Riggenbach, Christoph Johannes - Die Auferstehung Jesu.

Riggenbach, Christoph Johannes - Die Auferstehung Jesu.

Der Herr ist wahrhaftig auferstanden! Dieser Ruf, mit dem die Jünger, die von Emmaus zurückkamen, von den Aposteln begrüßt wurden, ist seither schon bis ins 19. Jahrhundert hinein durch alle Welt erschollen. Das ist das Triumphwort, welches Ostern zum Siegesfeste stempelt. Das ist das Bekenntnis, durch dessen Kraft die Gemeinde entstanden ist und noch besteht. Zeugen der Auferstehung Christi, so nennen sich einstimmig die Apostel, und ohne diesen Glauben hätte es nimmermehr eine Gemeinde des Gekreuzigten gegeben. Sagen wir aber: ohne diesen Glauben nicht, so heißt das auch: ohne diese Tatsache nicht; denn der Glaube der ersten Jünger ruht durchaus auf der Tatsache, die sie uns trüglich, wiederholt, zuerst einzeln, dann die Zwölfe, dann bis zu 500 mit einander erfuhren. Man hat mit Grund gesagt, es gebe nicht leicht eine Tatsache in der Weltgeschichte, die besser bezeugt und beglaubigt wäre, als eben die Auferstehung Christi.

Wer nun freilich beginnt, die Berichte der vier Evangelisten genauer unter sich zu vergleichen, den macht es betreten, auf so mancherlei Unterschiede der Erzählung zu stoßen, die einer Ausgleichung zu widerstreben scheinen. Da berichtet Matthäus von zwei Frauen, der Maria Magdalena und der anderen Maria, der Mutter des Jakobus nämlich, dass sie im leeren Grabe durch einen Engel die Osterbotschaft empfingen, verbunden mit dem Auftrag an die Jünger, sie sollten in Galiläa mit dem Auferstandenen zusammentreffen. Das Gleiche wiederholt ihnen, den beiden Marien, Christus selber, der ihnen erscheint. Und nun brechen die elf Jünger nach Galiläa auf, sehen dort den Herrn auf einem Berge und empfangen seine Befehle; von einer anderen als dieser einzigen Erscheinung ist keine Rede; ja es scheint unmöglich, dass eine andere vorangegangen sei, sonst hätten nicht wohl auch noch einige zweifeln können (Matth. 28,17).

Markus beginnt ähnlich wie Matthäus, nur fügt er den beiden Marien noch die Salome bei; die drei Frauen sehen den Engel im Grabe sitzen, und fliehen dann mit solchem Entsetzen, dass sie niemanden etwas zu berichten wagen. Erst Maria Magdalena meldet, was sie gesehen, nachdem ihr Jesus erschienen ist; nach Markus nur der Maria, nicht ebenso den anderen Frauen. Daran schließt sich nun aber, wovon Matthäus schweigt, die Erscheinung Christi, welche zweien, die über Feld gingen, zu Teil wurde, und weiter die Offenbarung des Herrn im Kreis der Elfe, die zu Tische lagen; wir müssen wohl verstehen: am Osterabend in Jerusalem. Und nun stimmen zwar die weitern Worte des Auferstandenen (Markus 16,15 ff.) zu jener Rede, die Matthäus da berichtet, wo er von der Erscheinung auf dem Berg in Galiläa redet, und es hat auch Markus gleichfalls (V. 7) die Bestellung der Jünger nach Galiläa erwähnt, bei jenen Worten hingegen von der Taufe (V. 15) bemerkt er es mit keiner Silbe, dass sie in Galiläa gesprochen seien, vielmehr sieht es aus, als wäre alles Weitere, sogar bis zur Himmelfahrt (V. 19) bereits an jenem ersten Abend und zwar in Jerusalem vorgefallen.1)

Einen ähnlichen Eindruck macht uns Lukas. Nach ihm (24,10) waren es Maria Magdalena, Johanna, Maria Jakobi und Andere mit ihnen, also wenigstens fünf Frauen, die zum Grab hinausgingen, es leer fanden, zwei Engel darin stehen sahen, die Botschaft zurückbrachten, und dadurch den Petrus veranlassten, dass er zum Grab hinauseilte. Dass eine oder mehrere der Frauen Jesum selbst gesehen hätten, davon meldet er gar nichts. Hingegen erzählt er dann, was die Jünger, die nach Emmaus gingen, erlebten, berührt es mit einem Worte, dass auch Simon Petrus den Herrn gesehen (V. 34), schließt daran die Geschichte von der Erscheinung unter den Elfen am Osterabend, und führt die Erzählung ebenso unaufhaltsam, wie Markus, zum Ende, so dass es aussieht, als sei Jesus noch am gleichen Abend gen Himmel gefahren, freilich nicht von Jerusalem aus, sondern nachdem er die Jünger bis gen Bethanien hinausgeführt hatte (V. 50).

Ganz eigentümlich lautet endlich die Darstellung des Johannes. Er redet einzig von der Maria Magdalena. Diese sei noch vor Tag zum Grabe gekommen, und da sie den Stein abgewälzt gefunden, sei sie ohne Untersuchung in höchster Bestürzung zu Petrus und Johannes geeilt mit der Schreckenskunde: sie haben den Herrn aus dem Grabe genommen. So kamen die Beiden, untersuchten das Grab und kehrten wieder beim. Maria, die wieder hinausgekommen war, sah zwei Engel im Grabe sitzen, sah gleich darauf Jesum selber, den sie zuerst für den Gärtner hielt, und brachte die Kunde den versammelten Jüngern. Am Abend erschien Jesus denselben mit dem Friedensgruß. Nur Thomas ist nicht dabei. Darum offenbart sich der Herr acht Tage später noch einmal, um auch diesen Jünger zum Glauben zu führen, und sodann ein drittes Mal einer Anzahl seiner versammelten Apostel in Galiläa am See bei Tiberias (Joh. 21,14).

Nehmen wir nun auch noch die Aufzählung hinzu, die uns der Apostel Paulus von den Erscheinungen des Auferstandenen gibt, so lesen wir, dass Kephas, das ist Petrus, ihn sah, danach die Zwölfe, danach mehr als 500 Brüder auf einmal, wovon kein Evangelist Erwähnung tut, danach Jakobus, wovon abermals die Evangelisten schweigen, danach die sämtlichen Apostel, und zuletzt Paulus selber, der damals noch die Gemeinde verfolgte (1 Korinth. 15,4-9).

So mannigfaltig lauten die verschiedenen Berichte. Aber nicht nur mannigfaltig, sondern wie es scheint, geradezu widersprechend; am meisten darin, dass Matthäus von keiner anderen als von der Erscheinung in Galiläa redet, Lukas hingegen dieselbe geradezu auszuschließen scheint. Nach Galiläa werde er ihnen vorausgehen, hatte Jesus schon in der Nacht vor seinem Leiden verheißen (Matth. 26,32); wohl wiederholt der Engel diese Verheißung, und desgleichen Jesus, da er den Frauen erscheint (Matth. 28,7.10). Während er aber hier den Jüngern befehlen lässt, nach Galiläa zu gehen, als hätten sie in Jerusalem nichts zu erwarten, sieht es bei Lukas (24,49) im Gegenteil aus, als wehre er ihnen einen solchen Gang aufs Bestimmteste. Ihr sollt in der Stadt Jerusalem bleiben, bis ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe, so spricht er zu ihnen, wie es den Anschein hat, schon am Abend des Ostersonntags selber.

Ist denn dieser Widerstreit zu schlichten, und wie? Man hat es so versucht, dass man unter dem Berg Galiläa, von welchem Matthäus redet, den nördlichen Gipfel des Ölbergs verstehen wollte; aber diese Annahme stützt sich auf allzu späte und unzuverlässige Zeugen, und für die Erscheinung am See Tiberias bliebe dann erst kein Raum. Wir müssen eine andere Lösung suchen.

Vor allem führt uns schon das gewichtvolle Zeugnis des Apostels Paulus zu der Überzeugung, dass die Erscheinungen des Auferstandenen unmöglich innerhalb eines einzigen Tages verlaufen konnten, so dass, wenn es auch bei Markus und Lukas diesen Anschein hat, dies eben nur ein bloßer Schein ist. Das wird uns aber noch zudem durch Lukas selbst bestätigt. Denn in der Apostelgeschichte (1,3) lesen wir, dass der Auferstandene während vierzig Tagen den Jüngern wiederholt erschienen sei, und dass er ihnen jenes Gebot, nicht von Jerusalem zu weichen, bei seinem Abschied gegeben habe (V. 4 ff.), wie es denn auch ein Abschiedsauftrag ist; haben sie aber diesen Befehl ihres Herrn erst am Himmelfahrtstag empfangen, so konnten sie ganz gut vor demselben schon wieder vom See Tiberias und von dem Berg in Galiläa zurück sein.

So lehrt uns der gleiche Schriftsteller durch eine genauere Zeitangabe, sein früheres unbestimmtes Wort richtig verstehen. Er hatte nämlich, und ebenso Markus, in seinem Osterbericht die Reihe der Erscheinungen des Auferstandenen und den Hauptinhalt seiner Reden in ein Ganzes kurz zusammengefasst. Es entspricht das dem wunderbaren Charakter jener Tage, da Zeit und Stunde den Jüngern verschwand, weil sie halb schon in der Ewigkeit lebten; da die Offenbarungen alle, dieses wiederholte Erscheinen und Verschwinden, wie ein beständiges Abschiednehmen aussahen, also dass jede derselben den Eindruck machte, als wäre sie die letzte. Legen wir aber den Verlauf in seine einzelnen Teile auseinander, so wie Lukas selber uns die Anweisung gibt, so steht der später erteilte Befehl, in Jerusalem zu bleiben, dem früheren Gang nach Galiläa durchaus nicht mehr im Wege.

Und ebenso wenig hindert Matthäus, wenn wir seine Eigentümlichkeit erwägen, vor der galiläischen Erscheinung die jerusalemischen einzuschalten. Matthäus führt die Grundwahrheiten seines Evangeliums in großen Zügen durch bis ans Ende. Vollständigkeit im Einzelnen erstrebt er nirgends; Genauigkeit in den äußeren Zügen ist nicht sein Augenmerk. Dass Jesus Abrahams Same, Davids Sohn, der verheißene messianische König sei, das ist ja überhaupt der Gegenstand seines ganzen Evangeliums. Dass die Obersten der fleischlichen Juden in Jerusalem die Botschaft von seiner Auferstehung durch Bestechung der Hüter zu unterdrücken suchten, erzählt nur Matthäus. Dieser Bosheit der Feinde stellt er nun gegenüber, wie der Auferstandene die Elfe zu Häuptern der neuen Gemeinde in Galiläa bestellt. Die Erscheinung auf dem Berge, wo der Herr am großartigsten von der Gewalt, die ihm gegeben sei, redet, und seinen Boten zur Aufrichtung seines Reiches Befehl, Vollmacht und Verheißung erteilt, diese Erscheinung eignete sich vor allen zum Abschluss dieses Evangeliums. Dass es die einzige war, behauptet Matthäus keineswegs; vielmehr indem er sagt: sie gingen auf den Berg, dahin sie Jesus beschieden hatte (Matth. 28,16), und doch hatte Matthäus diese genauere Bestellung nicht erzählt, so lässt er also selber merken, dass noch anderes dazwischen getreten war.

Mit der hochbedeutsamen Erscheinung auf dem Berg ist wahrscheinlich einerlei die Offenbarung des Herrn vor den mehr als 500 Brüdern (1 Kor. 15,6), deren viele noch lebten, als Paulus schrieb. Wenigstens ist es leichter zu verstehen, dass Matthäus nur nichts von der großen Zahl der Gläubigen sagte, indem er sich auf die Häupter der Gemeinde beschränkte, als dass die Erscheinung vor den 500 von allen Evangelisten sollte übergangen sein. Auch eignet sich der Berg zu einer großen Versammlung und Galiläa, wo der Herr seine meisten Anhänger zählte, zu einer Zahl von mehr als 500, während in Jerusalem auf den Pfingsttag nur 120 Jünger beisammen waren (Apostelg. 1,15). Endlich haben wir diejenigen, die auf dem Berg in Galiläa noch zweifelten (Matth. 28,17), wohl eher in einem weitern Kreis als unter den Elfen zu suchen.

In dieser Weise lässt sich der Hauptunterschied zwischen den Osterberichten ungezwungen ausgleichen. Ja bei näherem Eindringen erkennen wir, dass es zu jener hochwichtigen Hauptversammlung in Galiläa gar nicht hätte kommen können, wenn nicht der Herr in seiner Gnade ein Mehreres an seinen Jüngern getan hätte, als er ihnen zuerst in Aussicht stellte. Sehen wir doch, wie wenig sie in der rechten Bereitschaft stunden, dem Befehl, der sie nach Galiläa wies, Folge zu leisten. Da die Frauen von der Engelbotschaft Meldung taten, däuchten sie ihre Worte, als wären es Märlein (Lukas 24,11). Da Maria verkündete, wie sie den Herrn selber gesehen, glaubten sie nicht (Markus 16,11). Da die Jünger, die von Emmaus zurückkehrten, ihre Freudenbotschaft brachten, hieß es wohl: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen, aber wie schwach ist noch der Glaube, wie wogt es noch auf und ab in ihren Herzen, wie erschrecken sie vor Jesu, als vor einem Gespenst und können selbst vor Freuden nicht glauben (Lukas 24,34.37.41), also dass Markus (16,13) mit voller Wahrheit sagen kann: sie glaubten auch den Zweien nicht, die vom Feld heimkamen; erst der Herr, da er ihren Unglauben schalt und mit allen Erweisungen seiner Leibhaftigkeit sie überführte, machte, dass die Jünger froh wurden; an einem Thomas musste er das Gleiche acht Tage später tun (Joh. 20,20.26). Wie hätten aber die Apostel, die so schwer zum Glauben kamen, an einen bestimmten Ort nach Galiläa gehen, ja vollends andere dorthin bestellen können, hätte nicht Jesus zuvor in Jerusalem ihren Unglauben überwunden und sie zu fröhlichen Zeugen seiner Auferstehung gemacht?

Es bleibt noch ein Wort zu sagen über die Berichte von dem, was die Frauen erlebt hatten. Paulus übergeht dies völlig, entsprechend seinem Grundsatz: eure Weiber sollen schweigen in der Gemeine (1 Kor. 14,34). Wo sich's um die Zeugen handelt, die allem Volk die Wahrheit bezeugen sollen, da haben die Frauen ihre Stätte nicht. Ihr hochwichtiger Beruf bezog sich auf den Familienkreis der Jünger. Da waren sie die ersten, die der Osterfreude gewürdigt wurden, weil sie auch die ersten waren, welche die Liebe zum Herrn ans Grab hinaustrieb. Den Liebesdienst, den sie dem Leichnam tun wollten, bedurfte er nicht; statt zu bringen, was zur Verehrung des Toten diente, sollten sie empfangen, was ihnen die Gewissheit des ewigen Lebens gäbe, und sollten gewürdigt werden, die ersten zu sein, welche die Apostel zwar nicht überzeugten, aber doch aus ihrer Trauer aufweckten, die Botinnen der Boten Christi.

Gerade daraus aber, dass der Beruf der Jüngerinnen sich auf den engeren Kreis beschränkt, verstehen wir auch, warum die Berichte von dem, was die Frauen erlebt, in den verschiedenen Evangelien so verschieden wiedergegeben sind. Man spürt darin noch recht den frischen Puls der Berichterstattung, wie dieser Jünger von dieser Frau, jener von einer anderen die Erzählung vernommen. Nachdem die Apostel selber zum Glauben gekommen, lag ihnen nicht daran, den Verlauf des äußeren Vorgangs in allen Einzelheiten wie ein Protokoll zu verifizieren. So tragen sie nun den Charakter von ersten Berichten und zwar aus Frauenmund. Einen Stempel der Wahrheit, des Selbsterlebten haben sie durchaus; es zieht sich im Wesentlichen der gleiche Verlauf durch alle vier Berichte hindurch; aber wie die Frauenhand malt, mit zarter Färbung, doch nicht mit ebenso festen Umrissen, so sind die Grenzen der Berichte etwas fließend; dies um so mehr, als ja notwendig die Stimmung der Frauen, die das Außerordentliche erlebten, eine ungewöhnlich erregte und erhöhte sein musste. Gerade diese Verwirrung der außer Fassung Gebrachten, diese Mischung von Freude und Entsetzen, von Hoffnung und Bestürzung drückt sich so unnachahmlich wahr in der Beschaffenheit jener Erzählungen aus, also dass wir sagen dürfen: es müsste ein fühlloser Mensch sein, der nicht immer von neuem durch den Morgenduft, der über sie gebreitet ist, ganz eigentümlich selig bewegt würde.

Versuchen wir nun, nach dem Gesagten, die Reihenfolge der Begebenheiten so sicher, als es geschehen kann, herzustellen. Nach dem Sabbat, als der erste Wochentag anbrach (so lautet es bei Matthäus 28,1 nach richtiger Übersetzung) brachen die beiden Marien mit Salome (Mark. 16,1), Johanna (Luk. 24,10) und anderen auf, um ans Grab zu gehen. In früher Morgendämmerung (Luk. 24,1) verließen sie die Stadt. Die Magdalenerin, am meisten erregt, eilte voraus, und kam, da es noch finster war, zum Grabe (Joh. 20,1), sah den Stein hinweggewälzt und lief voll Schrecken zurück; sie sagt aber auch bei Johannes (V. 2), der doch von den übrigen Frauen geschwiegen hatte: wir wissen nicht, wo sie den Herrn hingelegt haben.

Während sie fort ist, gelangen die übrigen Frauen zum leeren Grab, nach Markus (V. 2), wie eben die Sonne aufgegangen war, treten ein und sehen einen Engel (Matth. 28,5; Markus 16,5) oder zwei (Luk. 24,4.23), einen schon draußen (Matth.), einen oder beide drinnen, sitzend (Markus), oder stehend (Luk.), das wechselt je nach der Berichterstatterin und wechselt tatsächlich in lebendiger Bewegung. Die Engel nun verkündigen ihnen, dass der Lebendige nicht mehr bei den Toten zu suchen sei. Darauf eilen die Frauen voll Freude und doch voll Bestürzung zurück. Nach Markus (V. 8) wagen sie zuerst niemanden etwas zu sagen; vielleicht dass sie erst von dem, was sie erlebt, zu reden begannen, als Maria Magdalena die Kunde von der Erscheinung Christi brachte.

Unterdessen kommt Petrus, nach Lukas (24,12) nur dieser Apostel, nach Johannes (20,3) Petrus und der andere Jünger, wie denn auch bei Lukas selbst (V. 24) die Emmausjünger von etlichen reden, die zum Grab hinausgegangen seien. Das geschah laut Johannes auf die Botschaft der Magdalena hin; Lukas redet davon erst nach der Rückkehr aller Frauen, weil er nichts davon bemerkt hatte, dass die Magdalenerin von den anderen weggeeilt war.

Nachdem die beiden Jünger das Grab verlassen, hat Maria Magdalena dort das Gesicht der Engel und sofort die erste Erscheinung des Herrn (Joh. 20,14; Markus 16,9). Ob wir den Bericht des Matthäus (28,9.10), wie Jesus den beiden Marien erschienen sei, nur für eine andere, etwas ungenauere Darstellung der gleichen Erscheinung halten sollen, oder ob wir anzunehmen haben, der Herr sei nach der Maria Magdalena auch den Frauen überhaupt erschienen, das wird schwerlich mit Sicherheit zu entscheiden sein. Das letztere wäre um so leichter anzunehmen, wenn wir V. 9, der älteren und kürzeren Lesart folgend, nichts anderes läsen als: Und siehe, Jesus begegnete ihnen nämlich nicht auf dem Heimweg, sondern erst später, nachdem Maria Magdalena die erste Erscheinung empfangen hatte.

Jedenfalls aber scheinen die Jünger, die nach Emmaus gingen, Jerusalem verlassen zu haben, bevor irgend eine der Frauen den Auferstandenen selbst gesehen hatte, oder wenigstens ohne von einer solchen Erscheinung etwas erfahren zu haben (Luk. 24,23). Die beiden waren es dann, welchen der Herr, bevor sie ihn erkannten, mit seiner Auslegung der Schrift das Herz brennen machte (Luk. 24,32). Während sie zurück nach Jerusalem eilten, erschien Jesus auch dem Simon Petrus (Luk. 24,34; 1 Kor. 15,5); hierauf den versammelten Aposteln (Mark. 16,14; Luk. 24,36-43; Joh. 20,19-23; 1 Kor. 15,5); acht Tage nachher auch noch dem Thomas (Joh. 20,24 ff.); sodann zum dritten Mal den sieben Jüngern am See Tiberias (Joh. 21); hierauf den Elfen und wahrscheinlich den mehr als 500 Brüdern auf dem Berg in Galiläa (Matth. 28,16 ff.; Markus 16,15-18; 1 Kor. 15,6). Dann bekam noch Jakobus den Herrn zu sehen (1 Kor. 15,7), und endlich nochmals alle Jünger, woran sich die Himmelfahrt Christi anschloss (1 Kor. 15,7; Mark. 16,19; Luk. 24,44 ff.; Apostg. 1). Die Offenbarung, durch welche Saulus zum Paulus wurde, fiel in eine spätere Zeit.

Das ist die Botschaft der Auferstehung, von welcher Paulus spricht: es sei nun ich oder jene (die anderen Apostel), also predigen wir, und also habt ihr geglaubt (1 Kor. 15,11). Des Paulus Zeugnis schließt dasjenige der Zwölfe, ja der 500 Brüder in sich; und was ist Paulus für ein gewichtiger Zeuge, von der höchsten Bedeutung nach Erkenntnis und Charakter! ein Mann, dem die Erscheinung Christi eine Ursache der gewaltigsten Sinnesänderung wurde; ein Mann, der die Gründlichkeit seiner Überzeugung durch ein Leben voll von Kämpfen und Opfern erprobte; ein Mann der brünstigen Liebe und nicht minder der heiligen Klarheit, der wohl zu unterscheiden wusste zwischen den Verzückungen, von denen er selten und ungern redete, wo er unaussprechliche Worte vernahm (2 Kor. 12,4), und zwischen der Tatsache, dass er bei Damaskus den Herrn Jesum sah, was überall unter den ersten Hauptstücken war, die er in seiner Predigt verkündete, weil von daher seine Bekehrung und zugleich seine Berufung zum Heidenapostel stammte (Gal. 1,16.17; 1 Kor. 9,1; 15,3.8). Es ist sehr bedeutsam, dass schon zu seiner Zeit in der korinthischen Gemeinde Leute auftraten, welche die Auferstehung leugneten; sie gaben dem Apostel die Veranlassung zu der mächtigen Bezeugung der Wahrheit, die nicht nur damals den Irrtum niederschlug, sondern für alle Folgezeit als ein Fels dasteht, daran die schäumenden Wogen desselben Irrwahns zu Schanden werden.

Es ist freilich etwas höchst Auffallendes, was uns die Osterberichte vor Augen stellen: Der Gestorbene, der leibhaftig wieder vor seinen Jüngern steht, mit einem Leib, der die Eigenschaften eines wirklichen Leibes hat, und zugleich die entgegengesetzten Eigenschaften; mit einem Leib von Fleisch und Bein, der da sichtbar und tastbar ist wie zuvor, der an der gewohnten Stimme erkannt wird, der die Wundenmale noch an sich trägt, der Speise genießt, und den doch wiederum verschlossene Türen nicht am Eintritt hindern, der verschwindet und endlich gen Himmel fährt: das dünkt uns durchaus widersprechend zu sein. Aber so muss es sein, wo Kräfte der Ewigkeit ins Diesseits treten, wo das verklärte Leben mitten im unverklärten auftritt. Wir sollen dereinst zur Ähnlichkeit seines verklärten Leibes gelangen (Phil. 3,21; 1 Kor. 15,49); einstweilen aber tragen wir nur in unserem natürlichen, oder wie es wörtlich heißt: in unserem seelischen Leibe den Keim des geistlichen Leibes, wie das Samenkorn die Triebkraft zu einer ungeahnten Entfaltung in sich schließt.

Der geistliche Leib, das heißt nicht ein Leib, der nichts als Geist wäre, so wenig als unser jetziger seelischer Leib aus nichts als lauter Seele besteht; sondern wie unser jetziger Leib in dem zeitlichen unverklärten Dasein der Seele zum Werkzeug dient, so wird dem Geist, wenn er im Reiche der Verklärung zur Entfaltung der ungehemmten Kraft und Herrschaft gelangt ist, ein entsprechendes Werkzeug zu Gebote stehen, eine Leiblichkeit nämlich, darin keine Trägheit und Schwäche des Stoffes mehr dem Geist irgend ein Hindernis seiner freisten Bewegung bereitet.

Das sehen wir in Christo, dem Erstling aus den Toten, vor uns. Wir begreifen es nicht, wenn begreifen heißen soll: aus dem Selbsterlebten heraus das, was uns vorkommt, verstehen. Aber wir begreifen es als den Abschluss des Erlösungswerkes, ohne den es ein Gewölbe wäre, dem der Schlussstein mangeln würde. Wir begreifen es als die Wirkung der mächtigen Stärke Gottes, welche er gewirkt hat in Christo, da er ihn von den Toten auferweckte (Eph. 1,19.20). Auf diesen Gott, der Wunder tut, führt der Apostel sein Zeugnis zurück, mit dem vollen Bewusstsein, dass, wenn es nicht wahr wäre, er erfunden würde als ein falscher Zeuge Gottes, der wider Gott gezeugt hätte (1 Kor. 15,15). Und wie sollten wir ihm widersprechen, so wir glauben an den lebendigen Gott, welcher der Herr seiner Schöpfung ist, nicht gefesselt durch Naturgesetz, als wären sie ihm, wer weiß durch wen denn, auferlegt?

Er ist freilich eben so wenig ein Gott der Willkür, sondern der Ordnung (1 Kor. 14,33), und was wir lernen sollen, das ist, dass uns hier eine Ordnung Gottes entgegentritt, eine höhere Ordnung, die er mit Christo in die Welt hineingepflanzt hat, eine Erfüllung seines Rates von der Welt her, eine Verwirklichung dessen, worauf Moses und die Propheten zielen. Denn es ist ja nichts anderes als die Ordnung der Erlösung, aber der ganzen vollen Erlösung, der Erlösung von der Sünde und ihrem Sold, dem Tode; das ist's, was uns in Christo, dem Auferstandenen, verkündigt wird. Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? spricht der Engel (Luk. 24,5). Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit, so lautet das Wort des erhöhten Herrn an seinen Knecht Johannes (Off. 1,17.18).

Ja, die Auferstehung des Gekreuzigten ist der Kern des Evangeliums. Wäre es nichts damit, so bezeugt uns der Apostel auf das entschiedenste: dann wäre unsre Predigt vergeblich, dann wäre euer Glaube eitel, dann wäret ihr noch in euren Sünden (1 Kor. 15,14.17). Wir können gleichbedeutend sagen: dann gäbe es keine Erlösung. Denn was ist Erlösung? Nach der Schrift nichts anderes als Loskauf von dem Fluch der Sünde; ein Loskauf, durch den alle Gerechtigkeit erfüllt ist; ein Loskauf, kraft dessen wir gerechter Maßen den Anspruch bekommen, ins ewige Leben einzugehen. Um unserer Sünden willen ist Christus dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt (Röm. 4,25), also damit wir als die Seinigen rechtmäßiger Weise zum Leben kämen. Ohne Christi Auferstehung fiele das dahin, und wir wären nicht allein noch im Tode, sondern auch noch ohne Erlösung in unseren Sünden; ja so wir allein in diesem Leben auf Christum hofften, wären wir die elendesten unter allen Menschen (1 Kor. 15,19).

Ein gewaltiges Wort! wer fasst es recht, von welchem Elend er redet? Wir hätten einen Glauben gefasst zu Gott, dem heiligen und gerechten, dem gnädigen und barmherzigen und lebendigen und nun hätten wir uns seiner vergebens getröstet, denn er wäre nicht im Stande, den Tod zu töten. Wir hätten gehofft auf die endliche Verherrlichung der Sache Gottes, auf den schließlichen Sieg über alle Bosheit, auf eine Vollendung der Erlösung, wo alle Sündenneigung, alle Macht und aller Fluch der Sünde völlig werde abgetan sein, wo wir vom Gräuel des ungöttlichen Wesens gänzlich frei sein werden; und mit dem Allem wäre es nichts. Wir hätten das Höchste und Herrlichste im Geist geschaut: ein ganz heiliges, ganz seliges Reich des großen Gottes, und dieses Herrlichste wäre - ein leeres Traumbild. Die lebendigen Christen, wie ein Apostel Paulus, von einem Strahl aus Gottes Herrlichkeit erleuchtet, nach Gottes Ehre begehrend, nach seiner ganzen Ehre, die nur im Auswirken einer ganzen Erlösung bestehen kann, hätten an dieses höchste Ziel den Dienst eines ganzen Lebens voll Not und Entbehrung, voll Opfer, Zucht und Kampf gewendet, und umsonst gewendet. Dann wären, die das Höchste und Heiligste umsonst gehofft hätten, gerade deswegen die Elendesten unter allen Menschen.

Nun aber ist Christus auferstanden aus den Toten und der Erstling geworden derer, die da schlafen (1 Kor. 15,20); der Erstling, der nicht allein bleiben wird; der Erstling, der seine Auferstehungskraft schon wohl in denen wirken lässt, die an ihn glauben (Eph. 2,6). Denn er gibt ihnen seinen Geist als ein Pfand der Erlösung, als ein Angeld des Lebens, das seiner Vollendung von innen heraus entgegenwächst (Eph. 1,14; Röm. 8,11). Was die Christen an ihrem auferstandenen Erlöser haben, das ist nicht etwas rein Zukünftiges. Er ist, und sie empfangen in der Glaubensgemeinschaft mit ihm einen Anfang des inneren Lebens, der Versöhnung, des Friedens, des Umgangs mit Gott, der Kindschaft und der Heiligung, einen Anfang, der die Bürgschaft in sich selber trägt: Das ist Leben, das den Namen verdient; das ist ewiges Leben; das ist, was Gott in die Welt des Todes hineinpflanzen wollte, was den Tod überwindet, was Gott vollenden wird in der Aufrichtung seines ewigen Reiches. Schon wohl hat er, der Auferstandene, alle Gewalt im Himmel und auf Erden; er ist bis an der Welt Ende mit seinen Zeugen, die das Evangelium predigen aller Kreatur, und daran arbeiten, unter allen Völkern die Aufrichtung seines Reichs anzubahnen. Jetzt ist dasselbe noch unter der Knechtsgestalt und Niedrigkeit verhüllt. Aber wie er, der König, in die himmlische Herrlichkeit eingegangen ist, so wird er auch seine Gemeinde derselben teilhaftig machen. Und im Glauben spricht sie mit dem Apostel (1 Kor. 15,57): Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesum Christum.

Chr. Joh. Riggenbach in Basel.

1)
Wir benützen ohne Bedenken auch den angefochtenen Schluss des Markus, 16, 9-20. Zwar ist, seit Tischendorf die Sinaitische Bibelhandschrift entdeckte, zu dem einen alten Zeugen, den wir schon hatten, ein zweiter hinzugekommen, bei welchem dieser Abschnitt fehlt; und dass solches im vierten Jahrhundert noch viel häufiger der Fall war, ist aus mehrfachen Aussagen gewiss. Aber ebenso sicher ist es, dass Vers 8 unmöglich den ursprünglichen Schluss des Evangeliums bildete. Sondern entweder ist der Schlussabschnitt V. 9-20 dennoch der echte, und nur das letzte Blatt des Buches frühzeitig verloren gegangen; oder aber dieses hat stattgefunden, und ein anderer als der erste Verfasser suchte den Verlust zu ersetzen; dies aber jedenfalls in frühester Zeit; dafür liegen bestimmte Zeugnisse schon des zweiten Jahrhunderts vor; und nicht minder spricht dafür dass innere Gepräge des Abschnitts, das einen originellen Schriftsteller zu erkennen gibt, der durchaus in der Lage war, an der noch immer fließenden ursprünglichen Quelle zu schöpfen.
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