Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen - Der 129. Psalm.
1. Ein Lied im höhern Chor. Sie haben mich oft gedrängt von meiner Jugend auf, so sage Israel, 2. Sie haben mich oft gedrängt von meiner Jugend auf; aber sie haben mich nicht übermocht. 3. Die Pflüger haben auf meinem Rücken geackert, und ihre Furchen lang gezogen. 4. Der HErr, der gerecht ist, hat der Gottlosen Seile abgehauen. 5. Ach, dass müssten zu Schanden werden und zurück kehren alle, die Zion gram sind! 6. Ach, dass sie müssten sein wie das Gras auf den Dächern, welches verdorrt, ehe man es ausrauft! 7. Von welchem der Schnitter seine Hand nicht füllt, noch der Garbenbinder seinen Arm voll, 8. Und die vorüber gehen, nicht sprechen: Der Segen des HErrn sei über euch, wir segnen euch im Namen des HErrn.
Der 129. Psalm heißt 1) in seiner Überschrift wieder: Ein Lied im höhern Chor. Er besteht aus zwei Teilen. Erstlich 2) legt es der Mann GOttes dem ganzen Volk Israel in den Mund, wie es sich seiner von Anfang her ausgestandenen Bedrängnis und der Aushilfe GOttes daraus erinnern solle, V. 14. 3) hernach öffnet sich ihm eine wichtige Aussicht auf den frühzeitigen Untergang seiner Feinde, V. 5-8. Die zwischen dem Schlangen- und Weibes - Samen gesetzte Feindschaft hat Vieles von den Bedrängnissen Israels von Jugend auf veranlasst, und der Gram wider Zion hat auch dem Hause Davids viel Verfolgung zugezogen. Aber die Verheißung ist um deswillen nicht ausgeblieben. Eben unter der armen Gestalt ist der Teufel gefangen worden. Da er es meinte mit dem Hause Davids am Weitesten herunter gebracht zu haben, kam Der, der da kommen sollte, und zerstörte die Werke des Teufels. O, wie viel besser ists noch heute mit dem bedrängten und von der Welt verhassten Zion es zu halten, als sich zum Arm der Gottlosen zu schlagen, der andere Trübsal anlegt. Wie noch heut zu Lage das Politische, die Regiments und Reichs Verfassung und das Kirchliche oder Religions-Wesen genau ineinander geflochten sind, so war es auch ehemals mit Israel und Zion. Man drängte Israel, und an Israel war man vornämlich Zion gram, und so ists noch. GOtt aber sei Dank, der uns alle Zeit Sieg gibt in Christo!