Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Hosea - Das erste Kapitel
Hosea traf also das Volk unter einem vor GOtt verschuldeten, und unter Seinen Gerichten gedrückten Zustand an, doch so, dass GOtt wirklich auf war, sich durch eine nochmalige Hilfe an ihnen zu verherrlichen, welche sie aber, wie alles Vorige, zur Sicherheit missbrauchten, und sich also den endlichen Untergang ihres Reiches zuzogen; unter dessen Ankündigung bei dem Propheten gleichwohl immer wieder tröstliche Verheißungen vom zukünftigen Guten hervorblickten. Die drei ersten Kapitel hangen besonders zusammen, und bestehen in Geschichten und Weissagungen zugleich, die beide dahin gehen, dem Volk seine Schuld und Strafe, samt dem neuen Gnaden-Antrag vorzuhalten, und unter des Propheten Heirat und ehelicher Gemeinschaft mit Gomer, der Tochter Diblaim, abzubilden.'
1. Die Aufschrift des Buchs:
1. Dies ist das Wort des HErrn, das geschehen ist zu Hosea, dem Sohne Beheri, zu der Zeit Usia, Jothams, Ahas und Hiskia, der Könige Juda; und zu der Zeit Jerobeams, des Sohnes Joas, des Königs Israels.
II. Der unerwartete Befehl GOttes an den Propheten, ein Hurenweib zu nehmen, samt kurzem Fingerzeig auf die hierunter liegende Absicht.
2. Und da der HErr anfing zu reden durch Hosea, sprach Er zu ihm: Gebe hin, und nimm ein Hurenweib und Hurenkinder; denn das Land läuft vom HErrn der Hurerei nach.
Um sich leichter hierein finden zu können, muss man den Zustand des Israelitischen Volks und der Kirche sich recht vorstellen. Diese waren nämlich vom Gottesdienst zu Jerusalem ganz abgerissen, zu der abgöttischen Anbetung der güldenen Kälber verleitet, und liefen darin der Hurerei nach. Doch wollte sie GOtt niemals so gar aufgeben, dass Er sie wie andere heidnische Völker geachtet hätte; sondern dachte immer an Seinen Bund, und suchte auch zu den Zeiten ihres größten Verfalls noch Kinder aus dieser Kirche zu zeugen und zu erziehen. Diese göttliche Herunterlassung recht vorzustellen, diente diese Heirat des Propheten, der damit zum Zeichen gesetzt ward. Soviel es menschlicher Weise ein redliches und zu GOtt gezogenes Gemüt kostet, eine Gemeinschaft mit solch einer Person einzugehen, so groß ist GOttes Nachgeben zu achten, das Er an Israel bewies.
III. Des Propheten schleuniger Gehorsam, und die aus dieser gestifteten Ehe erzeugten Kinder, und deren auf göttlichen Befehl erhaltene bedenkliche Namen V. 39. 10. 11.
3. Und er ging hin und nahm Gomer, die Tochter Diblaims, welche ward schwanger, und gebar ihm einen Sohn.
4. Und der HErr sprach zu ihm: Heiße ihn Jesreel; denn es ist noch um eine kleine Zeit, so will ich die Blutschulden in Jesreel heimsuchen über das Haus Jehu, und will es mit dem Königreich des Hauses Israel ein Ende machen.
5. Zu der selbigen Zeit will ich den Bogen Israels zerbrechen im Tal Jesreel.
6. Und sie ward abermals schwanger, und gebar eine Tochter. Und er sprach zu ihm: Heiße sie Lo-Ryhamo; denn ich will mich nicht mehr über das Haus Israel erbarmen, sondern ich will sie wegwerfen.
7. Doch will ich mich erbarmen über das Haus Juda, und will ihnen helfen durch den HErrn, ihren GOtt; ich will ihnen aber nicht helfen durch Bogen, Schwert, Streit, Ross oder Reiter.
8. Und da sie hatte Lo-Ryhamo entwöhnet, ward sie wieder schwanger, und gebar einen Sohn.
9. Und er sprach: Heiße ihn Lo-Ammi; denn ihr seid nicht mein Volk, so will Ich auch nicht der Eure sein.
Jesreel war ein ehemaliger Sitz der Könige in Israel, woselbst sonderlich zu Ahabs Zeiten, und bei Ausrottung seines Samens durch Jehu viel Merkwürdiges vorging. Dass des Propheten erster Sohn den Namen Jesreel bekam, war ein Zeichen, dass nun dieses Orts und seiner Schuld besonders vor GOtt gedacht werde, wie Offenb. 16, 19. das die nächste Vorbereitung auf Babylons Gericht ist, dass es hieß, „und Babylon, der großen, ward gedacht vor GOtt, ihr zu geben den Kelch des Weins von Seinem grimmigen Zorn.“ Jehu bewies zwar in Ausrottung des Hauses Ahabs und seiner Gräuel großen Eifer, aber sonst wenig rechtschaffenes Anhangen an das Gute. Darum ward er mit dem Sitzen seiner Kinder bis ins vierte Glied auf dem Thron Israels abgefertigt; und Jerobeam war nun wirklich sein drittes Glied, mit dessen Sohn gings dann vollends aus. Die Namen der beiden folgenden Kinder kündeten mit aufsteigender Schärfe die bisherige Barmherzigkeit GOttes, und den daher genoffenen Schutz auf - und die unausbleiblichen Gerichte an. Das heißt schon bei Mose: Sie sollen inne werden, was es ist, wann ich die Hand abziehe, oder eigentlich: Wann man mich von meinem Gnadenvorsatz abbringt. Es ist viel jämmerlicher, als irgend eine Trennung zwischen Eheleuten oder Verlobten sein kann, wenn GOtt denen, die sein Volk waren, also aufkündet. Ich will euer GOtt sein, und ihr sollt mein Volk sein, hieß sonst die ganze Bundesformel. Das eine hatten sie durch ihren Unglauben zerbrochen: Ihr seid nicht mein Volk; damit haben sie den HErrn zum Eifer gereizt, dass Er das erste auch aufgekündet, doch nicht ausdrücklich die ganze Bundesformel zurückgenommen, noch gesagt hat: Ich will nicht euer GOtt sein; sondern im Eifer die Rede abgekürzt hat: Ich will nicht der Eure sein; wobei noch Raum bleibt zu der Gnade, die noch über sie aufs Neue aufwachen wird.
Von welcher sogleich