Rhegius, Urbanus - Eine Predigt, warum Christus den Glauben ein Werk Gottes genannt habe, was der rechte christliche Glaube sei, und warum man sage: Allein der Glaube macht fromm. Durch Urbanum Rhegium.
(Ausgabe einzeln. 1529. 4.)
Text: Joh. 6 (V. 25.29).
Nachdem Christus Johannis am Sechsten bei fünf tausend Menschen mit fünf Gerstenbrodten und zwei Fischen reichlich und wohl gespeis’t hatte, kamen sie darnach gen Capernaum und suchten ihn; aber ihr Herz stand nicht recht gegen Christus. Sie liefen ihm nach um des materiellen Brodtes willen, dass sie den Bauch ersättigten. Aber Christus, der zu uns kommen war, viel grössere Güter, denn zeitliche, zu geben, nämlich als der rechte Frommmacher und Seligmacher, zog das einfältige, grobe Volk von der leiblichen, zergänglichen Speise auf die rechte Speise, dadurch wir in’s ewige Leben werden gespeis’t und ewiglich unterhalten und sprach: Wirket nicht Speise, die vergehet, sondern die, so in’s ewige Leben bleibt. Da fragten sie ihn: Was sollen wir thun, dass wir die Werke Gottes thun? Der Herr antwortete: Das ist das Werk Gottes, dass ihr in Den glaubt, den er (der Vater) gesandt hat.
Wer diese Frage sammt ihrer Antwort recht versteht, mag darnach den ganzen Handel vom Glauben und guten Werken leichtlich verstehen, daran wahrlich Viel gelegen ist, dieweil man die Worte Glaube und gute Werke lange Zeit missbraucht und auf andere Dinge gezogen hat, denn die Schrift möge erleiden.
Die Frage will eigentlich so Viel, als hätten sie gesagt: Was sollen wir thun, dass es gute Werke seien, dadurch wir vor Gott mögen fromm werden und bestehen? Sie wollen wissen, was die guten Werke seien. Und Christus antwortet ihnen und sagt ihnen allein von einem guten Werke, nämlich vom Glauben in Christum. Das ist eine wunderbarliche Antwort. Sie fragen von Werken und wollen gute Werke thun, so antwortet Christus von Glauben, und sind doch Glaube und gute Werke zwei unterschiedliche Dinge, da eins rechter Ordnung vor dem andern hergeht. Uns bedünkt, Christus sollte die zehn Gebote erzählet haben, als Vater und Mutter ehren, nicht stehlen, sondern dem Nächsten helfen und geben, nicht tödten, sondern beschützen und beschirmen des Nächsten Leib und Güter, nicht falsch Zeugniss geben, dem Nächsten zur Gerechtigkeit helfen, nicht ehebrechen, sondern dem Nächsten die Ehre seines Hauses helfen retten und erhalten, nicht fremdes Guts begehren, sondern bereit sein, das Seine auch den Dürftigen mitzutheilen. Das sind ja gute Werke, die Gott selbst im Gesetze geboten hat; wie geht es aber zu, dass Christus derer keins an dem Orte gedenkt und allein vom Glauben redet und denselben ein gut Werk heisst? Nun hat gewisslich Christus wohl und recht geantwortet auf ihre Frage und den rechten Grund gerührt; denn er ist die Wahrheit und der rechte Lehrmeister, der uns zur Seligkeit die rechte gründliche Wahrheit lehrt aus des Vaters Willen, der Christum gesandt hat als den rechten Meister, den man hören soll. Derhalben muss diese Antwort ohne allen Zweifel auf diese Frage der guten Werke halben ganz eigentlich und gründlich dienen, dass keine Antwort hätte mögen gegeben werden, denn wie Christus hat geantwortet vom Glauben in sich. Derhalben muss es gewisslich also zugehen, dass alle guten Werke gleich etlicher Weise im Glauben in Christum seien verschlossen oder begriffen, also dass der Glaube aller guten Werke Brunn, Haupt, Werkmeister und Ursprung sei und kein gut Werk ohne diesen Glauben möge geschehen, dass gleich der Glaubige in seinem Glauben habe oder überkomme, was die zehn Gebote fordern; sonst wäre diese Antwort der oben gemeldeten Frage nicht eigentlich zugehörig.
Darum müssen wir ein Wenig vom Glauben reden, was der Glaube eigentlich sei in der Schrift, was er vermag und wirke; alsdann versteht man, warum Christus den Glauben ein Werk Gottes habe genannt, und warum Sanct Paul so oft sagt, der Glaube mache den Sünder fromm ohne die Werke des Gesetzes, und wie die alten Bischöfe vor Zeiten gepredigt haben und geschrieben, dass allein der Glaube in Christum fromm und selig mache. Es lautet wohl seltsam in den Ohren der Welt, wenn man sagt, dass der einige Glaube in Christum fromm mache; aber wer hier versteht, was Christus will, und was St. Paulus vom Glauben schreibt, Der wird leichtlich merken, dass es also ist im Grunde, wie wir reden. Allein Missbrauch und Missverstand der Wörter Glaube und gute Werke haben hierin die Leute irre gemacht, dass sie sich nicht haben können darein schicken, wie man verstehe, der Glaube macht fromm, dieweil so viel guter Werke geboren sind in der Schrift. Denn es will der Einfältige immerdar wähnen, man wolle den guten Werken zu nahe sein und sie verkleinern und in Verachtung bringen. Das wäre nicht recht, und Niemand soll gedenken, dass wir der Meinung seien oder je seien gewesen. Das ist aber unsere Arbeit, dass wir gern lehreten die rechte natürliche Ordnung des Glaubens und der Werke, damit jedermann wüsste, welches vor, welches nach ging und keins in das Andere vermischt und vermengt wäre. Denn wo man hierin die rechte Ordnung verfehlt, so verliert man Glauben und gute Werke, und bleibt Nichts an der Statt, denn ein kalter Wahn und eitel Gleissnerei, der Gott feind ist. so muss man nun zuerst merken, dass wir vom Glauben wollen reden, nicht wie die Vernunft nach ihrer Klugheit redet aus der Philosophia; denn wenn man göttliche Sachen anders, denn mit göttlichem Worte handelt und allein nach menschlichem Verstande von himmlischen Dingen redet, so ist’s kein Wunder, dass man irret und anders redet, denn sie an sich selbst sind. Also haben Etliche gesagt vom Glauben, der Glaube sie, wenn ein Mensch die Artikel unseres Glaubens weiss und glaubt also hie nach dem Buchstaben wie eine andere Geschichte, Gott habe Himmel und Erde erschaffen, Christus, Gottes Sohn, habe gelitten, sei gestorben und auferstanden, werde am jüngsten Tage kommen, richten die Lebendigen und die Todten, und was dieser Artikel mehr sind in der Schrift. Darnach sage ich, dieser Glaube möge wohl ohne Liebe und gute Werke sein. Das ist aber nicht der rechte christliche Glaube, davon wir reden. Man muss ja diese Artikel glauben; es gehört aber noch mehr dazu. Der Teufel glaubt auch, dass es wahr sei, was die Schrift von Gott redet, dass ein Gott sei und er habe Himmel und Erde erschaffen und Dessgleichen. Er wird aber darum nicht fromm und selig. Denn es ist noch nicht der rechte Glaube, den wir täglich predigen. Es ist allein eine Erkenntniss der Lehre von Gott, die auch ein Heide kann fassen, gedenken und reden, so er allein die Sprache versteht; noch ist aber kein Grund da im Herzen.
Daher kommt nun der Welt Irrthum vom Glauben. Es gehet Einer an die Predigt und hört sagen, wie Gott habe die Welt erschaffen, er sei allmächtig, er habe uns zu Gute seinen Sohn in die Welt gesandt, dass er unsere Sünde auf sich nähme und büsste und uns also fromm und selig machte, und hat Das gethan aus Liebe, ohne unser Verdienst. Der nun diese und dergleichen Predigt hört von Christo und seinem Leiden, Sterben und Auferstehen: Der geht hin und spricht: Nun, ich habe diese Predigt wohl vernommen, verstehe nun wohl, dass Christus in die Welt ist kommen, die Sünder selig zu machen, und Gott will uns gnädig sein und verzeihen und zu Kindern annehmen in das ewige Leben um seines geliebten Sohnes willen, Christi, so wir in ihn glauben. Wenn ich nun glaube, so werde ich fromm und selig; die Sache steht wohl, ich will auch glauben, dass ich auch selig werde.
Nun, dieser Zuhörer geht hin und hat die Artikel des Glaubens gefasst, kann sie erzählen und davon reden; aber daneben bleibt er der alte Hans, geizig, hoffährtig, unkeusch, neidisch, seinem Nächsten schädlich, und ist gleich wie er zuvor war. So spricht sein Nachbar. O mein Hans, du bist nicht evangelisch, du hast keine Liebe zum Nächsten, es ist nur das Maul um dich, man siehet keine guten Werke von dir. Jetzt gedenkt bei sich Hans: Nun hab’ ich ja den Glauben, wie ich an der Predigt gehört habe; aber es will noch gar nicht recht mit mir von Statten gehen. Ei, es soll wohl Nichts sein, was man vom Glauben predigt, er thut’s ja allein nicht, es muss auch Liebe und gute Werke da sein, darum ist es freilich nicht wahr, wenn man sagt, der Glaube macht fromm, Das empfind’ ich an mir selbst; denn wiewohl ich glaube, dennoch bin ich ja nicht fromm. Machte der Glaube fromm, so wäre ich auch fromm; denn ich glaube auch. Etliche, wenn man ihnen vom evangelischen Glauben sagt, man müsse den Glauben haben, der mache fromm, so zürnen sie und sagen: Geh hin in die Türkey und lehre die Türken den Glauben, wir haben den Glauben in der Kindheit von der Mutter gelernt. Die Leute wähnen, Das sei der Glaube, wenn sie die Artikel an den Fingern können zählen. Also ging’s mir mit einem brossen Bischof, der hielt es für eine geringe Sache, denn Glauben lernen, dieweil ihn die Kinder lernen, so bald sie nur reden können.
Aber, liebe Christen, es ist Alles noch nicht der rechte Grund davon. Paulus redet, wenn er schreibt, der Glaube mache fromm, fromm werden ist nicht ein geringes Ding, es gehört Viel dazu. Macht nun der Glaube fromm, wie die Schrift sagt, so muss ja der Glaube gar ein ander, gewaltiger, ernstlicher Ding sein, denn die Welt meint und die glaubenlose Vernunft wähnt. Darum wollen wir hören, was die Schrift vom Glauben sagt, die trügt uns nicht, wie das blinde natürliche Licht thut.
Genesis 15. spricht Gott zum Erzvater Abraham: Abraham, fürchte dich nicht, ich bin dein Beschützer und dein fast grosser Lohn! und verhiess ihm Mehrung seines Samens, wie die Sterne am Himmel. Hier spricht Moses: Abraham glaubte Gott, und es ist ihm zur Frömmigkeit gerechnet.
Diesen herrlichen Text nimmt St. Paulus für sich, da er des Glaubens Art und die Werke handelt, Röm. 4., und redet so gründlich vom Glauben des Erzvaters, dass ein jeder Mensch bald aus diesem einigen Exempel merkt, was der Glaube sei, und wie er fromm mache und Gottes Werk sei.
Abraham hört, dass ihm Gott einen Samen verhiess von seiner alten Hausfrau Sarah, er hörte, dass ihn Gott zu einem Vater vieler Völker wollte machen und wollte sein und seines Samens Gott sein. Hier hat Abraham das Wort Gottes, dem glaubt er festiglich, und wiewohl er uns eine Hausfrau alt waren, liess er sich dasselbe nicht irren und hielt gewiss in seinem Herzen, dass er einen Samen würde haben; denn der ihm Solches verheissen, Der sei mächtig genug, alles Das zu leisten, das er verspricht. Also gab er Gott die Ehre, hielt ihn für treu, mächtig und wahrhaftig, er zweifelt nicht, wie ihm Gott zusagt, es werde gewisslich also geschehen. Röm. 4. Er hielt Gott für seinen treuen Gott, für seinen lieben Vater, Beschirmer und Hort, und da er schon versucht ward, als müsste er seinen Sohn tödten und zog hin und wieder wie ein Pilger, der keine eigene, bleibliche Stätte hatte, dennoch versah er sich alle Zeit alles Guten zu Gott und zweifelte nicht an der göttlichen Zusagung, dass sein Herz recht stand zu Gott und also gesinnet war: Gott hat mir Gnade und Hilfe zugesagt, er wolle mich nicht verlassen; Dess will ich mich zu ihm allewege ganz versehen, es gehe, wie es wolle, so ist doch Gott, mein Gott, allmächtig und hat mich in seiner Hut, meine Sache stehet wohl und sicher. Dass aber des Abraham’s Herz in ernstlicher, wahrer Zuversicht zu Gott gestanden sei, erkennt man an seinen Werken; denn er zog hin (Genes. 22), wollte auf das Wort des Herrn seinen lieben Sohn Isaak opfern, dabei man wohl merkt, was in seinem Herzen für ein brennender Ernst sei gewesen zu glauben dem Worte Gottes.
Nun höre, frommer Christ, wenn Abraham das Wort Gottes mit seinem Munde fein hätte können herzählen und schöne Dinge davon reden, als wenn Einer von einer Predigt kann sagen alle Artikel, die er gehört hat, so wäre es noch kein rechter Glaube gewesen; denn das Herz wäre noch nie im Grunde berührt worden, es hätte allein Gottes Wort gefasst mit hellen Gedanken, und wenn’s an Ernst wäre gegangen, so hätte er geschwankt. Als da Gott ihn hiess seinen Sohn opfern, da hätte er gedacht: Was ist das für ein Ding? Erst hat er mir verheissen, ich solle ein Vater vieler Völker sein und grosse Dinge zugesagt in meinem Samen, jetzt heisst er mich eben denselben Sohn tödten, darin ich verhofft viel Volks! Es geht nicht recht zu, ich habe einen Sohn, den will ich behalten, käme ich um Den, vielleicht würde mir kein anderer.
Siehe, frommer Christ, Das wäre kein rechter Glaube, sondern ein wankender Wahn, der die Sache nicht that wagen auf Gott, wenn’s an Ernst geht, so schaut er hinter sich und that sich nicht auf Gott verlassen.
Aber der fromme Abraham war ein anderer Mann. Er habt am Worte Gottes mit solchem Ernst und Vertrauen, dass er sich auf Gottes Wort fröhlich verliess und zweifelte nicht, er hätte einen gnädigen Gott, der wäre wahrhaft und allmächtig, darum, was er redete, Das müsse geschehen. Da konnte alle Creaturen im Himmel und auf Erden kein Hinderniss an thun, auf denselbigen Gott begab und verliess sich Abraham mit gründlicher, lebendiger Zuversicht in allen Nöthen des Leibes und der Seele. Sein Herz hofft und wartet auf den Samen, darinnen alle Völker sollen gebeneideiet werden, derselbe war Abraham’s Zuversicht und Hort. Das thaten auch alle frommen alten Christen, wie es St. Paulus Hebr. 11. erzählet, Noah, Isaak, Jakob, Joseph und dergleichen; wann Gott redete, er dräuete oder verhiess, so liessen sie es ihnen ein Ernst sein und glaubten Gottes Wort ohne Wanken. Darum sind sie fromm und selig worden; denn es ist unmöglich, dass Jemand Gott dem Herrn ohne einen solchen Glauben möge gefallen. Hebr. 11.
Wie nun Abraham und die anderen Heiligen des alten Testaments ihr Vertrauen zu Gott durch den zukünftigen Christum, Gottes Sohn, im heiligen Geist fest gehabt haben, also haben die im neuen Testamente ihre Zuversicht in Gott gehabt durch Christum, der in der Erfüllung der Zeit gesandt ist, als die heiligen Apostel und Alle, die dem Evangelium Jesu Christi haben geglaubt. Diesen Glauben mögen die falschen Christen von Aussen wohl gleissender Weise anzeigen, als wenn sie in Christum glaubten, aber derselbe erdichtete Glaube besteht nicht an der Probe; denn wann der Glaube bewähret wird in der Anfechtung, wie Gold im Feuer, so erfindet sich gar bald, welches ein rechter und ein falscher Glaube ist. Wir reden vom rechten Glauben in Christum, der ein Werk Gottes ist, den muss man also bewähren. Nimm für dich einen Gleissner, der sich des christlichen Glaubens hoch berühmt und spricht: Wie, sollt’ ich dafür gehalten sein, dass ich nicht recht glaubte? Ich habe den Glauben gewiss von Kindheit her. Nun, ich setze das Feuer der Bewährung neben denselben Glauben. Er spricht mit dem Munde: Ich glaube in Gott, Vater, allmächtigen Gott, Schöpfer Himmels und der Erden und in Jesum Christum, der für uns gelitten hat, dass er uns von Sünden erlös’te, und glaube Ablass der Sünde und das ewige Leben. Also redet des Gleissners Mund, und alle Welt meint, es sei sein Ernst, und er selbst wähnt auch, sein Glaube sei recht; aber merke, frommer Christ, die Worte oder Artikel, die er redet, die sind freilich wahr und gerecht, aber Lüge, wie es um sein Herz stand. Es kommt eine Theurung in’s Land, dass Mangel wird an der Nahrung. Dieser Gleissner erschrickt sehr übel, fürchtet, er müsse erhungern, aber er geht hin, schliesst sein Kornhaus zu, giebt Niemand Nichts, behält Alles selbst. Item, wenn ihm will das Gut zerrinnen, so lügt er, wie er gut überkomme, es geschehe durch Güte oder böse Mittel, er betrügt seinen Nächsten und handelt wider Gott, und ehe er einen Pfennig verlöre, eher erzürnt er Gott zehn Mal. Nun frage ich, Gleissner, wo ist jetzt dein Glaube? Du hast wohl können davon reden; aber es ist dir nie Ernst gewesen. Der Gleissner spricht: Traun, ich habe ja einen Glauben und bin ein Christ. Ach, einen solchen Christen kann man wohl an eine Wand malen; sag an, wo glaubst du in Gott als in deinen allmächtigen Vater? Hieltest du Gott in deinem Herzen in der Wahrheit für allmächtig und glaubtest, dass er dein lieber, getreuer Vater wäre, wahrlich, so hättest du kein solch Misstrauen zu ihm, wie du jetzt hast, du würdest ihm vertrauen, und wenn schon kein Korn auf Erden wäre, noch würde er dich nicht verlassen und Hungers sterben lassen; denn dein Herz würde also gedenken: Gott ist allmächtig, er kann mich wohl speisen, er ist auch mein Vater, wie möchte ein Vater sein Kind verlassen? Nun haben doch die irdischen Väter solche herzliche Treue zu ihren Kindern, dass sie eher selbst Mangel litten, ehe sie ihre lieben Kinder liessen erhungern. Wie viel weniger wird denn der rechte himmlische Vater seine Kinder verlassen, geht ihm doch Nichts ab. Er kann wohl helfen, dieweil er allmächtig ist, er will auch gern helfen, denn er ist mein Vater; hat er doch mir armem Sünder solche Treue erzeigt, dass er seinen eingeborenen Sohn Jesum Christum für mich hat leiden lassen und sterben und hat denselben Sohn mit all seinen Gütern mir zu eigen gegeben, darin ich soll haben Gnade des Vaters, ewige, beständige Frömmigkeit, Wahrheit, Weisheit, Stärke, Trost, Freiheit, Friede, Freude, Erlösung und das ewige leben. Will er mich ewiglich selig machen, dass ich ein Kind und Erbe sei des ewigen Lebens mit Leib und Seele, wie würde er denn mir zeitliche Nahrung versagen auf ein Jahr? Nun geh’ in dich selbst, Gleissner, so findest du, dass dein Herz kein rechtes Vertrauen nie in Gott gehabt hat, das sich hätte auf Gottes Barmherzigkeit und Macht verlassen. Ja, du verlässest dich auf dein Geld und Kornkasten, auf Freunde und Gewalt. Wohlan, wenn du dann Gott nicht mehr vertrauest, denn dass du fürchtest, er könne und wolle dir deinen Bauch zeitlich nicht ernähren, so ist’s offenbar, dass dein Herz nie mit Ernst Gott für allmächtig und für seinen Vater erkannt hat. Wie willst du dich denn zu Gott versehen, dass er Leib und Seele ewiglich erhalte, so du dich ihm auf ein Jahr nicht kannst vertrauen?
Weiter setz’ ich, der Gleissner falle in Krankheit und Todesnoth und der Teufel ficht ihn an der Sünde halben, darum er billig verdammt sollte werden, der Gleissner zittert und will nun verzweifeln, nimmt sich für, w ihm Gott wieder aufhülfe, so wollte er viel guter Werke thun und also seine Sünde büssen und Gottes Zorn stillen, ge- und verdienen und dem grausamen Urtheil der ewigen Verdammniss entrinnen. Oder aber, wenn er gute Werke im Leben gethan hat, so fängt er an im Todtenbett darein vertrauen und sich auf seine Werkfrömmigkeit verlassen. Wenn dann der böse Geist zuschaut, wie er denn zur selben Zeit nicht feiert, so wird entweder gewisse Verzweiflung oder ein falsch unsicher Vertrauen auf unsere Werke, dass man Christum lässt fallen. So frage jetzt den heiligen Gleissner: Höre, heiliger Mann, ich meinte, du glaubest alle Artikel unseres christlichen Glaubens. Nun hast du ja all dein Leben lang alle Tage gesagt: Ich glaube Ablass der Sünde, und jetzt in der Noth, so glaubst du nicht Ablass der Sünde, denn du willst verzweifeln in deinen Sünden an der Barmherzigkeit Gottes, oder aber du vermissest dich mit eigenen Werken, Sünde zu büssen, so bedarfst du keiner Verzeihung, wenn du dir selbst kannst durch eigene Macht von Sünden helfen.
Also geht’s, mein Gleissner, es ist kein Artikel im Glauben, daran dein Herz je mit Grund und Ernst gehanget sei. Derhalben siehest du, dass dein Glaube Nichts ist, denn ein ungewisser Wahn von Gott, dabei kein Vertrauen nie ist gewesen. Aber wir lehren keinen solchen nichtigen Glauben. Wir lehren einen Glauben, der in der Noth besteht wider alle Pforten der Hölle, der wider die Welt und der Welt Fürsten, den Satan, gesiegt. 1. Joh. 5. Matth. 16. Dass aber desto leichter verstanden werde, was der Glaube sei, der ein Werk Gottes ist, davon wir reden, merke, wie St. Paulus habe geglaubt; dabei siehst du, wie wir auch müssen glauben.
Sanct Paulus hat das Evangelium von Christo gelernt und gewusst, dass der himmlische Vater seinen eingeborenen Sohn gesandt hat, dass er Mensch werde und also für unsere Sünde stürbe, Sünde bezahlte, Tod überwände und uns fromm und selig machte. Das hat St. Paulus in seinem Herzen für wahr gehalten und sich durch Christum, den einigen Mittler und Versöhner, auf Gott, als auf seinen lieben Vater, verlassen in allen Nöthen und nicht gezweifelt, seine Sünden seien ihm schon verziehen um Christus willen. Derselbe Christus, wahrer Gott und Mensch, sei nun jetzt sein eigen, aus lauter Gnade Gottes; dass er geboren ist, den Tod des Kreuzes erlitten hat, wieder auferstanden, zur Rechten Gottes erhöhet ist, Das habe er Alles ihm zu Gute gethan, dass er ihn damit frei, ledig und los habe gemacht von der Sünde, vom Tode und der Hölle, von des Teufels Gewalt und dem strengen Gerichte Gottes, dass er ein gewisser Erbe sei des ewigen Lebens, dieweil er ein Kind Gottes ist und Gott sein lieber Vater, der ihn geistlich, zeitlich und ewiglich beschirmen will und ihm alles Gute thun um Christus willen, seines lieben Sohnes, in den er glaubt und durch denselben Glauben Christum für eigen überkommen hat, dass er mag sagen: Nun bin ich schon selig in der Hoffnung; weder Sünde, Tod, noch Hölle mögen mir schaden, nicht, das sich solche grosse Dinge verdient habe oder verdienen möge, sondern, dass mich nun Christus für sein Glied erkennt du sich meiner annimmt wider meine Feinde. Das ist der rechte christliche Glaube, den die Schrift erfordert, dass du glaubst, Christus sei für dich auch gestorben, so wohl, als für Paulum, und Gott sehe dasselbe Verdienst Christi an, und dieweil du in Christum glaubst, wolle er dir alle diene Sünde vergeben, um seines Sohnes Christi willen, der für deine Sünden gestorben ist. Der Glaube schwankt nicht, wie oben des Gleissners Wahn; er hält hoch von Gott, er fürchtet Gott als einen allmächtigen Herrn, er vertrauet sich ihm sicherlich wie einem allmächtigen Vater. Er hält ihn für wahrhaftig und hangt fest an Gottes Zusagung, und dieweil Gott seinen Sohn uns gegeben hat, dass er unsere Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung sei, so nimmt er Christum also an und lässt sich nicht von ihm abreissen.
Diesen Glauben wirkt Gott in uns durch seine Macht und Kraft des heil. Geistes, damit er Christum vom Tode auferweckt hat, Eph. 1. Der zeucht und wendet das glaublose Herz zu Christo, Joh. 6. Wir berühmen diesen Glauben billig, dieweil er solche grosse Dinge wirkt und in sich hat. Er erfüllt allein das erste Gebot. Denn wo Glauben in Christum ist, da ist Vertrauen in Gott, Gottesfurcht, Liebe und Hoffnung. Da wird Gott recht für Gott gehalten; denn ihm wird die Ehre gegeben, dass ihn der Gläubige hält für wahrhaftig, fromm und gerecht und hält sich an sein Wort. Der Glaube vereinigt auch den Gläubigen mit Christo wie eine Braut dem Bräutigam, wie dies Geheimniss angezogen wird Hosea 2. und Eph. 5. Da wird der Gläubige ein lebendig Glied Christi, ein Glied Gottes. Alle Dinge werden ihnen gemein. Da muss des Gläubigen Sünde, Tod und Hölle verschwinden vor der unüberwindlichen, ewigen, allmächtigen Frömmigkeit Christi, des Gemahls, vor dem rechten Leben Christi, der das ewige Wort ist des Vaters und das Leben selbst, vor dem ewigen Heil in Christo, dass also in Kraft des Glaubens oder lebendigen Vertrauens in Christum der Gläubige frei, ledig und los wird von allen Sünden, sicher vor dem Tode, erlös’t von der Hölle, und wird begabt mit der ewigen Gerechtigkeit, mit dem ewigen Leben und Seligkeit seines Bräutigams Christi. Aus welchem Allen folgt, dass man recht sagt: Allein der glaube in Christum macht fromm und selig. Der Glaube in Christum ist ein Werk Gottes. So spricht denn die Weisheit des Fleisches, es sei Ketzerei und Irrthum; denn man mache faul Volk und verschupfe die guten Werke und verdrucke die Gebote Gottes.
Der Gegenwurf geschah auch zur Zeit Pauli, da er den Glauben rühmt und sagt, der Glaube mache fromm ohne Werke. Aber er antwortet Röm. 3. und spricht: Wie? Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei fern von uns, sondern wir richten das Gesetz auf.
Also sprechen wir, wer redet, dass wir gute Werke verbieten, verachten oder verhindern, oder die Gebote Gottes aufheben, Der weiss nicht, wie man die Gebote kann und soll erfüllen und widerspricht dem heiligen Geiste. Denn eben darum reden wir so oft und löblich vom Glauben in Christum, dass wir gern wollten Jedermann dahin bringen, dass man rechte gute Werke möchte thun und recht in Gottes Gebot wandeln, welches wahrlich ohne den Glauben unmöglich ist. Derhalben Christus auf die Frage von guten Werken recht antwortet; denn er lehret das rechte Hauptwerk, daraus alle guten Werke fliessen, und wo es nicht vorhergeht, da ist alle Lehre von guten Werken vergeblich; denn es ist Sünde, was ausserhalb des Glaubens gewirkt wird, es scheine wie gut es wolle. Wenn aber der Glaube in Christum zugegen ist, so bringt er mit sich, was zum christlichen Leben gehört, Erfüllung des Gesetzes, gute Werke und alles Gute. Das vernimm also und erkenne die rechte Ordnung des Glaubens und der Werke in ihrem Amt.
Wenn man Christum predigt im Evangelio, so lehrt man zwei Stücke.. Das erste ist Bussfertigkeit, dass man durch’s Gesetz lehrt Sünde, Urtheil und Zorn Gottes erkennen, daraus Furcht und Zitterniss der Gewissen erweckt wird, wie denn geschah Actor 2., da Petrus den Juden ihre Sünde anzeigt, wie sie den wahren Messias hätten gekreuzigt; alsbald erschraken sie von Herzen übel und begehrten Gnade. Zum andern lehrt man Ablass der Sünde im Namen Christi und bringt Christum den elenden erschrockenen Gewissen, den einigen Arzt, der alle unsere Sünde bezahlet hat, und um welches willen Gott die Sünde will verzeihen und Kinder Gottes aus uns machen.
Wo man nun dieser Predigt glaubt von Christo, wie wir schon durch den Tod Christi Gott dem Herrn versöhnet seien, derselbe Glaube ist eine lebendige, fröhliche Zuversicht auf solche Gottesgnade in Christo geschenkt, und macht aus dem Gläubigen ein Kind Gottes, da sind alle Sünden verziehen, Joh. 1. Gal. 3. Zugleich giebt Gott den heiligen Geist in dasselbige gläubige Herz. Gal. 4. Der heilige Geist giesst Liebe in’s Herz; dieselbige Liebe ist des Gesetzes Erfüllung. Röm. 5. 13. Wo nun der Glaube nicht ist, da ist weder heiliger Geist, Liebe, noch gute Werke. Wo aber Glaube ist, da kommt der heilige Geist; er bringt die Liebe, es kommen gute Werke. Das ist die rechte Ordnung.
Wo aber Einer gute Werke will thun, der noch weder Glauben, noch Liebe hat, der kehrt das Hintere herfür und will herauszwingen, das nicht drinnen ist. Es muss zum Allerersten der Glaube da sein, darinnen du deine Sünde und Jammer erkennest und dagegen die überschwängliche Barmherzigkeit Gottes in Christo, der um deinetwillen seinen Sohn in den Tod giebt, da erwächst eine tröstliche Zuversicht zu Gott, den gewinnst du lieb, wie ein frommes Kind seinen lieben, treuen Vater, also überkommst du den Kindergeist, der entzündet dein Herz mit dem Feuer der Liebe. Wenn du ohne diese Liebe Almosen giebst oder ein ander Werk thust, so geht’s nicht von Herzen, es geschieht allein aus Furcht der Pein oder Liebe des Ruhms und Belohnung. Darum ist lauter Gleissnerei und kein gut Werk; wenn du aber deinen Nächsten in Christo liebest, Das rührt des Herzens Grund, alsbald folgen die rechten, guten Werke; denn wenn dir dein Nächster im Herzen lieb ist als ein Glied Christi und Miterbe des ewigen Lebens, so gönnst du ihm nichts Übles, du stiehlst ihm Nichts, die Liebe kann’s nicht am Herzen haben, dass du ihm Schaden zufügest, ja, du gäbst ihm eher von deinem eigenen Gute, ehe du einen Heller nähmest, du schmähest ihm weder Weib, noch Kind, ja es wäre dir von Herzen leid, wo Solches ein Anderer thäte, du hast keine Lust, ihn zu schlagen oder an Leib, Ehre und Gut ihn zu beleidigen, ja du würdest mit Händen und Füssen wehren, wo ihm Solches von Anderen widerführe. Kurz, die Liebe thut dem Nächsten nicht Übles, sondern eitel Gutes, das ist ihre Art. Röm. 13. 1. Cor. 13. Darum merke die Ordnung: Glaube, Liebe, gute Werke. Also gehen sie nach einander, und lass dir diese Ordnung nicht verkehren; denn gute Werke können und mögen nicht geschehen ohne Glauben und Liebe. Wo der Glaube ist, da wird der Mensch gleich ein Kind Gottes und empfähet den heiligen Geist sammt seinen Gaben: Liebe, Hoffnung, Geduld. Dieweil nun der Glaube das Herz, den Brunnen der Werke, reinigt und andere Tugenden mit sich bringt und ohne den Glauben Christus nicht angenommen, erkannt, der heilige Geist nicht gegeben wird, und keine Liebe zum Nächsten ist, so kann ein jeder Christ wohl merken, warum Christus den Glauben ein Werk Gottes nennt, dass auch der Glaube die guten Werke mit sich bringt, denn er wirkt durch die Liebe. Gal. 5. Desshalb, wenn man von den guten Werken will reden oder gute Werke zu thun fürnehmen, muss zum Allerersten der Glaube da sein, dadurch der Mensch gut und rein werde, der heilige Geist empfangen und Liebe eingegossen werde, sonst ist Alles vergeblich. Das ist unsere Lehre vom Glauben und Werken, dass der Glaube zum Ersten den Menschen fromm macht, darnach kann der fromme Mensch fromme, gute Werke thun. Werke machen den Sünder nicht fromm; dieweil er ein Sünder ist, thut er Werke, gleich wie er an ihm selbst; böse ist er, darum thut er böse Werke; wäre er gut, so thäte er gute Werke. Willst du gute Werke von ihm haben, so mache ihn zuerst gut; sonst ist all dien Lehren, Ermahnen, Nöthigen, Zwingen und Dringen umsonst. Wie muss man aber den Sünder gut machen? Wahrlich, du musst am Herzen anfahen, dass es gereinigt und gut werde; das kannst du mit Werken nicht thun. Der heilige Geist muss das Herz verwandeln und reinigen durch den Glauben. Hes. 11. Actor. 15. Wenn dann der Glaube andere Gedanken, Willen und Begierde macht, dass du ein anderer Mensch bist worden, alsdann fähest du an, neue Werke zu thun, dann bist du ein neuer Mensch worden. Darum lass dir’s gesagt sein, wie ein jeder Mensch an ihm selbst ist, also wirkt, redet und thut er. Wandelst du die Person, so wandelst du das Werk, lässt du die Person bleiben, so bleibt das alte Werk.
Bei dieser Probe des christlichen Glaubens mögen wir armen Sünder sehen, wie grossen Mangel wir noch haben an dem rechten evangelischen Glauben; derhalben sollen wir allewege mit Ernst bitten und zu Gott rufen, wie die Jünger Luc. 17: Herr, mehre uns den Glauben. Es soll auch ein Jeder fleissig auf sich selbst merken, wie es um sein Herz stehe des Glaubens halben, auf dass wir durch Ansehn unseres grossen Mangels am rechten Glauben und wahrer Liebe zu ernstlichem Gebet bewegt werden. Das helfe uns Gott durch Christum, unsern Herrn. Amen.
Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters