Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen - Der 116. Psalm.
1. Das ist mir lieb, dass der HErr meine Stimme und mein Flehen hört, 2. Dass er sein Ohr zu mir neigt; dar um will ich mein Leben lang ihn anrufen. 3. Stricke des Todes hatten mich umfangen, und Angst der Hölle hatte mich getroffen; ich kam in Jammer und Not. 4. Aber ich rief an den Namen des HErrn: O HErr, errette meine Seele! 5. Der HErr ist gnädig und gerecht; und unser GOtt ist barmherzig. 6. Der HErr behütet die Einfältigen. Wenn ich unterliege, so hilft er mir. 7. Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; denn der HErr tut dir Gutes. 8. Denn du hast meine Seele aus dem Tode gerissen, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten. 9. Ich will wandeln vor dem HErrn, im Lande der Lebendigen. 10. Ich glaube, darum rede ich. Ich werde aber sehr geplagt. 11. Ich sprach in meinem Zagen: Alle Menschen sind Lügner. 12. Wie soll ich dem HErrn vergelten alle seine Wohltat, die er an mir tut? 18. Ich will den heilsamen Kelch nehmen, und des HErrn Namen predigen. 14. Ich will meine Gelübde dem HErrn bezahlen, vor allem seinem Volk. 15. Der Tod seiner Heiligen ist wert gehalten vor dem HErrn. 16. O HErr, ich bin dein Knecht, ich bin dein Knecht, deiner Magd Sohn. Du hast meine Bande zerrissen. 17. Dir will ich Dank opfern, und des HErrn Namen predigen. 18. Ich will mein Gelübde dem HErrn bezahlen, vor allem seinem Volk, 19. In den Höfen am Hause des HErrn, in dir, Jerusalem, Hallelujah.
Der 116. Psalm hat auch keine Überschrift, dem Inhalt nach aber geht seine Absicht dahin, unter dankbarem Angedenken an die genossene Hilfe GOttes sich ganz und gar an Ihn aufzuopfern. 1) Der Mann GOttes ist über die Erhörung seines Gebets innig gerührt, und fasst den Vorsatz, dem HErrn seinem GOtt ewig anzuhangen, V. 1. 2. 2) Er erzählt seine Erfahrung, sowohl was sie für Angst über ihn gebracht als auch wie er darunter getröstet worden sei, V. 39. 3) Er legt dem HErrn sein dankbares Herz dar, wie er der verschafften Hilfe nimmermehr vergessen, sondern seinem GOtt ewig anhangen wolle, V. 1019. Bei gesunden oder kranken Tagen sich vom Schrecken des Todes und der Hölle, oder doch von ernstlichen Stichen, so die Ewigkeit geben kann, recht durchsuchen lassen, schadet nichts. Es wird viel Härtigkeit der Natur zerbrochen, und das Herz zu mancher Erfahrung tüchtig gemacht, die sonst zurückbliebe. Da sieht man, wie die Einfältigen, die sich nicht selbst klug genug sind, noch zu helfen wissen, dem lieben GOtt im Herzen liegen. Aber auch mit welcher Beugung, Dank, Gehorsam und stiller Zufriedenheit der Glaube seinem GOtt und dessen Gnadenvorsatz begegnet, und sich unter Allem an die bewahrende GOttes-Macht hinhängt. Der selige Bengel schreibt in seinem Lebenslauf: „Mein Leiden war meist geistlich und verborgen, sachte und anhaltend, und besonders gab mir bisweilen einen geschwinden Stich die Ewigkeit, die der Mensch vor sich hat; da ohne peinliche Furcht vor dem Wehe, ohne wirkliche Freude auf das Wohl die Ewigkeit an sich selbst mit ihrer so großen Wichtigkeit mein Innerstes durchdrang, und schärfer durchläuterte, als keine Widerwärtigkeit zu tun vermag.“ Da mag es auch so durchdringende Seufzer wie im Psalm gegeben haben: O HErr, errette meine Seele. O HErr, ich bin Dein Knecht. Im Jahr Christi 303, unter der 10. heidnischen Verfolgung, wurde auch ein Knabe von sieben Jahren über dem Bekenntnis der Wahrheit zum Tode verurteilt, den seine Mutter selbst dem Scharfrichter hingab, und mit Vorhaltung eines Tuchs sein Haupt, das ihm abgeschlagen wurde, auffing, und es nochmals an ihre Brust drückte, und dabei die Worte gebrauchte: der Tod Seiner Heiligen ist wert gehalten vor dem HErrn. O HErr, ich bin Dein Knecht, ich bin Dein Knecht, Deiner Magd Sohn.