Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Evangelium nach Lukas
Luk. 1
Mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.
Luk. 1,46.
Hanna, die Mutter des Propheten Samuel, und Maria, die Mutter unseres Heilandes, stehen in einer großen Aehnlichkeit miteinander. Beide waren sehr gedemüthigt, und konnten die Menschen durch ihr eigenes Beispiel lehren, wie Gott das Niedrige ansehe, die Hungrigen mit Gütern erfülle, und die Dürftigen aus dem Staub erhebe, s. 1 Sam. 2,5.7.8. Luk. 1,48.52.53. Beide wurden nach der Traurigkeit mit einer großen geistlichen Freude überschüttet; wie dann Hanna 1 Sam. 2,1. betete: mein Herz ist fröhlich in dem HErrn, mein Horn (meine Kraft) ist erhöhet in dem HErrn. Mein Mund hat sich weit aufgethan über meine Feinde, denn ich freue mich Deines Heils. Maria aber sagte: meine Seele erhebt den HErrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes. Niemand ist würdiger, daß man sich seiner freue, als Gott unser Heiland, weil Er der Gütigste, der Freundlichste, der Mächtigste, der Herrlichste ist. Wir sind Geschöpfe; Er ist Gott: Niemand aber ist gut als der einige Gott. Wenn also Gott Sich dem Geschöpf mittheilt und von demselben als gut empfinden läßt, so kann es ohne innige Freude nicht abgehen. Wir sind sündhafte und nothleidende Menschen, Er aber ist der Heiland. Wenn nun der Heiland Sich dem Sünder offenbart, wenn Er an ihm thut, was dieser Sein Name bedeutet, wenn Er die Sünde bedeckt, die Noth wendet, oder wenigstens des Glaubigen Horn erhöhet, wie Hanna sagte, das ist, seine Geisteskraft vermehrt, daß ihm Alles, was er tragen muß, leicht wird, und wenn Er ihm überdieß einen Vorschmack und Vorblick von der himmlischen Wonne gibt, so kann man, wie David, zu Ihm sagen: Du erfreuest mein Herz, ob Andere gleich viel Wein und Korn haben. Die geistlichen Freuden währen freilich nicht an Einem fort, wie denn auch bei der heiligen Maria zu derjenigen Zeit, da wegen des Leidens Jesu ein Schwert durch ihre Seele drang, die Traurigkeit weit vorschlug, auch entstehen sie bei dem Einen sparsamer und seltener, bei dem Andern aber reichlicher und öfter, doch sollen sie einem glaubigen Christen nicht ganz ganz unbekannt sein; wie denn auch Paulus die Christen in seinem Brief an die Philipper, und sonderlich Phil. 3,1. 4,4. sehr herzlich dazu aufgemuntert hat. Niemand warte hiebei auf seine Würdigkeit, denn das Wort Heiland schließt dieselbe aus, und macht das Warten auf dieselbe unnöthig. Auch die heilige Maria, welche bei den allgemeinen Aussprüchen Röm. 3,23. 5,12. Gal. 3,22. keine Ausnahme machte, war aus Gnaden, was sie war, und hatte einen Heiland nöthig, dessen sie sich auch freute. Ein jeder Christ darf also mit ihr, ungeachtet ihres großen Vorzugs, im Geist Gemeinschaft haben, und, wie sie, wenn der Heilige Geist ihn dazu erweckt, sagen: mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes. Göttliche Traurigkeit ist etwas Gutes: die Freude im Heiligen Geist ist aber noch besser. Jene bereitet zu dieser. Jene hört auf, wenn der Sünder in den Himmel aufgenommen wird, wo alle Thränen von seinen Augen abgewischt werden, diese aber währet ewig. Gott lasse mich jene und diese in der Zeit meiner Wallfahrt, wie ich’s nöthig habe, erfahren, im Himmel aber diese ohne Aufhören empfinden.(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 2
Sie legten Ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Luk. 2,7.
Der himmlische Vater führte Seinen eingeborenen Sohn unter sehr niedrigen Umständen in die Welt ein. Da Er Ihn hätte können als einen Gottmenschen unter schrecklichen und prächtigen Zeichen vom Himmel herabkommen lassen, so ließ Er Ihn von einer armen Jungfrau geboren werden. Und da Er wenigstens Seine Kindheit durch eine außerordentliche Gestalt oder Leibeskraft, oder durch den Glanz eines besondern Lichtes hätte auszeichnen können, so ließ Er Ihn mit der gewöhnlichen Gestalt, Schwachheit und Leibesgröße geboren werden. Er konnte nach Seiner Geburt weder gehen noch stehen, Joseph und Maria legten Ihn – sie legten Ihn, nachdem Er in Windeln gewickelt war, in eine Krippe. Warum in eine Krippe? Weil die Geburt in einem Stalle geschehen war, in welchem Joseph und Maria damals ihren Aufenthalt hatten. Warum aber dieses? Darum, weil sie sonst keinen Raum in der Herberge hatten. Es waren wegen der Schatzung oder des Seelenregistern, welches der Kaiser zu machen befohlen hatte, viele fremde Leute in de Herberge zusammen gekommen; weßwegen jene zwei auserwählten armen Personen, Joseph und Maria, keinen Raum, außer im Stall, bekamen. So gar unscheinbar ging Alles bei dieser allerwichtigsten Geschichte her. Keine göttliche Stimme und keine himmlische Erscheinung wies sie nach Bethlehem, der kaiserliche Befehl mußte ihre Reise nach Bethlehem, an welcher doch um der Wahrheit Gottes willen und zur Erfüllung einer Weissagung sehr Vieles gelegen war, veranlassen. Auch hatte der Engel Gabriel mit der Maria nichts von dem Stalle und der Krippe geredet, aber das Gedränge der Leute und die Armuth des Joseph und der Maria trieb sie dahin. Gottes Rath hatte aber dieses Alles beschlossen, und Sein Wohlgefallen ruhte auf diesen niedrigen Umständen. Nun konnte der Engel, welcher den Hirten in derselben Nacht erschien, die Krippe als das Zeichen angeben, woran sie den neugebornen Christus erkennen könnten. Das habt zum Zeichen, sagte er V. 12., ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt, und in einer Krippe liegen.
Wir, die wir von der Geburt an mehr äußerliche Bequemlichkeit und Vortheile genießen, als der eingeborne Sohn Gottes genossen hat, sollen Ihn anbeten, und Ihm danken für Seine tiefe Erniedrigung und Entäußerung, womit Er das Werk der Erlösung angefangen, fortgesetzt und ausgeführt hat, aber auch in die Gemeinschaft Seines reinen und heiligen Sinnes einzudringen trachten. Nach eitler Ehre geizig sein, den Bauch zum Gott machen, an sich selbst ein Gefallen haben, der Welt sich gleich stellen, in dem, das Nichts ist, ruhen wollen, ist der verderbten Natur aller Menschen gemäß. Ueber diesem Allem strafe und richte uns der Geist Jesu Christi, und mache uns davon frei, und so gesinnt, wie Jesus Christus war. Wenn uns aber wirklich etwas von demjenigen mangelt, was Andere zu ihrer Bequemlichkeit, und zur Zierde ihres Standes haben, sollen wir unsere Zufriedenheit in dem Angedenken Jesu suchen, welcher als ein neugebornes Kind kein bequemes Lager, und als ein Sterbender kein weiches Bett gehabt hat, und dessen ganzer Lauf auf Erden mit Mangel, Mühseligkeit und Schmach umgeben war. Die Ehre, ein Kind Gottes zu sein, ersetzt Alles, der Friede Gottes ist ein größeres Labsal als Alles, was die eitle Welt darbieten kann. In jener Welt aber werden diejenigen, die sich selbst hier bei dem Glauben an Christum verläugnet und erniedrigt haben, den Vollauf herrlicher und ewiger Gaben empfangen.(Magnus Friedrich Roos)
Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.
Luk. 2,10.
Der Unglaube und die Noth sind auf Erden so groß und so gewöhnlich, daß die Menschen zu einer großen Freude über die Werke und Gaben Gottes selten erweckt werden können. Die Hirten auf dem Feld bei Bethlehem fürchteten sich sehr, als des HErrn Engel zu ihnen trag und die Herrlichkeit des HErrn sie umleuchtete. Hierauf sagte dieser Engel zu ihnen: fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude. Das ist, ich verkündige euch etwas, worüber ihr euch sehr freuen sollet. Es geschah auch bei ihnen ein Uebergang von der Furcht zu Freude; denn sie preiseten und lobeten hernach Gott um Alles, das sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war, V. 20. Allein die erfreuliche Sache, welche der Engel den Hirten verkündigte, ging das ganze Volk Israel an, und dieses ganze Volk sollte sich darüber freuen, so bald und so weit sie kund werden würde. Es wird aber hernach V. 8. nur gesagt, die Leute haben sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten, verwundert. Von einer Freude und von einem fröhlichen Zulauf und Zuruf haben die Evangelisten nichts gemeldet. Nur Maria und Elisabeth, Simeon und Hanna freueten sich mit etlichen Wenigen über Jesu und lobeten Gott wegen Seiner Erscheinung. Weil sich nun die Menschen wegen der Erscheinung des Sohnes Gottes unter ihnen nicht freuen wollten, so verbarg Ihn der himmlische Vater vor ihnen durch die Flucht in Aegypten und durch den stillen Aufenthalt zu Nazareth. Da Er hernach als ein Lehrer und Wunderthäter auftrat, als Er das Werk der Erlösung vollendete, und als das Evangelium von Ihm in der ganzen Welt gepredigt wurde, so waren derjenigen, die Ihn im Unglauben verachteten, mehr als derer, die sich Seiner freueten. Und so stehts noch heut zu Tage in und außer der Christenheit, da doch Ps. 89,15.16.17. von Christo geweissagt worden ist: Gerechtigkeit und Gericht ist Deines Stuhles Festung; Gnade und Wahrheit sind vor Deinem Angesicht. wohl dem Volk, das jauchzen kann. HErr, sie werden im Lichte Deines Antlitzes wandeln, sie werden über Deinem Namen täglich fröhlich sein, und in Deiner Gerechtigkeit herrlich sein. Es wird auch den Menschen die Freude über Christum Ps. 2,11. 149,2. Zach. 9,9. Röm. 15,10. Phil. 4,4. und anderswo geboten. Es ist auch einem großen Wohlthäter nicht gleichgültig, ob man sich über sein großes Geschenk freue oder nicht.
Die erfreuliche Geburt des Heilande geht auch mich an. Ich mag arm oder reich, verachtet oder geehrt, krank oder gesund sein, so ist doch gewiß, daß auch mir der Heiland geboren worden sei. Jes. 9,1.2.3. wird geweissagt, daß der Messias zu einer trübseligen zeit erscheinen, und damals wegen großer Bedrängnisse von den Heiden wenig Freude in Israel, und sonderlich in Galiläa sein werde; und doch wird V. 3. hinzugesetzt: vor Dir wird man sich freuen, wie man sich freuet in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austheilet. Die Freude vor dem HErrn, in dem HErrn, und über Seiner Menschwerdung und Erlösung hängt also nicht von den Vortheilen der bürgerlichen, häuslichen und kirchlichen Verfassung ab. Es stehe da, wie es wolle; so kann und soll man sich vor dem HErrn freuen; ja freuen soll man sich, daß man einen Heiland habe, durch den man geistlich und himmlisch reich werden kann, wie man durch eine Ernte oder Beute einen irdischen Reichthum bekommen kann.(Magnus Friedrich Roos)
Euch ist heute der Heiland geboren.
Luk. 2,11.
Wichtige und fröhliche Botschaft für diejenigen, die das Wort Heiland recht verstehen, und bei sich empfinden, daß sie einen Heiland nöthig haben! Euch ist der Heiland geboren, darf man zu allen Menschen sagen, sie seien, wer sie wollen, denn dieser Heiland hat sich für Alle zur Erlösung gegeben, und ist die Versühnung für der ganzen Welt Sünde. Das Evangelium verlangt nicht, daß der Sünder sich selber gefalle, gut von sich selber denke, sein Leben rühme, und die Menge und Größe seiner Sünden verleugne. Halte sich ein jeder Mensch für den größten Sünder; welches er deßwegen thun kann, weil dasjenige, was nahe ist, immer größer erscheint, als was in der Ferne ist. Auch darf ein Jeder dafür halten, er sei für sich selbst verloren und verdammt. Dieses Alles sagt die heilige Schrift auch, ja das Wort Heiland setzt voraus, daß die Menschen in einem tiefen Elend stecken, und sich selber nicht heilen können: nur sollen sie glauben, ja glauben sollen sie, daß ihnen ein Heiland geboren sei. Es ist dieses ein Wort für den Glauben, ja ein Wort, welches traurige und erschrockene Seelen fröhlich machen soll; weßwegen auch der Engel zu den Hirten auf dem Felde bei Bethlehem sagte: siehe! ich verkündige euch große Freude. Uns Menschen ist dieser Heiland geboren: nicht den guten Engeln, als welche keinen Heiland nöthig haben, aber auch nicht den bösen Engeln, als welche schon durch Ketten der Finsterniß gebunden, in einen höllischen Zustand verschlossen und übergeben sind, daß sie zum Gericht behalten werden. 2 Petr. 2,4. Ueber uns Menschen hatte Gott nach dem Sündenfall kein solches hartes Urtheil gefällt. Uns hat Er nicht mit Ketten der Finsterniß gebunden, ob wir schon in der Finsterniß und im Schatten des Todes sitzen: uns hat Er nicht übergeben, daß wir zum Gericht behalten werden, sondern Er hat uns einen Heiland geboren werden lassen. Ob schon dieser Heiland mit Gott ewig und vor aller Zeit ohne Anfang war, so konnte man doch die Zeit Seiner Geburt von einem Weibe angeben. Es war eine Nacht, und, wie man meint, die Nacht des fünf und zwanzigsten Tages des Christmonats, da Er in einem Stall zu Bethlehem von der Jungfrau Maria geboren wurde, nachdem die Empfängniß vorher ohne Zuthun eines Mannes, durch die unmittelbare Wirkung des Heiligen Geistes geschehen war. Im Mutterleibe litt Er schon die Schmach, daß Ihn zuerst der fromme Joseph für ein uneheliches Kind hielt, und deßwegen seine Braut, die Maria, heimlich verlassen wollte; wiewohl er bald durch einen Engel zurecht gewiesen wurde. Zur rechten Stunde nun wurde der Heiland der Menschen als ein Menschenkind geboren, und trat durch diese Seine Geburt in die Welt hinein, in welcher Er das große Werk der Erlösung ausführen sollte und wollte. Dank sei dem himmlischen Vater, daß Er uns Seinen eingebornen Sohn als einen Heiland hat geboren werden lassen. Dank sei dem Sohn Gottes, daß Er unser Blutsfreund und Erlöser hat werden wollen, und keine unvollständige, sondern eine vollkommene Erlösung ausgeführt hat. Dank sei dem Heiligen Geist, durch welchen uns dieses Heil verkündigt worden ist, und welcher uns tüchtig machen will, zu glauben an den Namen des Sohnes Gottes, und das ewige Leben durch diesen Glauben zu empfangen. Es sei denn dieses unser Ruhm und Trost im Leben und Sterben, daß uns ein Heiland geboren sei.(Magnus Friedrich Roos)
An den Menschen ein Wohlgefallen.
Luk. 2,14.
Wer sollte nicht gern ein Mensch sein, wenn er bedenkt, daß das ganze Heer heiliger Engel in der Nacht, da Christus geboren wurde, gesagt hat: an den Menschen ein Wohlgefallen! Ohne Zweifel sagten sie dieses vornämlich in dem Bezug auf Gott, da sie nämlich bezeugten, Gott habe an den Menschen ein Wohlgefallen; doch vereinigten sie sich ohne Zweifel mit der Gesinnung ihres Gottes, und gaben zu verstehen, daß auch sie an den Menschen ein Wohlgefallen haben. Wem haben aber die Menschen dieses Wohlgefallen zu danken? Dem eingebornen Sohn Gottes, welcher in derselbigen Nacht als ein Menschenkind in einem Stall zu Bethlehem geboren wurde. Was für ein edles und unbegreiflich wunderbares Geschöpf muß doch ein Mensch sein, weil in einer menschlichen Natur die ganze Fülle der Gottheit wohnen, und sie fähig sein konnte, mit dem wesentlichen Wort persönlich vereinigt zu werden! Ferner: wie lieb muß der große Gott die Menschen haben, da Er das Wort, welches bei Ihm war, Fleisch werden ließ, und zwar nicht durch eine Menschwerdung, die im Himmel vorgegangen wäre, sondern durch die Geburt von einem Weibe, durch welche der Sohn Gottes ein Sohn Davids, Abrahams, Noahs und Adams, folglich aller Menschen Anverwandter geworden ist! Was für große Gaben, was für eine reiche Gnade und Herrlichkeit müssen den Menschen durch diese Menschwerdung und durch die ganze Erlösung, die der Sohn Gottes ausgeführt hat, bereitet worden sein! zu was für einer großen Wonne, zu was für einem hohen Ehrenstand, zu was für einer innigen Vereinigung mit Gott können die Menschen durch den Sohn Gottes gelangen! Sie sollen Kinder und Erben Gottes und Miterben Christi werden. Sie sollen gleich werden dem Ebenbild des Sohnes Gottes. Die Liebe, womit der Vater den Sohn liebt, soll auch in ihnen sein, und der Sohn Gottes selbst in ihnen, Joh. 17,26. Wer kann dieses Alles genugsam begreifen? Wer kann’s hoch genug schätzen? Da uns nun Gott um Seines Sohnes willen nach dem Zeugniß der Engel Seines Wohlgefallens würdigt, und das ewige Leben in Seinem Sohn von sich stößt, sich selbst des ewigen Lebens nicht werth achtet (Ap. Gesch. 13,46.), seine Natur durch Gräuel schändet, Gott den Rücken und der Hölle das Angesicht zukehrt, und, da ihn Gott selig machen will, dem Verderben zueilt. Dieses ist aber der Sinn aller Unglaubigen und Gottlosen. Sie denken freilich nicht auf eine ausgewickelte Weise so, allein in ihres Herzens Grund liegt diese Gesinnung, wie ihre daraus entspringenden Werke anzeigen. Ach daß das Evangelium, welches von Engeln und Menschen und von dem Sohne Gottes selber gepredigt worden ist, in allen Menschen ein Vertrauen zu Gott erweckte, aus welchem eine redliche Zukehr zu Gott und ein Verlangen nach Seiner Gnade entstehen könnte, welches hernach, wenn es redlich und anhaltend ist, nicht unerfüllt bleiben, und ein redliches Bestreben, den Willen Gottes zu thun, nach sich ziehen würde!(Magnus Friedrich Roos)
HErr, nun lässest Du Deinen Diener im Frieden fahren, denn meine Augen haben Deinen Heiland gesehen.
Luk. 2,29.30.
Simeon hatte im Geist erkannt, und war durch die Weissagungen der alten Propheten vergewissert, daß die Zeit vorhanden sei, in welcher der Heiland Gottes geboren werden sollte; da er dann durch den Heiligen Geist zu einem sehnlichen Verlangen, denselben vor seinem Tode noch zu sehen, erweckt wurde. Der HErr begegnete auch diesem seinem Verlangen durch eine innerliche Antwort oder Einsprache, wodurch er versichert wurde, er sollte den Tod nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christ des HErrn gesehen. Da es nun geschehen war, freute er sich, und sagte: HErr, nun entlässest Du Deinen Diener im Frieden, denn meine Augen haben Deinen Heiland gesehen. So hat ein Christ manchmal einen vom Heiligen Geist erweckten Wunsch in sich, dieses oder jenes Werk Gottes noch zu sehen, diese oder jene Erfüllung seiner Bitten noch zu erleben; und ist, wenn sein Wunsch erfüllt worden, lebenssatt, und wünscht mit einem von allen irdischen Dingen abgezogenen Herzen, daß ihn nun der HErr von seinem Dienst entlassen möchte, und zwar im Frieden. Dieser Friede ist eine innerliche Ruhe der Seele, welche durch keine Anklage, aber auch durch keinen Sturm unordentlicher Begierden, länger zu leben, und endlich auch durch kein Grauen vor dem Tod und Grab gestört wird. Er setzt die Gnade Gottes voraus; denn ohne diese Gnade wären genug Ursachen zur innerlichen Anklage, zur Lüsternheit nach irdischen Dingen, und zum Grauen vor dem Tod vorhanden: die Gnade aber bringt Frieden, und dieser Friede erleichtert das Sterben. Wer im Frieden stirbt, kann denken, er werde von seinem mühsamen Dienst und gefährlichen Posten entlassen oder losgebunden, und komme nun in eine selige Freiheit. Freilich muß man dabei den Heiland Gottes im Glauben ansehen, wenn man Ihn auch nicht mit Augen sehen kann wie Simeon; denn dieser Heiland, den Gott der Welt gesandt und gegeben hat, ist der Grund aller Gnade, und hilft dem Menschen allein zu einer friedsamen Hinfahrt. Viele haben ihn gesehen, und sind in das Verderben hingegangen; aber von denen, die bis an ihr ende an Ihn glauben, wird Keiner verloren, sondern Alle empfangen das ewige Leben. Glauben ist also mehr als das leibliche Sehen. Simeon sah Ihn als ein Kind mit seinen Augen; er glaubte aber auch, was er nicht sehen konnte, daß dieses Kind der Heiland Gottes sei. Der Heilige Geist, der diesen Glauben in ihm gewirkt hat, wirke und erhalte ihn auch in mir und den Meinigen, damit wir als Diener Gottes eine gnädige und ruhige Entlassung von dem Dienst, den wir Ihm unverdrossen auf der Erde leisten sollen, erlangen. Er ist’s, der Seine Diener beruft und entläßt. Die Ungeduld, welche der mit Leiden vermengten Arbeit überdrüssig ist, wünscht zuweilen eine Entlassung, ehe die rechte Stunde dazu gekommen ist, wünscht zuweilen eine Entlassung, ehe die rechte Stunde dazu gekommen ist: der höchste Hausherr aber weiß, wann jeder Seiner Knechte ausgedient hat, und hält ihn sodann nicht ohne Ursache auf. Wohl dem, der mit dem Wink des Hausherrn, er mag auf das längere Bleiben auf der Erde, oder auf die baldige Entlassung zielen, zufrieden sein kann!(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 6
Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist.
Luk. 6,36.
Bei dem Haß wider das Böse, und bei der Schärfe, welche wir zuweilen, wenn es nöthig ist, dagegen beweisen müssen, sollen wir barmherzig sein; denn die Menschen, mit denen wir’s zu thun haben, sind auch schwach, geplagt, verwahrlost, und haben also eine Seite, nach welcher wir sie mit Barmherzigkeit ansehen sollen. Keine Schärfe ist Gott angenehm, und keine hat einen Nutzen, wenn sie nicht mit Barmherzigkeit gemildert ist. Unser Vater im Himmel ist barmherzig, darum sollen auch wir als Seine Kinder barmherzig sein, denn es gebührt den Kindern, daß sie das Bild ihres Vaters an sich tragen. Wenn Gott nicht barmherzig wäre, so würde kein Mensch selig; denn Er fände an einem Jeden genug Ursachen, ihn nach der Strenge zu richten und zu verdammen. Aber wie ich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HErr über die, so Ihn fürchten; denn Er erkennt, was für ein Gemächt wir sind, Er denkt daran, daß wir Staub sind, Ps. 103,13.14. Er erhält, die da fallen, und richtet auf, die niedergeschlagen sind, Ps. 145,14. Er zerbricht das zerstoßene Rohe nicht, und löscht das glimmende Docht nicht aus, Jes. 42,3. Er vergibt um Seines Namens willen, und gibt den Müden Kraft, und Stärke genug den Unvermögenden, bis Er sie zum Ruhm Seiner Barmherzigkeit vollendet und herrlich gemacht hat.
Auch an diesem Abende soll die Barmherzigkeit des Vaters im Himmel mein Trost sein. Sehe ich meine Natur und meine Werke an, so finde ich, daß jene sehr schwach und unrein sei; diese aber sehr mangelhaft und mit wirklichen Vergehungen untermengt seien. Sehe ich um mich herum und vor mich hinaus, so bemerke ich drückende und gefährliche Versuchungen. Was kann mich also trösten als die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters? Er ist barmherzig, denn Sein eingeborner Sohn, der in Seinem Schooße ist, hat es selber gesagt. Zu dieser Seiner Barmherzigkeit wende ich mich jetzt, und finde in derselben eine neue Kraft und einen neuen Frieden meiner Seele. In der Rücksicht auf die vergangene Zeit kann ich sagen: HErr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an Deinem Knecht gethan hast (1 Mos. 32,10.). Aber in Ansehung der gegenwärtigen und zukünftigen Zeit bete ich wie Nehemias Kap. 13,22.: schone meiner nach Deiner Barmherzigkeit, und wie David Ps. 119,77.: laß mir Barmherzigkeit widerfahren, daß ich lebe; denn ich habe Lust zu Deinem Gesetz, und wenn ich so bete, so darf ich mich auf das Wort des Sohnes Gottes berufen, der gesagt hat: euer himmlischer Vater ist barmherzig. Ohne Zweifel will der Vater in dem Himmel barmherzig sein, damit die Wahrheit dessen, was Sein Sohn geredet hat, zur Ehre desselben immer bestätigt werde. Ich soll aber auch barmherzig sein. Bin ich’s heute gewesen? Oder ist mein Eifer wider das Böse in einen bittern Grimm ausgeartet, so daß ich in meinem Herzen ein Todtschläger geworden bin? Finde ich einen solchen Grimm in mir, so vergebe mir der barmherzige Vater meine Vergehung und lösche ihn durch Seinen Geist wieder aus, damit die barmherzige Liebe als Sein Bild in mir sei und bleibe.(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 7
Und Jesus sprach zu dem Weibe: dein Glaube hat dir geholfen.
Luk. 7,50.
Als der HErr Jesus bei einem Pharisäer, Namens Simon, zu Gast aß, so kam eine Weibsperson, welche der Pharisäer eine Sünderin, das ist ein verschrieenes böses Weibsbild hieß, und trat hinten zu des HErrn Jesu Füßen, und weinte, und fing an, Seine Füße mit Thränen zu netzen, und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küssete Seine Füße, und salbete sie mit Salben. Weil sich nun der Pharisäer daran ärgerte, daß der HErr Jesus sich von diesem Weibsbild anrühren ließ, weil nach seiner Meinung ein Prophet solchen Leuten sich entziehen sollte, so trug der HErr Jesus ein Gleichniß von zwei Schuldnern vor, deren einem sein Schuldherr fünfhundert Groschen, dem andern aber fünfzig geschenkt habe, und lockte von ihm das Bekenntniß heraus, daß derjenige den Schuldherrn am meisten lieben werde, dem die größte Schuld geschenkt worden sei. Es ist offenbar, daß in diesem Gleichniß die Liebe auf die Schenkung folge, und daß deßwegen die Worte Jesu V. 47.: ihr sind viel Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet, so zu verstehen seien: dieser Weibsperson sind viele Sünden vergeben, und dieses erkennt man daraus, daß sie Mich viel geliebet hat. Hierauf versicherte Er dieselbe V. 48. auf’s Neue der Vergebung ihrer Sünden, und als Er erkannte, daß es ihr nicht nützlich wäre, länger da zu verweilen, so sagte Er zu ihr V. 50.: dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin im Frieden. Nachdem Er also vorher von der Liebe als einer Frucht der Vergebung der Sünden geredet hatte, so redete ER hernach vom Glauben, und sagte, dieser habe dem Weibe geholfen. Die Liebe hat ihr nicht geholfen, sondern sie liebte, so bald ihr geholfen war: aber der Glaube half ihr, indem sie durch denselben die Hülfe, das ist die Gnade oder die Vergebung der Sünden, ergriff und erlangte. Will man diese Rede in das Gleichniß zurückführen, welches der Heiland vorher vorgetragen hatte, so kann man sagen: die beiden Schuldner müssen vor allen Dingen glauben, daß der Schuldherr ihnen die 50 und 500 Groschen schenken werde, sie müssen das Vertrauen zu ihm haben, und in dem Augenblick, da sie dieses Vertrauen fassen, schenkt er ihnen die Schulden. Wie können sie aber dieses Vertrauen fassen? Wissen sie denn etwas von seinem guten Willen, ihnen die Schulden zu schenken? Ja, weil er ihnen denselben in freundlichen Worten und wahren Verheißungen geoffenbart hat. Woher kommt aber dieser gute Wille des Schuldherrn? Aus seiner innerlichen und wesentlichen Güte, nach welcher er nicht nur ihnen überhaupt wohl will, sondern auch selber einen Bürgen aufgestellt hat, der für sie bezahlte.
Auf diese Weise kann der Glaube bei einem jeden Sünder entstehen, und dieser Glaube hilft: aus der Hülfe aber entspringt die Liebe. So wird man also ein ganzer Christ. Der Glaube hilft, indem er Gnade oder die Schenkung einer großen Schuld empfängt. Indem aber Gott die große Schuld schenkt, so läßt Er’s den Sünder wissen und fühlen, und daraus entsteht die dankbare Liebe, welche immer beflissen ist, dem Geliebten gefällig zu sein. Womit können wir aber dem HErrn Jesu gefällig sein? Ohne Zweifel durch das Halten Seiner Gebote, wozu auch die geduldige Ertragung des Kreuzes gehört. Auch heute soll ich im Glauben und in der Liebe wandeln, und, wenn ich den Druck der Leiden fühle, mich des Unmuths durch die Hoffnung erwehren.(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 12
Lasset eure Lenden umgürtet sein, und eure Lichter brennen.
Luk. 12,35.
Die Israeliten waren gewohnt, lange Oberkleider zu tragen, welche in der Bibel zuweilen Mäntel genannt werden, und bei Nacht in dieselben sich einzuwickeln und so zu schlafen, 2 Mos. 22,26.27. Wenn sie nun arbeiten oder zu Fuß reisen wollten, so gürteten sie sich um die Lenden, damit das Oberkleid sie nicht hindere. Da also der Heiland sagte: lasset eure Lenden umgürtet sein, so war der Sinn Seines Gebotes dieser: seid immerdar beflissen zu laufen in dem Kampf, der euch verordnet ist, und dem Kleinod der Seligkeit nachzujagen, seid immer fertig zum Dienst Gottes und zur Ausrichtung Seines Willens, seid nicht träge, was ihr thun sollt. Ephes. 6,14. sagt Paulus: stehet nun, als umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit. Die Wahrheit nämlich, die ein Christ in der Anwendung auf sich selbst erkennt und glaubt, soll verhüten, daß er nicht auf’s Ungewisse laufe, in die Luft Streiche thue, und in einer selbsterwählten Geschäftigkeit sich selbst ermüde und zerstreue, wie diejenigen unter den Thessalonichern gethan haben, von denen Paulus 2 Thess. 3,11. schrieb, daß sie unordentlich wandeln, nicht arbeiten, und unnöthige Nebendinge treiben. Ein Jeder soll thun, was ihm von dem HErrn befohlen, wozu er berufen ist, und wozu er Gaben empfangen hat, und auf die Gelegenheiten warten, die der HErr ihm von Zeit zu Zeit zeigt, etwas Gutes auszurichten, und dabei seine Hoffnung ganz auf die Gnade setzen, s. Röm. 12,7.8. 1 Kor. 7,20.24. Jer. 1,17. 1 Petr. 1,13. Eben dieses lehrt auch der Heiland selbst, indem Er befiehlt, daß neben der Umgürtung der Lenden, oder neben der Willigkeit und Fertigkeit, Gott zu dienen, auch unsere Lichter brennen sollen. Wir sollen also nicht nach einer finstern Willkür oder nach blinden Trieben handeln, auch sollen wir nicht Andern die Splitter aus den Augen ziehen wollen, und selber Balken in den Augen behalten, sondern erleuchtet sein, im Lichte wandeln, und unser Licht leuchten lassen vor den Leuten, daß sie nicht nur unsere guten Worte hören, sondern unsere guten Werke sehen, und unsern Vater im Himmel preisen. Ach daß wir in unserer Kirche viele Leute mit umgürteten Lenden und brennenden Lichtern hätten, so würde es besser darin stehen! Geschäftige Leute gibt es genug. Sie arbeiten aber sich selbst. Sie laufen Irrwischen der menschlichen Gunst und des Reichthums nach. Dem HErrn dienen sie nicht. Seine leibeigenen Knechte und Mägde wollen sie nicht sein. Wo sie mit Verläugnung ihrer selbst den Willen Gottes thun und Sein Reich befördern sollen, da sind ihre Lenden nicht umgürtet. Der Faule spricht: es ist ein Löwe draußen, ich möchte erwürget werden auf der Gassen, Spr. Sal. 22,13. Auch fehlt es an dem brennenden Lichte, weil man den Geist der Weisheit und der Offenbarung nicht empfangen hat, an dessen Statt man sich mit der Lampe der Vernunft behilft, welche doch die geistlichen Dinge nicht entdeckt, und den Menschen nicht so weise macht, daß er Gottes Ehre und der Kirche und des Staates Wohl lauter und kräftig befördern könnte. Der HErr sende Sein Licht und Seine Wahrheit, daß sie uns leiten, und bringen zu Seinem heiligen Berg und zu Seiner Wohnung.(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 17
Gedenket an des Lots Weib.
Luk. 17,32.
Der HErr Jesus sagte diese Worte, als Er von dem jüdischen Krieg, worin Jerusalem zerstört wurde, geredet, und gesprochen hatte: an demselben Tage wer auf dem Dache ist, und sein Hausrath in dem Hause, der steige nicht hernieder, dasselbige zu holen; desselbigen gleichen wer auf dem Felde ist, der wende nicht um nach dem, was hinter ihm ist. Hierauf sagte ER: gedenket an des Lots Weib, und setzte hinzu: wer da suchet seine Seele zu erhalten, der wird sie verlieren, und wer sie verlieren wird, der wird ihr zum Leben verhelfen. Was nun des Lots Weib anbelangt, so gibt Moses, als er die Vertilgung Sodoms beschrieb, diese kurze Nachricht von ihr: sie sahe hinter sich, und ward zur Salzsäule 1 Mos. 19,26. Indem dieses Weib hinter sich sahe, sündigte sie wider das Wort des HErrn, das ihr und ihrem Mann durch den Engel gesagt ward, welcher sprach: errette deine Seele, und siehe nicht hinter dich, auch stehe nicht in dieser ganzen Gegend, V. 17. Man darf auch nicht meinen, sie habe nur deßwegen hinter sich gesehen, damit sie sehen möchte, wie es der Stadt Sodom gehe; denn Christus führt das Beispiel des Weibes an, um Seine Jünger zu warnen, daß sie zur Zeit, da sie eilend fliehen sollten, nicht noch etwas aus dem Hause holen, oder zu demjenigen, was hinter ihnen sei, sich umwenden sollen: da dann nicht Wißbegierde oder Fürwitz, sondern Habsucht und Anhänglichkeit des Herzens an zeitliche Güter der Grund gewesen wäre. Er sagt auch in der allgemeinen Nutzanwendung: wer seine Seele oder Person zu erhalten suche, werde sie verlieren, und setzt also voraus, daß es des Lots Weib, und so auch diejenigen, die zur Zeit des jüdischen Krieges bei dem Einbruch der Feinde sich zu ihrer Habe umwenden werden, um ihre Erhaltung oder Versorgung zu thun gewesen sei. Lots Weib hing mit ihrem Herzen an ihren Freunden und Gütern, die sie in Sodom zurückgelassen hatte. Da sie also aus dieser Stadt ausgegangen war, sahe sie mit einer Sehnsucht zurück. Sie stund zugleich still, sie verweilte sich, sie besann sich, ob sie dem Wort des Engels glauben, ob sie nicht zurückgehen, ob sie nicht von ihrem zurückgelassenen Gut noch etwas holen sollte. Die Vorstellung der Armuth, worin sie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern hinfort leben müsse, machte sie, weil es ihr am Glauben mangelte, bestürzt. Ihr Gemüth schwebte also hin und her. Ihr Mann ermahnte sie ohne Zweifel fortzugehen: allein sie gehorchte ihm nicht. Plötzlich aber nahm der Feuer- und Schwefelregen seinen Anfang, und erstickte sie, und sie blieb mit einer salzigen Materie überzogen, steif und todt wie eine Säule, stehen. Auf diese Weise konnte auch ein Christ bei dem jüdischen Krieg umkommen, der sich aus Geiz mit Rettung seiner Habe verweilte. Doch reicht die Ermahnung Jesu noch weiter. Gott heißt mich von der Welt durch eine gründliche Bekehrung ausgehen. Wie aber? Wenn ich angefangen habe, dem himmlischen Beruf zu folgen, und die Sehnsucht nach der eitlen Lust der Welt wacht wieder in mir auf, und ich stehe still, zaudere, besinne mich, lasse mich’s reuen, daß ich von der Welt auszugehen angefangen habe? Was wird’s endlich werden? Ich werde endlich von dem Zorn Gottes ergriffen werden, und mit der Welt, die mir so lieb ist, zu Grunde gehen. Wer seine Hand an den Pflug legt, und siehet zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 21
Fasset eure Seelen in Geduld.
Luk. 21,19.
Es ist ein gemeiner Irrthum, daß man in Ansehung der Geduld zwischen den Leiden, die unmittelbar von Gott kommen, und zwischen denjenigen, welche durch Menschen erregt werden, einen Unterschied macht, und bei jenen alle Geduld verspricht, bei diesen aber zur Ungeduld berechtigt zu sein meint. Allein eben dieses ist der Fall, wegen dessen Christus zu Seinen Jüngern gesagt hat: fasset eure Seelen in Geduld, oder ihr werdet eure Seelen bei der Geduld besitzen; denn vorher hatte Er V. 16.17. gesprochen: ihr werdet überantwortet werden von den Eltern, Brüdern, Gefreundten und (gewesenen) Freunden, und sie werden eurer etliche tödten, und ihr werdet gehasset sein von Jedermann um Meines Namens willen. Die christliche Geduld hat also auch bei solchen Leiden statt, welche von Menschen verursacht werden; wie denn auch Hiob, Moses und alle Heiligen bei dieser Gattung von Leiden große Geduld und Langmuth bewiesen haben. Und wann ist Christus wie ein stilles Lamm gewesen, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das vor seinem Scheerer verstummt, und seinen Mund nicht aufthut? War Er’s nicht damals, da Er von Menschen fälschlich angeklagt, verspottet, verurtheilt und gemartert wurde? Sprichst du: die Menschen thun mir unrecht, ich bin ihrenthalben unschuldig -: es sei also, aber den Jüngern Jesu geschah auch Unrecht, als sie von Anverwandten und ehemaligen Freunden der Gewalt tyrannischer Obrigkeiten überantwortet und von Jedermann gehaßt wurden, und doch hat ihnen ihr HErr die Geduld geboten. Wer hat aber mit einer so reinen Unschuld gelitten, wie Jesus, und wer ist in Seinem Leiden so still und sanftmüthig gewesen, als Er? Doch ist auch die Klage über Unrecht und der Vorwand wegen der Unschuld nicht immer gegründet. Viele werden von der Obrigkeit wegen ihrer Uebelthaten gestraft, aber Wenige sagen, wie der bußfertige Schächer: wir empfahen was unsere Thaten werth sind; die Meisten dünken sich unschuldig zu sein, oder doch die ganze Strafe nicht verdient zu haben. Auch wird im gesellschaftlichen Leben Mancher gescholten, weil er auch schilt, gehaßt, weil er auch haßt, hintangesetzt, weil es ihm an Treue, Demuth oder Geschicklichkeit fehlt, verachtet, weil er sich durch Worte und Werke verächtlich gemacht hat u.s.w., da dann, wenn man sich selbst mit erleuchteten Augen prüfet, der Ruhm von der Unschuld ganz verschwindet. Doch es sei also, daß man in Ansehung des Nächsten unschuldig leide; so besitze man seine Seele, das ist, man sei bei sich selber, man sei gefaßt und ruhig in seiner Geduld. Warum soll ich aber geduldig sein, da mein Nächster, der meines gleichen, oder geringer als ich, oder der wenigstens gottlos ist, das Recht nicht hat, diese Geduld von mir zu fordern? Wohlan, so hat doch Gott das Recht, sie zu fordern, und eben deßwegen nimmt die Ungeduld in solchen Fällen überhand, weil man nur auf die Menschen, und nicht auch auf Gott sieht, welcher unartige Menschen die Leute Seiner Hand heißt, folglich sie als Stecken oder Schwerter in die Hand nimmt, wenn Er uns scharf züchtigen will. Als Hiob von Gott geprüft werden sollte, so mußten böse Leute seine Heerden rauben, er aber sagte: der HErr hat’s gegeben, der HErr hat’s genommen: der Name des HErrn sei gelobt.(Magnus Friedrich Roos)
Wie ein Fallstrick wird der jüngste Tag kommen über Alle, die auf Erden wohnen.
Luk. 21,35.
Und wie ein Dieb in der Nacht wird des HErrn Tag kommen, 2 Petr. 3,10. Und gleichwie der Blitz ausgehet vom Aufgang, und scheinet bis zum Niedergang: also wird auch sein die Zukunft des Menschensohns, Matth. 24,27. Diese Aussprüche lehren uns, daß die Zukunft des HErrn schnell und unvermuthet geschehen werde: schnell, wie das Leuchten eines Blitzes, unvermuthet, weil Sein Tag wie ein Fallstrick und wie ein Dieb in der Nacht kommen wird. Man mag also den jüngsten Tag ausrechnen, wie man will, und es mögen auch vor demselben an der Sonne und dem Mond und den Sternen, und an den Menschen selbst und an dem Meer die deutlichsten Zeichen geschehen: so wird doch der HErr zu einer Stunde kommen, da nicht nur die bösen Knechte sich’s nicht versehen, sondern da auch Seine Jünger und Liebhaber es nicht meinen werden. Matth. 24,50.44. Denn es werden alsdann nicht nur Spötter aufgestanden sein, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln, und geradezu der Lehre von dem Ende der Welt widersprechen werden, 2 Petr. 3,3.4.; da es dann an Leuten, die ihnen Gehör geben, nicht fehlen wird: sondern es wird auch sonst eine leichtsinnige Sicherheit auf Erden überhand genommen haben, wie bei den Leuten vor der Sündfluth und bei den Einwohnern Sodoms, welche nichts achteten, oder nicht merkten, was ihnen bevorstand, sondern aßen und tranken, freieten und sich freien ließen, kauften und verkauften, pflanzten und baueten, bis an den Tag, da die Sündfluth oder das Feuer vom Himmel über sie kam, s. Luk. 17,26-30. Matth. 24,37.38.39. Es wird aber nicht nur bei den rohen Leuten so aussehen, sondern auch auf denen, welche ihre Bekehrung entweder nur obenhin angefangen, oder auch noch weiter fortgeführt haben, eine Schlafsucht liegen, wie das Gleichniß von den zehn Jungfrauen beweist. Bei diesem Zustand der Welt und der Kirche darf man sich nicht wundern, daß der HErr Jesus sagt, der Tag Seiner Zukunft werde wie ein Fallstrick über Alle, die auf Erden sind, kommen. Gleichwie nämlich ein Vogel unversehens, indem er hüpft oder frißt, durch einen Fallstrick gefangen wird: also wird auch das ganze menschliche Geschlecht, das auf dem Erdboden wohnet, unvermuthet von dem Tag des HErrn überfallen werden. Es wird auch bei den Gerechten nicht ohne einen Schrecken und durchdringenden Schmerzen abgehen; wie denn alsdann alle Geschlechter der Erde heulen oder wehklagen werden, Offenb. 1,7. Uebrigens werden alsdann alle Menschen wie in einem Fallstrick gefangen sein. Vorher fühlten sie nicht, wie sie Alle, auch nach ihrem natürlichen Zustand, in Gott leben, weben und seien, und wie sie überhaupt von Seiner Allmacht umschlossen seien; weil ihnen Gott Raum ließ zu thun, was sie wollten. Nun werden sie aber gefangen sein. Nun werden sie nicht mehr nach ihrer Willkür thun können, was sie wollen, und wohnen können, wo sie wollen, sondern sie werden sich müssen versammeln, in Haufen theilen, richten und hinweisen lassen, wohin der Richter will. Wohl demjenigen, der alsdann vor Ihm stehen kann! (Magnus Friedrich Roos)
So seid nun wacker allezeit und betet.
Luk. 21,36.
Wenn der HErr Jesus von einbrechenden Gerichten Gottes, und insonderheit vom jüngsten Gericht redete, so gebot Er das Wachen, und setzte zuweilen auch das Gebot zu beten hinzu. Luk. 21,36. sagte Er: so wachet nun und betet zu aller Zeit, auf daß ihr würdig werden möget zu entfliehen diesem Allem, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn. Christen sollen Schüler des HErrn Jesu sein; denn Er sagt: kommet her zu Mir – lernet von Mir, Matth. 11,28.29. Wer will aber schlafende Zuhörer etwas lehren? wer will ihnen etwas offenbaren? Christen sollen aus der Fülle Jesu Gnade um Gnade nehmen; es soll ihnen allerlei göttliche Kraft, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, geschenkt werden. Wer aber schläft, das ist, sicher, sorglos, leichtsinnig ist, nimmt nichts aus der Fülle Jesu, ihm kann nichts von Gott geschenkt werden. Christen sollen mit Geduld laufen in dem Kampf, der ihnen verordnet ist, und Ueberwinder sein: ein Schlafender kann aber weder laufen, noch kämpfen, noch überwinden. Er bleibt liegen, wo er ist, und kommt nicht weiter, und wird überwunden, wenn ihn eine Versuchung überfällt. Christen sollen Knechte und Mägde Jesu Christi sein, Seinen Willen thun, und mit ihren Pfunden oder Gaben wuchern, und für ihren HErrn etwas gewinnen: dazu schickt sich aber das Schlafen nicht, wie man leicht erkennen kann. Christen sollen glauben, lieben, hoffen, beten, der Heiligung nachjagen, auf ihren HErrn warten u.s.w.: dazu ist aber eine rege Munterkeit, ein steter Fleiß, eine genaue Beobachtung und Prüfung dessen, was innerlich in ihnen vorgeht, und äußerlich ihnen begegnet, nöthig. Was man hat, muß man bewahren, damit man noch mehr bekomme; die empfangenen geistlichen Kräfte muß man brauchen und anwenden zum Dienst Gottes, weil sie dazu gegeben sind; und auf die Versuchungen, die mannigfaltig sind, täglich vorkommen, und nach dem Alter und nach andern Umständen sich verändern und neue Gestalten bekommen, muß man Achtung geben, damit man nicht von ihnen überwältigt werde, und an seiner Seele Schaden leide. Bei dem Wachen aber soll man zu jeder Zeit beten, und darin nicht laß werden. Luk. 18,1. Das Beten erhält den Christen in der Wachsamkeit, und die Wachsamkeit bewahrt die Kraft zum Beten. Beten sollen wir, obgleich Gott für Sich selbst weiß, was gut ist, und bereitwillig ist, alles Gute zu thun und zu geben: wir sollen Ihn aber mit Beten ehren, weil Er’s haben will, und Seinem gnädigen Willen mit unserm Bitten begegnen. Wir sollen beten, weil Vieles, das uns heilsam ist, nicht geschähe, und wir Vieles nicht empfingen, wenn wir nicht beteten.
Nicht nur die gegenwärtigen Versuchungen erfordern das Wachen und Beten, sondern auch die zukünftigen Begegnisse. Der HErr Jesus hatte Luk. 21. von der Zerstörung Jerusalems und von Seiner Zukunft zum jüngsten Gericht geredet, und wer jene erlebte, mußte bereitwillig sein, Hab und Gut zu verlieren, ein geliebtes Vaterland zu verlassen, und dem jämmerlichsten Untergang vieler Landsleute und Anverwandten zuzusehen. Wer nun vorher nicht gewacht und fleißig gebetet hatte, war nicht tüchtig, sich in dieses Alles zu schicken, gab den Verführern, die fälschlich von Glück und Sieg weissagten, Gehör, nahm an dem Aufruhr der Juden Antheil, und wurde dem Weib des Lot ähnlich, welche mit ihrem Herzen an ihren Gütern und Freuden hing, dem Teufel, der ihr das Wort Gottes vom Herzen wegnahm, Raum gab, still stand, und von der Strafe Sodoms ergriffen wurde.(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 22
Jesus sprach: habt ihr jemals Mangel gehabt? Sie sprachen: nie keinen.
Luk. 22,35.
Als die Jünger Jesu in Seine beständige Nachfolge eintraten, mußten sie ihre Handthierungen und ihr Hauswesen verlassen, und da Er sie einmal zum Predigen ausschickte, durften sie zur Uebung ihres Vertrauens auf Gottes Vorsorge keinen Beutel mitnehmen, worin Geld gewesen wäre, keine Tasche, worin Lebensmittel verwahrt gewesen wären, und keine Schuhe, wodurch sie Füße vor der Verletzung bewahrt hätten. Und doch konnten sie, als der HErr Jesus sie zuletzt fragte: habt ihr auch jemals Mangel gehabt? antworten: nie keinen; denn Gott lenkte immer andern Leuten die Herzen, daß sie Jesu und Seinen Jüngern beisteuerten, was nöthig war. Armuth erfuhren die Jünger Jesu in der Nachfolge Jesu, aber Mangel erfuhren sie nicht: freilich auch keinen Vollauf. Gerstenbrod und Wasser mag oft ihre und ihres Meisters Speise und Trank gewesen sein, außer daß zuweilen in der Nähe des fischreichen galiläischen Meeres gebratene Fische mögen dazu gekommen sein. Sie ließen sich aber nach dem Vorbild Jesu an demjenigen begnügen, das da war, und so hatten sie keinen Mangel. Die Furcht vor einem Mangel bewog den Judas Ischarioth, den Beutel zu bestehlen, in welchem das dem HErrn Jesu und Seinen Jüngern geschenkte Geld gelegt war, und Ihn hernach um 30 Silberlinge, oder 15 Conventionsthaler, um die er einen Acker kaufen wollte, zu verrathen. Damit nun nicht eine gleiche Furcht in den Herzen der übrigen Jünger entstehen möchte, hieß Er sie auf ihre bisherige Erfahrung zurücksehen, und lockte das Bekenntniß aus ihnen heraus, daß sie nie keinen Mangel gehabt haben. Indem sie dieses freiwillig bekannten, ehrten sie den HErrn Jesum wegen Seiner treuen Fürsorge, bekamen aber auch einen starken Antrieb, sich derselben auf’s Künftige zuversichtlich zu überlassen; wobei ihnen doch der Heiland zu verstehen gab, daß nun eine neue Zeit bei ihnen angehen werde, in welcher sie sich ihrer eigenen Beutel und Schwerter werden bedienen, das ist durch die gewöhnlichen Mittel für ihre Nahrung und Sicherheit sorgen müssen, welches auch von den Aposteln bis zum nächsten Pfingsttag geschahe, wie wir denn Joh. 21. finden, daß sie sich wieder mit dem Fischfang beschäftigt haben.
Was Gott Seine Kinder in dem gewöhnlichen Lauf des menschlichen Lebens erfahren läßt, ist dieses, daß sie bei einer heitern Vergnügsamkeit sagen können: wir haben nie keinen Mangel. Paulus rechnet freilich unter die Dinge, die den Gerechten aufstoßen können, Röm. 8,35. auch Hunger und Blöße, und sagt von sich selbst, Phil. 4,12.: ich bin geschickt, beide satt sein und hungern, beide übrig haben und Mangel leiden. Dieser Hunger, diese Blöße, dieser Mangel sind alsdann als Ausnahmen anzusehen, die gemeiniglich nicht lange währen. Wenn aber nur diese Begegnisse nicht von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, scheiden, und wenn man nur geschickt ist, sie zu ertragen, so ist man doch selig und vergnügt. Aber das unglaubige Herz quält sich oft mit Sorgen, wo kein gegenwärtiger Hunger und Mangel erscheint. Es quält sich, weil es den Ueberfluß nicht hat, den Andere haben, oder weil es mit seiner Vernunft auf den morgenden Tag oder auch auf eine längere Zeit keine deutliche Aussicht der Versorgung hat. Haben wir bisher keinen Mangel gehabt, und haben wir heute keinen, so wollen wir auch auf’s Künftige Gott vertrauen. Seine Augen sehen nach dem Glauben.(Magnus Friedrich Roos)
Vater, es geschehe Dein Wille.
Luk. 22,42.
Der HErr Jesus hatte oft mit einem heitern Gemüth an Sein bevorstehendes Leiden gedacht, und davon geredet, da Er aber am Abend vor Seiner Kreuzigung mit Seinen Jüngern in den Garten Gethsemane gegangen war, fing Er an zu trauern, zu zittern und zu zagen, und sagte: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Damals zog sich nämlich der göttliche Trost von Seiner menschlichen Seele zurück, und das Leiden und der Tod stellte sich derselben in der schrecklichsten Gestalt dar, so daß Er das größte Grauen davor empfand, und seine ganze menschliche Natur auf’s Heftigste dadurch erschüttert wurde. So sollte es aber gehen. Er als Mittler, an dem sich die Gerechtigkeit Gottes offenbaren wollte, durfte Sich nicht unter dem Gefühl der göttlichen Tröstungen zum Leiden und Sterben ergeben, wie es von den Märtyrern zu geschehen pflegte, sondern sollte den Tod und Alles, was voranging, in der schrecklichsten Gestalt ansehen, und alsdann Seinen Willen dazu ergeben, damit diese kostbare Aufopferung Seines Willens oder dieser Sein heiliger Gehorsam ein Ersatz alles Widerstrebens und Ungehorsams der Menschen sein könnte. Er selbst widerstrebte bei dem Grauen, das Er vor dem Leiden und Tod empfand, Seinem himmlischen Vater keinen Augenblick. Als Mensch bat er Sich den Leidenskelch ab, aber nur in dem Fall, wenn es möglich sei, daß er an Ihm vorüber gehen könnte. Er sagte: Vater willst Du, so nimm diesen Kelch von Mir; folglich begehrte Er solches nicht auf eine ungestüme Weise, und setzte ausdrücklich hinzu: nicht Mein, sondern Dein Wille geschehe. Der Wille des HErrn Jesu, welcher nicht geschehen sollte, war der Wille Seiner menschlichen Natur. Er fühlte denselben, und es war ein gerechter Wille; denn Gott hat selber die menschliche Natur gebildet, das Leiden und den Tod nicht zu wollen, weil beides etwas Widernatürliches ist, und nur der göttliche Wille verursacht, daß man ich in beides willig ergeben kann. Der HErr Jesus erkannte die schuldige Unterwürfigkeit des schwachen menschlichen Willens unter den göttlichen auf’s Deutlichste, und sagte deßwegen zu Seinem himmlischen Vater: nicht Mein, sondern Dein Wille geschehe. Es wurde durch Sein dreimaliges heftiges Gebet, wozu Ihn ein Engel stärkte, erhört, und Er wurde von dem Grauen befreit, wie Hebr. 5,7. gesagt wird: Sein menschlicher Wille wurde an den göttlichen so fest gleichsam angeheftet, daß Er hernach bei einem Versuch, den Petrus machte, Ihn von der Gefangennehmung zu befreien, sagte: meinest du, daß Ich nicht könnte Meinen Vater bitten, daß Er Mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel, (aber ich will’s nicht thun) wie würde sonst die Schrift erfüllet? Es muß also gehen, Matth. 26,53.54., ja daß Er hernach gar keinen Versuch mehr machte, Sich das Geringste von Seinem Leiden abzubitten. Also war denn das Leiden und der Tod Jesu der lauterste Gehorsam. Er war gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz, Phil. 2,8. Gleichwie nun durch Eines Menschen (Adams) Ungehorsam viele Sünder worden sind, also auch durch Eines Gehorsam werden viele Gerechte, weil ihnen der Gehorsam Jesu durch den Glauben zugerechnet wird. Bei diesem Glauben stärke Er mich auch durch den Heiligen Geist, die dritte Bitte des Vater Unser immer von Herzen zu beten, und meinen menschlichen und oft widerstrebenden Willen dem göttlichen aufzuopfern.(Magnus Friedrich Roos)
Und der HErr wandte Sich, und sahe Petrum an.
Luk. 22,61.
Jesus unser HErr stand damals vor ungerechten Richtern, und wurde fälschlich angeklagt. Er blieb aber bei Sich selbst, da hingegen Petrus indessen im Hof des hohenpriesterlichen Palastes wie außer sich selber war, und Ihn dreimal verleugnete. Der HErr erkannte solches in Seinem Geist, und wandte Sich, und sahe Petrum durch ein offenes Fenster oder durch eine offene Thüre an. Ach was muß Petrus auf einmal in dem Angesicht Jesu als in einem Buch gelesen haben! Ohne Zweifel dieses: Er ist’s, den ich verleugnet habe, Er weiß, daß ich’s gethan habe. Ach, Er ist der Wahrhaftige! Er hat mir’s vorausgesagt; nun ist’s leider geschehen. Nun gibt Er mir mit Seinem ernsthaften Blick einen scharfen Verweis, den ich Untreuer wohl verdient habe. Es ist aber noch Hoffnung für mich vorhanden. Sein Angesicht hat noch Gnade von sich ausstrahlen lassen: und warum hätte Er mich angeblickt, wenn Er mich nicht retten wollte? Dieses Alles war der Eindruck, den Petrus von dem Anblick Jesu bekam, und wenn er dieses Alles nicht so deutlich gedacht hat, so wurden doch alle diese Empfindungen in ihm erweckt. Der Erfolg war, daß er hinaus ging, und bitterlich weinte, aber auch Gnade und Vergebung erlangte, seine Brüder hernach stärken, und auf die Frage: Simon Johanna, hast du mich lieb? antworten konnte: HErr, Du weißt alle Dinge, Du weißt, daß ich Dich lieb habe.
Jetzt sehen wir das Angesicht Jesu nicht mehr, aber Er siehet uns. Wenn Er uns nun ein Licht in unsere Seele kommen läßt, das unsere Verderbniß und Vergehungen uns aufdeckt, und zugleich Hoffnung zur Vergebung erweckt, unsere Härtigkeit schmelzt, uns von einem gefährlichen Zustand zurückzieht, und zum Flehen mit oder ohne Thränen bewegt, so hat Er uns, ob Er uns schon unsichtbar ist, wie den Petrus angesehen. Es gibt auch noch andere Blicke Jesu, welche lauter Erquickung sind; aber bei dem Anblick, dergleichen Petrus bekam, ist Schärfe mit der Barmherzigkeit vermengt. Ach, Er wolle uns oft ansehen, wie wir’s nöthig haben; unsere Geistes-Augen sollen Ihn aber auch ansehen, wie Er uns durch das Evangelium vor Augen gemalt ist; und dieses soll fortgehen, bis wir Ihn unmittelbar und in Seinem eigenen Licht sehen werden, wie Er ist, nämlich von Angesicht zu Angesicht.
Das Beispiel Petri zeigt an, daß nicht immer Worte nöthig sind, um eine sonst redliche Seele, die sich vergangen hat, zur Erkenntniß ihrer Vergehung und zur Reue zu bringen. Ein einziger Anblick Jesu kann die ganze Seele rege machen und zu sich selber bringen. So wurde Assaph, da er im Heiligthum betete, von seinen gefährlichen Gedanken, wozu ihn seine tägliche Plage und das Glück der Gottlosen verleitet hatten, ohne Jemands Beihilfe zurückgeführt Ps. 73,17. So schlug auch den David sein Herz Sam. 24,10., ohne daß ihm damals Jemand etwas gesagt hätte. Doch wird die Seele auch in solchen Fällen an die vorher gehörten Worte erinnert. Es gehe aber bei einem Jeden, wie es wolle, so ist’s immer große Barmherzigkeit, wenn der HErr einen Gefallenen erhält, und einen Niedergeschlagenen aufrichtet.(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 23
Dann werden sie anfahen zu sagen zu den Bergen: fallet über uns, und zu den Hügeln: decket uns.
Luk. 23,30.
Als der Prophet Hoseas von der Eroberung der Stadt Samaria und der Zerstörung des Reiches Israel weissagte, so sagte er Hos. 10,8.: es werde dabei so jämmerlich hergehen, daß sie Leute sagen werden: ihr Berge bedecket uns, und ihr Hügel fallet auf uns; und als der HErr Jesus zur Kreuzigung hinausgeführt wurde, so weissagte Er gleichfalls, man werde bei der Belagerung und Eroberung Jerusalems anfahen, zu den Bergen zu sagen: fallet auf uns, und zu den Hügeln: decket uns. Diese Worte wurden also wie im Sprüchwort in der größten Bestürzung und Angst von den Juden gebraucht, und bedeuten ebenso viel, als wenn man nach unserer Weise sagte: ach daß wir lebendig begraben würden! ach daß wir uns unter die Erde verkriechen könnten! ach daß wir stürben! Es werden aber diese Worte Offenb. 6,16. auch denjenigen in den Mund gelegt, welche durch den Anbruch des jüngsten Tages in einen verzweiflungsvollen Schrecken gesetzt werden, wobei aber doch der Wunsch nicht auf das Sterben, sondern auf das Verbergen vor dem Angesicht deß, der auf dem Stuhl sitzt, und vor dem Zorn des Lammes gerichtet ist.
Als der HErr Jesus durch die Gassen Jerusalems zur Kreuzigung hinausgeführt wurde, so war Er in Seiner Seele ruhig und getrost. Er wünschte nicht, daß Berge auf Ihn fallen, und Hügel Ihn bedecken möchten, ja Er wollte nicht, daß die Weiber von Jerusalem über Ihn weinen sollten, ob Er schon mit Schmach und Noth umgeben war. Hingegen weissagte Er von einer angstvollen Verzweiflung, welche bei der Zerstörung Jerusalems über Seine Feinde kommen werde, und führte sogar die Worte an, welche sie alsdann brauchen werden. Ich weiß nicht, was für eine Noth noch auf mich wartet. Wenigstens steht mir die letzte Todesnoth bevor. Aber im glaubigen Angedenken Jesu, und unter dem Beistand Seines Geistes werde ich getrost leiden, und im Leiden ausharren können. Ich werde mir keinen unzeitigen Tod, und noch weniger die Verbergung vor Seinem Angesicht wünschen. Aber die Gottlosen überfällt zuletzt Angst ohne Vertrauen, Schrecken ohne Trost, Verzweiflung ohne Hoffnung. Sie wünschen sich – was denn? Nicht geboren zu sein, oder jetzt zu sterben, oder vor dem Angesicht deß, der auf dem Stuhl sitzt, und vor dem Zorn des Lammes verborgen zu sein. Aber alle diese Wünsche sind vergeblich. Sie sind nun geboren, das Sterben vermindert ihr Elend nicht, sondern vergrößert es, und vor dem Angesicht Gottes müssen sie, um gerichtet zu werden, erscheinen, und den Zorn des Lammes über sich ausbrechen lassen. Dieses ist das Ende der leichtsinnigen Scherze und Spöttereien, der unreinen Wollüste, des rohen Unglaubens, und des trotzigen Uebermuthes, womit solche Leute ihr Leben zugebracht haben. Nun trösten sie sich ihres guten Lebens nicht mehr, nun sind die guten Tage verschwunden, nun brüstet sich ihre Person nicht mehr, nun fällt ihnen der Pöbel nicht mehr zu, nun ist aller Genuß, den sie in der Welt gehabt haben, für sie wie ein Traum. Ach HErr Jesu, sei Du mir gnädig, halte Du mich in Deiner Hand, und laß mich immer in Dir erfunden werden, so wird mich kein Leiden verzagt machen, und kein Fall in die Verzweiflung stürzen. (Magnus Friedrich Roos)
Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun.
Luk. 23,34.
Joh. 17,9. sagte Jesus, Er bitte (damals) nicht für die Welt; da man Ihn aber kreuzigte, bat Er für Leute, die zur Welt gehörten, nämlich für die rohen Soldaten, die Ihn unter ihren Händen hatten, gleichwie Er auch Luk. 13,8. in einem Gleichniß andeutet, daß Er für einen unfruchtbaren Feigenbaum, das ist für einen fleischlichen Menschen, um Verlängerung seiner Gnadenzeit bitte. Jesus bat also für die Soldaten, die Ihn kreuzigten. Das Getümmel, das um Ihn herum war, die Schmach, die Ihm mit Worten und durch die Entblößung Seines Leibs angethan wurde, und die Schmerzen, welche Ihm die Nägel verursachten, brachten Seine Seele in keine Unordnung und erweckten keinen Grimm in Ihm; auch trieb Ihn das Leiden, das Sein Vater über Ihn kommen ließ, in keinen Unglauben hinein. Er sagte mit einer zufriedenen Seele: Vater. Die Ansprache an Seinen Vater ließ Er sich nicht wehren; weil Er aber Seinen menschlichen Willen in das Leiden, das auf Ihm lag, schon ergeben, und gesagt hatte: es muß also gehen, wie würde sonst die Schrift erfüllet? so bat er nicht mehr um Wegnehmung des Kelchs, wie am Oelberg, sondern legte eine Fürbitte für Seine Kreuziger ein. Vergib ihnen, sprach Er, denn sie wissen nicht, was sie thun. Es ist wahrscheinlich, daß diese Leute durch diese ganz ungemeine Fürbitte gerührt worden seien; denn sie waren ohne Zweifel gewohnt, Flüche, oder doch ein wildes Geschrei von denen, welche sie kreuzigten, zu hören: hier aber höreten sie eine sanfte Fürbitte. Sie höreten denjenigen, den sie kreuzigten, sagen: Vater, vergib ihnen. Nun war ihr Seelenzustand freilich damals nicht so beschaffen, daß ihnen die eigentliche Vergebung der Sünden oder die Rechtfertigung hätte widerfahren können, denn ehe sie dieser theilhaftig werden konnten, mußten sie wissen, was sie gethan hatten, und ihre große Sünde bereuen. Der HErr Jesus hat also für sie, wie Moses für das Volk Israel, nachdem es sich mit dem goldenen Kalb versündiget hatte, gebeten hat, da er auch zu Gott sagte: nun vergib ihnen ihre Sünde, 2 Mos. 32,32. das ist, vertilge sie nicht, wie Du gedrohet hast, gib ihnen noch Raum zur Buße. Die Fürbitte Jesu wandte also eine plötzliche Strafe von den Soldaten ab, und hatte die Wirkung, welche der Fürbitte des Weingärtners Luk. 13,8. zugeschrieben wird. Der Beisatz: sie wissen nicht, was sie thun, zeigt an, warum der HErr Jesus Seinen Vater um eine milde Nachsicht habe bitten können. Wenn man sich an etwas, das heilig ist, vergreift, und nicht weiß, was man thut, so wird es nicht so hoch aufgerechnet, als wenn man weiß, was man thut, weßwegen auch Paulus 1 Tim. 1,13. bezeugt, er habe aus Unwissenheit gelästert, und deßwegen habe ihm Barmherzigkeit widerfahren können; folglich dürfe sich Niemand, der den Heiligen Geist (wissentlich) lästert, auf sein Beispiel berufen. Als hernach die Apostel den Juden Buße predigten, so sagten sie ihnen, was sie gethan haben. Den Messias, sprachen sie, habt ihr gekreuzigt, den Fürsten des Lebens habt ihr getödtet, Apost. Gesch. 2,36. 3,15. Und so ist vielleicht auch den Soldaten, die Jesum gekreuzigt haben, ihre Sünde hernach aufgedeckt worden, wie es denn schon unter dem Kreuz Jesu hat geschehen können, s. Matth. 27,54.(Magnus Friedrich Roos)
Der andere von den Uebelthätern, die mit Jesu gekreuzigt waren, sprach zu Ihm: HErr gedenke an mich, wenn Du in Dein Reich kommest.
Luk. 23,42.
Es gereichte dem HErrn Jesu ohne Zweifel zur Erquickung in Seinem tiefen Leiden, daß sich einer von den Uebelthätern, die mit Ihm gekreuzigt worden waren, in seinen letzten Stunden bekehrte, und Er also ihn als eine Beute bekam. Es war auch solches desto wunderbarer, weil es schien, daß die Schmach und das ganze Leiden des lieben Heilandes damals den Glauben an Ihn hindern, nicht aber erwecken und fördern könne. Allein der Heilige Geist wirkte so kräftig in des Uebelthäters Seele, daß er alle Aergernisse überwand, und durch die Geberden und Reden Jesu überzeugt wurde, daß Er der HErr sei, in dessen Angedenken ein Sterbender sich empfehlen könne. Nachdem er also seinen Kameraden, der Jesum in der Ungeduld lästerte, bestraft hatte, so sprach er zu Jesu: HErr, gedenke an mich, wenn Du in Dein Reich kommest. Ohne Zweifel sah er Jesum für den Messias an, und wußte als ein Jude, daß der Messias ein König sei, und ein Reich habe; denn diese Wahrheit wurde unter dem Judenvolk damals sehr stark getrieben, da hingegen die Wenigsten wußten, daß Er auch ein Priester und ein Opfer für die Sünde sei. Der Uebelthäter aber sah wohl, daß es mit Jesum dem Tod zugehe, hoffte aber, er werde wieder lebendig werden, und dereinst in Sein Reich kommen. Wie deutlich und wie richtig er sich diese Zukunft Jesu vorgestellt habe, können wir nicht sagen, gewiß aber ist’s, daß er auch seine eigene Auferstehung geglaubt habe, weil er bat, daß der HErr Jesus seiner bei der Zukunft in Seinem Reich gedenken möchte. Dieses Alles wußte er wegen des Unterrichts, den er als ein Israelite aus dem Wort Gottes bekommen hatte, und was er wußte, wurde nun in ihm lebendig und kräftig, und es kam noch der Glaube dazu, daß Jesus, der neben ihm am Kreuze hing, der Messias sei. Der HErr Jesus übersah hiebei Vieles; wie denn der Uebelthäter, wenn er nach allen Artikeln des christlichen Glaubens hätte geprüft werden sollen, von vielen keine Antwort hätte geben können. Er konnte auch der heiligen Taufe und des heiligen Abendmahls nimmer theilhaftig werden; übrigens war sein Herz redlich. Er bereute und verabscheute seine Sünde, hatte zu Jesu als dem HErrn, dem Messias ein Vertrauen, auch in Ansehung einer zukünftigen Seligkeit, und bekannte diesen Glauben öffentlich. Er starb mit seinem zerknirschten und glaubigen Herzen noch am selbigen Tag, und kam in das himmlische Paradies, von dem die Juden etwas wußten, und wurde da in ein großes Licht versetzt. Doch soll Niemand hieraus den Schluß machen, daß an den Artikeln des christlichen Glaubens, worin der Uebelthäter unwissend war, nichts gelegen sei; denn wenn er länger gelebt hätte, so hätte er sich taufen lassen, und von der christlichen Lehre so Vieles fassen müssen, daß es bei ihm den Ausschlag gegeben hätte, sich von dem Judenthum weg, und zu der christlichen Kirche zu wenden. Auch wären ihm bei den täglichen Versuchungen viele Wahrheiten unentbehrlich gewesen, deren er in den letzten Stunden nicht mehr bedurfte.
Jesus sprach zu dem andern Uebelthäter: wahrlich, Ich sage dir, heute wirst du mit Mir im Paradies sein.
Luk. 23,43.
Christus hat uns erlöset von dem Fluch des Gesetzes, da Er war ein Fluch für uns, denn es stehet geschrieben: verflucht sei Jedermann, der am Holz hanget, Gal. 3,13. Aber auch damals, da Er als ein Fluch am Holz hing, ließ Er Segen von sich ausfließen, um anzuzeigen, daß Er nur für uns und an unserer Statt ein Fluch geworden sei. Er betete für Seine Kreuziger; Er stiftete eine mütterliche und kindliche Liebe zwischen der Maria und Seinem Jünger Johannes, zu einem von den Uebelthätern aber, die mit Ihm gekreuzigt waren, sagte Er: wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit Mir im Paradies sein. Wodurch dieser Uebelthäter so viel Licht bekommen habe, daß er seinen Kameraden bestrafen, seine eigene Sündenschuld bekennen, Jesum einen HErrn nennen, und ihn um Sein gnädiges Angedenken bitten können, wissen wir nicht, außer daß wir glauben können, die Worte und das Bezeugen Jesu haben ihm einen tiefen Eindruck gegeben. Aber warum nicht auch dem andern Uebelthäter? Dieses weiß der Herzenskündiger. Die beiden Uebelthäter hatten einerlei böse Thaten begangen, und doch war das Herz des einen eines heilsamen Eindrucks fähig, das Herz des andern aber nicht. Es gibt Leute, welche das Beispiel des bußfertigen Schächers dazu mißbrauchen, daß sie sich vornehmen, muthwillig zu sündigen, so lange sie gesund sind, auf dem Todtenbett aber schnell Buße zu thun und Gnade zu erlangen, wie dieser Schächer. Aber weißt du denn, o Mensch, daß du alsdann eines guten Eindrucks noch fähig sein werdest? Der Schächer hing mit gesundem Leib am Kreuz, du aber wirst als krank und schwach da liegen, und die Krankheit wird vielleicht deinen Verstand benebeln oder gar verwirren. Und wie? wenn du plötzlich stürbest? Wie ging’s alsdann deiner armen Seele? Uebrigens hat der HErr Jesus an dem bußfertigen Schächer gezeigt, wie kräftig Seine Erlösung, und wie reich Seine Gnade sei, und wie schnell Sein Geist wirken könne. Ein gräulicher Missethäter, der selber bekannte, er empfahe, was seine Thaten werth seien, sollte noch selbigen Tags vom Kreuz weg in’s Paradies kommen, und da mit Jesu sein. Man konnte also noch selbigen Tags die Seele eines Missethäters bei Jesu im Paradies sehen. Jesus weigerte sich nicht, neben dem Missethäter am Kreuz zu hangen: Er schämte Sich also auch nicht, seine Seele im Paradies bei Sich zu haben. Die Gnade hatte sie ehrlich gemacht. Nun zu diesem barmherzigen Heiland und zu Seiner reichen Gnade wende sich ein Jeder, der sich vieler Sünden bewußt ist, und sich selbst für einen großen Uebelthäter halten muß. Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert. Nach dieser Regel kann ein Mensch, der keine bürgerliche Strafe befürchten darf, dem aber die Gnadenmittel reichlich gegeben worden sind, vor Gott eine sehr große Sündenschuld auf sich haben. Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist Seine Gnade viel mächtiger. Auch ängste sich ein solcher bußfertiger Sünder nicht wegen seines Looses in der Ewigkeit; denn auch hierin thut der Heiland mehr, als wir bitten und verstehen. Er hat ein Paradies für bußfertige Schächersseelen bereitet, und da sollen sie bei Ihm sein. Wer sollte sich nicht damit begnügen lassen?(Magnus Friedrich Roos)
Und er legt Ihn in ein gehauen Grab, darin Niemand je gelegen war.
Luk. 23,53.
Mit dem Tod Jesu fing alsbald eine gewisse Erhöhung des HErrn Jesu an, denn Sein Geist ging damals in die göttliche Ruhe und Freude ein, und Sein Leib wurde nicht auf den Richtplatz auf eine unehrliche Weise verscharret, wie den Leichnamen der zwei Schächer geschehen sein mag, sondern ehrerbietig in das Grab, welches ein reicher Rathsherr für sich und sein Geschlecht in einen Felsen hauen lassen, gelegt. Die Vorsehung Gottes fügte es so, daß noch Niemand je in dieses Grab gelegt worden war, damit man nicht sagen könnte, die Gebeine eines Andern hätten den Leib Jesu lebendig gemacht, wie die Gebeine des Elisa einen israelitischen Mann, oder damit man nicht, wenn zwei oder drei Leichname darin gelegen wären, nach der Auferstehung Jesu mühsam untersuchen müßte, welcher von ihnen auferstanden wäre, weil doch damals viele Leiber der Heiligen auferstunden. Man fand aber hernach das Grab leer, Niemand als Jesus war darin gelegen: folglich war Er auferstanden. Jesus lag also allein in des Josephs Grab, aber doch mitten unter vielen Millionen Leichnamen, die auf der ganzen Fläche des Erdbodens begraben waren. Gleichwie Seine abgeschiedene Seele zu den abgeschiedenen Seelen kam, also kam Sein Leichnam in die Gesellschaft der begrabenen Leichname. Der Stand eines begrabenen Todten, wovor uns oft graut, ist Ihm also nicht zu verächtlich gewesen, und das glaubige Angedenken an Seine Grabesruhe sollte jenes Grauen bei uns vertilgen. Er hätte alsbald nach Seinem Tod, da er noch am Kreuz hing, oder, sobald Er davon herabgenommen war, wieder lebendig werden, und sodann gen Himmel fahren können: allein auf diese Weise hätte man zweifeln können, ob Er wahrhaftig gestorben sei, und wir hätten den Trost nicht gehabt, daß Er uns in Ansehung der Grabesruhe gleich geworden sei. Im Grab ruhte Sein Fleisch auf Hoffnung der Auferstehung. Mit dieser Hoffnung will ich auch an die Einwicklung meines todten Leibes, an die Verschließung desselben in eine Bahre, und an seine Einsenkung in die Erde, an seine Bedeckung mit der Erde, und an die Verwesung in der Erde denken. Alles dieses gehört zum Weg und nicht zum Ziel. Hindurch! das Ziel ist ewiges Leben, auch in Ansehung des Leibes. Christus ist als der Erstling unter den Todten und als der Durchbrecher vorangegangen, und die Glaubigen dürfen Ihm nachfolgen. Werde ich gleich länger im Grabe liegen als Christus, und die Verwesung sehen, die Er nicht gesehen hat, so werde ich doch davon keine Ungelegenheit empfinden, auch wird meine Seele in der himmlischen Wohnung bei dem Warten auf die Auferstehung des Leibes keine lange Weile haben. Nur ist nöthig, daß ich Ihm angehöre und anhange, und mich auf der Erde keine Lust noch Furcht von Ihm abziehe. Unter der Erde werde ich alsdann keine Gefahr mehr haben. Wenn Himmel und Erde vergehen werden, so wird auch mein Grab vergehen, und mein durch Seine Stimme auferweckter Leib wird alsdann den Stand der Verwesung auf ewig zurückgelegt haben. Ein reicher Mann, ein ehrbarer Mann, der einen guten Namen unter den Menschen hatte, und ein vornehmer Rathsherr, der zu dem Pilatus einen Zutritt haben, und um den Leichnam Jesu bitten durfte, mußte derjenige sein, der Jesum begrub, und Nikodemus, der ohne Zweifel mit dem ihm gleichgesinnten Joseph schon vorher eine Bekanntschaft unterhalten hatte, mußte ihm dabei helfen. Was diese zwei angesehenen und vermöglichen Männer thaten, konnte damals keiner von den Aposteln thun, was aber diese thaten, konnten jene nicht thun. Gott hat verschiedene Knechte; ein jeder thue, was ihm angewiesen ist.(Magnus Friedrich Roos)
Luk. 24
O ihr Thoren und träges Herzens, zu glauben alle dem, das die Propheten geredet haben.
Luk. 24,25.
Der Unglaube schminkt sich oft mit dem Namen der Weisheit: der HErr Jesus aber nennt ihn eine Thorheit; auch wird die Unentschlossenheit, bei welcher man der Wahrheit lange den Beifall versagt, oft eine kluge Behutsamkeit genannt; der HErr Jesus aber nennt sie eine Trägheit oder Langsamkeit des Herzens. Verständig soll man werden durch die Erkenntniß der Wahrheit, und schnell zum Glauben. Wo ist aber die Wahrheit, die man glauben soll? Sie ist in den Schriften der Propheten anzutreffen. Man soll nicht erst prüfen, sondern schnell glauben, was die Propheten geredet haben, wie der HErr Jesus zu verstehen gab, und eben damit bezeugte, daß alle Schriften der Propheten von Gott eingegeben seien. Soll man aber nicht auch schnell glauben, was der HErr selbst gepredigt hat, und was Seine Apostel, welche größer als die Propheten waren, gelehrt haben? Ohne Zweifel. Nicht wer zweifelt, sondern wer glaubt und getauft wird, wird selig, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Es gibt zwei Wege, durch welche der Mensch zu einer Erkenntniß und zu einer Gewißheit in der Erkenntniß gelangen kann. Der eine Weg ist der Weg der leiblichen Sinnen, und diesen Weg geht man in Ansehung der natürlichen und gegenwärtigen Dinge. Der andere Weg ist der Weg eines glaubwürdigen Zeugnisses und auf diesem Weg gelangt man zur Erkenntniß und Gewißheit von demjenigen, was entfernt, zukünftig und unsichtbar ist. Welcher Zeuge nun hat so viel Ansehen, daß er mir sagen kann, wie es bei der Schöpfung hergegangen sei, die kein Mensch gesehen hat, was zwischen dem Vater und Sohn bei der Erlösung des menschlichen Geschlechts vorgegangen sei, was der Mensch in Rücksicht auf den Zustand nach Seinem Tod zu hoffen, oder zu fürchten habe, und was noch vor, bei und nach dem Ende der Welt vorgehen werde. Dieses Alles hat kein Auge gesehen, und kein Ohr gehört, auch ist es in keines Menschen Herz gekommen. Wollten aber die Menschen von demjenigen, das sie durch die leibliche Sinnen erkennen, im Schließen fortschreiten, und auf diese Weise errathen, was Gott gethan habe, oder thun werde, so würden sie, wie das Beispiel der weisesten Heiden lehrt, zu keiner Gewißheit kommen. Gottes Zeugniß kann uns hierin allein gewiß machen. Er hat vor Zeiten manchmal und auf mancherlei Weise zu den Vätern geredet durch die Propheten, in den letzten Tagen aber durch den Sohn, Hebr. 1,1.2. den Aposteln aber hat der Sohn Gottes befohlen, das Evangelium aller Kreatur zu predigen, und hinzu gesetzt, wer’s glaube und getauft werde, soll selig werden. Paulus hat insonderheit von allen Aposteln gesagt: Gott habe ihnen die Dinge, die sonst Niemand wissen können, durch Seinen Geist geoffenbart, 1 Kor. 2,10. von sich selbst aber, V. 4.5.: Sein Wort und Seine Predigt sei nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft, auf daß der Glaube derer, die Sein Wort annehmen, nicht auf Menschenweisheit bestehe, sondern auf Gottes Kraft. Auch nennt Er Sein Wort 1 Thess. 2,13. ausdrücklich Gottes Wort. Hier ist also ein schneller glaube die größte Weisheit.(Magnus Friedrich Roos)
Und sie nöthigten Ihn, und sprachen: bleibe bei uns.
Luk. 24,29.
Als der Sohn Gottes dem Jakob auf seiner Rückkehr in’s Land Canaan in der Gestalt eines Mannes erschien, so stellte Er sich, als ob Er dessen Feind sei, und ihn tödten wolle. Es gefiel Ihm aber, daß Jakob nicht nur mit der Anstrengung seiner Leibeskräfte, sondern auch noch vielmehr mit seinem Glauben, Gebet und Thränen kämpfte, und Er sagte hernach: du hast mit Gott und Menschen gerungen, und bist obgelegen, s. 1 Mos. 32,34. u. ff. Hos. 12,4.5. Als der HErr Jesus von dem cananäischen Weibe gebeten wurde, ihrer Tochter zu helfen, so stellte Er sich, als ob Er ihrer nicht achtete, ja als ob Er ihr dieselbe Bitte abschlagen wollte: Er hatte aber ein Wohlgefallen an dem demüthigen und glaubigen Anhalten dieses Weibes, und lobte bei der Gewährung ihrer bitte ihren großen Glauben, Matth. 15,28. Als Er nach Seiner Auferstehung mit zween Jüngern, die Ihn nicht kannten, von Seinem Gespräch aber brennende Herzen bekommen hatten, bis in den Flecken Emmaus hineingegangen war, so stellte Er Sich, als wollte Er fürder gehen: sie nöthigten Ihn aber und sprachen: bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget; Er aber ließ sich diesen drängenden Zuspruch, wodurch sie gleichsam Gewalt anlegten, gefallen, ging hinein, blieb bei ihnen, offenbarte sich ihnen bei dem Brodbrechen, welches sie Ihm als dem Gast Ehrenhalber überließen, und verschwand. Bei diesen Fällen hatte der Sohn Gottes die Menschen schon so angefaßt, daß Er gewiß sein konnte, Sein Bezeugen, wodurch Er sie auf die Probe setzte, werde ihnen nichts schaden, und sie werden die Probe gut ablegen. Er ließ Sich auch von ihnen gern nöthigen, und gleichsam überwältigen, und hatte Seine Freude daran. Die Weisheit spielte hier auf dem Erdboden, wie Salomo Spr. 8,31. sagt, und hatte ihre Lust bei den Menschenkindern.
Wenn nun der HErr Jesus auch heut zu Tag unsere Seelen, die nach Ihm hungern und dürsten, eine Zeit lang schmachten, trauern, und in der Finsterniß dahin gehen läßt, so wollen wir an das Beispiel Jakobs, des cananäischen Weibes und der emmauntischen Jünger gedenken. Anhalten sollen wir und ausharren. Wenn auch unser Gebet nach und nach heftiger wird, so ist’s Ihm nicht mißfällig, wenn wir nur dabei in die Demuth des cananäischen Weibes herabsinken, und Alles als Gnade begehren. Im Hohenlied Salomo’s sucht die Sulamith den göttlichen Salomo dreimal, weil Er Sich ihr entzogen hatte, und dreimal findet sie Ihn nach einem anhaltenden Suchen, und jedesmal mit neuer Freude und geistlichem Gewinn. Die Seele wird durch diese Uebungen geläutert, die Liebe brünstiger, die Vorsichtigkeit in der Bewahrung der Gnade größer, und die Heiligung durchaus völliger. Lasset uns also die Weise des HErrn Jesu verstehen lernen. Er stellt Sich, als wollte Er gehen, und bleibet doch. Er verbirgt Sein Antlitz, und hat es doch zu uns gewandt: Er läßt uns etwas Weniges von der Verlassung empfinden, die Er am Kreuz erduldet hat, und ist uns doch heimlich nahe, und unterstützt uns. Wohl dem, dessen Seele dabei durch die Gnade fest ist, Glauben hält, und ruhig harret, bis der HErr Sein Werk zu Seiner Ehre ausgeführt hat! Am Abend unsers Lebens soll ein Tag anbrechen, auf den kein Abend mehr folgen wird. Alsdann werden auch die Abwechslungen der Heiterkeit und Traurigkeit, der Freude und des Leids bei den Gerechten aufhören.(Magnus Friedrich Roos)
Brannte nicht unser Herz, da Er mit uns redete auf dem Wege, da Er uns die Schrift öffnete.
Luk. 24,32.
Der Heiland hatte an den zwei Jüngern, die nach Emmaus gingen, erstlich ihre Thorheit, und zweitens die Trägheit ihrer Herzen zum Glauben bestraft. Luk. 24,25. Ihre Thorheit bestand darin, daß sie die Nothwendigkeit und den Nutzen Seines Leidens und Todes nicht einsahen, und im Gegentheil noch von Vorurtheilen eingenommen waren, welche theils von ihrem natürlichen, fleischlichen Sinn, theils aber von ihrer Auferziehung und von dem Unterricht, den sie von den Schriftgelehrten empfangen hatten, herrührten. Es war nämlich damals unter den Juden gewöhnlich, daß man sagte, der Messias bleibe ewiglich, das ist, sterbe gar nicht, und man meinte, solches aus dem Gesetz oder aus der Bibel beweisen zu können. Joh. 12,34. Auch beschrieb man Ihn nur als einen großen König, denn den großen Propheten, von dem Moses 5 Mos. 18. geweissagt hatte, hielt man für eine andere Person, an Sein Priesterthum aber dachte man gar nicht. Aber auch das Königreich des Messias stellte man sich falsch vor, und meinte, Er werde Israel von der Römer Herrschaft erlösen und ein irdisches Reich anrichten. Mit solchen Gedanken kamen alle Apostel und Jünger zu Jesu; und ob sie schon die Wahrheit von Ihm reiner und vollständiger hörten, so haftete sie doch nicht so in ihren Herzen, wie sie hätte haften sollen. Insonderheit blieb es ihnen unfaßlich, daß Jesus der Messias in der Sünder Hände übergeben werden und am Kreuz sterben sollte. Hier stockte der Glaube der Jünger, als Er gestorben war, und ihre Hoffnung, die sie auf Ihn hatten, war erschüttert. Hier kam es nun darauf an, ob sie von Ihm abtreten oder Ihm treu bleiben sollten. Zwar lagen ihnen die Weissagungen Mosis und der Propheten vor Augen, welche von dem Leiden, Tod und der Auferstehung des Messias handelten, auch sagten die glaubwürdigen frommen Weiber, sie haben ein Gesicht der Engel gesehen, welche sagten: Jesus lebe; allein sie waren zum Glauben träg oder langsam. Eine unnöthige Vorsichtigkeit, eine muthlose Traurigkeit, ein übertriebenes Zweifeln hielt sie allzulange vom Glauben zurück; und gleichwie sie träg zum Glauben waren, also waren sie auch ohne Zweifel träg zum Gebet, zur Liebe, zu guten Werken, und zur Ausrichtung aller Pflichten, deren Wurzel der Glaube ist.
Nun diesen redlichen Männern, die aber damals in der Gefahr eines gänzlichen Rückfalls aus der Gnade standen, kam Jesus zur rechten Zeit zu Hilfe. Er ließ unter der Auslegung vieler Schriftstellen ein neues Licht in ihnen aufgehen. Dieses Licht war zugleich auch ein Feuer, welches sie brünstig im Geist machte; und deßwegen konnten sie zuletzt sagen: brannte nicht unser Herz in uns, da Er mit uns redete auf dem Wege, als Er uns die Schrift öffnete? Sie bekamen den unbekannten Gefährten, von dem sie weise und kräftige Worte hörten, brünstig lieb, und nöthigten Ihn deßwegen, da Er weiter gehen wollte, bei ihnen zu bleiben. Bei dieser Liebe nahmen sie gern und schnell an, was Er sagte, und traten nach dem vorigen Zaudern eine neue Stufe des Glaubens an, von welcher sie nicht mehr herabfielen. Auch wurde die brüderliche Liebe in ihnen brünstiger, weßwegen sie noch in der Abenddämmerung zu den übrigen Jüngern Jesu, von denen sie weggegangen waren, zurückliefen, um ihnen ihre neue Erkenntniß und Freude mitzutheilen.(Magnus Friedrich Roos)
Und es geschahe, da Er sie segnete, schied Er von ihnen, und fuhr auf gen Himmel.
Luk. 24,51.
Als der HErr Jesus gen Himmel fahren wollte, führte Er Seine Jünger aus Jerusalem hinaus, bis gen Bethania, und hub Seine Hände auf, und segnete sie. Seine Hände hub Er also auf, die an’s Kreuz durch Nägel angeheftet worden waren, und welche Er vorher auf kleine Kinder gelegt hatte, da Er sie segnete, Mark. 10,16. Oft, wenn Er einen Menschen gesund machen wollte, rührte Er ihn mit einer Hand an: wenn Er aber segnete, brauchte Er beide Hände. Er hat bei dem Segnen ohne Zweifel auch Worte ausgesprochen, welche der Heilige Geist nicht hat aufschreiben lassen, die aber als Worte des Sohnes Gottes ohne Erfüllung nicht bleiben konnten. Es geschahe aber, da Er Seine Jünger auf dem Feld bei Bethania segnete, daß Er von ihnen schied. Als segnend schied Er von ihnen, so daß zwischen dem Segnen und Scheiden kein Augenblick verfloß. Mit Segnen nahm Er also Abschied von ihnen. Segnen war der Beschluß Seines gesegneten Laufs auf Erden. Er fuhr auf gen Himmel, wo Er mit Preis und Ehre gekrönet, König und Priester auf dem göttlichen Thron ist, und immerdar segnet, die an Ihn glauben. Seine Jünger empfanden die Kraft Seines Segens deutlich, denn da das Scheiden Jesu sie hätte bestürzt und traurig machen sollen, wie sie vorher waren, da Er Joh. 14.15. und 16. mit ihnen davon redete, so waren sie nun gestärkt und tüchtig, Ihn an dem Ort, von dem Er aufgefahren war, anzubeten, hernach aber gen Jerusalem mit großer Freude umzukehren, und da allewege im Tempel zu sein, und Gott zu verherrlichen und zu loben, Luk. 24,52.53. Judas Ischarioth hätte den Segen Jesu auch bekommen können, wenn er treu gewesen oder geblieben wäre: aber er wollte den Fluch haben, und dieser kam ihm auch; er wollte des Segens nicht, darum blieb er auch ferne von Ihm, Ps. 109,17.
Segne mich auch, HErr Jesu, der Du zur Rechten Gottes sitzest, und Alles in Deiner Hand hast. Ich bin ein Sünder: aber Deine Jünger waren auch Sünder. Sie sind aus sündlichem Samen gezeugt worden, wie ich, sie haben vielleicht in ihrer Jugend muthwillig gesündiget, wie ich, sie haben auch in Deiner Nachfolge Fehltritte gemacht, wie ich: Du aber gedachtest ihrer Sünden nicht, und segnetest sie. So gedenke denn auch nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Uebertretung: gedenke aber meiner nach Deiner großen Barmherzigkeit um Deiner Güte willen, und segne mich auch, wie Du Deine Jünger gesegnet hast. Der Segen, womit Du Deine Jünger segnetest, floß aus Deiner Fülle aus Gnaden, und sie empfingen ihn, da ihre Herzen durch den Glauben gegen Dir gleichsam geöffnet waren: Deine Fülle aber ist unerschöpflich, und kann auch auf mich und viele Andere Segen ausfließen lassen; und, ob wir schon desselben nicht würdig sind, so leitet doch die Gnade diesen Segen auch auf Unwürdige, bei denen der Heilige Geist durch die lieblichen Zeugnisse von Deiner Erlösung und Menschenliebe ein Zutrauen zu Dir erweckt, und gleichsam eine Oeffnung der Herzen gewirkt hat. Dein Segen komme also auf uns, und der Fluch des Gesetzes, den Du getragen hast, bleibe ewiglich zur Ehre Deiner Erlösung von uns abgewendet. Dein Segen fließe so in uns ein, daß wir gestärkt werden, Dich täglich anzubeten, und Dir mit Freuden unter dem Leiden zu dienen, bis wir hinkommen, wo Du bist, und Deine Herrlichkeit sehen.(Magnus Friedrich Roos)