Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Fünftes Kapitel.
Von dem Leiden, das ein Mensch dem andern verursacht.
GOtt hat das menschliche Geschlecht zu einer großen Gesellschaft gemacht, in welcher ein Mensch mit dem andern verbunden ist, und deswegen sein Nächster heißt. In dieser allgemeinen großen Gesellschaft, welche alle Menschen in sich faßt, gibt es wieder kleinere Gesellschaften derjenigen, welche durch ein bürgerliches Regiment, oder durch die Nachbarschaft, oder durch die Haushaltung, oder durch die Ehe, oder durch die Blutsfreundschaft und Schwagerschaft mit einander verbunden sind. Wenn nun das Gebot GOttes: „liebe deinen Nächsten als dich selbst“, vollkommen erfüllet würde, so würde in diesen kleinen und großen Gesellschaften nichts als Friede und Freude sehn; weil aber das menschliche Geschlecht, und eines jeden Menschen eigene Natur durch die Sünde verderbt und zerrüttet worden ist, und der Satan, der von Anbeginn ein Mörder ist, in die Gemüther und Werke vieler Menschen einen großen Einfluß hat: so wird einem jeden Menschen seine Verbindung mit andern Menschen beschwerlich gemacht, und anstatt des Friedens und der Freude entstehen Haß, Neid, Zwietracht und allerhand Leiden. Ganze Völker führen oft mit einander Krieg, und versetzen einander, wenn es GOtt zulaßt, in das größte Elend. Harte und ungerechte Obrigkeiten drücken die Unterthanen. Diebe, Räuber und Mörder nehmen Andern Hab und Gut, oder gar das Leben. Mitbürger und Nachbarn schelten und übervortheilen einander. In den Ehen entstehen viele Zerrüttungen, wobei ein Ehegatte den andern quält und unglücklich macht. Ungerathene und ungehorsame Kinder verursachen ihren Eltern viel empfindliches Herzeleid, und hinwiederum werden auch viele Kinder durch harte, geizige oder verschwenderische oder sonst lasterhafte Eltern in ein großes Elend versetzt. Und wer will alle Arten der Plagen erzählen, welche ein böser Mensch dem andern anthut? Gewiß ist's, daß der größte Theil der Leiden, worüber die Menschen klagen, aus dieser Quelle herfließt.
Doch es können auch fromme und redliche Christen einander durch ihre Schwachheit, Ungeschicklichkeit und Uebereilungen beschwerlich werden, wie Johannes und Jakobus, die Söhne des Zebedai den übrigen Aposteln (Matth. 20, 20-24.), und wie Barnabas dem Apostel Paulus, mit dem er wegen der Wahl eines Gefährten, den sie auf die Reise mitnehmen wollten, uneins wurde, Apg. 15,36-41. Wie soll sich nun ein frommer Christ in dieses alles schicken? Der heilige Geist lehret es durch vie Worte des Jeremias in den Klagliedern Kap. 3,26 u. ff.: „Es ist ein köstlich Ding geduldig seyn, und auf die Hülfe des HErrn hoffen. Es ist ein köstlich Ding einem Mann, daß er das Joch in seiner Jugend trage, daß ein Verlassener geduldig sei, wenn ihn etwas überfallet, und seinen Mund in den Staub stecke, und der Hoffnung erwarte, und lasse sich auf den Backen schlagen, und ihm viel Schmach anlegen; denn der HErr verstoßet nicht ewiglich, sondern er betrübet wohl und erbarmet sich wieder nach seiner großen Güte; denn er nicht von Herzen die Menschen plaget und betrübet, als wollte er alle die Gefangenen auf Erden gar unter seine Füße zertreten, und eines Mannes Recht vor dem Allerhöchsten beugen lassen, und eines Menschen Sache verkehren lassen, gleich als sehe es der HErr nicht. Wer darf denn sagen, daß solches geschehe ohne des HErrn Befehl? Und daß weder Böses noch Gutes komme aus dem Munde des Allerhöchsten? Wie murren denn die Leute im Leben also? Ein jeglicher murre wider seine Sünde, und lasset uns forschen und suchen unser Wesen, und uns zum HErrn bekehren.“ Hier ist die erste Anweisung diese: daß ein Mensch, dem von Andern ein Unrecht angethan wird, geduldig sei, und dieses wird ein köstlich Ding genennet, gleichwie auch Petrus I Petr. 3,4. sagt: der verborgene Mensch des Herzens unverrückt mit sanftem und stillem Geist sei köstlich vor GOtt. Jeremias sagt: es sei ein köstlich Ding einem Mann, daß er das Joch in seiner Jugend trage, und also schon in der Jugend zur Unterthänigkeit und Geduld angewöhnet werde. Diese Geduld bringt es mit sich, daß ein Mensch seinen Mund in den Staub steckt, das ist, in der Demuth schweigt, und sich auf den Backen schlagen, und ihm viel Schmach anlegen läßt. Diesem allem widerspricht nun die Welt, indem sie Böses mit Bösem vergilt, und Scheltworte mit Scheltworten, und sich dabei mit dem Sprichwort entschuldiget: „wenn man den Wurm tritt, so krümmet er sich.“ Ja wohl krümmet sich der Wurm, wenn man ihn tritt: aber er schilt nicht und rächt sich nicht selbst. Du aber bist ein Mensch und kein Wurm. Dir hat GOtt die Gebote gegeben: „vergeltet nicht Böses mit Bösem, oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern dagegen segnet, und wisset, daß ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen beerbet“ u. s. w. I Petr. 3, 9.: „Rächet euch selber nicht, meine Lieben, sondern gebet Raum dem Zorn (GOttes), denn es stehet geschrieben: die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der HErr. So nun deinen Feind hungert, so speise ihn, dürstet ihn, so tränke ihn. Wenn du das thust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln (das ist, ihn zur neuen Liebe bewegen). Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Rom. 12, 19. 20. 21. Ingleichem: „Ihr sollt nicht widerstreben dem Uebel, sondern so dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete den andern auch dar. Und so jemand mit dir rechten will, und deinen Rock nehmen, dem lasse auch den Mantel, und so dich jemand nöthiget eine Meile, so gehe mit ihm zwo. Liebet eure Feinde, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel“ u. s. w., Matth. 5,39 u. ff. „Vergebet, so wird euch vergeben“, Luc. 6, 37. „So ihr den Menschen ihre Fehle vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehle nicht vergebet, so wird euch der Vater im Himmel eure Fehle auch nicht vergeben.“ Siehe, das sind Gebote deines GOttes, der dein HErr ist, und dir aus großer Liebe den richtigen und guten Weg weiset, den du wandeln sollst, und auf welchem alle Gerechte von Anbeginn gewandelt haben. Mit welcher Sanftmuth hat Isaak den Neid der Philister ertragen! 1. Mos. 26., und Jakob die ungerechte Hurtigkeit Labans! 1. Mos. 33,38. u.s.w. Und David den Zorn Sauls, die Schmähworte des Simei, den Uebermuth Joabs, und die Untreue seiner aufrührischen Unterthanen! Man darf sich nicht an den scharfen Worten stoßen, die in einigen Psalmen stehen, und worin den Feinden Davids große Strafen angekündigt werden; denn David hat dieselben Worte nicht nach seinem menschlichen Sinn und Willen geredet: sondern GOtt, dem die Rache und Strafe gebühret, hat sie durch ihn ausgesprochen, wie er dann selber 2 Sam. 23,2. sagt: „der Geist des HErrn hat durch mich geredet, und seine Rede ist durch meine Zunge geschehen.“ Sanftmüthig war auch Moses, welcher nicht müde wurde, für das Volk Israel zu beten, und ihm Gutes zu thun, ob er schon von demselben zuweilen gelästert und gröblich beleidigt wurde. Sanftmüthig waren auch die Apostel, in deren aller Namen Paulus 1 Cor. 4,12. schrieb: „man schilt uns, so segnen wir; man verfolget uns, so dulden wir's; man lästert uns, so flehen wir“; ingleichem Stephanus, der, als er von den Juden gesteiniget wurde, niederkniete, und laut schrie: „HErr behalte ihnen diese Sünde nicht“, Apg. 7,59. Was wollen wir aber von Christo Jesu, dem eingebornen Sohn GOttes, sagen, welcher das vollkommenste Beispiel, der höchste Lehrer, und die reichste Quelle der Geduld und Sanftmuth ist, der für seine Kreuziger gebeten hat, der nie wieder gescholten hat, wenn er gescholten wurde, nie gedrohet hat, wenn er litte, der die Sünde der Welt als ein sanftmüthiges Lamm getragen, und seine Feinde durch den Tod mit GOtt versöhnet hat, der mit Grund der Wahrheit sagen konnte: ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig, und noch jetzt als ein barmherziger und treuer Hohepriester für die Kirche bittet und sorget? Siehe, diesem mußt du nachfolgen! Diesem mußt du ähnlich werden! Und dazu wird dir der heilige Geist helfen, wenn du darum bitten wirst. Eben derselbige heilige Geist wird dich auch lehren nach den oben angeführten Worten des Jeremias „auf die Hülfe des HErrn hoffen“, oder „der Hoffnung erwarten“, daß sie nämlich erfüllet werde; denn der HErr verstoßet nicht ewiglich, sondern er betrübet wohl, und erbarmet sich wieder nach seiner großen Güte; denn er nicht von Herzen die Menschen plaget und betrübet: als ob er nämlich an der Plage und Betrübniß selbst eine Freude hätte, sondern er züchtiget uns durch böse Menschen zu unserem Nutzen und mit Maaße. Wir werden manchmal getreten, aber nicht zertreten. Unser Recht und unsere Sache wird zuweilen unter den Menschen unterdrückt und verkehrt: der HErr aber siehet's. Vor ihm muß Recht doch Recht bleiben. Er wird's auch hervorbringen, wie das Licht, und wie den Mittag. Er hilft den Elenden herrlich. Er ruft ihnen zu: was fürchtest du dich vor Menschen, die doch sterben? Jes. 51, 12. Wie er dann schon oft einen Gerechten von seinem Feind durch den Tod desselben erlöset hat. Eine noch herrlichere Erlösung ist es aber, wenn er den Feind bekehrt, wie dem Saulus wiederfahren ist, der aus einem grimmigen Feind der Christen, ein Jünger und Apostel wurde. Alsdann war er kein Feind mehr, sondern ein lieber Bruder und geistreicher Prediger des Evangeliums. Aber auch in derjenigen Zeit, da man den Druck und die Feindschaft Anderer leiden muß, darf man zuversichtlich glauben, daß nichts ohne GOttes Willen geschehe, daß er selbst seine Hand unter allem habe, und daß er den Feinden nicht mehr zulasse, als seinen Kindern erträglich und nützlich ist.
Ob man aber gleich unter und gegen den Menschen sich in vielen Fällen auf sein Recht berufen, und behaupten darf, daß man unschuldig leide (wie David in seinem Handel mit Saul gethan, Ps. 7,9.), so soll man doch, wenn man sein Verhältniß gegen GOtt betrachtet, diesen Ruhm ganz schwinden lassen, und aller eigenen Gerechtigkeit von Herzen absagen; denn GOttes Forderungen, die er mit dem größesten Recht an uns thun kann, sind so hoch, daß niemand vor ihm bestehen kann, wenn er Sünde zurechnen will, und jedermann seine Sündenschuld vor ihm bekennen, und um Gnade flehen muß. Darauf weist auch Jeremias m den oben angeführten Worten, da er sagt: „wie murren denn die Leute in ihrem Leben also“ über das Unrecht, das ihnen wiederfahre? „Ein jeglicher murre über seine Sünde. Und lasset uns forschen und suchen unser Wesen“, lasset uns den Weg, auf dem wir bisher gewandelt haben, betrachten: so werden wir finden, daß es ein böser Weg gewesen, „und uns zum HErrn bekehren.“ „ Lasset uns unser Herz sammt den Händen aufheben zu GOtt im Himmel“, und bekennen: „wir, wir“, nicht nur unsere Feinde, „haben gesündiget, und sind ungehorsam gewesen; darum hast du billig nicht verschonet.“ Wer sich so vor GOtt demüthiget, und seine eigene Sünden erkennet und bekennet, wird das Unrecht, das ihm etwa von Menschen angethan wird, alsdann leichter ertragen können, und bei sich denken: ich habe mit meinen Sünden noch viel mehr verdienet. Kommt hernach noch der Trost des heiligen Geistes dazu, wodurch man von der Gnade GOttes und der Vergebung der Sünden versichert wird: so kann man einen Druck oder eine Schmach, welche von feindseligen Menschen herkommt, als etwas Zeitliches und leichtes ansehen, und hört auf, große Klage darüber zu führen. Was die Beschwerde anbelangt, die ein redlicher Christ dem andern durch seine Schwachheit und Uebereilung verursacht: so soll dieselbe die brüderliche Liebe nicht schwächen, viel weniger gar austilgen: denn es stehet 1 Cor. 13. geschrieben: „Die Liebe ist langmüthig und freundlich, sie blähet sich nicht, sie läßt sich nicht erbittern, sie vertraget alles, sie glaubet alles, sie Hoffet alles, sie duldet alles.“ Auch sagt Paulus Gal. 5,25 - 6,3.: „so wir im Geist leben, so lasset uns auch im Geist wandeln. Lasset uns nicht eitler Ehre geizig seyn, uns unter einander zu entrüsten und zu Haffen. Lieben Brüder, so ein Mensch etwa von einem Fehl übereilet würde, so helfet ihm wieder zurecht mit sanftmüthigem Geist, die ihr geistlich (stärker im Geist) seid. Und siehe auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest. Einer trage des Andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Wenn überhaupt durch den Glauben der heilige Geist empfangen wird, und dieser Liebe und Demuth in der Seele reichlich wirkt: so fehlt es auch nicht an Geduld, Sanftmuth und Friede. Der Mensch ist zwar in einer finstern und feindseligen Welt: er selbst aber lebt und wandelt im Licht und in der Liebe. Er leidet Böses: hütet sich aber, Böses zu thun; denn jenes nützt und dieses schadet. Wird er von den Menschen verachtet und geschmähet: so empfiehlt er sich desto fleißiger dem Angedenken GOttes, und läßt sich an seiner Gnade genügen. Wird er hintangesetzt, gedrückt und übervortheilt: so tröstet er sich damit, daß denen, die GOtt lieben, alle Dinge zum Besten dienen, daß GOtt die Seinigen nicht verlasse noch versäume, und daß er in der seligen Ewigkeit allen Verlust, den man um seinetwillen gelitten hat, überschwänglich ersetze. Hat er indessen Hülfe nöthig: so bittet er im Glauben, und im Namen Jesu Christi darum, und wartet darauf, und empfängt sie zur rechten Zeit. Endlich wird an ihm erfüllt, was Paulus 2. Tim. 4,18. sagt: „Der HErr wird mich erlösen von allem Uebel, und wird mir aushelfen zu seinem himmlischen Reich: welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
Zugabe.
Thomas von Kempis III. B. Von der Nachfolge Christi Kap. 54.
Du bist noch in vielen Dingen auf Erden zu bewähren und zu üben. Zu Zeiten wird dir Trost gegeben, aber überflüssige Ersättigung wird dir nicht verliehen. Darum sei stark und kräftig in allen deinen Werken, und leide der Natur Widerwärtigkeit. Du mußt einen neuen Menschen anlegen, und in einen andern Menschen verwandelt werden. Du mußt oft thun, das du nicht willst, und was du willst, das mußt du unterlassen. Was andern gefällt, das wird einen Fortgang haben, was aber dir gefällt, wird nicht vor sich gehen. Was andere sagen, das wird man hören. Was aber du sagst, das wird nichts gelten. Andere werden bitten, und empfahen, du aber wirst bitten, und nicht gewähret werden. Von andern Leuten wird man große Dinge sagen, dein aber wird man geschweigen. Andern wird man dieß und das befehlen und anvertrauen, dich aber wird man zu nichts nutz achten, darum dann deine Natur etwa traurig seyn, und großen Streit leiden wird, aber so du es schweigend und geduldig leidest, wirst du großen Lohn davon erlangen. In diesen und dergleichen vielen wird ein treuer Knecht des HErrn bewähret, wie er sich selbst verleugnen, und seinen Willen in allen Dingen brechen möge. Es ist kaum etwas desgleichen, in dem du so viel Sterbens bedarfst, als nicht wollen gesehen werden, und leiden, was deinem Willen zuwider ist, voraus, so dir widerwärtige und nach deiner Meinung unnütze Dinge befohlen und zu vollbringen geboten werden. Und dieweil du unter einer Gewalt bist, und einer höheren Gewalt nicht widerstehen darfst, so dünkt es dich gar unrecht seyn, nach eines Andern Willen thun und wandeln, und allen eigenen Wahn und Sinn unterlassen. Aber du sollst auch die Frucht dieser Arbeit, das schnelle Ende, den fast großen Lohn erwägen, so wirst du keine Beschwerung darüber, sondern einen starken Trost deiner Geduld haben; denn von des kleinen Willens wegen, den du jetzt verlassen, wirst du deinen ewigen Willen im Himmel haben. Daselbst wirst du nämlich alles, was du willst, und alles, das du begehren magst, finden. Daselbst wirst du alles Gute vermögen, und nicht besorgen, daß du es verlierest. Daselbst wird dir niemand widerstehen, niemand über dich klagen. Niemand wird dich hindern, niemand wird dir zuwider seyn, sondern alle Dinge, nach welchen du je ein Verlangen gehabt, werden miteinander vorhanden seyn, deine ganze Begierde speisen, und sie bis oben an erfüllen. Daselbst wird dir gegeben werden Ehre für die Schmach, so du gelitten hast, das Kleid der Ehren für dein Trauern, und für deine letzte oder niederste Stelle ein Stuhl des Reichs in Ewigkeit.
Joh. Huß, welcher im Jahr l417 zu Constanz um der Wahrheit willen verbrannt worden, schrieb einen Brief an die Gläubigen zu Prag, welcher in G. C. Rieger's alten und neuen Böhmischen Brüdern, III. St. 77. deutsch übersetzt, befindlich ist, und unter anderem folgendes enthält:,
Joh. Huß in der Hoffnung ein Knecht Jesu Christi: allen, die GOtt lieben und sein Wort bekennen, und auf die Offenbarung ihres Heilands warten, mit welchem sie ewig zu leben wünschen, denen sei Gnade und Friede von GOtt dem Vater, und dem HErrn Christo, der sich zum Opfer für unsere Sünden gegeben hat, daß er uns errettete von dieser argen Welt und ewigen Verdammnis), nach dem Willen GOttes des Vaters, welchem sei Ehre in Ewigkeit. Amen. - Ihr Lieben, fürchtet euch nicht, und erschrecket nicht, daß GOtt einige von euch versuchet und zuläßt, daß die Anhänger des Antichrists mit ihrer Tyrannei sie plagen können; denn GOtt selber spricht einem jeden seiner Knechte zu: du sollest dich nicht fürchten dürfen vor plötzlichem Schrecken, noch vor dem Sturm der Gottlosen, wenn er kommt: denn der HErr ist dein Troß, der behütet deinen Fuß, daß er nicht gefangen werde, Spr. Sal. 3. Und wiederum durch David: ich bin bei ihm in der Noch, ich will ihn heraus reißen u. f. w. Da wir nun lieben Brüder solches wissen, so achtet es für lauter Freuden, daß ihr in mancherlei Anfechtungen gerathet, auf daß euer Glaube, so er rechtschaffen ist, Geduld wirke, die Geduld aber fest bleibe bis an's Ende, und ihr vollkommen seid, und lauter und keinen Mangel habt. Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewähret ist, wird er die Krone des Lebens empfaben, welche GOtt verheißen hat denen, die ihn lieben.
Darum bestehet in der Wahrheit, die ihr erkannt habt. Alles, was ihr thut, das thut als Kinder GOttes. Seid getrost, denn Christus hat überwunden, und ihr werdet auch überwinden. Gedenket an den, der von den Sündern solchen Widerstand erlitten hat, daß ihr nicht in eurem Muth matt werdet und ablasset. Sondern leget ab alle Last der Sünden, und laufet zu einem unaufhörlichen Krieg. Betrachtet JEsum Christum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, da ihm Freude vorgelegt war, erwählte er das Kreuz, verachtete die Schande, und ist gesessen zur Rechten des Vaters. Sehet, wie der Schöpfer, HErr und König der ganzen Welt nicht aus Noth seiner GOttheit, sondern in der Erniedrigung seiner Menschheit so vieles unschuldig erlitten hat! Wie diente er doch uns Sündern, indem er Hunger, Durst, Frost, Hitze, Wachen, Schwachheit, Arbeit im Lehren, Schmach von den Bischöfen, Priestern und Schriftgelehrten erduldete, so daß sie ihn einen Säufer, Fresser, Teufelsmann, Gotteslästerer schalten, und sagten, er sei nicht von GOtt; den sie zu einem Ketzer machten, excommunicirten, aus ihrer Stadt hinausführten, und kreuzigten als einen Verfluchten. Wenn nun Christus solcherlei Verfolgungen von den Priestern gelitten hat, der doch alle ihre Kranken ohne Entgeld mit einem bloßen Wort geheilet, Teufel ausgetrieben, Todte erwecket, den Willen GOttes gelehret, keinem Menschen einigen Schaden gethan, noch eine Sünde begangen, sondern nur ihre Bosheit aufgedecket hat: was wundern wir uns dann, wenn auch heut zu Tag die Diener des Antichrists, die noch geiziger, üppiger, grausamer und listiger sind als jene Pharisäer, die Knechte GOttes verfolgen, schmähen, verfluchen, verbannen, gefangen setzen, umbringen? - Wir aber wollen für sie zu GOtt bitten, auf daß, wenn einige unter ihnen auserwählt sind, sie zur Erkenntniß der Wahrheit gebracht werden. GOtt verleihe euch Beständigkeit, und erfülle euer Verlangen um des Verdiensts Jesu Christi willen mit allem Guten, der für uns den schmählichen Tod erlitten, und damit uns ein Exempel gelassen hat, daß wir gleichermaßen nach seinem Willen leiden sollen. Amen.
Luther im zweiten Theil der Kirchenpostill in der Auslegung der Epistel am St. Stephanstag.
Die Liebe gegen dem Nächsten hat St. Stephan Ap.Gesch. 7, 59. damit angezeigt, daß er auch seinen eigenen Mördern nichts Nebels gönnete. Denn, wie hart er sie straft um GOttes willen, so ist er ihnen doch so gar günstig, daß er am letzten Abschied, da er seinen Geist befohlen, und sich selbst versorget hatte, hinfort sein vergißt, und nur für sie sorgfältig ist, und in derselben Liebe seinen Geist aufgibt. Denn es hat St. Lucas nicht umsonst das Wort St. Stephani, da er für seine Mörder bat, am letzten gesetzt. Dazu, da er für sich selbst bat, und seinen Geist befahl, stehet er aufgerichtet: aber zuletzt, da er für seine Mörder bittet, kniet er nieder. Zudem ruft er hier mit großer Stimme, das er für sich nicht that. O wie viel ernster ist ihm dieß Gebet gewesen, denn sein Gebet für sich selbst! Wie muß allda sein Herz entbrannt gewesen seyn! Wie werden ihm seine Augen übergegangen und all sein Leib beweget und erwärmet worden seyn über das Elend seiner Feinde, das er angesehen hat! Es meint St. Augustinus, daß solch Gebet habe St. Paulum errettet, und ist nicht unbillig zu glauben, daß GOtt solch Gebet habe gewißlich erhöret, und etwas großes um desselben willen zu thun ewiglich versehen habe; wie er dann in St. Paulo erwiesen hat. Es hat nicht mögen versagt werden, wiewohl sie nicht alle errettet worden sind.
Gebet.
O GOtt, du hast mich in diese Welt herein gesetzt als in eine Schule, worin ich Glaube, Liebe, Hoffnung, Geduld, Sanftmuth und Demuth lernen und ausüben soll, und lassest mich deßwegen auch von Menschen beleidiget werden. Ich gedenke hiebet zuvorderst an meine Sünden, und bekenne dir, daß ich auch schon andere beleidiget habe, und mir nun mit dem Maaß gemessen wird, mit welchem ich andern gemessen habe. Ich bekenne dir auch, daß ich nicht tüchtig bin, mich in alles, was mir wiederfähret, so zu schicken, wie es einem Christen gebührt, sondern daß sich auch in meinem Herzen öfters Zorn, Neid, Habgier, Stolz und Ungeduld rege. Vergib mir, o himmlischer Vater, diese und alle anderen Sünden um deines Sohnes willen, reinige aber auch mein Herz von diesem Wust, und pflanze dagegen die Frucht des Geistes in mir, welche ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit, Gal. 5,22. Gieße deinen Geist reichlich in mich aus, der mich lehre, viel lieber mit dem Volk GOttes Ungemach leiden, denn die zeitliche Ergötzung der Sünde haben, und tue Schmach Christi für größeren Reichthum achten, denn die Schatze Egyptens, und bei dem zeitlichen Schaden die Belohnung mit einer heiteren Hoffnung ansehen (Hebr. 11,26.27.), welche du denjenigen bestimmt hast, die um deinetwillen geduldig leiden. Gib mir Kraft, meinen Feinden nicht nur zu vergeben, sondern auch sie zu lieben, und ihnen Gutes zu thun. Gib mir Geduld, meines Nächsten Schwachheit zu tragen, und darin nicht müde zu werden. Hilf mir in meinem dir wohlbekannten Anliegen. Bekehre die Meinigen, die noch nicht bekehrt sind. Aendere ihren Sinn, ziehe sie kräftig zu dir, gib ihnen deinen heiligen Geist, und schaffe, daß nicht nur ein äußerlicher Friede, sondern auch eine Einigkeit im Geist unter uns entstehe. Lenke auch allen meinen Beleidigern ihre Herzen zur Buße, zum Glauben, zur Liebe und zum Frieden, und erfülle an mir die Verheißung: wenn jemands Wege dem HErrn Wohlgefallen, so machet er auch seine Feinde mit ihm zufrieden, Spr. Sal. 16,17. Gib deinen Frieden in mein Herz, ob ich schon in der Welt Angst habe; segne mich, wenn die Welt mir flucht; gedenke meiner am besten, wenn die Welt mich hintansetzt; schütze mich, wenn ich in Gefahr bin, und erlöse mich endlich von allem Uebel, und hilf mir aus m deinem himmlischen Reich, wo kein Schaden noch Klage, kein Kampf noch Leiden mehr seyn, sondern Ruhe, Freude und Herrlichkeit unser ewiges Theil seyn wird. Amen.
1. GOtt du wesentliche Liebe,
Reines Licht und höchstes Gut,
Quelle aller sanften Triebe,
Kraft, die alles Gute thut.
Siehe wie der Feind die Menschen
Stets in seinen Wirbel zieht,
Siehe wie wir Friede wünschen,
Und der Friede immer flieht.
2. Dornen, Disteln, Wölfe, Schlangen
Sind die Menschen ohne dich.
Satanas hält sie gefangen,
Und verblend't sie jämmerlich.
Spoetter sind die bösen Zungen,
Tödten ist der Menschen Lust.
Stolz und Grimm hat sie durchdrungen,
Welch ein Jammer! welch ein Wust!
3. Hilf nun Vater, hilf den Müden,
Die dein Aug' verfolgen sah.
Schaffe Liebe, sende Frieden,
Ruf dem Licht: so steht es da.
Schütze, tröste und errette,
Steur' den Lügen und dem Krieg.
Leg die Bosheit an die Kette,
Hilf der Wahrheit zu dem Sieg.
4. Jesu, der du in den Tagen
Deines Fleisches alle Last,
Allen Umtrieb, alle Plagen
Selber auch versuchet hast,
Der du öfters auf den Gassen
Als ein Schaf bei Wölfen giengst,
Und gehaßt, geschmäht, verlassen
An dem Holz des Kreuzes hiengst.
5. Ach dein zärtliches Erbarmen
Nehme sich jetzt meiner an.
Schone und vergib mir Armen,
Was ich selbst nicht recht gethan.
Gürte mich mit deiner Stärke,
Tröste mich mit deiner Huld.
Lehre mich die rechten Werke,
Schenke Weisheit und Geduld.
6. Wenn ich in dem Glauben lebe,
O so wandle ich im Licht.
Wenn ich in der Liebe schwebe:
So gebricht's an Freude nicht.
Wird die Hoffnung in der trüben,
Krummen Welt mein Fernglas seyn:
Ei so kann sie zwar mich üben,
Aber mir nicht schrecklich seyn.
7. Endlich (ach ich will's erbitten)
Nimmt mich nach vollbrachtem Lauf
JEsus in die Friedens-Hütten,
In die Ruhe GOttes auf:
Wo den, der die Bahn durchlassen,
Eine schöne Krone ziert,
Und das Glauben und das Hoffen
Ganz zur reinsten Liebe wird.