Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Joel - Das zweite Kapitel

Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Joel - Das zweite Kapitel

beschreibt umständlicher die teils schon angefangene, teils noch weiter bevorstehende Verwüstung des Landes durch außerordentliche Dürre und allerlei Geschmeiß, wobei aber der HErr selber immer zur Buße ermahnt, und noch Hoffnung auf einen übrigen Segen macht. Die Rede teilt sich gar merklich in zwei Hauptteile, V. 1-14 und V. 15

I. Zuerst werden alle Einwohner des Landes zusammen genommen, und ohne Unterschied zur Buße ermahnet.

1. Blast mit der Posaune zu Zion, ruft auf meinem heiligen Berge; erzittert, alle Einwohner im Lande: denn der Tag des HErrn kommt, und ist nahe. 2. Ein finstrer Tag, ein dunkler Tag, ein wolkiger Tag, ein nebliger Tag, gleich wie die Morgenröte sich ausbreitet über die Berge; nämlich ein großes und mächtiges Volk, desgleichen vorhin nicht gewesen ist, und hinfort nicht sein wird zu ewigen Zeiten für und für.

Manches ist in den Schätzen GOttes noch verborgen, und wird erst bei der Vollendung des heiligen Grimmes GOttes noch offenbar werden; Manches aber ist auch schon so ausgeführt, dass dergleichen nimmer kommen wird. Wohl dem, der vom zukünftigen Zorn erlöst ist.

3. Vor ihm her geht ein verzehrendes Feuer, und nach ihm eine brennende Flamme.

Lang anhaltende Dürre und große Hitze ist zur Vermehrung und schnellen Ausbreitung solcherlei Geschmeißes besonders wirksam. Das Land ist vor ihm wie ein Lustgarten, aber nach ihm wie eine wüste Einöde, und Niemand wird ihm entgehen.

4. Sie sind gestaltet wie Rosse, und rennen wie die Reiter. 5. Sie sprengen daher oben auf den Bergen, wie die Wagen rasseln, und wie eine Flamme lodert im Stroh, wie ein mächtiges Volk, das zum Streit gerüstet ist.

Wie hiermit wirkliche Heuschrecken und Geschmeiß mit feindlichen Rosen und Reitern verglichen, und ihr Einfall so beschrieben wird, wie man den Einfall eines feindlichen Heeres beschreiben könnte; so werden umgekehrt wirkliche feindliche, schädliche, häufig sich zudringende Völker, als Heuschrecken beschrieben Offenb. 9, 3. ff. Was einem, einzeln betrachtet, oft zu schwer dünken, und zu wenig Überzeugung gewähren könnte, das ist für einen an die ganze Schriftsprache Gewöhnten und mit Beugung unter derselben Stehenden weit leichter und geläufiger. Man lasse sich nur in Herz, Sinn und Gedanken recht vom Wort GOttes bilden, und schlage die Herunterlassung, die GOtt darin braucht, nicht im Eigendünkel aus.

6. Die Völker werden sich vor ihm entsetzen, aller Angesichter sind so bleich wie die Töpfe.

Überhandnehmende Furcht ist eine besondere Zugabe bei einbrechenden Gerichten. Unter den vorigen Sicherheiten und Üppigkeiten sammelt man sich Materie zu solcher Furcht.

7. Sie werden laufen wie die Riesen, und die Mauern ersteigen wie die Krieger; ein Jeglicher wird stracks vor sich das herziehen, und sich nicht säumen. 8. Keiner wird den andern irren, sondern ein Jeglicher wird in seiner Ordnung daher fahren; und werden durch die Waffen brechen, und nicht verwundet werden. 9. Sie werden in der Stadt umher reiten, auf den Mauern laufen, und in die Häuser steigen, und wie ein Dieb durch die Fenster hinein kommen. 10. Vor ihm erzittert das Land, und bebt der Himmel; Sonne und Mond werden finster, und die Sterne verhalten ihren Schein. 11. Denn der HErr wird Seinen Donner vor Seinem Heer lassen hergehen: denn Sein Heer ist sehr groß und mächtig, welches Seinen Befehl wird ausrichten; denn der Tag des HErrn ist groß und sehr erschrecklich, wer kann ihn leiden?

Weil die sämtlichen Gerichte GOttes endlich an jenem großen letzten Tag des Zorns ihre Vollendung bekommen, so werden auch die frühere Gerichte schon so beschrieben, wie sie den Menschen in ihren Gewissen jenen Tag mit allem Schrecklichen, und sonderlich mit ihrem Unvermögen zu bestehen, empfindlich darstellen. O was ist es um der Menschen Fleisch, wenn es außer der Gefahr und Not ist, wie trotzig? aber wie unvermögend und verzagt in der Not?

12. So spricht nun der HErr:

Dieser erweckliche Eingang wird zu der gleich folgenden Buß-Ermahnung mit gutem Bedacht gemacht, damit man es desto weniger nur so für einen gutgemeinten menschlichen Einfall des Propheten achte, wie es so den Leuten oft kommt: mau nehme eben von dem, was den Menschen sonst empfindlich sei, Gelegenheit, sie zur Buße zu ermahnen, und ihnen noch Linderung der Gerichte zu versprechen; es gehe aber damit doch seinen Gang. Diese ungläubige Geringschätzung der Buß-Ermahnung räumt dieser Eingang aus dem Weg, und lehrt das Folgende, nicht als Menschenwort aufzunehmen, sondern, wie es wahrhaftig ist, als GOttes Wort.

Bekehret euch zu mir von ganzem Herzen, mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen. 18. Zerreißt eure Herzen, und nicht eure Kleider; und bekehrt euch zu dem HErrn, eurem GOtt: denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und reut ihn bald der Strafe. 14. Wer weiß, es mag Ihn wiederum gereuen, und einen Segen hinter sich lassen, zu opfern Speisopfer und. Trankopfer dem HErrn eurem GOtt.

Keiner könnte sich zur Buße bequemen, wenn nicht gleich auch so ein Same zum Glauben und zur Hoffnung auf Gnade ins Herz gelegt würde. Und wenn schon diese Hoffnung nur allgemach aufgeht, wie der Ausdruck anzeigt: wer weiß, es mag ihn gereuen; so wird doch das wankende Herz davon im Verborgenen unterstützt, und kann es oft besser fassen, als wenn man es ihm gleich mit allzugroßer Gewissheit aufdringen will; wie man denn auch bei wirklicher bußfertiger Zukehr zu GOtt doch dergleichen Milderung in zeitlicher Strafe in GOttes freie Hand und Gnade zu stellen hat. Was GOtt darin tut, tut Er um Seines Namens willen: wie da einen Segen zum Opfern hinterlassen; so ist überall weislich Seine Ehre und unser Heil so mit einander verbunden, dass auch des Sünders Begnadigung das durch erleichtert wird, weil des Sünders Heil auch zu GOttes Ehre gereicht.

II. In der zweiten Ansprache werden nun unterschiedliche Arten und Geschlechte der Menschen namhaft gemacht, und Anweisung gegeben, wie die sich in der Demütigung vor GOtt zusammentun, und Ihm begegnen sollen, damit Er Seine ihnen bereits wieder zugedachte neue Gnade würdig bei ihnen anbringen könne.

15. Blast mit Posaunen zu Zion, heiligt ein Fasten, ruft die Gemeine zusammen. 16. Versammelt das Volk, heiligt die Gemeine, sammelt die Ältesten, bringt zuhauf die jungen Kinder und die Säuglinge; der Bräutigam gehe aus seiner Kammer, und die Braut aus ihrem Gemach. 17. Lasst die Priester, des HErrn Diener, weinen zwischen der Halle und Altar, und sagen: HErr, schone Deines Volks, und lass Dein Erbteil nicht zu Schanden werden, dass Heiden über sie herrschen. Warum willst Du lassen unter den Völkern sagen: Wo ist nun ihr GOtt?

Das obige Blasen V. 1. war mehr zum ersten Schrecken und Erwecken, wie das Anziehen der Sturm-Glocke; dies Blasen aber soll nun zum Versammeln eingerichtet sein, die öffentlichen allgemeinen Bußübungen zu veranstalten. Unsern ehemaligen allgemeinen Buß-, Bet- und Fast- Tagen hat es etwas von der annehmlichsten Freiwilligkeit des Geistes benehmen können, wenn man sie so, als durch obrigkeitliche Befehle ausgeschrieben, angesehen hat. Aber wenn man es als einen aus GOttes Liebes Herzen geflossenen Rat annehme, worunter Er Selber uns an die Hand geben wolle, wie man besonders den mit Seinen zeitlichen Gaben vorher getriebenen Missbrauch demütig zurücknehmen könnte; so würde es noch jetzt einem Land zum guten Geruch vor GOtt gedeihen. Sonderlich sollten des HErrn Diener unter ihren Amts-Verrichtungen das Weinen nicht so gar abgehen lassen. Es steht auch im N. T.: ich habe dem HErrn gedient mit vielen Tränen Apostelgesch. 20, 19., und: nun sage ich auch mit Weinen, Phil. 3, 18. Es wird nicht im Wege gefunden, sondern will mit redlichem Ernst gesucht sein, wenn so gnädige Antworten GOttes erfolgen sollen, als nun da weiter geschieht.

18. So wird denn der HErr um Sein Land eifern, und Seines Volks verschonen. 19. Und der HErr wird antworten, und sagen zu seinem Volk: Siehe, ich will euch Getreide, Most und Öl die Fülle schicken, dass ihr genug daran haben sollt; und will euch nicht mehr lassen unter den Heiden zu Schanden werden. 20. Und will den von Mitternacht ferne von euch treiben, und ihn in ein dürres und wüstes Land verstoßen; nämlich sein Angesicht hin zu dem Meer gegen Morgen, und sein Ende hin zu dem äußersten Meer. Er soll verfaulen und stinken; denn er hat große Dinge getan. 21. Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der HErr kann auch große Dinge tun. 22. Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Felde; denn die Wohnungen in der Wüste sollen grünen, und die Bäume ihre Früchte bringen, und die Feigenbäume und Weinstöcke sollen wohl tragen. 28. Und ihr Kinder Zions, freut euch, und seid fröhlich im HErrn, euerm GOtt, der euch Lehrer zur Gerechtigkeit gibt, und euch herab sendet Frühregen- und Spätregen wie vorhin, 24. Dass die Tennen voll Korn, und die Keltern Überfluss von Most und Öl haben sollen.

Je mehr man auch die Betrachtung des göttlichen Worts nur ins Wissen und nicht ins Leben führt, je befremdlicher lässt man sichs vorkommen, dass oft leibliche und geistliche Verheißungen so nah beieinander, ja so innig in einander geflochten sein sollen. Allein GOttes Worte sind alle ins Leben gerichtet, wie es nun bei der wirklichen Erfahrung im menschlichen Leben gar wohl kommt, wenn zur Zeit einbrechender Not auch noch eine Anweisung und Lehre da ist, wie man GOtt und Seine Gerechtigkeit darunter erkennen soll, oder auch, wenn bei wiedererlangter Hilfe einer durch Lehre und Unterricht, zum dankbaren Empfahen der Hilfe, zum Trachten nach der Gerechtigkeit über alles Übrige hinaus, angehalten wird; so taugen auch dergleichen Verheißungen gar nahe zusammen, und machen mit einander erst das aus, was GOtt dem Glauben anbietet, und was Er auch zur Überwindung der Versuchungen von allen Seiten her nötig hat.

25. Und Ich will euch die Jahre erstatten, welche die Heus schrecken, Käfer, Geschmeiß und Raupen, die mein großes Heer waren, so Ich unter euch schickte, gefressen haben: 26. Dass ihr zu essen genug haben sollt, und den Namen des HErrn, euers GOttes, preisen, der Wunder unter euch getan hat; und mein Volk soll nicht mehr zu Schanden werden. 27. Und ihr sollt es erfahren, dass Ich mitten unter Israel sei, und dass Ich, der HErr, euer GOtt sei, und keiner mehr; und mein Volk soll nicht mehr zu Schanden werden.

O welch eine Lindigkeit GOttes, dass Er jetzt bei dieser Verheißung selber so die Rede führt: Ich will euch den Schaden ersetzen, und dass Er es so auf Seinen Namen, oder, wie man bei einem Menschen sonst sagt, auf seine Reputation nimmt, dass sie über dem Vertrauen auf Ihn nimmer sollen zu Schanden werden. Welch ein Segen aber auch von der durchgemachten Demütigung, wenn her nach satt werden und den HErrn seinen GOtt loben, so bei einem Eins wird und Eins bleibt, und man GOttes Gaben nimmer so zum Aufblähen, Wohlgefallen an sich selber, Üppigkeit, ungerechtem Untertreten Anderer, missbraucht, sondern vor GOttes Hand bleibt, in unverrückter Furcht, Liebe und Vertrauen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/r/rieger_k/12_kleine_propheten/joel/rieger_-_joel_2.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain