Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Amos - Das siebente Kapitel

Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Amos - Das siebente Kapitel

Von da an kann man den zweiten Hauptteil des Propheten Amos rechnen, darin viel durch göttliche Gesichte und deren Erklärung läuft. Bei den meisten kommt vor, was der Prophet gesehen, was er darüber gesagt, und was der HErr für einen Ausspruch getan. Das vorhabende Kapitel enthält drei solcher göttlichen Gesichte.

I. Das erste auf eine noch gemäßigte Strafe zielende Gesicht.

1. Der HErr HErr zeigte mir ein Gesicht, und siehe, da stand Einer, der machte Heuschrecken im Anfange, da das Grummet1) (Öhmd) aufging; und siehe, das Grummet stand, nachdem der König seine Schafe hatte scheren lassen. 2. Als sie nun das Kraut im Lande gar abfressen wollten, sprach ich: Ach HErr HErr, sei gnädig! Wer will Jakob wieder aufhelfen? denn er ist ja geringe. 3. Da reute es den HErrn, und sprach: Wohlan, es soll nicht geschehen.

II. Das zweite Gesicht, von einer andern auf des Propheten Fürbitte auch wieder gemäßigten Plage:

4. Der HErr HErr zeigte mir ein Gesicht, und siehe, der HErr HErr rief das Feuer, damit zu strafen; das sollte eine große Tiefe verzehren, und fraß schon ein Teil dahin. 5. Da sprach ich: Ach HErr HErr, lass ab! Wer will Jakob wieder aufhelfen? denn er ist ja geringe. 6. Da reute den HErrn das auch, und der HErr HErr sprach: Es soll auch nicht geschehen.

III. Das dritte Gesicht, von einem Gericht, gegen das sich der Prophet nicht weiter unterwunden hat mit dem HErrn zu reden.

7. Er zeigte mir aber dies Gesicht, und siehe, der HErr stand auf einer Mauer mit einer Bleischnur gemessen; und Er hatte die Bleischnur in Seiner Hand. 8. Und der HErr sprach zu mir: Was siehst du, Amos? Ich sprach: Eine Bleischnur. Da sprach der HErr zu mir: Siehe, ich will eine Bleischnur ziehen mitten durch mein Volk Israel, und ihm nicht mehr übersehen; 9. Sondern die Höhen Isaaks sollen verwüstet, und die Kirchen Israels verstöret werden; und ich will mit dem Schwert mich über das Haus Jerobeams machen.

Eine Bleischnur ist sonst ein Zeichen Eines, der bauen und wieder aufrichten will, und so hat es auch zu den Zeiten Jerobeams unter Israel ausgesehen, als ob es wieder besser gehen sollte. Aber da das Volk in Sicherheit fortfuhr, ungehorsam zu sein, so reute den HErrn das Gute, das Er ihnen gedachte zu tun, und da drang der Geist den Propheten zu keiner weiteren Fürbitte; wohl aber muss er diese göttlichen Gesichte und ihre Deutung Andern kund getan haben, welche eine solche Glaubenskraft erforderte, als von Noah dorten bezeugt wird, dass er im Glauben die erste Welt verdammt habe.

IV. Davon nimmt Amazia, ein Priester zu Bethel, Gelegenheit, den Amos zu verklagen und ihm den Mund zu stopfen; der sich aber auf seinen Beruf getrost bezeugt, und dem Amazia sein eigenes und Israels gemeinschaftliches Gericht ankündigt.

10. Da sandte Amazia, der Priester zu Beth-El, zu Jerobeam, dem Könige Israels, und ließ ihm sagen: Der Amos macht einen Aufruhr wider dich im Hause Israel, das Land kann sein Wort nicht leiden. 11. Denn so spricht Amos: Jerobeam wird durch das Schwert sterben, und Israel wird aus seinem Lande gefangen weggeführt werden.

In Amos Weissagung war eigentlich vom Hause Jerobeams die Rede, in der Klage aber wird es auf die Person Jerobeams gewendet; so kann man oft durch einen kleinen Zusatz der Wahrheit desto mehr Verdruss zuziehen.

12. Und Amazia sprach zu Amos: Du Seher, gehe weg, und fliehe in das Land Juda, und iss Brot daselbst, und weissage daselbst. 13. Und weissage nicht mehr zu Beth-El: denn es ist des Königs Stift, und des Königreichs Haus. 18. Amos antwortete, und sprach zu Amazia: Ich bin kein Prophet, noch keines Propheten Sohn; sondern ich bin ein Kuhhirte, der Maulbeeren abliest. 15. Aber der HErr nahm mich von der Herde, und sprach zu mir: Gehe hin, und weissage meinem Volk Israel. 16. So höre nun des HErrn Wort. Du sprichst: Weissage nicht wider Israel, und träufle nicht wider das Haus Isaaks. 17. Darum spricht der HErr also: Dein Weib wird in der Stadt zur Hure werden, und deine Söhne und Töchter sollen durch das Schwert fallen, und dein Acker soll durch die Schnur ausgeteilt werden; Du aber sollst in einem unreinen Lande sterben, und Israel soll aus seinem Lande vertrieben werden.

Wie gar kennt die Welt die Knechte GOttes nicht, und was sie an den selbigen hat! Amos Fürbitte, und was er durch dieselbe an den Gerichten GOttes gemäßigt hat, weiß ein Amazia nicht zu schätzen, und aus seinem verkündigten Wort nimmt er auch nur das Gehässigste heraus. O wie wäre mancher Knecht GOttes des Berufs, Andern ein harter Bote sein zu müssen, selbst so gerne überhoben. GOttes Wort lässt sich nicht binden. Sein Geist lässt sich nicht dämpfen nach kurzsichtigen Weltmaximen. Unter den Ärgernissen, die ein Mancher aus Menschengefälligkeit vertuschen hilft, muss er selber in seiner Familie leiden, wie dem Amazia wiederfahren. So lohnt die Welt, wenn man ihr noch so viel zu Gefallen redet.

1)
durch den zweiten (oder dritten) Schnitt innerhalb eines Jahres gewonnenes Heu
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autoren/r/rieger_k/12_kleine_propheten/amos/rieger_-_amos_7.txt · Zuletzt geändert: von aj
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