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19. Volles Genüge.

Irgendwo im Lande liegt ein einsames Schloß, verborgen unter Linden; dabei ist ein schöner, großer Garten mit laubigen Gängen und duftenden Blumenbeeten; und Schloß und Garten sind eingeschlossen und abgeschlossen durch breite Bäche und Kanäle, von deren jenseitigen Ufern blökende Rinder und wiehernde Rosse, auf weiten grünen Wiesenflächen weidend, jezuweilen herüberschauen auf Garten und Schloß, wo Alles so still ist, als ob das Leben dort gar erstorben sei.

Aber das Leben ist dort mit nichten erstorben. Zwar die alte Herrin des Schlosses ist todt, und ihre Kinder sind weit fort in ein anderes Land gezogen, und sie haben Niemand in dem Schloß zurück gelassen, als den alten treuen Gärtnersmann mit seinem wohlbetagten kinderlosen Mütterchen. Der Gärtner soll das Haus hüten, zu dessen Verkauf die Familie sich nicht entschließen konnte, und soll des Gartens warten, mit dem er zusammen gewachsen ist sei langen, langen Jahren. Das thut er denn auch und arbeitet den Sommer über, ungesehn von Menschen, treu und fleißig im Schweiße seines Angesichts und im Aufblick zu dem, den Maria Magdalena einst auch für einen Gärtner hielt und der wahrhaftig auch ein Gärtner ist, und Jesus Christus heißt. Aber im Winter und auch im Sommer an den Feiertagen und Feierabenden da arbeitet er nicht, da feiert er sammt seinem Weibe mit großer Lust an Gottes Worte und sinnend über dem süßen Evangelio und die Knie beugend vor dem dreimal einen Gott. Hin und wieder kehrt auch ein Menschenkind bei den beiden Alten ein, das auch die Sprache Canaans redet und das Herz eines Israeliten hat; da giebt es denn zusammen viel Reden von dem Einen, was noth ist. Sonntags aber, wenn Kraft und Wetter es irgend gestatten, wandern die lieben Gärtnersleute nach der Stadt und erquicken sich an den schönen Gottesdiensten im Hause des Herrn und an der Gemeinschaft der Heiligen in den Häusern der Kinder des Herrn. Da bringen sie denn immer viel mit heim in ihr altes, einsames Schloß, allerlei nahrhafte Brosamen von dem Tische Gottes.

So ist das Leben des alten Schloßbewohners und seiner Gattin. Die Welt rechnet’s nicht als Leben; stilles, mit Jesu Christo in Gott geborgenes Leben hat für die Welt weder Schimmer noch Schein. Aber auch Viele, die keine Weltleute sein wollen, verlangen mehr von dem Leben, als was den Leutlein im Schloß gegeben ist. Die Leutlein selber verlangen für ihre Pilgerzeit nicht mehr. Sie freuen sich auf das prächtige Erbe der Heiligen im Licht auf das goldene Schloß dort droben mit dem schönen Park voller Bäume des Lebens, aber sie lassen sich hienieden vollständig an Gottes Gnade genügen.

Man frägt so oft, ob denn das wahre Christenthum alle Tage dasselbe sei, nämlich dieselbe Balance zwischen Sündengefühl und Gnadenbewußtsein, oder ob es einen Fortschritt und ein auf Erden erreichbares höchstes Maaß evangelischer Frömmigkeit gebe. Gewiß giebt es ein solches höchstes Maaß, „den großen Gewinn“ nennt es die Schrift – genügsame Gottseligkeit.

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