Rieger, Carl Heinrich - Haggai - Das zweite Kapitel.
GOtt legt darin durch den Propheten noch weitere Geduld und Trost Worte ans Herz des Volks und ihrer Vorsteher in den beiden oberen Ständen, um dadurch den Tempelbau zu fördern, und alle verkleinernde Gedanken, die sie darin hätten müde machen können, wegzuräumen.
I. Auf den gegen dem ersten Wort bewiesenen Gehorsam lässt sie GOtt nicht ohne weiteren Trost und Zuspruch, sondern versichert sie im Gegenwärtigen alles Beistandes, und auf das Zukünftige vieler über ihre Vermutung gehender Offenbarungen Seiner Herrlichkeit.
2. Am ein und zwanzigsten Tage des siebenten Monats, geschah des HErrn Wort durch den Propheten Haggai, und sprach: 3. Sage zu Serubabel, dem Sohne Sealthiels, dem Fürsten Juda, und zu Josua, dem Sohne Jozadaks, dem Hohenpriester, und zum übrigen Volk, und sprich: 4. Wer ist unter euch übergeblieben, der dies Haus in seiner vorigen Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es nun an? Ist es nicht also, es dünkt euch nichts sein? 5. Und nun, Serubabel, sei getrost, spricht der HErr; sei getrost, Josua, du Sohn Jozadaks, du Hohepriester; sei getrost, alles Volk im Lande, spricht der HErr, und arbeitet: denn Ich bin mit euch, spricht der HErr Zebaoth. 6. Nach dem Wort, da ich mit euch einen Bund machte, da ihr aus Ägypten zogt, soll mein Geist unter euch bleiben, fürchtet euch nicht. 7. Denn so spricht der HErr Zebaoth: Es ist noch ein Kleines das hin, dass Ich Himmel und Erde, das Meer und Trockne bewegen werde. 8. Ja alle Heiden will ich bewegen. Da soll dann kommen aller Heiden Trost; und ich will dies Haus voll Herrlichkeit machen, spricht der HErr Zebaoth. 9. Denn mein ist beides Silber und Gold, spricht der HErr Zebaoth. 10. Es soll die Herrlichkeit dieses letzten Hauses größer werden, denn des ersten gewesen ist, spricht der HErr Zebaoth: und ich will Frieden geben an diesem Ort, spricht der HErr Zebaoth.
Auch darin sind der Menschen Gedanken so eitel, dass sie dem lieben GOtt Sein Werk schon beurteilen und tadeln, ehe es noch halb ausgemacht ist. Es soll oft das Ansehen haben, als ob man es ernstlicher und schwerer nähme, als Andere, die eben mit Wenigerem aus Unwissenheit zufrieden seien. Aber am Vertrauen durch Christum zu GOtt ist mehr gelegen, als an unserm schwer-nehmen, darum geht der göttliche Zuspruch allermeist darauf: sei getrost, sei getrost. Das schwer- nehmen lauft auf faules Entziehen hinaus; bei dem Trostwort: seid getrost, findet auch das Geduldwort: arbeitet, eher Eingang; und solch einfältiges Auge im Vertrauen auf den HErrn, und solch arbeitsame Hand im Werk des HErrn, soll man nie trennen. Beim schwernehmen hängt man sich oft mehr ans äußere Ansehen, wie die damaligen Leute die Herrlichkeit eines Tempels gegen dem Andern nach dem Silber und Gold und dessen Vorrat geschätzt haben; aber beim Vers trauen auf GOtt lernt man, was vor Ihm herrlich geachtet wird. Christus und die durch Ihn zu stiftende ansehnliche Verbesserung und Hilfe heißt hier aller Heiden Trost, weil gewiss auch unter den Heiden manches Seufzen nach näherer Offenbarung GOttes, nach mehr Kraft und Sieg über die Sünde, sich geregt hat, wie der Mann aus Makedonien im Gesicht zu Paulo sprach: Komm herab zu uns und hilf uns. Heut zu Tage sieht es nun freilich wieder sehr zerfallen selbst in der Christenheit aus, und man nimmt an diesem zerfallenen Zustand der Kirche mancherlei Anstöße, und behandelt Taufe, Abendmahl, Absolution, sonstige Predigt des Worts nimmer mit solcher Achtung, wie es billig wäre, wenn man sich nicht durch so vielerlei Skrupel daran geschwächt hätte. Aber man muss lernen, alle diese Anstöße auf den HErrn werfen, und merken, dass GOtt auch auf unsre Zeiten noch mehr Verheißungen gelegt hat, als wir wert sind, und dass der Geist JEsu, so allmählich als er jetzt wirkt, sich doch noch nicht aus unserer Kirche zurückgezogen hat, sondern auf diesem Kampfplatz der Sünde und der Gnade, auf diesem Läuterungsort der Auserwählten, Sein Werk treibt. O, wenn wir ohne Zorn und Zweifel im Gebet anhalten, so hält uns GOtt bei unserm Elend höher, als wenn wir in den herrlichsten Zeiten lebten.
II. Wieder zu einer andern Zeit bekommt der Prophet eine göttliche Offenbarung, die abermals darauf eingerichtet ist, das Werk beim Tempelbau zu fördern, die Hochachtung der Religion samt dem Vers trauen auf GOtt zu unterhalten, und dem Verzagen in kümmerlichen Zeiten zu wehren.
11. Am vier und zwanzigsten Tage des neunten Monats, im andern Jahr Darius, geschah des HErrn Wort zu dem Propheten Haggai, und sprach: 12. So spricht der HErr Zebaoth: Frage die Priester um das Gesetz, und sprich: 13. Wenn Jemand heiliges Fleisch trüge in seines Kleides Geren, und rührte danach an mit seinen Gersten Brot, Gemüse, Wein, Öl, oder was es für Speise wäre; würde es auch heilig? Und die Priester antworteten, und sprachen: Nein. 14. Haggai sprach: Wo aber ein Unreiner von einem berührten Aas dieser eins anrührte, würde es auch unrein? Die Priester antworteten und sprachen: Es würde unrein. 15. Da antwortete Haggai, und sprach: Eben also sind dies Volk und diese Leute vor mir auch, spricht der HErr; und alles ihrer Hände Werk, und was sie opfern, ist unrein. 16. Und nun schaut, wie es euch gegangen ist von diesem Tage an und zuvor, ehe denn ein Stein auf den andern gelegt ward am Tempel des HErrn: 17. Dass, wenn einer zum Kornhaufen kam, der zwanzig Maß haben sollte, so waren kaum zehn da; kam er zur Kelter, und meinte fünfzig Eimer zu schöpfen, so waren kaum zwanzig da. 18. Denn ich plagte euch mit Dürre, Brandkorn und Hagel in aller eurer Arbeit; noch kehrtet ihr euch nicht zu mir, spricht der HErr. 19. So schaut nun darauf, von diesem Tage an und zuvor; nämlich von dem vier und zwanzigsten Tage des neunten Monats bis an den Tag, da der Tempel des HErrn gegründet ist, schaut darauf. 20. Denn der Same liegt noch in der Scheuer, und trägt noch nichts, weder Weinstöcke, Feigenbäume, Granatbäume, noch Ölbäume; aber von diesem Tage an will ich Segen geben.
Hierunter wurde dem Volk vorgestellt, dass leichter etwas verunreinigt, als etwas geheiligt sei. Die Opferhandlungen mögen an sich noch so heilig sein, so konnten sie doch der Juden ungläubiges und an ihrem GOtt und Seinem Bund verzagtes Wesen nicht heiligen, vielmehr verunreinigte die Falschheit ihrer Herzen all ihre Opfer und übrigen Werke, dass sie das Wohlgefallen GOttes damit nicht erreichten, das sonst um GOttes Befehl willen darauf ruhte. Unter dieser Vorstellung wurde es ihnen noch einmal in ihrem Gewissen geahndet, dass sie bisher so auf ihre Häuser zueilten, und um ihr Aufnehmen bekümmert waren, ehe sie Hand an den Tempelbau legen wollten; ihnen aber auch aus ihrer eigenen Erfahrung gezeigt, wie sie als Liebhaber ihres eigenen Lebens zu Schanden gemacht worden, und, just das verloren haben, was sie zu erhalten bemüht waren.
III. Zum Schluss wird aus einer für das ganze Reich GOttes wichtigen Verheißung ein besonderer Trost für den Serubabel hergeleitet, und ihm ans Herz gelegt.
21. Und des HErrn Wort geschah zum andern Mal zu Haggai, am vier und zwanzigsten Tage des Monats, und sprach: 22. Sage Serubabel, dem Fürsten Juda, und sprich: Ich will Himmel und Erde bewegen; 23. Und will die Stühle der Königreiche umkehren, und die mächtigen Königreiche der Heiden vertilgen; und will beides Wagen mit ihren Reitern. umkehren, dass beides Ross und Mann herunter fallen sollen, ein Jeglicher durch des Andern Schwert. 24. Zu derselbigen Zeit spricht der HErr Zebaoth, will ich dich, Serubabel, du Sohn Sealthiels, meinen Knecht, nehmen, spricht der HErr, und will dich wie einen Petschaftsring1) halten; denn ich habe dich erwählt, spricht der HErr Zebaoth.
Das Wort GOttes ist sehr besorgt, dass unter den vielen Veränderungen im Weltreich den Menschen das Reich GOttes nicht aus dem Angedenken komme; vielmehr unter den oft schrecklichen Umständen, die im Krieg und andern Revolutionen auf dem Erdboden vors kommen, die Hoffnung des Reichs GOttes der größte Trost bleibe. Besonders haben fromme Staatsmänner, Räte oder gar Regenten auch ihre besonderen Anfechtungen, nach dem eigenen Augenmaß, mit welchem sie die Veränderungen in der Welt ansehen, oder nach dem Anteil, den sie oft selber daran nehmen müssen. Deswegen nimmt sich auch der HErr ihrer gern besonders an, öffnet ihnen die Augen, wie sie den Lauf der Welt anzusehen, und was sie Kraft ihrer Erwählung Vorzügliches dabei zu genießen haben.
Uns Allen aber hält Paulus im Grund die nämlichen Verheißungen vor, wenn er Hebräer 12, 28. schreibt: wir empfahen ein unbewegliches Reich, und sind damit über alle Revolutionen und Veränderungen auf dem Erdboden, samt aller daher kommenden vergeblichen Furcht und Hoffnung hinübergehoben; und haben Gnade, durch welche wir sollen GOtt dienen: das Reich GOttes besteht bei uns nicht in Worten, sondern in der Kraft, die Gnade ist-reell, und die Gelegenheiten, dem Willen GOttes zu dienen, sind reell, Gnade und Treue machen die festesten Bande eines Reichs aus; Ihm zu gefallen: es ist bei uns nicht vergebliche verlorne Mühe, nicht vergessene noch von Andern verdrungene Verdienste, sondern es kommt Alles vor GOtt, dem wir zu einem königlichen Priestertum dargestellt sind; es erreicht Alles durch Christum das göttliche Wohlgefallen und gedeiht vor GOtt zum süßen Geruch; mit Zucht und Furcht, nicht, dass wir uns ungebührlich mit GOtt dem Richter über Alles familiarisieren, nicht dass wir uns selbst viel zutrauen, sondern vielmehr die Macht der Versuchung in dieser letzten betrübten Zeit wohl zu Herzen nehmen, aber uns dabei an GOttes Vorsatz und Gnadenwahl, wie Serubabel, ich habe dich erwählt, mit völligem Glauben halten. Wie unansehnlich ist Serubabel gegen einen König Darius gewesen, aber nicht Darius, sondern Serubabel ist ein Petschaft - Ring an der Hand GOttes gewesen. Alles fällt; was GOttes Auswahl uns beigelegt, was Christus uns gegeben, bleibt allein stehen, ist auch allein der Liebe wert.