7. Was hast du von der Predigt behalten?

Was hast du von der Predigt behalten? Das ist eine Frage, auf welche nicht nur unsre Kinder oft die Antwort schuldig bleiben, sondern auch Viele, die keine Kinder mehr sind und doch sind wie die Kinder. Aber die Großen, die auf diese Frage die Antwort schuldig bleiben, können dabei schuldig oder unschuldig sein; sie sind schuldig, wie unachtsame Kinder, wenn sei die Predigt zu einem Ohr hinein und zum andern hinaus gehen lassen; sie sind unschuldig wie liebe, einfältige Kinder, wenn die Predigt für sie ist, was klares Wasser für die Wolle ist, die Wolle behält das Wasser nicht, mit welcher sie begossen wird, aber sie wird dadurch reiner.

Jedenfalls aber ist’s doch zu beklagen, wenn man nichts von einer Predigt behält. Jener alte Vater in Christo freilich meinte das anders; wenn man ihn am Montag fragte, was er am Sonntag gehört habe, so sagte er entweder: „Meine Seele hat gestern etwas Leckeres gegessen“ oder er sagte: „Meine Seele hat gestern magere Kost gehabt“, immer aber setzte er hinzu: „für die Speisekarte habe ich einmal kein Gedächtniß!“ Und man konnte ihm seine Rede nicht übel nehmen; denn wäre man ihm aus der Schrift mit „dem vergeßlichen Hörer“ gekommen, dann hätte er, der in der Schrift nicht wenig bewandert war trotz seines schlechten Gedächtnisses, sicherlich nicht verfehlt zu entgegnen, daß der biblische Gegensatz vom vergeßlichen Hören des Wortes nicht das Auswendiglernen des Wortes, sondern das Thun des Wortes ist. Er aber war ein Thäter.

Nichtsdestominder dürfte der Satz unanfechtbar sein, daß es ein Nothstand ist, wenn man nichts von einer Predigt behält. Notabene, die Predigt muß gut sein, denn wen man eine schlechte Predigt nicht behält, daß ist keine Noth, sondern ein Glück. Für Diejenigen nun, die gute gläubige Predigten zu hören gewürdigt sind und doch nicht recht etwas behalten können, dürfte das Mittel probat sein, dessen sich ein andrer Vater in Christo bediente. Ich höre ihn noch, wie er nach einer trefflichen Missionspredigt Stub‘ auf Stub‘ ab ging und das letzte Verslein, das in der Predigt vorgekommen, immer laut vor sich hersagte: Wollt ihr Posaunen der Gnade sein, so räumt euch der Gnade erst selber ein! „So mache ich es immer“, sagte der liebe Mann; „die ganze Predigt kann ich nie behalten, so suche ich mir wenigstens von jeder Predigt ein oder das andere kräftige Wörtlein unvergeßlich einzuprägen“. Er hat’s aber schon lange nicht mehr nöthig, er ist schon droben, wo sich Alles von selber einprägt für Ewigkeiten.

Ach wenn man nur Eines, eines behält, daß man’s im letzten Stündlein stammeln kann wie ein Kindlein, dann ist’s ja auch schon genug, und auf dies Eine laufen doch alle gläubigen Predigten hinaus: Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit kann ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd‘ eingehn.

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