Rambach, Johann Jakob - Der Rückfall aus der Gnade

Rambach, Johann Jakob - Der Rückfall aus der Gnade

Andächtige und Geliebte in dem Herrn!

Daß ein Mensch, der wahrhaftig zu Gott bekehrt, und seiner Gnade versichert gewesen, wiederum gänzlich aus der Gnade fallen könne, das ist eine Wahrheit, die zwar mancherlei Widerspruch leiden muß, die aber teils in dem Worte Gottes, teils in der betrübten Erfahrung genugsam gegründet ist.

Zwar gibt uns das Wort Gottes die Versicherung, daß ein Kind Gottes durch keiner einigen Kreatur äußerlicher Gewalt aus der Gnade Gottes gesetzt werden könne. Niemand, spricht Christus; (Joh. 10,28) wird meine Schafe aus meiner Hand reißen. Daraus Paulus diesen Schluß macht (Röm. 8,38-39): Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, noch keine andere Kreatur, uns scheiden mag von der Liebe Gottes. Daß aber wohl der Mensch aus eigener Schuld und Untreue, durch einen neuen Mißbrauch seines freien Willens, dieses Kleinod verlieren, und aus einem Kinde Gottes wieder ein Knecht der Sünde werden könne, das wird an mehr als einem Orte, deutlich bezeugt. In 2. Petr. 2,20 wird geredet von solchen, die da entflohen sind dem Unflat der Welt durch die Erkenntnis unseres Herrn Jesu Christi, die aber wieder in solchen Unflat eingeflochten und überwunden wurden. In Hebr. 6,4 werden solche Menschen beschrieben, die einmal erleuchtet gewesen und geschmeckt haben die himmlischen Gaben, und sind teilhaftig worden des Heiligen Geistes und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes, ja die Kräfte der zukünftigen Welt; die aber wieder so tief gefallen, daß sie aufs neue den Sohn Gottes kreuzigen und verspotten: die also von der höchsten Stufe der Gnade in den tiefsten Grad der Bosheit sich mutwillig herabstürzen.

In Hesekiel 18,24 heißt es: Wo sich der Gerechte kehret von seiner Gerechtigkeit, und tut Böses, und lebet nach allen Greueln, die ein Gottloser tut: so soll aller seiner vorigen Gerechtigkeit nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünde soll er sterben; und in Römer 8,13 steht: Wo ihr nach dem Fleisch lebet, so werdet ihr sterben müssen: so wird ja in solchen und dergleichen Bedrohungen vorausgesetzt, daß ein Gerechter wieder fallen, nach dem Fleisch leben und sterben könne. Eben dieses wird auch bei allen Vermahnungen zur Beständigkeit zum Grunde gelegt, als l. Kor. 10,12: Wer da stehet, mag wohl zusehen, daß er nicht falle. Und 2. Joh. Vers 8: Sehet euch vor, daß wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen.

Dieses Zeugnis des Wortes Gottes von der Möglichkeit des Rückfalles wird durch die Erfahrung so vieler Beispiele bestätigt. Es stehen uns vor Augen die Beispiele unsrer ersten Eltern, die das Ebenbild Gottes verloren haben; das Beispiel Aarons, über dessen Sünde der Herr dergestalt entbrannte, daß er ihn vertilgen wollte (5. Mose 9,20); das Beispiel Davids, der durch Ehebruch und Mord, die von vielen anderen Sünden begleitet wurden, nicht nur das geistliche Leben geschwächt, sondern gänzlich verloren; das Beispiel Salomos, der durch fremde Weiber sein Herz zu fremden Göttern hat neigen lassen; das Beispiel der Galater, von welchen Paulus bezeugt, daß sie Christum verloren und aus der Gnade gefallen (Gal. 5,4); das Beispiel Hymenäus und Alexanders, welche Glauben und gut Gewissen, welches sie also erst gehabt haben müssen, von sich gestoßen, und am Glauben Schiffbruch erlitten (1. Tim. 1,19-20); das Beispiel Demas, der die Welt wieder liebgewonnen (2. Tim. 4,10) und viele andere mehr. Vielleicht aber sind auch lebendige Beispiele gegenwärtig, die diesen Satz bestätigen können. Wir wollen deshalb, nach Anleitung dieses hier folgenden Textes, von dieser betrübten Tatsache, über die Verwahrung der Stehenden, und Aufrichtung der Gefallenen aus Gnaden, betrachten.

Text: Matth. 18, 23-35

Das Himmelreich ist gleich einem Könige, der mit seinen Knechten rechnen wollte. Und als er anfing zu. rechnen, kam ihm einer vor, der war ihm zehntausend Pfund schuldig. Da er es nun nicht hatte zu bezahlen, hieß der Herr verkaufen ihn und sein Weib und seine Kinder und alles, was er hatte, und bezahlen. Da fiel der Knecht nieder und betete ihn an und sprach: Herr, habe Geduld mit mir! Ich will dir es alles bezahlen. Da jammerte den Herrn desselbigen Knechts und ließ ihn los, und die Schuld erließ er ihm auch. Da ging derselhige Knecht hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Groschen schuldig. Und er griff ihn an und würgete ihn und sprach: Bezahle mir, was du mir schuldig bist! Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach. Habe Geduld mit mir! Ich will dir et alles bezahlen. Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis daß er bezahlete, was er schuldig war. Da aber seine Mitknechte solches sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten vor ihren Herrn alles, was sich begeben hatte. Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du Schalksknecht! Alle diese Schuld habe ich dir erlassen, dieweil du mich batest; solltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe? Und sein Herr ward zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis daß er bezahlete alles, was er ihm schuldig war. Also wird euch mein himmlischer Vater auch tun, so ihr nicht vergebet von eurem Herzen, ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler.

Der vorgelesene Text, Geliebte in dem Herrn, wird uns Gelegenheit geben, zu betrachten:

Wir wollen dabei erwägen:

1. worin er bestehe,
2. wie er geschehen und wodurch er befördert werde,
3. wie er verhütet werden könne.

Herr. erhalte uns in deiner Wahrheit, und laß unsere Füße nicht straucheln. Wir können nichts anders als fallen, wo uns deine Gnade nicht bewahrt. Sei uns gnädig und mache uns treu bis ans Ende, um deines Namens willen. Amen.

Erster Teil

So haben wir denn, Geliebte, zuerst zu erwägen, worin der Rückfall aus der Gnade bestehe? In unserem Text wird uns ein Knecht oder Bedienter eines großen und reichen Königs vorgestellt, der mit den anvertrauten Gutem seines Herrn sehr übel umgegangen und durch tägliches Wohlleben, Pracht und Üppigkeit eine Tonne Goldes nach der ändern verschwendet, so daß endlich in der Rechnung eine Schuld von zehntausend Pfund, welche viele Tonnen Goldes ausmachen, herauskommen; um welcher großen Untreue willen er zwar mit Weib und Kindern zur ewigen Dienstbarkeit verurteilt worden; aber durch sein demütiges Bitter den König dahin bewogen hat, ihm die ganze Schuld zu schenken, und die Strafe zu erlassen. So war denn also dieser Knecht durch die Gütigkeit des Königs dem äußersten Unglück entgangen, und durfte wieder um die Gnade seines Herrn, der ihn in seinem Dienst behielt, genießen.

Aber hört, wie er dieselbe wieder verscherzt habe. Bald darauf, als er von der Pflicht, eine so ungeheure Schuld zu bezahlen, losgesprochen wurde, traf er einen seiner Mitknechte an, der ihm nicht mehr als hundert Groschen oder zwölf Taler schuldig war. Diese geringe Schuld forderte er vor ihm mit der äußersten Strenge. Er griff ihr so hart an, als ob er ihn erwürgen wollte, und obwohl sein Mitknecht flehentlich um eine kleine Geduld bat, so wollte er doch vor keinem Verschonen wissen, sondern ging hin zum Richter, und ließ ihn so lange ins Gefängnis werfen, bis er die hundert Groschen bezahlt hatte. Da er nun durch dies grimmige und unbarmherzige Verhalten sich an diesem seinem Mitknechte aufs äußerste versündigt, und alle übrigen Knechte des Königs betrübt und geärgert hatte; so ward er aufs neue vor den König gefordert, der ihm dann nicht nur einen scharfen Verweis gab, sondern ihn auch wirkliche Zeichen seiner Ungnade fühlen ließ, indem er ihn den Peinigern überantwortete, und ihn in Ketten und Banden werfen ließ, mit dem Befehl, ihn nicht eher auf freien Fuß zu lassen, bis er die ganze Schuld bezahlt haben würde. Und also machte sich dieser undankbare Mensch nicht nur der Gnade seines Königs verlustig, sondern stürzte sich auch in ein unbeschreibliches Elend.

Unter diesem Bilde, Geliebte, wird uns der Rückfall aus der Gnade vorgestellt. Wenn Gott das Gewissen eines Menschen rege macht, und ihm in der Buße seine Augen öffnet, so findet er vor sich eine Rechnung, davor er sich entsetzt und eine solche Menge von Sündenschulden, die er nicht übersehen kann. Da er vorher in seiner Sicherheit, zumal wenn sie mit einer äußerlichen Ehrbarkeit verknüpft gewesen, sich für einen guten Christen gehalten und wohl oft gesagt: Was tue ich Böses? Ich wüßte nicht, wie ich besser sein sollte! So schlagen nun seine Sünden wie die Wasserfluten über ihn zusammen, und er ruft mit David (Ps. 38,5):

Meine Sünden gehen über mein Haupt; und mit Manasse in seinem Bußgebet: Meiner Sünden ist mehr, denn des Sandes am Meer. Er erkennet, daß er nicht nur den Samen aller Bosheit in sich trage, sondern daß auch die abscheulichsten Früchte des Fleisches daraus erwachsen sind, daß er sich an Gott und an seinem Nächsten und an sich selbst schwer versündigt; daß er Leib und Seele befleckt, daß unzählige Mißgeburten sündlicher Gedanken und Begierden von seinem verderbten Herzen ausgebrütet, unzählige unnütze Worte aus seinem Munde gehört, unzählige böse Werke und Handlungen mit den Gliedern seines Leibes vollbracht wurden. Ja wenn ein Strahl der göttlichen Allwissenheit in sein Gewissen dringt, und als ein Blitz durch sein Gedächtnis fährt: so wird ihm nach und nach vorgestellt, was er von Kindheit auf bis zu dieser Stunde Böses verübt. Und wenn alle diese Zahlen zusammengerechnet werden, so kommt endlich heraus eine Summe von vielen Millionen Sünden. Da steht nun der arme Sünder als vor dem Gerichte Gottes, und weil seinem Gewissen ein lebendiger Eindruck dieser Regel eingepräget ist, daß auf die Sünde notwendig Strafe folgen muß und, daß die Böses tun, des Todes schuldig sind (Röm. 1,32), so kann er leicht den Schluß machen, daß er mit seinen Sünden Gottes Zorn und Ungnade, zeitlichen Tod und ewige Verdammnis verdient habe.

Da es ihm aber erschrecklich vorkommt, also in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen, und durch das bloße Denken an die Strafgerechtigkeit Gottes sein Herz mit Furcht und Entsetzen erfüllt wird: so versucht er, ob er durch einen demütigen Fußfall seinen Richter bewegen könne, daß er ihm Barmherzigkeit widerfahren lasse. Und da er aus dem Evangelium weiß, daß dieser Richter alles Fleisches gnädig, geduldig und von großer Güte ist, ein Gott, der da Sünde vergibt, und die Missetat erläßt, und der auch solches ohne Verletzen seiner Gerechtigkeit tun kann; weil sein eingeborner Sohn in angenommener menschlicher Natur die Schulden des ganzen menschlichen Geschlechts auf sich genommen, einer bußfertigen Seele alle Sünden vergibt, und dieselben zur bestimmten Zeit bis auf den letzten Heller bezahlt hat; so wendet er sich im Glauben zu diesem seinen Bürgen, ergreift dessen Bezahlung, bietet sie seinem Richter an und bittet demütig, daß er um derselben willen von Schuld und Strafe losgesprochen werde.

Wenn denn dieser sein Glaube, der unter den Schrecken des Todes durch den Heiligen Geist in seiner Seele gewirkt worden ist, im Suchen und Verlangen anhält: so erlangt der arme Sünder, was er sucht, und wird aus dem Gerichte Gottes im Frieden losgelassen. Da es vorhin hieß: Bezahle, was du schuldig bist; so heißt es nun: Dir sind deine Schulden vergeben. Da es vorhin hieß: Du mußt sterben; so heißt es nun: Du sollst leben! Es wird ihm versichert, daß die Gerechtigkeit Gottes nichts weiter an ihm zu fordern habe, der Heilige Geist gibt seinem Geiste Zeugnis, daß er bei Gott in Gnaden stehe, und daß keine Verdammnis an ihm hafte, weil er in Christus Jesus sei, und nun nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben will.

Wenn nun aber ein solcher Mensch diese große Barmherzigkeit Gottes wieder vergißt, wenn er die Pflichten der Liebe gegen seinen Nächsten unterläßt, sich in allerlei Unlauterkeiten begibt und den bösen Willen seines Fleisches wieder zur Herrschaft kommen läßt: siehe, so macht er sich nicht nur der weiteren Liebe und Gemeinschaft Gottes unwürdig, sondern er verliert auch dasjenige, was er schon gehabt hat. Die Vergebung seiner Sünden wird wieder zurückgenommen, oder, besser gesagt, er wird des Genusses derselben unfähig, und weil er die Gnade verachtet, so fällt er wieder dem Zorn in die Hände, der ihn als einen Feind Gottes verfolgt. Der Heilige Geist weicht von ihm, und mit demselben zugleich das göttliche Licht aus dem Verstand, und damit auch die göttliche Kraft, Gutes zu tun aus dem Willen. Hingegen bekommt der Satan wieder Gewalt über sein Herz, der die sündlichen Lüste wieder in ihm rege macht, ihn wieder zum Dienst der Sünden antreibt und wenn der Mensch in seiner Unbußfertigkeit fortfährt, ihn wohl gar dergestalt verhärtet und verstockt, bis endlich ein unseliger Tod ihn in das ewige Verderben stürzt.

So besteht nun der Rückfall darin, wenn ein Mensch, der durch eine wahrhaftige Buße dem Unflat der Welt entflohen, und zum Glauben an Jesum Christum gekommen, auch durch solchen Glauben die Vergebung der Sünden; die Gnade Gottes und den Heiligen Geist erlangt hat, wiederum die Sünde liebgewinnt, und sich derselben wieder zum Dienst darstellt, folglich Glauben und gut Gewissen, und mit demselben die Gnade und Kraft Gottes verliert, das Recht der Kindschaft verscherzt, und den Zorn Gottes sich zuzieht. 0 ein elender und jämmerlicher Zustand!

Wollte man einen solchen gänzlichen Rückfall deswegen für unmöglich halten, weil sonst die göttlichen Gnadenverheißungen von der Bewahrung der Gläubigen bis ans Ende, die Gott gleichwohl nicht gereuen könnten, nicht eintreffen würden, als da Christus (Joh. 10,28) von seinen Schafen sagt: Sie werden nimmermehr umkommen; oder wie es in Psalm 37,28 heißt: Der Herr verlässet seine Heiligen nicht, ewiglich werden sie bewahret. Die auf den Herrn hoffen, sind wie der Berg Zion, der nicht beweget wird (ps. 125,1). Der das gute Werk angefangen hat, der wirds auch vollenden (Phil. 1,6). Die Pforten der Hölle sollen diejenigen, die auf Christum, den Felsen, gebauet sind, nicht überwältigen (Matth. 16,18): so ist zu wissen, daß alle dergleichen Verheißungen mit einer gewissen Bedingung zu verstehen sind, welche der Geist Gottes zuweilen deutlich genug ausgedrückt hat. So heißts in Hebräer 3,14: Wir sind Christi teilhaftig worden, und werden seiner auch ferner teilhaftig bleiben; so wir anders das angefangene Wesen bis ans Ende fest behalten. Geschieht solches nicht, so kann die Seele unter diejenigen geraten, die da wieder abtreten von dem lebendigen Gott, ja wohl gar verstocket werden, durch Betrug der Sünde (Vers 12 und 13). Desgleichen Kolosser 1,22 und 23: Er hat euch versöhnet, auf daß er euch darstelle heilig und unsträflich, so ihr anders bleibet im Glauben gegründet, und fest und unbeweglich von der Hoffnung des Evangeliums. Diese Bedingungen sind auch anderswo, wo sie nicht ausdrücklich stehen, den göttlichen Verheißungen allezeit an die Seite zu setzen.

Wollte man femer sich auf den Ausspruch Johannes berufen, der in 1. Johannes 3,9 ausdrücklich bezeuget, daß derjenige, der wahrhaftig aus Gott geboren sei, nicht sündigen könne; wenn also einer wieder in Sünde falle, so müsse man daraus schließen, daß das Werk der Wiedergeburt noch nie bei ihm zu Stande kommen sei: so dient zur Antwort, daß freilich diejenigen, bei welchen das Werk der Gnade noch nicht zur Reife, und die Anzündung des Glaubens noch nicht zu Stande kommen, am leichtesten wieder zurückfallen können. Daß aber auch solche, die wahrhaftig Gnade erlangt, wieder abfallen können, das gibt Christus damit genug zu erkennen, wenn er in unserem Text, unter dem Bilde des unartigen Knechtes, einen Menschen vorstellt, der nach einer wahrhaftigen Bußangst über seine Sünden die Vergebung derselben erlangt hat; diese Gnade aber widerfährt niemandem, in welchem nicht ein wahrer göttlicher Glaube angezündet wurde, der aber solcher großen Barmherzigkeit wieder vergißt, und durch Unbarmherzigkeit gegen den Nächsten die empfangene Gnade wieder verscherzt. Es bestätigt solches auch das Beispiel derer, die einmal erleuchtet, und also auch zum geistlichen Leben durch die Wiedergeburt gebracht sind, weil Licht und Leben unzertrennlich vereinigt ist, die teilhaftig worden sind des Heiligen Geistes, und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes, ja die Kräfte der zukünftigen Welt; aber so tief wieder verfallen und in eine solche Feindschaft gegen den gesegneten Heiland kommen, daß sie gar der Erneuerung zur Buße unfähig werden (Hebr. 6,4-6 und 10,29). Daraus wir klar sehen, daß auch Seelen, die eine hohe Stufe des Gnadenstandes erreicht haben und bis an den Vorgeschmack der zukünftigen Welt gelangt sind, wiederum in den geistlichen Tod verfallen können. Es ist demnach freilich wahr, daß ein Wiedergeborener, als ein Wiedergeborener, solange er das geistliche Leben bewahrt und dem Triebe der neuen Natur folgt, nicht mutwillig sündigen könne, weil man nicht zugleich geistlich leben und geistlich tot sein oder tote Werke verrichten kann. Daß aber ein Wiedergeborener durch Untreue das Leben aus Gott wieder verlieren und unter die Herrschaft der Sünde wieder geraten könne, da denn aber der Stand der Wiedergeburt aufhört, das ist aus denen im Eingange angeführten Sprüchen deutlich zu erkennen.

Wollte man sagen, die Liebe der Gläubigen werde (Hohelied 8,7) eine Flamme des Herrn genannt, die von vielen Strömen nicht ausgelöscht werden könne; folglich könne auch der Glaube nicht auslöschen, weil Glaube und Liebe unzertrennlich beieinander stehen: so ist offenbar, daß da nur äußerlichen Verfolgungen, die in der Schrift mit Wasserströmen verglichen werden (Off. 12,15-16), das Vermögen abgesprochen werde, die Liebe Gottes in den Gläubigen auszulöschen, oder, wie es Paulus ausdrückt, sie von der Liebe Gottes zu scheiden, so lange sie ihr Herz bewahren, und keine Untreue darin aufkommen lassen (Röm. 8,38-39). Aber wenn sie das Eitle wieder liebgewinnen, und das Unrecht wie Wasser in sich trinken (Hiob 15,16) so wird freilich das zarte Flämmlein der Liebe Gottes in ihnen nicht nur verdunkelt, sondern auch erstickt und ausgelöscht.

Indessen sind allerdings nicht alle Rückfälle von einerlei Gattung. Ein Mensch, der in einer gewissen Sünde durch lange Übung eine Festigkeit erlangt und seine Natur dazu gewöhnt hat; danach aber unter die Zucht des Gesetzes kommt, und durch dasselbe in seinem Gewissen beunruhigt wird, der wird öfters durch dessen Flüche und Drohungen so erschreckt, daß er sich vornimmt die gewohnte Sünde gänzlich zu unterlassen, auch wohl eine Zeitlang, aus Furcht vor Gott und seinen zeitlichen und ewigen Strafen, sich davon enthalten. Aber weil er keine geistlichen Lebenskräfte hat, sich auch nicht in die rechte geistliche Ordnung begeben will, in welcher man zur wahren Wiedergeburt gelangt; so wird er leicht durch eine starke Reizung der Natur wieder erregt, in die vorigen Wege zu treten, und er also durch den Strom der Lüste, ungeachtet alles Widerstrebens seines Gewissens, wieder hingerissen wird. Zu solchen betrübten Rückfällen pflegt die Gewohnheit zu sündigen den Weg zu bahnen. Zuweilen geschieht es auch, daß mitten unter der Arbeit der Buße, wenn man nur ein wenig in seinem Ernst und Kampf nachläßt, die inwohnende Sünde einen Vorteil über die Seele erlangt und sie zu Fall bringt; der gleiche Fall aber öfters durch die unendliche Weisheit und Treue Gottes Gelegenheit zu einem desto ernstlichem Aufstehen geben muß. Wenn die Seele durch diese neue Probe ihres Verderbens und ihrer Ohnmacht erweckt wird, desto tiefer zu graben, und ihre Zuflucht zu Jesus Christus, der sie allein stärken kann, zu beschleunigen. Zuweilen wird auch ein richtiges Kind Gottes mitten im Lauf der Erneuerung von seinen einheimischen Feinden (dem Fleisch und Blut) übervorteilet, und z.B. von einem heftigen zornigen Affekt übereilt, so daß es etwas redet oder tut, darüber es Schläge im Gewissen empfindet. Weil es aber bald wieder sich faßt, seine Übereilung herzlich bereut, im Blute Jesu Christi sich davon reinigt, und sich der Zucht des Geistes aufs neue übergibt; so wird es, ob es gleich gestrauchelt, doch vor dem völligen Rückfall bewahrt. Reinigt es sich aber nicht im Blute Jesu Christi und läßt die Sünde wieder zu Kräften kommen, ja, zur völligen Herrschaft und begibt sich so wieder in die Knechtschaft des Satans, so wird der Heilige Geist nicht nur betrübt, sondern auch zum Weichen genötigt, dadurch wird Gnade, Glauben und gut Gewissen verloren, welches nicht anders, als durch eine neue rechtschaffene Bekehrung, wieder erlangt werden kann.

Zweiter Teil

Lasset uns nun aber femer vernehmen, wie der Rückfall aus der Gnade geschehen und wodurch er befördert werde. Überhaupt sind sonderlich zwei Dinge, die einen Menschen aus seinem Gnadenstande fallen lassen können: zum Ersten falsche Lehre und zum Zweiten mutwillige Sünden.

Was die falsche Lehre betrifft, so haben nicht alle Irrtümer in Glaubenssachen diese schädliche Wirkung, sondern nur diejenigen, dadurch die Lehre von dem Grunde des Heils verletzt, und das Vertrauen auf die Gnade Gottes in Christus Jesus aufgehoben, oder auch allerlei fleischliche Freiheit eingeführt und verteidigt wird. Da also die Galater der Lehre der falschen Apostel Gehör gaben, daß man nicht allein durch den Glauben an Christum, sondern neben dem Glauben auch durch die Werke des Gesetzes gerecht und selig werden müsse; so sagt Paulus in Galater 5,4: Ihr habt Christum verloren, die ihr durchs Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. Und in 2. Timotheus 2,17-18 bezeuget Paulus, daß diejenigen, welche vorgegeben, daß die Auferstehung schon geschehen sei, und sie also eine Hauptstütze der christlichen Religion umgerissen, vieler Glauben verkehrt hätten. Und Petrus sagt in 2. Petrus 2,18-20 von den falschen Lehrern seiner Zeit, welche die Menschen auf eine fleischliche Freiheit führten, und also die richtige Lehre des Evangeliums schändlich verfälschten, und damit verursacht hätten, daß manche in den Unflat der Welt wieder eingeflochten und überwunden wurden, die demselben wahrhaftig entronnen gewesen. Daraus sieht man genug, daß auch falsche Lehre den Rückfall aus der Gnade befördern könne: daher eine Seele, die sich in ihrem Gnadenstande bewahren will, nicht einem jeden Geiste Glauben, noch einer jeden Lehre von dem Wege des Heils blindlings Beifall geben muß.

Am gewöhnlichsten aber wird der Rückfall durch Sünden verursacht; doch nicht durch eine jede Sünde, gleichwie nicht durch einen jeden Irrtum. Denn wenn ein Gläubiger entweder aus Unwissenheit fehlt, oder von der Gewalt eines plötzlichen Affekts (einer heftigen Gemütsbewegung) übereilt wird, einen auch wohl gefährlichen Fall zu tun, welches doch bei treuen Seelen sehr selten geschieht, so bald er sich aber recht besinnt, sich solches von Herzen Leid sein läßt, und die Vergebung solcher Sünde in dem Blute Christi mit viel Wehmut sucht, den Bund der Treue erneuert und sich mit einem neuen Vorsatz gegen die Sünde waffnet, so wird dadurch Glaube und Gnade nicht verloren; sondern es bleibt bei dem Ausspruch des Heiligen Geistes, Römer 8,1: So ist nun nichts verdammliches an denen, die in Christus Jesus sind. Und Psalm 37,24: Fällt er, so wird er nicht weggeworfen, denn der Herr erhält ihn bei der Hand. Aber wo der Mensch die Liebe Gottes aus den Augen läßt, und die Liebe der Sünde wieder zur Herrschaft kommt, so kann dabei der Glaube und das kindliche Vertrauen zu Gott nicht bestehen; wie wir also sehen, daß dieser Knecht durch mutwillige Unbarmherzigkeit sich der Gnade seines Königs verlustig gemacht habe.

Es gehet aber mit dem Rückfall aus der Gnade selten schnell und plötzlich zu, sondern er geschieht stufenweise. Der Grund dazu wird innerlich im Herzen gelegt, das Werk des Geistes Gottes auf mancherlei Art gestört, und das Auge des Gemüts durch mancherlei unlautere Absichten benebelt. Bald aber zeigen sich auch in dem äußerlichen Wandel manche Unrichtigkeiten, da der Mensch manches Gute unterläßt, und sich eine Freiheit herausnimmt, manches Böse zu begehen; darüber er nach und nach in die Stricke des Satans eingeflochten, endlich aber auch überwunden wird. An dem Knecht in unserem Text bemerken wir drei Stufen seines Falles.

l. Er ging hinaus von dem Angesicht seines Königs, und vergaß teils seines voriges Elends, teils die genossene Erbarmung. So gehts manchem, der einmal Gnade von Gott empfangen. Er vergißt teils seiner vorigen Sünden, teils der Reinigung derselben (2 Petr. 1,9). Er gehet hinweg von dem Spiegel der göttlichen Erbarmung; und vergißt, wie er gestaltet gewesen (Jak. 1,24). Er wird nach und nach fremd mit seinem himmlischen Vater, und mit seinem Erretter, Jesus Christus. Das Andenken der Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, damit er ihn aufgenommen, verschwindet aus seinem Gedächtnis, und er wendet auch keinen Fleiß an, solches bei sich zu erneuern. Wenn das Gewissen durch die eine oder andere Unlauterkeit befleckt und verwundet ist, so scheuet es sich vor dem Angesichte Gottes und ist geneigter, sich von ihm zu entfernen, als zu ihm zu nahen. Daher wird das Gebet ausgesetzt, und einmal nach dem ändern Mal unterlassen. Dadurch wird das heimliche Mißtrauen gegen Gott immer mehr vermehret, und anfänglich in einen Argwohn, nachher in eine Flucht vor Gott, endlich sogar in eine Feindschaft verwandelt. Es heißt ferner von diesem Knecht:

2. Er wollte nicht. Der Geist Gottes ist treu, daß er einer solchen flüchtigen Seele nachgeht und sie verfolgt, sie durch seine geheime Zucht über ihre unlauteren Wege bestraft, auch wohl andere Kinder Gottes dazu erweckt. Aber dem Menschen steht diese Zucht nicht an. Gott tritt ihm in den Weg, aber er will sich nicht wehren lassen. Es wird ihm zugeredet, aber er will sich nicht überreden lassen. Es wird ihm das Gebet angepriesen, aber er will dasselbe nicht gebrauchen, sondern meint, es sei zu gesetzlich, man müsse nur das Herz immer zu Gott erheben. Es wird ihm das Wort Gottes als ein Verwahrungsmittel gegen den Fall angeboten, aber er will dasselbe nicht lesen, hören und betrachten, sondern meint, das gehört nur den Anfängern, er könne dasselbe schon entbehren, er halte sich an das innere Wort und lasse sich durch dasselbe leiten. Diese Widerspenstigkeit und Verachtung alles guten Rats ist schon ein Vorbote des Falles. Es heißt endlich von dem Knecht:

3. Er ging hin. Dies zeigt noch eine weitere Entfernung von Gott an. Der Mensch geht hin in einem Ekel vor allem Guten. Er geht hin in einem falschen Frieden, der nichts anders, als eine fleischliche Sicherheit und Sorglosigkeit ist. Er geht hin in einem unbehutsamen Umgang mit fleischlichen Menschen. Er geht hin in einem allzufreien und ungebundenen Gebrauch äußerlicher Dinge. Er begibt sich also auf den Lockherd des Satans, der ihm denn schon eine Lockspeise vorstreut, die seinem Hauptaffekt gemäß ist und denselben rege macht. Da lockt er einen durch Hoffnung des Reichtums und verwickelt ihn dadurch in Sorgen der Nahrung, in Prozesse und andere Weitläufigkeiten. Da lockt er einen anderen durch Hoffnung der irdischen Ehre und Beförderung. Da lockt er einen anderen durch Hoffnung einer vergänglichen Lust und braucht dieselbe zu einem Mittel, ihn wohl gar in Unzucht und Hurerei unter allerlei erst guten und unschuldigem Schein zu verwickeln. Unterdessen, je mehr sich der Mensch von Gott eigensinnig entfernt, desto mehr entfernt sich Gott von ihm. Je weiter sich aber Gott zurückzieht, desto näher tritt der Satan zu ihm und bemeistert sich seines untreuen Herzens.

Dritter Teil

Laßt uns nun aber, Geliebte, auch noch kürzlich vernehmen, wie der Rückfall aus der Gnade verhütet werden könne. Wir mögen aus dem Beispiel, das wir in unserm Text vor uns finden, folgende Regeln der Klugheit ziehen:

l. Erneuere öfters, o Mensch, das Andenken deines vorigen Zustandes. Stelle dir lebhaft das Elend vor, in welchem du standest, ehe du Gnade erlangt. Du warst ein großer Schuldner eines großen Königs. Die Zahl deiner Versündigungen durch Gedanken, Worte und Werke, durch Unterlassung des Guten und Begehung des Bösen, füllten viele Blätter in dem Schuldbuche Gottes. Du solltest bezahlen, und hattest nicht zu bezahlen. Deine Ohnmacht war so groß, als dein Elend. Du hattest alle deine Kräfte im Dienst der Sünde verschwendet und also zum Guten keine übrig behalten. Du konntest keinen Ausgang aus deinem Jammer finden, sondern warst in demselben, als in einem Gefängnis verschlossen. Es haftete auf dir eine unvermeidliche Verpflichtung zur Strafe. Das Schwert Gottes war bereits auf dich gezückt, sein Bogen gespannt, sein Urteil gefällt, daß du in Ketten der Finsternis gebunden, zu einem Opfer seines Grimms behalten werden solltest. Da dich nun die Erbarmung Gottes aus dieser Gefahr eines ewigen Verderbens errettet, solltest du dich wohl gelüsten lassen, dich aufs neue in dasselbe zu stürzen? Sollte nicht das Andenken an die Bitterkeit der Sünde alle Lust zu derselben aus deinem Gemüte vertilgen?

2. Gedenke öfters zurück an die ungemeine Freundlichkeit und Liebe Gottes, die du in deiner Begnadigung erfahren. Bedenke, was für Langmut dein Schöpfer mit dir getragen, wie er durch die Aufforderung zur Rechnung dir Gelegenheit gegeben, Gnade zu suchen. Wie er dir nach geschehener Demütigung, Schuld und Strafe erlassen, das Urteil des Todes zurückgenommen, deiner Seele geschont, und das gezückte Racheschwert von dir abgewendet; ja, dich unter seine Kinder und Freunde aufgenommen und mit so vielen Wohltaten überschüttet, als ob du ihn niemals beleidigt hättest. Sollte diese Erinnerung der Freundlichkeit Gottes dich nicht bewegen, ihm treu zu bleiben? Sollte sie nicht den Entschluß bei dir wirken:

Wie sollt ich ein solch groß Übel tun, und wider meinen Gott sündigen? Das vergrößerte Absaloms Bosheit, daß er wider seinen Vater rebellierte, nachdem ihn derselbe wieder zu Gnaden aufgenommen hatte. Und das wird auch deine Sünde und Strafe vergrößern, wenn du dich zum Kriege deines Schöpfers rüstest, nachdem er Frieden mit dir gemacht. Gütige Naturen werden durch nichts mehr verletzt als durch unfreundliche Verachtung ihrer Liebe. Warum willst du die Liebe deines allergütigsten Vaters mit Füßen treten, und gegen denselbigen feindselig handeln, der sich so freundlich gegen dich beweist und dir soviel Wohltaten zugewendet?

3. Bedenke was du durch deinen Rückfall anrichten werdest? Du wirst l) deinen Vater nicht nur erzürnen, sondern, welches noch mehr ist, auch betrüben. Denn das geht ihm ungemein zu Herzen, wenn diejenigen ihm untreu werden, denen er soviel Liebe erzeigt. Daher warnt Gottes Wort: Betrübt nicht den Geist Gottes, nachdem ihr mit demselben versiegelt worden (Eph. 4,30). Du wirst 2) den Engeln Gottes, deren Mitknecht du worden bist, und die sich ehemals über deine Buße gefreut haben, keine geringe Traurigkeit, hingegen 3) den höllischen Geistern Lust und Vergnügen erwecken, ja sie reizen, sich deines Herzens völlig zu bemächtigen und mit einer noch stärkeren Besatzung in dein Herz einzuziehen (Luk. 11,26). Du wirst 4) dich schwerlich an deinem Nächsten versündigen. Die Frommen werden sich über deinen Abfall kränken und darüber wehmütig zu Gott seufzen. Die Schwachen werden sich an dir argem, und vielleicht durch dein Beispiel zur Nachfolge gereizt werden. Die Bösen werden lästern, spotten, jubilieren und frohlocken. Dieser Mensch, werden einige sagen, fing auch an zu bauen und konnte es nicht hinausführen (Luk. 14,30). Die Leute, die nur einen frommen Schein haben, werden so manches andere sprechen. Wenn sie eine Zeitlang geheuchelt haben, so werden sie hernach ärger als andere, und zwiefache Kinder der Hölle. Du wirst 5) dein Gewissen verletzen, die geheilten Wunden desselben wieder aufreißen, das Kleinod deines Friedens verscherzen, das du unter Gebet und Tränen erkämpft, alles, was du errungen hattest, wieder verlieren, das Vergnügen der Gemeinschaft Gottes einbüßen, und nun auch kein rechtes Vergnügen in der Sünde mehr finden können, weil dir diese Treber nicht mehr schmecken werden wollen, nachdem du das verborgene Manna gekostet. Und also wirst du die größte Torheit begehen. Du wirst dich 6) in einen noch tieferen Abgrund des Elends stürzen, als derjenige gewesen, dem du entgangen. Und die Vergrößerung deiner Sünden durch Untreue wird notwendig auch eine Vergrößerung der Strafe nach sich ziehen und verursachen, daß dein erzürnter Schöpfer dich den Peinigern überantworte. Sollte der Anblick so vieler betrübten Folgen und Wirkungen deines Rückfalles dich nicht behutsam machen und davon abhalten können?

4. Erwäge, was du zu erwarten habest, wenn du treu bleibst bis ans Ende. Hier willst du tausend Erquickungen und Liebesblicke deines gnädigen Vaters genießen. Seine Hand wird immer aufgetan sein, dir zu geben und mitzuteilen und sein Schoß wird das Grab aller deiner Sorgen und Bekümmernisse bleiben. Er wird dich bewahren als seinen Augapfel, und dich mit dem Schatten seiner Allmacht bedecken. Denn die da treu sind in der Liebe, läßt er sich nicht nehmen. Dort aber hast du als eine Belohnung deiner Treue, nicht nur die Freiheit von dem ewigen Tode, sondern eine schöne Krone von der Hand des Herrn zu erwarten. Vielleicht hast du noch wenig Schritte zu derselben vor dir. Verscherze nicht das Recht zu derselben, um einer kurzen Ergötzung der Sünde willen.

5. Bediene dich derjenigen Mittel, dadurch dir Kraft zur Beständigkeit bis ans Ende mitgeteilt werden kann. Gehe fleißig um mit dem Worte des Evangeliums, das deine Seele stärken und durch seine süßen Verheißungen binden kann, bei Jesus Christus zu bleiben. Brauche aber auch die Drohungen des Gesetzes, deinem Fleisch und Blut den Weg zur Rückkehr in den Dienst der Sünden mit diesen Dornen zu verzäunen, und die träge Natur zum Guten anspornen. Erneuere öfters den Bund der Treue, den du in deiner Taufe mit dem Herrn gemacht, und laß durch den öfteren Gebrauch des Heiligen Abendmahls deine Liebe zu Jesus Christus, der dich bis in den Tod geliebt hat, in neue Flammen gesetzt werden. Nahe dich im Gebet zu dem Gott aller Gnaden, der dich kann vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen (l. Petr. 5,10). Halt dich mit ändern Kindern Gottes zusammen, weil eine vereinigte Kraft nicht unterliegt. Wache sowohl über die listigen Ränke des Satans, der darin eine besondere Ehre sucht, wenn er diejenigen wieder überwinden kann, die ihn überwunden hatten, als auch über die Nachstellungen der Welt und die Tücke deines eigenen Herzens. Wappne dich mit dem Sinn Christi, sooft du unter die Leute ausgehest. Dein Nächster ist dir zur Probe vorgestellt. Wirst du dich durch Unbarmherzigkeit und Härtigkeit an ihm versündigen und ihm seine Fehler nicht vergeben, so wird dein himmlischer Vater auch seine Vergebung zurücknehmen. Bewahre Augen und Ohren, als die Türen des Todes und Lebens. Ein einziger freier Blick kann dich verstricken. Ein einziger zorniger Gedanke, wo er bei dir übernachtet, kann dich in den geistlichen Tod stürzen. Bist du gefallen, so bleibe nicht liegen, sondern stehe eilend wieder auf und suche Gnade. Siehe, das sind die Mittel, die dich vor einem gänzlichen Rückfall bewahren können.

Anwendung

So merkt euch nun diesen Rat der ewigen Weisheit, ihr begnadigten Seelen, die ihr nicht nur Gnade gefunden, sondern auch noch in derselben steht. Ihr seids, denen der Satan besonders nachstellt, auf deren Schritte und Tritte er acht gibt, und denen er tausend Netze in unbemerkbaren Dingen legt. Ihr seids, denen der Geist Gottes zuruft: Wer da stehet, der sehe wohl zu, daß er nicht falle. Der Herr ist treu, er wird euch nicht über euer Vermögen versuchen lassen, ja er wird euch seine ganze Gnade darreichen, die zum Ausharren bis ans Ende und zur Überwindung aller eurer Anfechtungen nötig ist. Der Herr ist mächtig, euch zu bewahren und unsträflich vor sein Angesicht zu stellen (Judas Vers 24; l. Petr. 1,5). Der Herr ist wahrhaftig, und was er zusagt, hält er gewiß, er wird seine Gnadenverheißungen auch an euch erfüllen und den Bund seines Friedens halten (Jes. 54,10; 2. Thess. 3,3). Ihr habt an Jesum Christum einen starken Heiland, einen treuen Fürsprecher beim Vater, und ein wachsames Haupt, das einen steten Einfluß geistlicher Lebenskräfte seinen Gliedern mitteilt. Ihr habt endlich an dem Heiligen Geiste einen Tröster, der bei euch bleibet ewiglich (Joh. 14,16-17). Ein Siegel eurer Kindschaft, und ein Unterpfand eures Erbes (Eph. 1,13-14). Zweifelt also nur nicht, daß es möglich sei, im Guten beständig zu beharren. Es kommt nicht auf eure Kräfte an, sondern auf Gottes Kraft. Er will den Glauben und das geistliche Leben in euch erhalten und vermehren. Er will durch seinen Heiligen Geist, den er euch geschenkt hat, selbst allerlei Gutes in euch wirken. Er will euch zur Überwindung der Versuchungen stärken. Er will alles, auch selbst eure Fehltritte, zu eurem Besten wenden. Er will euch, wenn ihr strauchelt, wieder aufrichten. Von euch verlangt er nichts weiter als Treue in dem Gebrauch der Mittel, die seine Weisheit euch vorgeschrieben hat.

Erfüllt doch, ihr Lieben, dieses sein Verlangen. Faßt einen ernstlichen Vorsatz, über euer Herz zu wachen, alle Hindernisse der Beständigkeit zu überwinden, alle Gelegenheit zur Sünde zu vermeiden, allen Reizungen entweder aus dem Wege zu gehen oder gebührend zu widerstehen, und durchaus in keine Übertretung zu willigen, dadurch das Licht des Glaubens in eurer Seele ausgelöscht und der Heilige Geist vertrieben werden könnte. Da es aber selten zu solchen Ausbrüchen kommt, wo nicht allerlei Sünde der Unterlassung vorhergegangen, wo man nicht vorher im Gebet und in der Betrachtung des Wortes Gottes träge geworden, die Wahrnehmung des eigenen Zustandes und das Wachen über sich selbst unterlassen, und dergleichen, so nehmt es desto genauer in solchen Dingen, welche schwereren Fällen den Weg bahnen. Bewahrt die Brünstigkeit und Lauterkeit eurer ersten Liebe, über deren Erkaltung der Bräutigam eurer Seele so ernstlich eifert (Off. 2,4-5). Hat dieselbe bereits abgenommen, so sucht sie durch stille Betrachtung der Liebe Christi, durch öftere Unterredung mit Jesus im Gebet, und durch fleißigen Umgang mit glühenden Kohlen, wieder zu erwecken. Ergebt euch dem Herrn aufs neue zum Opfer, und sucht durch seine Gnade dergestalt behutsam zu wandeln, daß ihr auch immer weniger strauchelt, sondern gewisse Tritte tun lernt mit euren Füßen. 0 selig werdet ihr sein, wenn ihr also, ohne dazwischenkommenden Rückfall, eure Heiligkeit in der Furcht Gottes vollendet! Wie mancher Pein und Unruhe werdet ihr überhoben sein können! Wie reichlich wird der Herr aus Gnaden eure Treue belohnen!

Sollten aber nicht auch manche Leser zu denen gehören, die nicht nur die erste Liebe verlassen haben, sondern auch, nachdem sie hier oder anderswo von Gott ergriffen und zu ihm gezogen worden, wieder in die Welt hineingegangen und die Sünde liebgewonnen haben. Ach ja, das Auge Jesu Christi wird sie kennen, und ihr eigenes Gewissen wird sie in diesem Augenblick verraten. Gewiß, wo Gottes Wort viele Jahre nacheinander lauter und nachdrücklich verkündigt worden ist, haben manche nicht nur gute Rührungen gehabt, sondern etliche sind auch weitergegangen, und durch einen redlichen Bußkampf zur Versicherung der Gnade gekommen. Aber nach und nach ist der eine hier, der andere dort eingeschlafen. Einer hat wieder angefangen, sich der Welt in Üppigkeit und Hoffart gleich zu stellen. Ein anderer ist in Sorgen der Nahrung gegangen und macht sich kein Bedenken, um eines irdischen Vorteils willen sein Gewissen zu verletzen und andere zu hintergehen, und beweist mit vielen Proben, daß er das Geld von ganzem Herzen liebhabe. Ein anderer ist wohl gar in noch gröbere Stricke des Satans verfallen, und hat den Tempel Gottes in seinem Herzen, durch Trunksucht und Fleischeslust zerstört. Bei ändern ist es wohl etwa noch nicht zum Ausbruch gekommen, aber in ihren Herzen ist alle Kraft verschwunden, alle Liebe Gottes verloschen, alle Brünstigkeit des Geistes gedämpft, Summa, der Kern verloren, und die Schale übrig geblieben. Indem sie etwa noch eine buchstäbliche Erkenntnis von den Wegen Gottes und eine tote Erinnerung von den Geschäften der Gnade haben, die Sprache Kanaans führen, das Gute äußerlich mitmachen und billigen, aber dabei blinde, nackende, laue und ekelhafte Menschen sind, denen der Herr gedroht hat, sie aus seinem Munde auszuspeien. Das sind die törichten Jungfrauen, die zwar Lampen, aber kein Öl in denselben haben.

Ach ihr armen Seelen, die ihr auf einige Weise zu dieser Gattung der Menschen gehört, wie gerne wollte man euch in einen besseren Zustand gesetzt sehen! So spricht der Herr: Wo ist jemand, so er fället, der nicht gerne wieder aufstünde? Wo ist jemand, so er irre gehet, der nicht gerne wieder zurechtkäme (Jer. 8,4)? Ihr seid gefallen, wollt ihr nicht wieder aufstehen? Ihr seid irre gegangen, wollt ihr euch nicht wieder zurechtweisen lassen? Ihr habt Christum und die Gnade verloren, wollt ihr sie nicht wiederhaben? 0 macht euch auf, sie mit Tränen zu suchen. Wollt ihr wissen, wie eure Seele noch zu retten ist, so nehmt folgenden Unterricht an:

l. Gedenket, wovon ihr gefallen seid. Diesen Rat gibt der Sohn Gottes denen, welche die erste Liebe verlassen haben (Off. 2,5). Wieviel mehr habt ihr Ursache, denselben anzunehmen, da ihr gar aus der Liebe gewichen, und am Glauben und guten Gewissen Schiffbruch erlitten. Nehmt euch demnach Zeit, zurückzudenken und mit einem ruhigen und aufmerksamen Gemüt zu überlegen, in was für einem guten Zustande ihr ehemals gewesen, was für Barmherzigkeit der Herr an euch bewiesen, als ihr die Versicherung der Vergebung der Sünden erlangt, als ihr den Frieden Gottes geschmeckt, und unter die Kinder des Höchsten aufgenommen wurdet. Dünkt euch dieses ein geringes zu sein, von einer solchen Höhe der Ehre und Würde in eine solche Tiefe des Elends herabzustürzen und, da man in dem Glanz der ersten Liebe als ein schöner Stern geleuchtet, verdunkelt auf die Erde zu fallen?

2. Überlegt die große Gefahr eurer Seelen.

Ihr habt euren lieben Vater beleidigt, und ihm Gutes mit Bösem vergolten. Wer aber Gutes mit Bösem vergilt, von des Hause wird Böses nicht ablassen (Sprüche 17,13). Ihr habt den Geist der Gnade betrübt, mit welchem ihr versiegelt gewesen, wie wirds euch ergehen, wenn er euch wieder betrübt? Euer Gewissen ist verwüstet, euer Verstand verfinstert, euer Wille vom Guten zum Bösen geneigt. Ihr könnt noch Spötter und Lästerer wahren Christentums werden, welche alle Gnadenwirkungen Gottes in den Seelen seiner Kinder für Phantasterei und Einbildung ausrufen. Das Ärgernis, das ihr durch Verlassung des richtigen Weges gegeben, kann euch ein großes Wehe zuziehen. Gott ist von euch gewichen, und die Peiniger stehen bereit, auf den ersten Wink, den er ihnen geben wird, euch anzugreifen, und in die finstern Marterkammern der Ewigkeit hinzuschleppen. 0 habt ihr einige Liebe zu eurer Seele, so sucht doch einer so großen Gefahr eilend zu entfliehen!

3. Bedenke, daß der Herr willig sei, euch Treulose wieder anzunehmen. Hört, wie beweglich er euch zuruft: Kehre wieder, du Abtrünnige, so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen. Denn ich bin barmherzig, und will nicht ewiglich zürnen. Bekehret euch, ihr abtrünnigen Kinder, spricht der Herr, denn ich will euch mir vertrauen (Jer. 3,12-14). Wie lange willst du in die Irre gehen, du abtrünnige Tochter (Jer. 31,22)? Jesus Christus hat Gaben empfangen für die Menschen, auch für die Abtrünnigen, die da verdient hätten, in der Dürre zu bleiben (Ps 68,7-19). Diese Verheißungen und Zeugnisse des Geistes Gottes sollen euch bewahren, daß ihr euren Mut nicht verwerft, und alle Hoffnung, aufs neue wiederum Gnade zu erlangen, fahren lasset. Wie ihr demnach auf der einen Seite euren Fall nicht gering zu halten habt, also müßt ihr auf der anderen Seite dem Satan nicht Gehör geben, wenn er denselben dergestalt vergrößern will, daß er euch alle Hoffnung der Vergebung abschneidet. Nicht ein jeder Rückfall nach empfangener Gnade ist die Sünde wider den Heiligen Geist, die mit einer bittren und unversöhnlichen Feindseligkeit gegen alles Gute, und mit Verlästerung und Verfolgung der Werkzeuge des Geistes Gottes verknüpft ist. Nicht ein jeder Abfall nach empfangener Gnade ist so beschaffen, daß der Gefallene nicht sollte zur Buße erneuert werden können (Hebr. 6,6), sondern Paulus redet daselbst von einem solchen Abfall, dabei man nicht nur das geistliche Leben verliert, sondern auch selbst die christliche Religion verleugnet, und den hochgelobten Stifter derselben, Jesum Christum, für einen falschen Propheten und Verführer erklärt, der billig von den Juden gekreuzigt und aus dem Lande der Lebendigen ausgerottet wurde. Ein solcher Mensch, der den Grund und Ordnung des Heils, so viel an ihm ist, umreißt und verlästert, der verriegelt sich dergestalt in seiner feindseligen Widerspenstigkeit gegen alles Gute, daß der Heilige Geist an seiner Erneuerung zur Buße nicht weiter arbeiten kann. Und weil er das Opfer Jesu Christi verwirft, außer demselben aber kein ander Mittel der Versöhnung angetroffen wird, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als ein schreckliches Warten des Gerichts (Hebr. 10,26). Soweit aber, ihr Armen, wird es mit euch noch nicht gekommen sein. Empfindet ihr noch die Zucht des Geistes an eurem Herzen, fühlt ihr die Schläge der anklopfenden Gnade in eurem Gewissen und werdet durch dieselbe beunruhigt, wünscht ihr, daß ihr die Torheit des Rückfalls nicht begangen haben möchtet, verlangt ihr, daß der Herr sich euer wieder erbarme, und euch auch nur zu Tagelöhnern in seinem Hause mache (Luk. 15,19), so ist das Gericht der Verstockung noch nicht über euch zusammengeschlagen, so steht euch die Tür der Buße noch offen, und es ist noch Hoffnung für euch übrig. Ja gesetzt, daß ihr auch keine gute Bewegungen fühlt und ganz kalt, gefühllos und erstorben euch befändet, so habt ihr doch keinen Grund, euch für verloren zu halten, sondern solange noch das kleinste Verlangen, wieder umzukehren zu dem lebendigen Gott, sich in eurer Seele regt, so kann euch der Geist Gottes noch bei demselben fassen und erretten.

4. Bittet demnach den Herrn, daß er euch zur Buße erneuere, und seid treu mit den ersten Überzeugungen, die den Weg dazu bahnen. Ohne Tränen und Gebet werdet ihr nicht wieder erlangen, was ihr verloren habt. Aber der Himmel ist wohl soviel wert, daß man darum kämpfe. Ist's euch nur ein rechtschaffener Ernst, Gnade zu finden, so wird euch die ewige Liebe die Hand bieten, und euch nach empfundener Bitterkeit der Sünde wieder erfreuen. Werft euch nieder vor ihrem Thron und laßt euren Tränen freien Lauf. Erinnert sie an ihre teuren Verheißungen. Haltet euch an ihrem Eid, da sie bei ihrem Leben geschworen hat, daß sie den Tod des Sünders nicht wolle. Klopft mit ernstlichem Verlangen an ihr freundliches Herz. Bittet sie um die Gaben, die sie für die Abtrünnigen empfangen hat. Weicht nicht von ihrer Schwelle, bis ihr zum wenigsten einen erwünschten Hoffnungsblick von ihr erlangt. Haltet aus unter ihrer Zucht, und laßt es euch nicht fremde dünken, wenn sie euch ein wenig warten und zappeln läßt, um die Aufrichtigkeit eures Verlangens auf die Probe zu setzen. Ob sie zum ersten sich anders zu euch stellt und prüft euch mit ihrer Rute und versucht euch mit ihrer Züchtigung bis sie befindet, daß ihr ohne Falsch seid, so wird sie doch endlich wieder zu euch kommen und euch erfreuen und euch ihr Geheimnis offenbaren (Sir. 4,18-21).

Was soll man aber euch sagen, die ihr noch in eurem natürlichen Verderben liegt, die ihr zwar aus eurer Taufgnade gefallen, aber solche eure Schuld noch niemals erkannt, noch durch eine wahre Bekehrung wieder aufgestanden, folglich auch nicht fähig gewesen, einen neuen Rückfall zu begehen. Merkt jetzt nur zweierlei zu eurer Besserung.

l. Lasset euch nicht durch die Furcht eines künftigen Rückfalls von dem Anfange der Bekehrung abschrecken. Viele meinen, weil bei so vielen Nachstellungen des Satans, der Welt und ihres eigenen Fleisches, es ihnen nicht wohl möglich sein möchte, bis ans Ende zu beharren, zumal wenn sie sich schon in ihrer Jugend bekehren, und hernach ein hohes Alter erreichen sollten, so wollten sie lieber noch nicht anfangen, weil ihnen hernach ihre vorige Frömmigkeit nichts helfen, und ihnen besser sein würde, den Weg der Gerechtigkeit nie erkannt und betreten zu haben. Aber bedenkt, welch eine Ausschweifung eurer Gedanken dieses sein würde, schon ans Ende zu gedenken, ehe ihr noch einen ernstlichen Anfang gemacht habt. Sagt ihr: Der Heiland will doch haben, daß man vorher, ehe man das Gebäude des Christentums anfange, sich hinsetzen und die Kosten überschlagen solle, ob mans habe hinauszuführen (Luk. 14,28), so ist's wohl wahr, daß derjenige, der ein Jünger Jesu werden will, gleich anfangs sich prüfen müsse, ob er auch den redlichen Entschluß fassen wolle, alle Beschwerlichkeiten, Mühe und Kreuz um des Evangeliums willen zu übernehmen, sich selbst zu verleugnen und sein eigen Leben nicht lieber als Christus zu haben. Allein das alles muß eben so wenig im Vertrauen auf eigene Kräfte, als im Mißtrauen auf die Kraft Jesu Christi überlegt werden. Was wir nicht haben, können wir durchs Gebet erlangen. Der Anfang muß einmal gemacht werden, für das Ende wird der Herr sorgen, und den Bau, der auf seine Kosten angefangen worden, schon hinauszuführen wissen.

2. Lasset euch durch die Gütigkeit Gottes zu einer wahren Bekehrung und Demütigung erwecken. Ihr seht aus unserm Text, wie geneigt der Herr sei, denen Gnade widerfahren zu lassen, die ihre Schuld gestehen, die vor seinem Gericht verstummen, und nichts zur Entschuldigung vorzuweisen wissen, die ihr äußerliches Unvermögen fühlen, die Gott Recht geben in seinen Urteilen, die sich unter seine höchste Gerechtigkeit beugen und nichts anderes als Gnade verlangen. Wohlan, so laßt uns doch durch den Geist Gottes in diese Ordnung ziehen, darin ihr die Güte Gottes gegen gedemütigte Sünder erfahren könnt. Warum wollt ihr eine Speise seines Feuereifers werden, da er euch so gern eure Sünden vergeben, und euch mit Gnade und Barmherzigkeit krönen will? Grabt aber fein tief in eurer Bekehrung, damit ihr nicht euer Haus auf den Sand setzt, da es bei dem ersten Sturm der Versuchungen einen großen Fall tun möchte. Lasset euch durch die Erkenntnis eures tiefen Verderbens und der Menge eurer Schulden sich gründlich demütigen, so wird der Herr euch auch wieder zu erhöhen und euer zerbrochenes Herz zu heilen wissen.

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