Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Amos - Das vierte Kapitel
beschreibt kläglich das bei überhandnehmender Ungerechtigkeit eingerissene Elend in allen Ständen, wobei auch schon viel vorige Schläge GOttes an ihnen vergeblich gewesen seien; fordert sie deswegen auf, noch jetzt ihrem GOtt zu begegnen, ehe Er in Seinen Gerichten weiter und schärfer gehen müsse.
I. Der Anfang wird bei den Vornehmen und Gewaltigen gemacht, ihnen ihr Unrecht, aber auch das über sie erwachte Gericht GOttes vorzustellen.
1. Hört dies Wort, ihr fetten Kühe, die ihr auf dem Berge Samaria seid, und den Dürftigen Unrecht tut, und untertretet die Armen, und sprecht zu euern Herren: Bringt her, lasst uns saufen. 2. Der HErr HErr hat geschworen bei Seiner Heiligkeit: Siehe, es kommt die Zeit über euch, dass man euch wird heraus rücken mit Angeln und eure Nachkommen mit Fischhaken. 3. Und werdet zu den Lücken hinaus gehen, eine jegliche vor sich hin, und gen Harmon weggeworfen werden, spricht der HErr.
Die Rede ist gar zu treffend auf Leute, die am Brett sind, und am Hof und sonst Gewalt üben mit ihren Weibern und Familien, die oft an bösen Ratschlägen, Unterdrückungen und Gewalttätigkeiten nicht wenig Anteil haben. Bei denen kommt im Tun Ungerechtigkeit, und im Reden große Sicherheit zusammen. Je gewalttätiger man in Amts- und Regiments-Sachen darein geht, je liederlicher und scherzhafter führt man sich unter andern Seinesgleichen auf, und sucht damit alle menschliche Empfindung von des Andern Not, alle Anklage über das verübte Unrecht bei sich zu übertäuben. Je leichtsinniger aber ihre Reden sind, desto ernstlicher ist der HErr in Seinem Rat und Schwur über sie; und wie sie um ihrer Nachkommen willen, sie zu befördern, zu bereichern, Vieles getan haben, so weiß GOttes Gericht sie samt ihren Nachkommen zu treffen.
II. An dem größeren und gemeineren Haufen wird ihr Verfall im Aberglauben und eitlen Gottesdienst so beschrieben, dass sie als hingegeben in diesen ihren Herzensdünkel dabei angesehen werden.
4. Ja, kommt her gen Bethel, und treibt Sünde, und gen Gilgal, dass ihr der Sünden viel macht; und bringt eure Opfer des Morgens, und eure Zehnten des dritten Tages. 6. Und räuchert vom Sauerteig zum Dankopfer, und predigt vom freiwilligen Opfer, und verkündigt es: denn so habt ihr es gerne, ihr Kinder Israel, spricht der HErr HErr.
III. Nun wird ihnen vorgestellt, wie mannigfaltig sie GOtt schon angegriffen habe, dass sie doch zur Veränderung ihres Sinnes hätten kommen sollen, bisher aber Alles fruchtlos gewesen sei.
6. Darum habe Ich euch auch in allen euern Städten müßige Zähne gegeben, und Mangel am Brot an allen euern Orten. Noch bekehrt ihr euch nicht zu mir, spricht der HErr. 7. Auch habe ich den Regen über euch verhalten, bis dass noch drei Monate waren zur Ernte; und ich ließ regnen über Eine Stadt, und auf die andere Stadt ließ Ich nicht regnen; Ein Acker ward beregnet, und der andere Acker, der nicht beregnet ward, verdorrte. 8. Und zogen zwei, drei Städte zu Einer Stadt, dass sie Wasser trinken möchten; und konnten es nicht genug finden. Noch bekehrtet ihr euch nicht zu mir, spricht der HErr. 9. Ich plagte euch mit dürrer Zeit und mit Brandkorn; so fraßen auch die Raupen Alles, was in euern Gärten, Weinbergen, Feigenbäumen und Ölbäumen wuchs. Noch bekehrtet ihr euch nicht zu mir, spricht der HErr. 10. Ich schickte Pestilenz unter euch, gleicher Weise wie in Ägypten; Ich tötete eure junge Mannschaft durch das Schwert, und ließ eure Pferde gefangen wegführen; Ich ließ den Gestank von eurem Heerlager in eure Nasen gehen. Noch bekehrtet ihr euch nicht zu mir, spricht der HErr. 11. Ich kehrte etliche unter euch um, wie GOtt Sodom und Gomorra umkehrte, dass ihr wart wie ein Brand, der aus dem Feuer gerissen wird. Noch bekehrtet ihr euch nicht zu mir, spricht der HErr.
Zuvor war ein nachdenkliches Berufen auf die vorigen Wohltaten GOttes, nun auch ein Abrechnen über die schon an ihnen vorgenommenen Züchtigungen. Zwei Haupt- Augenmerke bei einem Land, Volk, Gemeinde, Haus und auch einzelnen Seelen, wie GOtt schon mit Lieben und mit Leiden an Jeden gekommen sei, und was Eines oder das Andere gefruchtet habe.
IV. Mit großer Lindigkeit redet ihnen GOtt noch einmal ans Herz, sie zu Sich zu locken, und der Geist GOttes durch den Propheten gibt dieser lockenden Stimme einen Nachsatz durch eine gar majestätische Beschreibung GOttes und Seiner Herrlichkeit.
12. Darum will Ich dir weiter also tun, Israel. Weil Ich denn dir also tun will; so schicke dich, Israel, und begegne deinem GOtt. 13. Denn siehe, Er ist es, der die Berge macht, den Wind schafft, und zeigt dem Menschen, was er reden soll. Er macht die Morgenröte und die Finsternis, er tritt auf den Höhen der Erde: er heißt HErr, GOtt Zebaoth.
Wie gibt es doch die Freundlichkeit und Leutseligkeit GOttes dem Menschen selber zu überlegen, Alles zusammen zunehmen, einen wohlbedachten Schluss zu fassen; wie verhütet Er so sorgfältig, dass man sich die angedrohten Strafen nicht ins weitere Fliehen vor GOtt treiben lasse, sondern Ihm zu begegnen suche, dessen Angesicht man gnädig finden werde. Die herrliche Beschreibung GOttes dabei fasst einesteils das Gewissen, dass es die Drohungen GOttes nicht gering achten. noch sich mit eitlem Trost dagegen decken kann, und andernteils flößt es dem Herzen schon auch was ein von dem, mit was für einem GOtt es durch redliche Zukehr zu Ihm, wieder in Gemeinschaft komme.