, dass Du in mein Haus kommst.

Da das Jesus hörte, verwunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich ich sage Euch, solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden.

Christus lobt den Glauben des heidnischen Hauptmanns so sehr, dass er denselben über den Glauben der Juden setzt: „solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden.“ O wie sauer würden die Wiedertäufer darein gesehen haben, wenn sie dieses Wort Christi gehört hätten! Sie behaupten, ein Christ dürfe kein Oberer sein, demnach hätten sie diesen Hauptmann für keinen Christen gehalten, denn er hat das Schwert geführt und Kriegsknechte unter sich gehabt, wie er es selbst sagt. Nun weiß man wohl, dass die Kriegsknechte nicht mit einem Fuchsschwanz drein schlagen, sondern dass Spieß und Schwert ihre Wehre und Waffen sind, dennoch nennt ihn Christus einen Gläubigen und zwar einen solchen Gläubigen, dass er seines Gleichen in Israel nicht gefunden. Dabei macht er ihn nicht von seinem Berufe abwendig und spricht nicht: Tritt von deiner Hauptmannschaft ab, wie denn auch im Buch der Apostelgeschichte Petrus nicht den Kornelius und Paulus nicht den Sergius davon abzutreten nötigten. Darum, liebe Christen, hütet Euch vor den verführerischen Lehren der Wiedertäufer. Wenn wir diesen glauben und ihnen folgen wollten, würden wir die ungehorsamsten Bürger dieser Welt sein und von Gott und Menschen gehasst und verfolgt werden. Und durch solche Verfolgungen würden wir nicht Märtyrer Christi, sondern des Teufels werden.

Aber ich sage euch: Viele werden kommen vom Morgen und vom Abend und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen.

Hier zeigt der Herr selbst an, dass die Heiden zum Glauben berufen und die Juden verworfen werden sollen, wie solches alle Propheten geweissagt haben, sonderlich Jesajas, Hosea und Paulus an die Römer, Kapitel IX und X. „Aber die Kinder des Reichs werden ausgestoßen werden in die äußerste Finsternis.“

Die Juden nennt er Kinder des Reichs, denn sie stammten von denjenigen her, welchen das Reich Gottes verheißen ward. Diese werden ihres Mangels an Glauben willen ausgestoßen werden in die äußerste Finsternis. Christus zeigt hier zwei Orte an für die Sterbenden: die Auserwählten werden Abraham sehen; die Andern werden sein in der äußersten Finsternis, wo Heulen und Zähneklappern sein wird. Zwischen innen gibt es keinen Mittelort, wie die Seelenbrenner von dem Fegefeuer erdichtet haben.

Und Jesus sprach zum Hauptmann: Gehe hin, dir geschehe, wie du geglaubt hast.

Hier sieht man, wie viel der Glaube vor Gott vermag, und dass ihm Gott nichts versagt. Christus spricht hier: „dir geschehe wie du geglaubt hast.“ Und 1. Joh. V steht: „Das ist unsere Zuversicht bei Gott, wenn wir Etwas bitten nach seinem Willen, so erhört er uns.“

Kurz, wir haben in diesem Evangelium die Summe eines rechten christlichen Lebens, welches in Glaube und Liebe besteht. Wenn wir uns in diesen zwei Stücken übten, und männlich fortfahren würden, so würden wir auch Gott so genehm werden, dass er uns in allen Nöten Hilfe und Beistand leisten würde. Ja, er würde uns durch die Trübsal dieser Welt unter der Verfolgung der Tyrannen zum ewigen Frieden und zu ewiger Freude führen. Dazu verhelfe uns Gott. Amen.

1)
Conrad Sam (auch Som) von Rothenacker, im Württembergischen, war um 1520 Pfarrer zu Brackenheim in seinem Vaterlande, und erhielt von Luther einen Trost- und Stärkungsbrief, worin er ermahnt ward, seine Stelle nicht zu verlassen. Die Österreicher vertrieben ihn aber 1524. Dagegen beriefen die Ulmer ihn zu ihrem Prediger erst an der Barfüßer- dann an der Münsterkirche. Neun Jahre lang war er daselbst Pfarrer und Hauptbeförderer der Reformation. Er stand mit Zwingli in vertrauter Freundschaft und im Briefwechsel. Er starb 1533.
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autoren/s/sam/sam-mat_8_bern.txt · Zuletzt geändert: von aj
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