Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 27. Psalm.
1. Ein Psalm Davids. Der HErr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der HErr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen? 2. Darum, so die Bösen, meine Widersacher und Feinde, an mich wollen, mein Fleisch zu fressen; müssen Sie anlaufen und fallen. 8. Wenn sich schon ein Heer wider mich leget, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht. Wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf Ihn. 4. Eins bitte ich vom HErrn, das hätte ich gerne, dass ich im Hause des HErrn bleiben möge mein Lebenlang, zu schauen die schönen Gottesdienste des HErrn, und seinen Tempel zu besuchen. 5. Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er verbirgt mich heimlich in seinem Gezelt, und erhöht mich auf einem Felsen; 6. Und wird nun erhöhen mein Haupt über meine Feinde, die um mich sind; so will ich in seiner Hütte Lob opfern, ich will singen und Lob sagen dem HErrn. 7. HErr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig, und erhöre mich. 8. Mein Herz hält dir vor dein Wort: Ihr sollt mein Antlitz suchen. Darum suche ich auch, HErr, dein Antlitz. 9. Verbirg dein Antlitz nicht vor mir, und verstoße nicht im Zorn deinen Knecht; denn du bist meine Hilfe. Lass mich nicht, und tue nicht von mir die Hand ab, Gott mein Heil. 10. Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der HErr nimmt mich auf. 11. HErr, weise mir deinen Weg, und leite mich auf richtiger Bahn, um meiner Feinde willen. 12. Gib mich nicht in den Willen meiner Feinde; denn es stehen falsche Zeugen wider mich, und tun mir Unrecht ohne Scheu. 13. Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde das Gute des HErrn im Lande der Lebendigen. 14. Harre des HErrn, sei getrost und unverzagt, und harre des HErrn.
Der 27. Psalm heißt in seiner Überschrift: Ein Psalm Davids. Zeit und Gelegenheit kann man daraus so genau nicht bestimmen, doch zeigt der ganze Psalm schon viel Erfahrung in den Wegen GOttes an, und er mag daher wohl in die letzten Zeiten Davids gehören. Denn das erste im Psalm ist nun, dass David ein gläubiges Bekenntnis ablegt, wie er in seinem Herzen einen unerschrockenen Mut habe, und wie sich derselbige auf seine vorigen Erfahrungen: dass der HErr sein Licht und sein Heil sei, gründe, und wie ihn diese Hauptabsicht auf das einige Notwendige vor der schädlichen Zerstreuung in die Sorgen verwahre, V. 1. 2. Dieses festen Vertrauens ungeachtet aber bittet David nun doch sehr sehnlich und anhaltend, dass GOtt in der gegenwärtigen Not an ihn gedenken, ihm Sein Wort und Zusage halten, und sich seiner nach aller Bedürfnis annehmen wolle, V. 7-12. Zuletzt spricht er doch seiner Seele wieder mutig zu, auf den guten Ausgang, den GOtt machen werde, und den sie abwarten solle, V. 13. 14. Siehe aus diesem Psalm, was es um den Glauben, auch bei aller Zuversicht und Freudigkeit, doch gleichwohl für eine geschmeidige Sache ist, wie er auch um das, wessen er aus dem Wort GOttes und Erfahrung wohl versichert ist, doch so demütig anhält, wie er sich das, wogegen ihn so viele Verheißungen GOttes sicher stellen, doch so geflissen abbittet, wie er GOtt nicht begehrt am Schnürlein zu haben nach seinem Willen, sondern vielmehr Unterweisung in GOttes Wegen und Leitung auf richtiger Bahn sucht. Glaubens-Mut, und ein steifer in Natur-Kraft gefasster Sinn, sind weit von einander unterschieden.
GOtt hat unter dem allgemeinen Ausdruck Seines Worts schon auch auf einen Jeden insonderheit eine gewisse ausdrückliche eigene Absicht in Seinem liebevollen Herzen. Vor Ihm ist Einer wie Alle, und Alle wie Einer das Augenmerk Seines Willens.