Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Hosea - Das zehnte Kapitel.
Da macht der Prophet das Wort GOttes in seinem Munde zu einem genauen Richter der Gedanken und Sinne seines Volks, der ihnen nicht nur den leidigen Abfall von ihrer vorigen bessern Art zu erkennen gibt, sondern auch aufdeckt, wie die Gedanken, die sich verklagen, unter den einbrechenden Strafen GOttes bei ihnen durcheinander laufen, und macht ihnen daraus noch eine Reizung zur Buße, bei deren Ausbleiben aber die Drohungen GOttes in ihrer Schärfe steigen.
I. Israel wird in seinem zum Verderben eilenden Zustand beweglich vorgestellt.
1. Israel ist ein verwüsteter Weinstock, seine Frucht ist eben auch also. So viel Früchte er hatte, so viele Altäre hatte er gemacht; wo das Land am besten war, da stifteten sie die schönsten Kirchen.
Nach der ersten guten Art, die GOtt darein gelegt, nach dem Fleiß, womit Er das Volk gepflanzt, nach der Frucht, die Er davon erwartet, sollte es ein edler Weinstock sein; aber nach der Wildnis, in die er geraten, nach dem von den Fremden erlittenen Zerwühlen, ist er nun ein verwüsteter Weinstock, und das gibt eine gar ungeschlachte Frucht, wann ein Volk, eine Kirche, eine Seele von der ersten in sie gelegten edlen Art abkommt; wie jetzt im Munde eines abgestandenen Lutheraners das Rühmen vom Glauben, und Berufen auf die Gnade, ohne der Geist der Gnade gar was Abgeschmacktes wird.
2. Ihr Herz ist zertrennt, nun wird sie ihre Schuld finden; ihre Altare sollen zerbrochen, und ihre Kirchen sollen verstört werden.
Unter ihrem von Jerobeam gestifteten Götzen- und Kälberdienst wollten sie doch immer noch ein Auge auf den GOtt Israels haben, das gab dann so ein zertrenntes Herz, so ein Hinken auf beiden Seiten ab; und wenn dann ihr von ihnen in Missbrauch gezogener blühender Zustand unter den Gerichten GOttes herunterkam, so schlug sie darum ihr böses und verunreinigtes Gewissen bald, dass sie ihre Schuld finden konnten; aber das war noch nicht Buße zum Leben.
3. Alsdann müssen sie sagen: Wir haben keinen König; denn wir fürchten den HErrn nicht, was kann uns der König nun helfen?
Die leidige Trennung Israels vom Hause Davids ist über der Unlittigkeit1) über das bisherige Regiment entstanden. Aber die Gemächlichkeit, die sie unter Jerobeam suchten, ist ihnen teuer zu stehen gekommen; denn da sie dieser von der Furcht GOttes abführte, so war die Hilfe, die von der Regierung zu hoffen gewesen wäre, damit schon auch untergraben. Solcherlei Betrug der Sünde merkt freilich der durch die Strafe erweckte Sünder noch leichter, als dass er mit ganz erweichtem Herzen sich wieder zu GOtt kehrte.
4. Sie schwuren vergeblich, und machten einen Bund; und solcher Rat grünte auf allen Furchen im Felde, wie Galle.
Es kann unter ein ganzes Volk schnell so ein Gedanke kommen, womit sie sich zu helfen meinen, und kann doch in Kurzem ihnen allen so zu einem bitteren Rat werden.
5. Die Einwohner zu Samaria sorgen für die Kälber zu Beth-Aven: denn sein Volk trauert um ihn, über welchen doch seine Götzenpfaffen sich pflegten zu freuen seiner Herrlichkeit halber; denn es ist von ihnen weggeführt. 6. Ja das Kalb ist in Assyrien gebracht, zum Geschenk dem Könige zu Jareb. Also muss Ephraim mit Schanden stehen, und Israel schändlich gehen mit seinem Vornehmen. 7. Denn der König zu Samaria ist dahin, wie ein Schaum auf dem Wasser. 8. Die Höhen zu Aven sind vertilgt, damit sich Israel versündigte; Disteln und Dornen wachsen auf ihren Altären. Und sie werden sagen: Ihr Berge, bedeckt uns, und ihr Hügel, fallt über uns.
II. Nun ists, als wenn der Prophet vor die Frecheren unter dem Volk hinträte, und ihnen unter ihre verhärteten Stirnen hin die Wahrheit sagte, wie tief sie sich verschuldet, und wie scharf sie von der Hand GOttes sollen getroffen werden.
9. Israel, du hast seit der Zeit Gibea gesündigt, dabei sind sie auch geblieben; aber es soll sie nicht des Streits zu Gibea gleichen ergreifen, so wider die bösen Leute geschah: 10. Sondern ich will sie züchtigen nach meinem Wunsch, dass Völker sollen über sie versammelt kommen, wenn ich sie werde strafen um ihre zwei Sünden. Die zwei an unterschiedlichen Orten aufgerichteten Kälber machten Israels zwei hauptsächliche Sünden aus, und zogen eine schärfere und weiter greifende Strafe nach sich, als die vormalige schändliche Tat derer zu Gibea.
11. Ephraim ist ein Kalb, gewöhnt, dass es gerne drischt. Ich will ihm über seinen schönen Hals fahren; ich will Ephraim reiten, Juda soll pflügen und Jakob eggen.
Dreschen war keine harte, und immer mit nahem gutem Futter versehene Arbeit; Reiten, Pflügen, Eggen, ist viel härter, und kann weniger Genuss dabei sein; so stellt es GOtt vor, wie Er mit dem Volk umgehen wolle.
12. Darum sät euch Gerechtigkeit, und erntet Liebe, und pflügt anders, weil es Zeit ist, den HErrn zu suchen, bis dass er komme, und regne über euch Gerechtigkeit. 13. Denn ihr pflügt Böses, und erntet Übeltat, und esst Lügenfrüchte. 14. Weil du dich denn verlässt auf dein Wesen, und auf die Menge deiner Helden; so soll sich ein Getümmel erheben in deinem Volk, dass alle deine Festen verstöret werden. Gleichwie Salman verstörte das Haus Arbeels zu der Zeit des Streits, da die Mutter über den Kindern zu Trümmern ging: 15. Eben so soll es euch zu Beth-El auch gehen um eurer großen Bosheit willen, dass der König Israels frühe Morgens untergehe.
Wie lange hält sich das menschliche Herz auch bei erfahrener Bitterkeit der Sünde doch von ganzer Änderung des Sinnes und Wesens ab, wann es immer noch meint, es wolle sich sonst helfen, wie der erholen, es zu seinem vorigen Wohlstand bringen, und darüber versäumt es oft vollends alle Zeit, seinem GOtt zu begegnen, und wird mitten in seinen vergeblichen Bemühungen sich zu helfen, so das hingerissen, dass kein Retten da ist.