Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Amos - Das neunte Kapitel

Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Amos - Das neunte Kapitel

beschreibt noch eine göttliche Erscheinung, die der Prophet gehabt, und darüber eine Deutung bekommen hat; in selbiger wird freilich das zuvor schon angedrohte endliche Gericht bestätigt, doch aber auf eine tröstliche Verheißung von der Wiederaufrichtung des Zerfallenen umgelenkt, woran auch durch die Gnade Christi in den ersten Zeiten des Neuen Testaments ein Anfang gemacht worden ist, GOtt aber nach Seiner Wahrheit auch das Übrige zu seiner Zeit nachzuholen nicht versäumen wird.

1. Die letzte von Amos beschriebene Erscheinung mit der darüber empfangenen Deutung.

1. Ich sah den HErrn auf dem Altar stehen, und er sprach: Schlage an den Knauf, dass die Pfosten beben; denn ihr Geiz soll ihnen allen auf ihren Kopf kommen, und will ihre Nachkommen mit dem Schwert erwürgen, dass keiner entfliehen, noch einiger davon entgehen soll. 2. Und wenn sie sich gleich in die Hölle vergrüben, soll sie doch meine Hand von dannen holen; und wenn sie gen Himmel führen, will ich sie doch herunter stoßen; 3. Und wenn sie sich gleich versteckten oben auf dem Berge Karmel, will ich sie doch daselbst suchen und herabholen; und wenn sie sich vor meinen Augen verbürgen im Grunde des Meers, so will ich doch den Schlangen befehlen, die sie daselbst stechen sollen; 4. Und wenn sie vor ihren Feinden hin gefangen gingen, so will ich doch dem Schwert befehlen, dass sie es daselbst erwürgen soll. Denn ich will meine Augen über ihnen halten zum Unglück, und nicht zum Guten.

Damit wird also ein gänzlicher, unvermeidlicher Untergang angekündigt, und alle menschliche Hilfs- und Linderungs-Mittel werden mit ungewöhnlicher Schärfe abgeschnitten, weil GOttes Antlitz wider Sie stehen werde. Dies Gefühl vom Angesichte Des, der sich auf den Richterstuhl gesetzt hat, Sein Holen, Sein Vorfordern, Sein Abrechnen wird dem Sünder oft schwerer und unerträglicher, als die Strafe selbst.

II. Dies empfangene göttliche Wort schärft nun der Prophet weiter durch unterschiedliche Betrachtungen von GOtt und Seinen Wegen.

5. Denn der HErr HErr Zebaoth ist ein solcher, wenn Er ein Land anrührt, so zerschmelzt es, dass alle Einwohner trauern müssen; dass es soll ganz über sie herlaufen, wie ein Wasser, und überschwemmt werden, wie mit dem Fluss in Ägypten. 6. Er ist es, der seinen Saal in dem Himmel baut, und seine Hütte auf der Erde gründet; er ruft das Wasser im Meer, und schüttet es auf das Erdreich: er heißt HErr. 7. Seid ihr Kinder Israel mir nicht gleich wie die Mohren, spricht der HErr? Habe ich nicht Israel aus Ägyptenland geführt, und die Philister aus Kaphthor und die Syrer aus Kir?

An der Gnade, an dem Bund, an dem Gesetz, an der Nähe, in der sich GOtt zu diesem Volk tat, hätte freilich Israel Vieles vor den Heiden zum Voraus gehabt; aber wann sie selber das nicht achten und nicht darin ihre Herrlichkeit suchen, sondern sich sonst nach äußerlichen Vorteilen mit andern Nationen messen wollten, so musste ihnen ihr Nichts und ihr Unvermögen, den Gerichten GOttes Trotz zu bieten, so gezeigt werden.

III. Hingegen wird nun Israels wahrer Vorzug, und der große Unterschied, den GOtt nach Gnade und Wahrheit zwischen ihnen und andern Völkern halten werde, nachdrücklich bezeugt und versiegelt.

8. Siehe, die Augen des HErrn HErrn sehen auf ein sündiges Königreich, dass ich es vom Erdboden ganz vertilge; wies wohl ich das Haus Jakobs nicht gar vertilgen will, spricht der HErr. 9. Aber doch siehe, ich will befehlen, und das Haus Israel unter allen Heiden sichten lassen; gleichwie man mit einem Siebe sichtet, und die Körnlein sollen nicht auf die Erde fallen. 10. Alle Sünder in meinem Volk sollen durch das Schwert sterben, die da sagen: Es wird das Unglück nicht so nahe sein, noch uns begegnen. 11. Zu derselbigen Zeit will ich die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichten, und ihre Lücken verzäunen, und was abgebrochen ist, wieder aufrichten; und will sie bauen, wie sie vor Zeiten gewesen ist. 12. Auf dass sie besitzen die Übrigen zu Edom, und die Übrigen unter allen Heiden, über welche mein Name gepredigt sein wird, spricht der HErr, der solches tut. 13. Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HErr, dass man zugleich ackern und ernten, und zugleich keltern und säen wird; und die Berge werden mit süßem Wein triefen, und alle Hügel werden fruchtbar sein. 14. Denn ich will das Gefängnis meines Volks Israel wenden, dass sie sollen die wüsten Städte bauen und bewohnen, Weinberge pflanzen, und Wein davon trinken, Gärten machen, und Früchte daraus essen. 15. Denn ich will sie in ihr Land pflanzen, dass sie nicht mehr aus ihrem Lande gerottet werden, das ich ihnen geben werde, spricht der HErr, dein GOtt.

Bei der ersten Aufnahme der Heiden in die Gemeinschaft des Heils, das von den Juden kam, beruft sich der Apostel Jakobus auf das hier verheißene Wiederbauen der zerfallenen Hütte Davids, und damals ist freilich auch das dem Hause Davids verheißene Reich mit Seiner Gnade und Wahrheit unter die Heiden gekommen, und sie haben angefangen, sich mit Freuden dazu zu sammeln. Weil aber bald darauf das zerstreut und gesichtet werden unter den Heiden, bei der Zerstörung Jerusalems, so gewaltig wieder über das Haus Israel gekommen ist, und noch anhält, so sieht man wohl, dass der HErr auch dieses Gefängnis Seines Volks einmal wieder wenden, und Seine Verheißungen so an ihnen erfüllen wird, dass auch alle Übrige, durch die Gerichte GOttes freilich auch zusammengeschmolzen, unter den Heiden sich desto begieriger zu Israels neuem Gnadenlicht sammeln werden.

Was beweist Der, in dessen Hand die Wurfschaufel ist, und der Seine Tenne fegt, für eine Macht Seines Ernsts und Seiner Güte, dass Er Diejenigen, in denen kein Sinn und Herz auf den GOtt ihrer Väter und auf Seine Verheißungen ist, wie Spreu vom Wind zerstreuen lässt; und inmittelst doch verhütet, dass kein Körnlein auf die Erde fällt. Man bedenke die Offenb. 7, 4. ff. verkommende bedenkliche Versieglung, von welcher man wohl sieht, sie diente dazu, dass die anscheinende Vertilgung der Juden eingeschränkt und abgewendet, an den Versiegelten aber Solche übrig blieben, die eine heilige Wurzel zur Fortpflanzung dieses Volks abgaben, und aus denen endlich der Same kommen wird, an dem sich GOtt zuletzt durch Erfüllung aller Seiner Verheißungen verherrlichen wird. Nach menschlicher und politischer Wahrscheinlichkeit darf man freilich solche Dinge nicht abwägen. Der Prophet hat durch seine wiederholte Versicherung: Spricht der HErr, der solches tut; Spricht der HErr dein GOtt, Alles schon genugsam verwahrt, und mit diesen Spießen und Nägeln soll es auch in unseren Herzen als Wahrheit angeheftet bleiben.

Amen, HErr, all Dein Wort ist wahr!
Amen, komm HErr, vollend es gar!

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autoren/r/rieger_k/12_kleine_propheten/amos/rieger_-_amos_9.txt · Zuletzt geändert: von aj
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