Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Amos - Das Zweite Kapitel
I. noch ein fremdes benachbartes Volk vor, an dem sich aber GOtt als Richter und Rächer beweist wegen einer Grausamkeit, die sie an einem gleichfalls heidnischen Könige bewiesen hatten.
1. So spricht der HErr: Um drei und vier Laster willen Moabs will Ich ihrer nicht schonen; darum, dass sie die Gebeine des Königs zu Edom haben zu Asche verbrannt. 2. Sondern Ich will ein Feuer schicken in Moab, das soll die Paläste zu Kirioth verzehren; und Moab soll sterben im Getümmel, und Geschrei, und Posaunen Hall. 3. Und Ich will den Richter unter ihnen ausrotten, und alle ihre Fürsten samt ihm erwürgen, spricht der HErr.
Wer sollte sich nicht entsetzen vor diesen Gerichten GOttes? Wer soll aber nicht auch einen Trost gegen allen Trotz der Menschen aus dem Angedenken fassen, wie GOtt von der Welt her gerichtet hat? Wer sollte sich nicht auch vor allem Übermut, Unbarmherzigkeit, Gewalttätigkeit hüten, weil er weiß, was GOtt für ein Rächer ist über das Alles. Wie kam es dem Hiob in seinem Unfall so wohl, dass er Kap. 31, 13. 14. mit seinem Gewissen so reden konnte: Habe ich verachtet das Recht meines Knechts oder meiner Magd, wenn sie eine Sache wider mich hatten? Was wollte ich tun, wenn GOtt sich aufmachte? Und was würde ich antworten, wenn Er heimsuchte?
II. Von den Völkern nun, die ohne Gesetz gesündigt hatten, und so auch ohne Gesetz, aber doch nach der Leuchte GOttes in ihrem Gewissen gerichtet wurden, kommt er nun auf das Volk GOttes in Juda und Israel, die am Gesetz allermeist gesündigt hatten, und so auch durch das Gesetz verurteilt wurden.
4. So spricht der HErr: Um drei und vier Laster willen Juda will Ich seiner nicht schonen; darum, dass sie des HErrn Gesetz verachten, und Seine Rechte nicht halten, und lassen sich ihre Lügen verführen, welchen ihre Väter nachgefolgt haben. 5. Sondern Ich will ein Feuer in Juda schicken, das soll die Paläste zu Jerusalem verzehren.
Wenn ungöttliches Wesen und eitler Wandel von den Vätern auf die Kinder ins dritte und vierte Glied fortgepflanzt wird, so reißt der Eifer des HErrn Zebaoth ein solches Geschlecht dahin, dass kein Retten mehr statt hat.
III. Nun wendet sich die Rede des HErrn durch den Propheten an Israel, bei welchem er sich am längsten aufhält, als zu dem er eigentlich gesandt war.
6. So spricht der HErr: Um drei und vier Laster willen Israels will Ich ihrer nicht schonen; darum, dass sie die Gerechten um Geld, und die Armen um ein Paar Schuh verkaufen. 7. Sie treten den Kopf der Armen in Kot, und hindern den Weg der Elenden. Es schläft Sohn und Vater bei einer Dirne, damit sie meinen Namen entheiligen.
Das kann die Welt noch jetzt meisterlich, den Weg der Elenden hindern, im Handel und Wandel, bei Handwerkern, in Amtssachen, bei Versorgung der Kinder, bei anderem billigem Gesuch, den Weg der Elenden hindern, woran ein Mancher seine Kunst, Verschlagenheit und Vielvermögenheit zeigen will, wenn er diesen und jenen Menschen, diese und jene Familie, die Leute von dieser Gesinnung u. s. f. nicht aufkommen lässt. Bei Sünden der Unreinigkeit steht das oft in der Schrift, dass man damit GOttes heiligen Namen entheilige, welches ja die kahle Entschuldigung abschneiden sollte, womit man sich bei solchen Arten Sünden behilft, als ob sie nicht so gerade wider GOtt gingen, und man damit ja nicht die Absicht habe, GOtt zu beleidigen. Inzwischen fährt man eben doch verächtlich oder verzagt an allem dem vorbei, was uns GOtt von Seinem heiligen Namen und von Seiner Ansprache, auch uns sich zum Eigentum zu heiligen, hat wissen lassen, und tut wie die Heiden, die von GOtt nichts wissen.
8. Und bei allen Altären schlemmen sie von den verpfändeten Kleidern, und trinken Wein in ihrer Götter Hause von den Gebüßten.
Das ist auch schon bei Hosea geahndet worden, dass man Alles, und so auch die Gelegenheiten, Strafen, Sündopfer, Laye 2. einzuziehen, zur Unterdrückung des schwächeren Teils missbrauche. Roch jetzt heißt es: in manchem Land und Reich sehen die Gesetze mehr gelegten Fallen gleich, als Unterweisungen.
9. Nun habe Ich ja den Amoriter vor ihnen her vertilgt, der so hoch war, als die Zedern, und seine Macht, wie die Eichen, und Ich vertilgte oben seine Frucht, und unten seine Wurzel. 10. Auch habe Ich euch aus Ägyptenland geführt, und vierzig Jahre in der Wüste geleitet, dass ihr der Amoriter Land besitzt. 11. Und habe aus euern Kindern Propheten auferweckt, und Nasarder aus euern Jünglingen. Ist es nicht also, ihr Kinder Israel? spricht der HErr.
Bei den vorigen Ansprachen an die übrigen Völker war gleich das erste, die Ankündigung der Strafe; hier aber gegen Israel braucht GOtt die große Herunterlassung, dass Er sich in eine eigentliche Abrechnung mit ihnen einlässt, über alle an sie im Leiblichen und Geistlichen gewendeten Wohltaten, und auch über die Gerichte, die Er vor ihren Augen an Denen geübt, in deren heidnische Gräuel sie nun zurückfielen. 12. So gebet ihr den Nasardern Wein zu trinken, und gebietet den Propheten und sprecht: Ihr sollt nicht weissagen.
Einer von den gröbsten Ausbrüchen des ungöttlichen Wesens, wo man sich eine Freude daraus macht, auch Anderer Gewissen zu übertäuben, und ihnen gegen dasselbe etwas zuzumuten und einzureden; hingegen von allem Göttlichen nichts an sich kommen lassen will, zu seiner Warnung oder Bestrafung.
13. Siehe, Ich will es unter euch kirren machen, wie ein Wagen voll Garben kirret, 14. Dass der, so schnell ist, soll nicht entfliehen, noch der Starke etwas vermögen, und der Mächtige nicht soll sein Leben erretten können. 15. Und die Bogenschützen sollen nicht bestehen; und der schnell laufen kann, soll nicht entlaufen; und der da reitet, soll sein Leben nicht erretten; 16. Und der unter den Starken der Mannhaftigste ist, soll nackend entfliehen müssen zu der Zeit, spricht der HErr.
Weil die Menschen zu Geringachtung der Drohungen GOttes so gern darauf verfallen, dass sie sich schon helfen wollen, oder wie es Jesaja 9, 9. 10. von den Bürgern von Samaria heißt: dass sie in Hochmut und stolzem Sinn sprechen: Ziegelsteine sind gefallen, aber wir wollen es mit Werkstücken wieder bauen; man hat Maulbeerbäume abgehauen, so wollen wir Zedern an die Stätte setzen; so schärft GOtt zuweilen Seine Drohungen auch damit, dass keine menschliche Hilfe dagegen sein werde. Freilich sind die meisten zeitlichen Strafen, die GOtt schickt, noch mit vieler Barmherzigkeit gemäßigt, und machen noch nicht den Kelch aus, darein der Zorn unvermischt eingeschenkt ist, und daher kommt es, dass Er oft noch zu menschlichen Rettungsmitteln Segen gibt, und dadurch wieder was erleichtert; aber wenn man meint, damit immerhin GOtt und Seinen Gerichten trotzen zu können, so kann Er einen auch inne werden lassen, dass wider den HErrn weder Rat noch Tat helfe.