Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Neuntes Kapitel.

Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Neuntes Kapitel.

Fortsetzung der vorigen Betrachtung.

Es geschehet keine Bekehrung ohne Furcht, Angst, Schrecken, Traurigkeit und Reue; denn wenn der Mensch zu sich selber gekommen ist, und sich selbst zu empfinden und zu erkennen anfängt: so zeigt ihm GOtt, wie er so viele Jahre unnützlich zugebracht, und gleichsam am Rand der Hölle gelaufen, seinem Geist widerstrebet, seine Wohlthaten mißbraucht, seine Gebote übertreten, in seinem vermeinten Gottesdienst gelogen und geheuchelt, Andere geärgert und beleidigt, und seinen Leib und seine Seele mit unreinen Lüsten und Werken verwüstet und geschändet habe. Wenn der Mensch dieses einsieht, so dünkt er sich der größte Sünder zu seyn, ja es ist ihm unbegreiflich, daß GOtt einen solchen großen Sünder noch sollte begnadigen und zurechtbringen können. Diese Einsicht und Empfindung hatte David, da er klagte: „deine Pfeile (o GOtt) stecken in mir, und deine Hand drücket mich. Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor deinem Drohen, und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde; denn meine Sünden gehen über mein Haupt, und wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden“, Ps. 38,3-5. Wie denn alle seine Bußpsalmen davon zeugen. Ohne Zweifel war es auch dem König Manasse so zu Muth, da er als ein Gefangener in der Angst war, und vor dem HErrn, seinem GOtt, flehte, und sich sehr vor dem GOtt seiner Väter demüthigte, 2 Chr. 33,12. Und was hat nicht Petrus erkannt und gefühlt, da bei dem wunderbaren Fischzug ihn und seine Kameraden ein Schrecken überfiel, und er vor Jesu niederfiel, und sagte: HErr, gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch, Luc. 5,8.9., und da er nach der Verläugnung Christi aus dem Palast des Hohenpriesters Caiphas hinausgieng, und bitterlich weinte. Gewißlich hat er damals seine große Sündenschuld und die Verderbniß seiner Natur eingesehen, und vor der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit sich entsetzt. Und so sind auch unterdessen alle diejenigen, welche bei GOtt Gnade gesucht und gefunden haben, durch empfindliche Bestrafungen und Schrecken zermalmet worden: wie denn zu allen Zeiten die Opfer, die GOtt gefallen, ein geängsteter Geist sind, und er ein geängstetes und zerschlagenes Herz nicht verachtet. Das Mittel, welches GOtt dazu braucht, ist das Gesetz, nämlich das Gesetz, welches dem Menschen ins Herz geschrieben ist und noch deutlicher in der heiligen Schrift steht, denn alles, was die Sünde aufdeckt, und zugleich dem Sünder den gerechten Zorn GOttes offenbart, heißt Gesetz: da hingegen alles dasjenige im Wort GOttes, das tröstet und stärkt, Verheißung oder Evangelium genennt wird.

Wenn du nun, mein lieber Christ, unter deinem äußerlichen Leiden auch Angst, Schrecken und Traurigkeit über deine Sünden empfindest: so schreibe es ja dem Teufel nicht zu, sonder n glaube, daß dich GOtt gnädiglich heimgesucht habe, und etwas Gutes in dir zu wirken anfange. Der Teufel macht die Menschen leichtsinnig, sicher, hart und unempfindlich, und gibt ihnen den Gedanken ein, es gebe keine Hölle, oder wenn er dieses nicht thun kann: so beredet er sie doch, sie haben bei ihren herrschenden Sünden keine Gefahr vor der Hölle, oder wenn er auch dieses nicht thun kann: so heißt er sie ihre Buße bis auf's Todtenbett aufschieben; da denn die arme Seele insgemein verkürzt wird und verloren geht. Allein der heilige Geist meint es treulich mit dir. Er sagt dir die Wahrheit durch sein Wort. Er deckt dir deinen Verstand auf, damit du merken sollest, wo es dir fehle. Er wirkt Reue in dir über allem, was zu bereuen ist, und Traurigkeit über allem, was leidig ist. Er treibt dich auch an, Gnade bei GOtt zu suchen, alldieweil die Gnadenzeit währt, und auch für dich noch Raum im Haus GOttes ist. Freilich wenn dir bei dieser heilsamen und bußfertigen Traurigkeit gotteslästerliche und andere Gedanken einfallen, wenn du gereizt wirst, alle Hoffnung aufzugeben, das Gebet zu unterlassen oder gar dir selber das Leben zu verkürzen: so leidest du neben den Gnadenwirkungen des heiligen Geistes Versuchungen vom bösen Feind, der ein Lügner und Mörder ist: du darfst aber nicht allzusehr darüber erschrecken; denn du stehst schon nicht mehr unter der Gewalt dieses bösen Feindes, sondern er will nur seine List und Macht an dir beweisen, um dich, der du ihm entrinnst, noch aufzuhalten. Er kann und wird dich aber doch nicht aufhalten können; denn das Blut Jesu, womit du erkauft bist, und seine Fürbitte kommt dir zu statten, und die unaussprechlichen Seufzer, welche aus deinem Herzen aufsteigen, machen alle Anläufe des Bösewichts, welche auch nicht immer fortwähren werden, zu Schanden. Diese Seufzer nun und das Verlangen und Flehen der Seele seien gerichtet zu dem Vater der Barmherzigkeit und dem GOtt alles Trostes, ja zu dem Vater, der einen jeden verlornen Sohn, welcher zu ihm kommt, wieder aufnimmt, und so auch zu Jesu Christo, welcher auf dem Gnadenthron sitzt, und bei dem man Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden kann. Dahin wende dich mit allen bußfertigen Sündern. Hungere und dürste nach Gnade. Flehe um Gnade. Bekenne deine Sünden, und bitte, daß sie dir um des Blutes und Todes Jesu willen vergeben werden. In diesem Verlangen, Hungern, Dürsten und Flehen ist schon der Anfang des Glaubens enthalten, und dieser Glaube hat schon die Verheißung von GOtt, daß man dabei nicht zu Schanden werde. Du wirst aber auch bald inne werden, wie dir der himmlische Vater und der HErr JEsus durch seinen Geist mit Liebe und Freundlichkeit entgegen komme. Du wirst eine Erleichterung in deiner Seele spüren. Du wirst Gnadenblicke von GOtt bekommen. Du wirst getröstet und erquicket werden. Du wirst den Frieden GOttes anfangen zu genießen. Ja es kann auch geschehen, daß du nach einer tiefen Traurigkeit mit einer überfließenden geistlichen Freude überschüttet wirst. Und wenn schon diese nicht immer fortwähren wird, so wird der himmlische Vater seinen Sohn JEsum durch seinen Geist in dir verklären und offenbaren, und der HErr JEsus wird den Vater in dir verklären: so daß du hernach durch die Erkenntniß des Vaters und des Sohnes das ewige Leben, folglich Gnade, Friede, Kraft und endlich die himmlische Herrlichkeit genießen wirst. Durch diesen Glauben wirft du gerechtfertigt werden, wie der Zöllner, von welchem gesagt wird, daß er aus dem Tempel gerechtfertigt in sein Haus gegangen sei. Der himmlische Vater wird dir nämlich alle deine Sünden vergeben, und dir dagegen alle heilige Werke und unschuldige Leiden Jesu Christi seines Sohnes zurechnen; da du dann eine Gerechtigkeit haben wirst, wider die im Himmel und auf Erden nichts einzuwenden ist, und mit welcher du vor GOtt selbst in seinem heiligen Gericht bestehen kannst. Weil du aber dabei auch schuldig, ja willig seyn wirst gegen deinem himmlischen Vater und HErrn Jesu Christo einen neuen Gehorsam zu beweisen und frömmer zu werden: so wird dir auch der heilige Geist geschenkt werden, damit du kindlich beten und gottselig leben könnest. Durch diesen Geist wirst du allerlei göttliche Kraft, so viel zum Leben und göttlichen Wandel dient, bekommen. Du wirft tüchtig und fertig werden, GOtt in deinem rechtmäßigen Stand und Amt zu dienen. Dieser Geist wird dich lehren, treiben, führen, starken, züchtigen, trösten, und alles treulich an dir thun, was dir nöthig ist. Und zwar wird derselbe nicht nur zuweilen einen kurzen Besuch bei dir machen: nein, er wird in dir wohnen nebst GOtt dem Vater und Sohne. Und wenn du auf diese Weise ein Tempel des heiligen Geistes sehn und bleiben wirst, so wirst du nach einer kurzen und gesegneten, wiewohl mühseligen Pilgrimschaft in den Himmel aufgenommen werden.

Siehe, mein lieber Christ, so wird man bekehrt, und auf eine solche Bekehrung zielt GOtt durch die Leiden, die er dir zuschickt, und es liegt dir alles daran, daß du dieselbe, wenn's nicht schon geschehen ist, von jetzt an in dir wirken lassest.

Hiebei mögen aber auch noch folgende Erinnerungen einigen nützlich seyn. Es liegt zuweilen einem Menschen, der sich bekehrt, eine besonders greuliche Sünde, die er begangen hat, schwer in dem Gewissen: so daß er nicht zur Ruhe seiner Seele gelangen kann, es sei denn, daß er dieselbe nicht nur GOtt, sondern auch einem Menschen beichte und bekenne. Wer sich nun in einem solchen Zustand befindet, bekenne dasjenige, das ihn so besonders drückt, seinem Beichtvater, der's Amtshalber verschweigen muß, oder einem erfahrenen christlichen Mitbruder, an dessen Treue und Verschwiegenheit nicht zu zweifeln ist: so wird er eine Erleichterung spüren, und nach der Ermahnung des Apostels Jacobi handeln, der Jac. 3,16. sagt: „Bekenne einer dem andern seine Sünden.“

Ferner, hat etwa ein Mensch, der sich zu bekehren anfängt, vorher mit jemand in Feindschaft gelebt. Hier ist nun wieder keine Ruhe der Seele zu finden und zu hoffen, es sei denn, daß man die Feindschaft fahren lasse. Hast du deinen Nächsten beleidigt, so daß er etwas wider dich hat, und dein Widersacher ist, so versöhne dich mit ihm dadurch, daß du ihm die Beleidigung abbittest, und den Schaden, wo möglich, ersetzest. Dazu sollst du willfährig seyn, alldieweil du noch bei ihm auf dem Wege des irdischen Lebens bist, auf daß dich nicht der Widersacher überantworte dem Richter, und der Richter überantworte dich dem Diener, und werdest sodann in den Kerker geworfen, aus welchem du nicht herauskämest, bis du den letzten Heller bezahltest, Matth. 5,24.25. Hat aber dein Nächster dich mit Worten oder Werken beleidigt: so vergib ihm, und zwar von Herzen, auch wenn er dir keine Abbitte thut, und den Schaden nicht ersetzt, ja wenn er auch feindselig wider dich bleiben wollte; denn Christus sagt Matth. 6,14.15.: „So ihr den Menschen ihre Fehle vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben, wo ihr aber den Menschen ihre Fehle nicht vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater eure Fehle auch nicht vergeben“, und Matth. 5,44.45.: „Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen; thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen. Auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel“ u. s. w. Wer diesem Gebot nicht gehorsam ist, begeht eine Lüge, so oft er die fünfte Bitte des Vater Unser betet. Wen aber dieses Gebot allzuhart zu seyn däucht, bitte GOtt um den Geist der Kraft und der Liebe und der Zucht: so wird er es bald ein leichtes Gebot nennen können.

Endlich kann einem Menschen auch die Erstattung des unrechten Gutes bei seiner Bekehrung als eine Pflicht obliegen, wie denn viele Leute durch Lügen und Betrügen, oder auch durch eine meineidige Untreue in ihren Aemtern unrechtes Gut an sich ziehen, und dadurch auf sich und ihr zeitliches Vermögen einen Fluch laden. Nun sagt die heil. Schrift Ez. 33,15., daß der Gottlose, wenn er sich bekehre, das Pfand wieder geben müsse, das er unterschlagen habe, und daß er bezahlen müsse, was er geraubet habe. Weßwegen auch Zachäus, der Oberzöllner zu Jericho, zu dem HErrn Christo gesagt hat: „So ich jemand betrogen habe, dem gebe ich's vierfältig wieder“, Luc. 19,8., wobei derselbe ohne Zweifel auf das jüdische Polizeigesetz, das 2 Mos. 22,1. steht, seine Rücksicht genommen hat. Geschieht aber diese Erstattung des unrechten Gutes von einem Christen nur einfach, und zwar entweder heimlich oder öffentlich, mittelbar oder unmittelbar, so thut er seinem Gewissen auch eine Genüge. Er soll es aber demjenigen wieder erstatten, dem er's genommen hat, oder seinen Erben; wofern aber solches nicht mehr möglich wäre, den Armen so viel geben, als es werth ist.

Nun diese drei Stücke, nämlich die Bekenntniß drückender Sünden gegen dem Nächsten, die Versöhnung mit dem Nächsten, und die Erstattung des unrechten Gutes machen allein niemand selig: aber doch sind sie nöthig, wenn man dem HErrn den Weg bereiten und eine ebene Bahn machen will, Jes. 40,3. Man räumet damit die Steine aus dem Weg (Jes. 62,10.) und entladet sich eines Banns, welcher sonst immer drückte, alles Gute hinderte und alle Kraft verzehrte. Ueberhaupt aber sehe ein jeder zu, daß er sein Herz ganz seinem Heiland ergebe, und keinen Tück wissentlich im Herzen behalte; weil doch niemand zweien Herren dienen kann. Was hätte es die Maria Magdalena, die von sieben Teufeln besessen war, genützt, wenn der HErr sechs von ihr ausgetrieben, und den siebenten in ihr übrig gelassen hatte? Also wäre auch dir und mir nicht geholfen, wenn wir von sechs herrschenden Sünden frei würden, und die siebente beibehalten wollten. So wir den HErrn von ganzem Herzen suchen werden, so wird er sich von uns finden lassen, Jer. 29,13.

Zugabe.

D. J. Fr. Reuß, Kanzlers in Tübingen, Predigten. Erste Sammlung. II. Pred. über Rom. 7, 5.

Wenn das Licht des göttlichen Worts einem einmal so recht in das Herz hinein dringet, wenn seine Kraft es nun recht anfaßt und ergreifet, so wird das Gewissen aufgeweckt, es wird einem klar, wie das Herz und ganze Leben beschaffen seyn muß, wenn es solle GOtt gefallen. Man erblickt den großen Unterschied, der da ist zwischen der natürlichen Ehrbarkeit, und zwischen einem heiligen, göttlichen Leben und Wandel. Man sieht, wie man ein ganz ander Herz und einen neuen Geist aus GOtt haben, und eine ganz neue Creatur werden müsse, wie man GOtt von ganzem Herzen, und seinen Nächsten als sich selbst lieben, die ganze Welt mit aller ihrer Lust verläugnen, und GOtt leben, geistlich, göttlich, himmlisch gesinnt seyn müsse. Siehe, da kommt der Mensch nun unter das Gesetz. Er wird überzeugt, daß sein ganzes Wesen nichts tauge, daß er im Grund verdorben, daß sein Herz ganz verkehrt und böse sei, daß er bei weitem nicht lebe, wie er solle, daß er noch weit entfernt sei von dem Weg, auf dem er wandeln soll. Da bekommt ihn das Gesetz unter seine Gewalt, macht ihm alles zur Sünde, was in und an ihm ist, verdammt ihm alles, reißt ihm alle seine bisherigen Stützen nieder; es schreckt und ängstet ihn; er stehet nichts vor und um sich als Gericht, Fluch und Verdammniß; er fühlt, daß er vor GOtt verwerflich sei, und in seinem Gericht nicht bestehen könne. Darüber fängt er an sich zu bessern; er hört, wie er seyn soll, darnach will er sich nun bestreben; das Gesetz treibt ihn, bald dieß, bald jenes zu thun. Die aus dem Wort GOttes erlangte Erkenntniß des Guten und Bösen, und die damit verbundene Furcht vor GOttes Zorn und Strafe dringt ihn, daß er bald dieß, bald jenes angreift, um sich zu bessern, und seinem Herzen und Gewissen damit zu helfen; aber er bleibt stecken. Sehet, da ist der Mensch unter dem Gesetz. Er ist ein armer, elender Sclave, in Angst des Gewissens, in Furcht des Todes, hat noch keine Lust zu GOtt, keine Zuversicht in seinem Herzen, weder zu Christo dem Mittler, noch zu GOtt dem Vater. Hier wird nun die Sünde lebendig; sie regt sich im Herzen, und zeigt sich mächtiger und kräftiger als je zuvor. Da regt sich nun die im Herzen liegende Feindschaft gegen GOtt, sie bricht nun in Feuer und Flammen aus; die Sünde, die in der verdorbenen Natur wohnt, ist in ihrem eigentlichen Wesen die Feindschaft wider GOtt, der Eigenwille, die Abkehr von GOtt, der Unwille gegen seinen allein heiligen und guten Willen. Diese regt sich erst recht, bricht mit Macht aus, wenn das Gebot nun auf den Menschen dringet, wenn er so unter dem Gesetz liegt. Wie und warum das? Man ist noch im Fleisch; der Geist ist noch nicht da, der eigene Wille ist noch nicht gebrochen; es fehlt noch an der Zuversicht, Liebe und Lust zu GOtt; denn dieß alles kann das Gesetz nicht geben, und weil dann der Eigenwille noch nicht zerbrochen ist, so will der Mensch dem Gesetz nicht Recht geben, er will sich nicht alles so zur Sünde machen lassen, er will nicht so böse, so verkehrt, so verdorben heißen, er will sich nicht so genau einschränken, und ein so gar heilig Leben vorschreiben lassen. Je mehr dann nun der Mensch, in dem der eigene Wille noch herrschet, zum Gehorsam getrieben wird, desto mehr empört er sich in seinem ungebrochenen und ungebeugten Sinn. Er will diesem Gesetz GOttes nicht unterthan seyn, und vermag es auch nicht Rom. 8,7. Je mehr er hört von der rechten Heiligung, von Ablegung auch der liebsten Lust, von Ertödtung auch der liebsten Schoossünde, von der völligen Verläugnung, von der völligen Liebe GOttes und des Nächsten, desto mehr ist es ihm zuwider; er wird ganz unruhig, ungeduldig, unzufrieden, mürrisch und böse, oft auch ungehalten und zornig auf die, die ihm sagen, was zur rechten Heiligung gehört, ja auf das Gesetz und GOtt selbst. Vorher meinte er, er habe GOtt ganz lieb; denn so ist es: so lang der Mensch bei seinem eigenen Gesetz und Evangelio meint, er habe an GOtt so einen guten Mann, der da sei wie er, der aus der Sünde nicht viel mache, der einem seine Freiheit und Lust gern gönne u. s. w., so lang hat der Mensch diesen seinen GOtt, wie er ihn sich so einbildet, lieb, aber wenn er nun erkennen und sehen muß, wie heilig GOtt ist: siehe da wird erst offenbar, was in seinem Herzen ist, da reget sich die Feindschaft; da wird also die Sünde lebendig und mächtig. Und das währet dann so lange, bis der heilige Geist durch das Evangelium das neue Wesen des Geistes in der Seele schafft, bis der lebendige Glaube, die herzliche Zuversicht zu GOtt in Christo Jesu, der kindliche Sinn erweckt, der eigene Wille gebrochen, der Geist des Gemüths erneuert, und eine aufrichtige, wahre Lust und Neigung allen Willen GOttes zu thun, sich ihm ganz zu ergeben, und mit Ernst und wahrer Treue der Heiligung nachzujagen, in das Herz gepflanzt ist. Siehe, so ist der Mensch sodann unter der Gnade und los vom Gesetz (Rom. 6,14. 7,6.), und weil er nun in Christo Jesu und durchlas Gesetz des Geistes frei gemacht ist von dem Gesetz der Sünde und des Todes (Rom. 8, 2.), so hat er Kraft, GOtt zu leben, das Geschäft des Geistes durch den Geist zu tödten (Rom. 8, l3), fortzufahren in der Heiligung, und sich je mehr und mehr zu reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes (2 Cor. 7,1.).

D. Paul Anton in der harmonischen Erklärung der vier Evangelisten. l. Th. S. 532 u. ff.

Johannes sprach zu dem Volk, das hinaus gieng, daß es sich von ihm taufen ließe: ihr Otterngezücht.

Luc. 3, 7. Wir lesen gleichwohl nicht, daß sie sagen: ei da bleibe ich nicht einen Augenblick, wenn ihr mich so wollt empfangen, da ich doch komme. Man solle kommen , und wenn man nun kommt, so kriegt man solche Titel: ihr Otterngezüchte! - Johannes leitete aber die Leute auf die Gnadenordnung (und gab zu verstehen), ihr müßt euch so erkennen, damit auf das Heil (von dem V. 6. die Rede ist) alles gegründet werde, sonst bleibet ihr Otterngezüchte. - Wer also das vorige V. 6. gehört hat, der wird nicht zurückprallen, sondern wird denken: wir sind's freilich von Natur, es ist ja wahr. Und wer sich nicht für ein Otterngezüchte von Natur hält, der sagt so viel: Christus hätte können daheim bleiben, es wäre nicht nöthig gewesen, daß er käme, sind wir doch schon noble Menschen, mit edlen Fähigkeiten begabt u. s. w. Nun also ist Christus verworfen, da ist kein Heil. Es steht aber so bei einander V. 6.: alles Volk wird das Heil GOttes sehen, und darauf sagt Johannes zu dem Volk, was er V. 7. sagt, als wollte er sagen: seht, außer dem Heil seid ihr Otterngezüchte. - Es ist ja wahr! Wir sind Schlangen, wenn wir wollen redlich beichten. Nehmen wir nun nicht zu Christo, als dem einzigen Arzt, die Zuflucht, so bleiben wir giftige Schlangen. - Es klingt freilich vor unsern Ohren nicht lieblich, aber in uns selbst und vor uns selbst sind wir das. Und Johannes brauchte das Wort (Otterngezüchte) zum Volk, das zu ihm kam, zur rechten Zeit, damit sie nicht sollten bauen auf das Kommen, und denken: wir kommen gleichwohl zu dir in die predigt, und du willst uns hernach so empfangen, das wäre wunderlich. Es ist ihm um das bloße Kommen nicht zu thun gewesen, obgleich das Kommen zu der Sache gehörte. Aber wenn man mit dem Kommen hätte aufhören wollen, das wäre ein Schlangensprung gewesen, ja gewiß ein Sprung wieder zurück, und darnach viel weiter wieder zurück, als man zuvor war s. Luc. 7, 24. 26.

J. A. Bengel's Reden über die Offenb. Johannis. 4. Rede. S. 64. 65.

Buße ist nichts fürchterliches, auch wenn man selbst das deutsche Wort betrachtet. Es bedeutet keine Strafe, sondern eine Besserung, als wie wenn einer, der krank, verirret oder gefallen ist, wieder gesund, zurechtgewiesen und aufgerichtet wird. Sind lauter gute Sachen; doch wird der Mensch nicht gezwungen.

24. Rede. S. 488.

Wir sehen, wie ernstlich der große GOtt von den Menschen fordert, daß sie ihm allein die Ehre geben, das Böse meiden, die Gerechtigkeit aber und die Barmherzigkeit üben sollen. Wer nicht in solchem guten Willen GOttes steht, soll sich demselben in herzlicher Umkehr und kindlichem Vertrauen unterwerfen: wer aber in seiner Seele wohl gefaßt ist, der beharre bis an das Ende. Von uns selber haben wir die Kraft und das Vermögen nicht dazu, und große Plagen machen es nicht aus, wiewohl die göttliche Absicht die Besserung der Menschen sucht. Wenn ein Herz die Liebe GOttes in Christo Jesu erblickt und erreicht, da geht es recht von statten; da werden die Sündenbande aufgelöst; da wird der gütige Wille GOttes vergnügt. O wie selig ist es unter dem Stab des guten Hirten Christi Jesu stehen! Wenn einer schon nicht thun darf, was den alten Menschen unterweilen ankommt: so ist doch lauter Freiheit und Lieblichkeit da.

Gebet.

O GOtt, wo soll ich mich hinwenden in meiner vielfachen und großen Noth, als zu dir, mein GOtt, bei dem so viel Erbarmung ist. Du hast ja selber in deinem Wort befohlen und verheißen: Nahet euch zu GOtt, so nahet Er sich zu euch. Nun so nahe ich mich denn zu dir als ein armer mühseliger und beladener Sünder, der dich, o guter GOtt, unzähligemal und dazu oft vorsetzlich und muthwillig beleidigt hat. Ich flehe aber nun um Gnade und Vergebung meiner Sünden. Du willst ja, o lieber GOtt, nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe; so sprich denn auch zu mir, du sollst ewiglich leben. Ich bin zwar freilich nicht werth, daß du mir solches erzeigest, vielmehr habe ich tausendmal für einmal verdient, daß du mich zur Hölle verstoßest; aber siehe an das theure Verdienst deines lieben Sohnes, dieser ist es werth, daß du mir um seinetwillen Gnade erzeigest. Ich bin ja doch auch einer von denjenigen, für die dein lieber Sohn sein Blut vergossen und sein Leben am Kreuz gelassen hat: ja ich zweifle nicht, daß auch noch im Himmel seine Fürbitte für mich geschieht. Laß mir nun, o himmlischer Vater, dieses alles zu statten kommen, und begnadige mich um deines Sohnes willen, ja zur Ehre deines Sohnes, in dessen Namen ich dich anrufe. Ich unterwerfe mich dabei deiner Züchtigung, die ich wohl verdient habe, und bitte, daß du mit mir Geduld habest, meiner schonest, und mich nicht über Vermögen versucht werden lassest. Ich will dir nichts vorschreiben, und darf meinem betrüglichen Herzen nicht trauen, und deßwegen nicht sagen, daß ich gute Tage schon jetzt ertragen könnte. Deßwegen übergebe und überlasse ich mich dir, und bitte dich im Namen deines Sohnes, daß du nach deiner Gnade und Barmherzigkeit mit mir handelst, deinen Willen an mir erfüllst, und insonderheit das Heil meiner Seele, welches allem andern vorgeht bei mir zu Stande bringest. Handle an mir, wie's dünket dir, durch deine Gnade will ich's leiden. Laß mich nur nicht ewiglich von dir seyn abgescheiden. Laß keinen Tück, keinen Bann, keine verborgene Liebe zu irgend einer Sünde in mir übrigbleiben: sondern wirke eine gründliche und völlige Bekehrung in mir, und verhilf mir zu einem Gnadenstand, welcher bis an mein Ende fest bleibe. Amen.

1. Sünder, den am Tag der Freuden
Welt und Sündenlust bethört,
Hör' was in der Nacht der Leiden
Dich nun GOttes Stimme lehrt.
Hör', sie ruft dir durch's Gewissen
Und durch deine Bibel zu.
Hör' und folg'! sie führt zur süßen
Und erwünschten Seelenruh.

2. Zwar du sagst, was ich empfinde,
Ist nichts weniger als Ruh.
Was ich lese, höre, finde,
Zieht mir neuen Schmerzen zu.
Weh mir, ach! ich bin verloren!
Denn ich lief aus GOttes Hand
Auf dem breiten Weg der Thoren
An der Hölle nahen Rand.

3. Ja wohl hör' ich GOttes Stimme
Durch's Gewissen und im Wort;
Aber ach! sie geht im Grimme
Und weist mich zur Hölle fort.
Hier auf dem Verderbenspfade
Scheint nun nicht mehr GOttes Licht;
Oft, oft rief er mich zur Gnade,
Aber ich, ich hörte nicht.

4. Meines Gebens beste Zeiten
Sind auf immerhin versäumt,
Und in tausend Eitelkeiten
Mir zum Schaden nun verträumt.
Frühe rief mich GOtt zur Tugend,
Ernstlich, liebreich, väterlich:
Und da steh'n nun meiner Jugend
Sünden und verklagen mich.

5. All mein Gottesdienst war Lügen,
Mein Gebet war Heuchelei,
Und, mich selber zu betrügen,
Dacht ich Wunder, was ich sei,
Wenn ich nicht mit losem Zügel
Lief in Sündenschande hin:
Nun zeigt des Gesetzes Spiegel
Mir erst wer und was ich bin.

6. Sünder bin ich: und im Grimme
Liegt die Hand des HErrn auf mir!
Ach! ich höre seine Stimme,
Ach! ich seh den Richter hier!
Und für meiner Seele Wunden
Ist kein Arzt in Israel;
Keine Salbe wird gefunden,
Und zur Linderung kein Oel.

7. Das, das sagst du, wenn du fühlest,
Was der Sünde Folge sei;
Und du nicht mehr mit ihr spielest,
Fühl es nur und thu nicht scheu.
Denn für deiner Seele Wunden
Ist ein Arzt in Israel,
Eine Salbe wird gefunden,
Und zur Linderung ein Oel.

8. Halt nur diesem Arzte stille,
Ihm gelingt doch jede Kur:
Widerstrebt dein eig'ner Wille,
Ach so bete, ringe nur.
Höre, fürchte GOttes Dräuen,
Hör auch, wenn er tröstet, zu.
Suche dich nicht zu zerstreuen,
Suche wahre Seelenruh.

9. Traurigkeit nach GOtt wirkt Reue,
Reue, die niemand gereut,
Diese wirket Sündenscheue,
Und führt dich zur Seligkeit.
Des Allmächt'gen Pfeile stecken,
Klagt ein David, tief in mir,
Doch ist unter meinen Schrecken
All mein Seufzen, HErr, vor dir.

10. Dahin richte das Verlangen
Und der Seele Flehn auch du!
Suche Gnade zu erlangen,
Ringe nach der Seelenruh.
GOtt dein Richter Ist dein Vater,
Komm mit dem verlornen Sohn;
JEsus Christus dein Berather
Sitzet auf dem Gnadenthron.

11. Gib nur acht, wie machen's Kinder,
Die des Vaters Ruche seh'n?
Suchen diese kleinen Sünder
Ihr durch Läugnen zu entgehn?
Nein! sie fliehen nicht von hinnen,
Sondern suchen durch Gestehn
Ihrer Schuld ihn zu gewinnen,
Und sein Herze zu erflehn.

12. GOtt ist Vater! Mach's wie Kinder,
Die des Vaters Ruthe sehn.
Bleibe vor ihm als ein Sünder,
Der noch Gnade hoffet, steh'n,
Ob es auch vergeblich scheine:
Fliehe nicht wie Kain that.
Bitte, suche, seufze, weine,
Denn es ist noch nicht zu spat.

13. Sag' ihm: ach! ich bin ein Sünder,
Meiner Sünden Maaß ist groß,
Hab verscherzt das Recht der Kinder
Und der Taufgnad lieblichs Loos.
Gerne will ich dir bekennen
Meine ganze Sündenschuld,
Jede meiner Sünden nennen -
Aber, Vater! Hab Geduld.

14. Auch für mich ist ja gestorben
JEsus Christus, und sein Tod
Hat mir, was mir fehlt, erworben,
Die Gerechtigkeit vor GOtt.
Sieh mich an in deinem Sohne
Meinem Heiland Jesu Christ,
Der zur Rechten auf dem Throne
Selber mein Fürsprecher ist.

15. So bekenne deine Sünden,
Halte in dem Bitten an.
Suchend wirst du endlich finden,
Endlich wird dir aufgethan.
Hungre nach Vergebungsgnade,
Dürste nach Gerechtigkeit:
Endlich glänzt auf deinem Pfade
Licht hervor aus Dunkelheit.

16. Denn GOtt weiß, daß dieß Verlangen:
An der Gnad in Jesu Christ
Einzig und allein zu hangen
Schon des Glaubens Anfang ist.
Diese sehnliche Begierde,
Wenn dein Fuß auch ohne Licht
Lang in finstern Thälern irrte,
Wird vor GOtt zu Schanden nicht.

17. Hör's: wer glaubt, wird nicht verloren,
Sondern leben ewiglich!
Hör's: wer glaubt, wird neugeboren,
Und nach GOtt erneuern sich.
Solltest du umsonst dich schmiegen,
Und umsonst nach Gnade schrei'n:
O so müßte Wahrheit Lügen,
Und GOtt müßte GOtt nicht seyn.

18. Nein! GOtt wird dir bald begegnen,
Und wird schon zu rechter Zeit
Dich mit Geistes-Freuden segnen,
Und mit ganzer Zärtlichkeit
Dir es zeigen, wie er liebe
Den, der glaubt an JEsum Christ,
Und daß er aus Vaterstriebe
Unaussprechlich gut dir ist.

l9. O wie wird dich das erquicken,
Daß du nun in Gnaden bist!
Rühmen wirst du mit Entzücken,
Daß dir nun vergeben ist.
Glauben wirst du und empfinden,
Daß dir ganz gerathen sei,
Gnade macht dich von der Sünden
Schuld und Strafe gänzlich frei.

20. Und was ist denn dieser Gnade
Unbeweglich fester Grund?
Dieß macht auf dem Glaubenspfade
Dir der Geist der Weisheit kund:
JEsus ist's, der für die Sünder
Neues Heil an's Licht gebracht.
JEsus ist's, der GOttes Kinder
Aus des Satans Sklaven macht.

21. Dein sind Jesu heil'ge Werke,
Dein sein Leiden und sein Tod;
Hier bekommst du Geistesstärke,
Und Gerechtigkeit vor GOtt.
Alle Sünden sind vergeben,
Weil dein Heiland sie gebüßt,
Fröhlich darfst du jetzo leben,
Weil dein Hirt gestorben ist.

22. Und auch wenn die hellen Stunden
Jener ersten Freude schon
Wiederum dahin geschwunden,
Wird der Vater dir den Sohn
Durch den Geist noch mehr verklären,
Und dich auch in Kreuz und Pein
An den Heiland glauben lehren,
Und im Glauben selig seyn.

23. Aber weil des Heilands Willen,
Dessen Eigenthum du bist,
Nun von Herzen zu erfüllen
Deine Pflicht und Sehnsucht ist:
So wird dir der Geist geschenket,
Der dich kindlich beten lehrt,
Und dein Herz zu allem lenket,
Womit man den Heiland ehrt.

24. Dieser Geist lehrt dich im Buche
GOttes täglich mehr versteh'n,
Macht dir nicht nur so Besuche,
Je und je auf's Wiederseh'n;
Sondern zieht, daß er da wohne,
In die Seele selber ein,
Und will durch die Welt zum Throne
Deines Wegs Gefährte seyn.

25. Dieser Geist füllt dich mit Freuden,
Leitet, warnt, bestrafet dich;
Gibt dir Trost in allen Leiden
Und vertritt dich kräftiglich.
Kurz, er macht dieß herbe Leben
Dir zu einem Paradies.
Wenn dir GOtt dieß Pfand gegeben,
Ist der Himmel dir gewiß.

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