Quandt, Emil - 5. Die Gegenbilder des heiligen Kreuzes.
Als die Kinder Israel auf ihrer Wanderung durch die Wüste nach Canaan vor der Hütte des Stiftes umher sich lagerten, da hielt sich ein Jeglicher zu seinem Panier und Zeichen; jeder Stamm hatte sein eigenes Feldzeichen und je drei Stämme hatten ein gemeinschaftliches Panier; wie die alten jüdischen Rabbiner berichten, hatten die Stämme Juda, Isaschar, Sebulon einen Löwen im Panier; die Stämme Rüben, Simeon und Gad einen Menschen; die Stämme Ephraim, Manasse und Benjamin einen Stier; die Stämme Dan, Asser und Naphtali einen Adler. Diese Zeichen und Paniere Israels sind längst dahin. Seitdem das Kreuz auf Golgatha aufgerichtet worden ist, ist das Kreuz das Panier des Israels rechter Art geworden; und die Kinder Israels nach dem Fleische, wie sie, zerstreut unter die Völker und vom Blute des Sohnes Gottes verfolgt, dahin wandern lange, bange Zeit ohne König, ohne Fürsten, ohne Opfer, ohne Altar, ohne Priesterthum, ohne Heiligthum, wandern auch dahin als ein gejagtes Volk ohne Feldzeichen und ohne Panier. Israel hatte Paniere der Hoffnung, die im Kreuze ihre Erfüllung fanden; der ewige Jude, der das Kreuz verworfen, wandert rastlos und ruhelos dahin ohne Panier.
Die alten Heiden hatten auch ihre Zeichen, Feldzeichen, Schiffszeichen, Religionszeichen. Die Bewohner Athens führten das Zeichen der Eule in ihrem Wappen, die römischen Heere siegten unter dem Panier ihrer Adler; es waren ja diese römischen Adler, die sich sammelten zum Gericht über die heilige Stadt Jerusalem, als sie ein todter Leichnam geworden war, aus dem der Geist geflohen. Die alten heidnischen Schiffer hatten allerlei Götterbilder zum Schutz und Zeichen am Vordertheile ihrer Schisse; wir kennen aus der Apostelgeschichte das Schiff, das den großen Apostel Paulus von Malta nach Italien trug, es hatte das Panier der Zwillinge Castor und Pollux. Selbst das Kreuz begegnet uns unter den Panieren der alten Heiden; es ist an diesem Kreuzeszeichen der alten Indier und Egypter viel gedeutet worden; es scheint aber so viel festzustehn, daß das Kreuz bei ihnen einmal das Sinnbild der vier Elemente, dann das der vier Jahreszeiten und dann das - der Unzucht war. Aber alle diese Zeichen der alten Heiden, die Eulen und die Adler und auch das gemeine Kreuz, sind versunken und vergessen, seitdem das heilige Kreuz von Golgatha vom großen Gotte selber zum Zeichen der Sammlung und des Heils aufgerichtet ist für alle Geschlechter der Menschen. Das Kreuzpanier Jesu Christi hat die Eulen und die Adler und ihres Gleichen längst besiegt, und ist erfüllet, was zuvor geweissagt war: Die Wurzel Isai wird den Völkern ein Panier sein, daß die Heiden darnach fragen, und seine Ruhe wird Ehre sein.
Auch unsre alten deutschen Vorfahren hatten mancherlei Banner, unter denen sie ihre Kriege führten und die sie im Frieden als Volkseigenthum in ihren heiligen Hainen verwahrten. Den Einen flog, wie ein Zeichen der Nacht, die Rabenfahne voran, die Andern hatten den Wolf im Banner, und Andere hatten andre Bilder. Aber auch diese alten germanischen Paniere haben der Macht des Christenthums weichen müssen. Das heilige Kreuz verschlang sie alle. Wie die dichten Wälder unseres Vaterlandes dahinsielen und die wilden Thiere verjagt oder ausgerottet wurden, so sanken auch die Volkszeichen, die von den Thieren und Wäldern hergenommen waren, dahin, und statt der Wölfe und der Raben ward das Kreuz, an das der große Völkerhirt sich hatte heften lassen, das Zeichen, unter dem die Völker sich sammelten und dem sie folgten.
Und ein Volk zog immer das andre hinterdrein; ganz Europa beugte sich allmälig unter das Kreuz. Ueber dreihundert Millionen Menschen der Erde sehen heutzutage auf das heilige Kreuz als auf ihr Panier und bekunden durch tausendfache Abbilder des Kreuzes in Haus und Kirche, auf Gräbern und an Wegen, daß das Kreuz das Zeichen ist, um das sie sich alle, wenigstens äußerlich, schaaren und in dem sie zu siegen gedenken. Wohl haben die einzelnen christlichen Völker auch noch ihre besonderen nationalen Symbole und Signale, wie sie ihre besondere Sprache sprechen; aber gleich wie die Sprache Canaans die Sprachen aller christlichen Völker durchtönt und sie alle umschlingt, so überragt das heilige Kreuz als das allgemeine Christenzeichen alle besonderen und eigenthümlichen Zeichen der einzelnen christlichen Völker. Das heilige Kreuz vereinet sie alle; sie alle sind, wie einst Israel um die Stiftshütte, gelagert um den Hügel Golgatha, auf welchem das Holz des wahren Lebens gepflanzt ist, das, gesalbt mit dem Blute des ewigen Königs, heiligt die Enden der Welt.
Aber noch hat das heilige Kreuz die ganze Welt sich nicht erobert. Noch giebt es viele Millionen, die in Todesschatten wohnen, von Jesu Himmelreiche fern; seit Jahrtausenden ist ihnen kein Evangelium erschienen, kein gnadenreicher Morgenstern. Das sind die unglücklichen Götzenanbeter Asiens, Afrikas, Australiens; sie tappen in der Finsterniß umher unter allerlei dunklen und verworrenen Zeichen. Doch wird es, Gott sei gepriesen, immer lichter in ihrer Finsterniß; denn unaufhaltsam schreitet die Predigt vom Kreuze von Land zu Land und unterwirft dem Kreuze ein heidnisches Panier nach dem andern. Und wo' das Kreuz aufgepflanzt wird, wächst unter seinem Schatten auch in den dürresten Heidenwüsten frisches Grün, und die Quelle der ewigen Wahrheit rieselt hervor und gießt Kraft und Licht und Leben in die Nachtgesilde des Todes.
Aber es ist eine alte Erfahrung, wo Gott der Herr sich Häuser baut, baut der Teufel sich Kapellen daneben. Der böse Feind hat vor dem Paniere des heiligen Kreuzes ebenso große Angst, als er den ingrimmigsten Widerwillen und Haß dagegen hegt. In den Legenden unsrer Alten wird oft erzählt, daß der Teufel, wo er ein Kreuz gesehn irgendwo im Walde oder am Wege, scheu davor zurückgewichen sei. Es versinnbildet das die Wahrheit, daß der Sohn Gottes an dem Kreuz und durch das Kreuz dem Teufel die schmerzlichste Todeswunde beigebracht hat. Indessen noch ist des bösen Feindes Macht nicht ganz vernichtet, und er benutzt die ihm noch gebliebene Macht, um dem Kreuze Schaden zu thun. Er geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht das heilige Kreuz, das Zeichen des Lammes, zu vernichten, wo es möglich wäre. So hat er denn dem Bilde des heiligen Kreuzes zwei Gegenbilder gegenüber gestellt, eines außerhalb der Christenheit, das andre mitten in der Christenheit; und er sucht durch diese seine Gegenbilder der Menschen Sinne zu bezaubern und zu bethören, daß sie das heilige Kreuzesbild schmähen und verschmähen, bekämpfen und vergewaltigen. Es kann den Freunden des heiligen Kreuzes nicht erspart werden, die Paniere, unter denen die Ungläubigen im Sold des alten bösen Feindes das Kreuz bekämpfen, die Gegenbilder des heiligen Kreuzes, näher zu betrachten.
Dasjenige Panier, unter welchem der Fürst dieser Welt außerhalb der Christenheit seine Truppen zum Kampfe wider das Kreuz gesammelt hat und sammelt, ist der Halbmond. Das Zeichen aber, um das er mitten im Schooße der Christenheit die Abgefallnen, die nichts wissen wollen vom heiligen Kreuze, schaart, ist die Rose. Halbmond und Rose sind die Symbole zweier Weltanschauungen, die bei aller Verschiedenheit unter einander doch darin eins sind, daß sie der Religion des Kreuzes ins Angesicht schlagen und allen Ernstes mit ihr ringen um die Weltherrschaft, um die Seelenherrschaft.
Der Halbmond ist das Zeichen des falschen Propheten Muhamed, der, aus dem Blute Ismaels entsprossen, als ein Sohn der Magd sich in lästerlicher Lüge über den Herrn Christum gestellt hat zur Verführung, Verfolgung und Ausrottung derer, die, Isaak nach, Kinder der Freien und nach dem Geist geboren sind. Muhameds Religion, wie sie sich durch den Halbmond repräsentirt, heißt der Islam; die Glaubenslehre des Islam hat eigentlich nur den einen Satz: „Es ist nur Ein Gott, und Muhamed ist sein Prophet.“ Aber dieser Gott ist nicht der wirkliche, lebendige, dreieinige Gott, wie er sich als Vater Jesu Christi im heiligen Geiste geoffenbart hat, sondern ein erdachter, aus dem Holz der Einbildungskunst gezimmerter, todter,. einiger Gott, der sich mit einem todten Glauben und mit einer sehr auswendigen Gesetzeserfüllung begnügt. Der Islam greift das innere Verderben, den tiefen Schaden der Seele, nicht im Geringsten an, weil er es nicht kennt, sondern lehrt eine Gottgemeinschaft und sinnliche Seligkeit durch äußere Werke. So bezeichnet im Gegensatz zur Religion des Geistes und der Wahrheit, wie sie das heilige Kreuz meint, der Halbmond die Religion des Fleisches und der Lüge. Es giebt zwar gutmüthige Leute in der Christenheit, die da meinen, vom Islam müsse man nicht so viel Aufhebens machen, er sei doch tausendmal besser, als das Heidenthum, da er den Götzendienst verdammt und Glauben an einen einigen Gott lehre. Aber diese Leute bedenken nicht, daß ein todter einiger Gott armen Sündern so wenig helfen kann, als viele todte Götzen. Was hilfts, daß der Islam den Götzendienst verfolgt und auf weiten Gebieten sich unterjocht hat? Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub.
Beelzebub hat den Anhängern des Halbmonds denn auch den Wahn eingegeben, daß sie berufen seien, alle Dschiaurs d. i. Ungläubige, nicht blos die Heiden, sondern auch vor allen Dingen die Christen auszurotten, sei es durch Besserung, sei es durch Vertilgung. „Bekrieget sie, ruft der Koran, die Lügenbibel des Halbmonds, seinen Bekennern zu, bekrieget sie, bis kein Unglaube mehr übrig ist auf Erden, bis der Islam, der allein wahre Glaube, bis an die Enden der Welt herrscht.“ Nun, diesem Befehle sind denn auch die Muhamedaner getreulich nachgekommen; mit dem Rufe: „Allah ist groß, und Muhamed ist sein Prophet!“ sind die Jünger des falschen Propheten verheerend in die blühendsten Länder der christlichen Kirche eingedrungen und haben das Kreuz umgestoßen und den Halbmond aufgerichtet. Die Residenz des ersten christlichen Kaisers, Constantinopel, ist noch im neunzehnten Jahrhundert die Residenz des türkischen Sultans, des Hauptes des Islam, und die schöne Sophienkirche, im Blicke auf welche der christliche Erbauer sprach: „Ich habe dich besiegt, o Salomo!“ ist eine muhamedanische Moschee. Während das Kreuz seine Siege erfochten hatte durch das Blut seiner Kinder, siegte der Halbmond, indem er das Blut seiner Feinde in Strömen vergoß. Lange genug ist der Halbmond auch der Schrecken unsrer deutschen Väter gewesen; auch in die Auen des deutschen Landes fiel der Türke ein und wüthete mit Drohen und Morden gegen die Christen. Unsre Vater haben damals die Glocken wider den Halbmond geläutet, und zum dreieinigen Gott geschrieen, und der hat sie errettet. Es singt ja das christliche Volk in deutschen Landen noch heute, wo man ihm seine alten, guten Gesangbücher nicht verbessert und verwässert hat: „Bewahr' uns vor des Türken Mord!“
Nun heute ist uns freilich der Halbmond nicht mehr gefährlich; so mächtig er auch noch immer ist, er verdankt doch, namentlich in Europa, sein Bestehn nur noch der Gnade christlicher Staaten, also daß man sagen kann: In allem Aeußerlichen, sonderlich was Regiment und Herrschaft anbetrifft, hat sich der Halbmond schon längst vor dem Kreuze beugen müssen. Indessen in Asien, seinem Mutterlande, ist seine widerchristliche Macht noch immer bedeutend genug; in den hinterindischen Gewässern schwärmen muhamedanische Priester, Hadschis lassen sie sich nennen, bei Tausenden umher und predigen ihren seelenverderblichen Irrwahn; und ganze Haufen merken auf ihr Wort und verbünden sich, Muhamed zu ehren, Christum zu hassen und den Zehnten zu geben für die Kaaba zu Mekka, das Central-Heiligthum des Islam. Der Hauptkampfplatz aber, wo dermalen Kreuz und Halbmond um ihre Beute kämpfen, ist Afrika; den Norden dieses Erdtheils hat der Islam ja noch fast ganz inne, in der Mitte aber, im Osten und Westen kämpft er bis auf's Blut gegen das andringende Christenthum, nur im Süden wird er immer ohnmächtiger. Wie unsre Väter Jahrhunderte lang die Abendglocken läuteten gegen die Türken, so gilt es für uns, betende Hände aufzuheben gegen des Halbmonds Macht und List; es ist das eine gar nöthige Missionsbitte, der, so die Gerechten sie nur ernstlich beten, der große Gott sein Amen nicht versagen wird.
Allein es gilt für die Freunde des Kreuzes Jesu Christi nicht blos im Blick auf unsere Missionsgebiete zu beten, daß der Halbmond dort dem Kreuze nicht Gewalt anthue; es gilt auch, mit Waffen des Geistes und der Liebe gegen den Halbmond auf seinen eigenen Gebieten zu streiten, damit immer weniger werden, die dem Zeichen der Lüge trauen, und immer mehr, die das Panier der Wahrheit hoch halten. Lange Zeit hindurch hat die Christenheit es vergessen, daß auch den Türken das Evangelium gepredigt werden soll. Erst in unserm Jahrhundert haben sich Missionsgesellschaften gebildet, die sich auch die Bekehrung der Muhamedaner zur Aufgabe stellen. Amerika und England sind darin vorangegangen. Aber auch preußische Christen haben das Kreuz in's Herz des Muhamedanismus getragen. Friedrich Wilhelm IV., der königliche Bekenner, hat das evangelische Bisthum stiften helfen in Jerusalem, der heiligen Stadt, von der das heilige Kreuz ausgegangen und in der noch immer der Halbmond herrscht; in Jerusalem, Bethlehem, Constantinopel, Beirut, Smyrna, Alexandrien - lauter Städte, die der Islam sich erobert hat - stehen preußische Geistliche als Diener am Wort, und Diakonissinnen aus Kaiserswerth, auch Brüder im Dienst des St. Johanniterordens, vollführen in den Ländern des Islam den Dienst heiliger Liebe an den Kranken nach dem Worte des Herrn: Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, thut wohl denen, die euch beleidigen und verfolgen. und solche Mission des Glaubens und der Liebe ist nicht umsonst. Die Todtengebeine unter den Muhamedanern fangen an sich zu regen; ein großes Fragen und Suchen nach der Wahrheit in Christo thut sich kund; und die in's Türkische übersetzte Bibel ist schon mitten in Constantinopel unter den Augen des Sultans öffentlich feil geboten, und manches Türkenherz hat sich in jüngster Zeit vom eitlen Wandel nach muhamedanischer Weise bekehrt zum großen Hirten und Seelenbischof Christus Jesus.
So kam einmal vor etlichen Jahren zu einem evangelischen Missionar in Smyrna ein 96 Jahr alter Türke mit ehrwürdigem Angesicht. Er hörte in dem evangelischen Gottesdienst mit größter Aufmerksamkeit zu. Nachher blieb er lange mit gesenktem Haupte sitzen, stand nach innerem Kampfe auf und küßte das neue Testament, aus dem gelesen worden war. Abends war er wieder da, in derselben tiefen Bewegung. Man saß noch eine Weile zusammen, da sagte er: „Hinfort will ich nichts mehr mit einem todten Manne zu thun haben. Muhamed ist todt, doch hielt ich ihn für meinen Heiland und Mittler. Ich bin nun 96 Jahr auf Erden, aber ich lebe nicht; ich finde, daß ich innerlich todt bin; mein Heiland aber muß leben. Wie kann ich der Sonne nahen in ihrem Alles verzehrenden Flammenlichte? Noch schneller würde ich vernichtet, wenn ich vor den Gott der Herrlichkeit treten wollte. Ich brauche einen Mittler, der Gott ist, daß er vor Gott treten kann. Er muß aber auch ein lebendiger Mensch sein, daß er mich zum Leben bringe. Heute erst habe ich gehört, daß Jesus Christus am Kreuze mich von meinen Sünden erlöst hat und auferweckt ist durch die Herrlichkeit des Vaters und noch im Himmel lebt und uns vertritt. Jesus soll also hinfort mein Heiland sein und kein Anderer. Das glaube ich. O Jesu, Jesu, errette du einen armen Mann, der 96 Jahre lang todt ist.“ Alle Anwesenden waren tief ergriffen. Der alte Türke aber fuhr fort, den Gottesdienst zu besuchen. Das sei erzählt zum Zeichen und Zeugniß, daß die Mission des Kreuzes unter den Gebeten der Christen siegreich gegen die Religion des Halbmondes vordringt. Möge der milde Glanz des heiligen Kreuzes immer mehr, immer schneller den falben Schein des halben Mondes verdrängen, und sich das schöne Dichterwort bald erfüllen:
„Du Kaaba, schwarzer Stein der Wüste, Daran der Fuß der halben Welt Sich jetzt noch stößt, steh' nur und brüste Dich, matt von deinem Mond erhellt! Der Mond wird vor der Sonn' erbleichen Und dich zerschmettern wird das Zeichen Des Helden, dem Victoria Ruft Bethlehem und Golgatha.“
Aber nicht nur außerhalb der Christenheit, sondern auch mitten in der Christenheit ist es dem bösen Feinde gelungen, dem heiligen Kreuze gegenüber ein Gegenbild aufzustellen und unter demselben als einem neuen Paniere Kämpfer zu sammeln gegen das heilige Kreuz und die Religion des Kreuzes. Längst ist die großartige Geisteseinheit, die die Christenheit in früheren Jahrhunderten zeigte, aufgelöst; ganze Stände und Schichten des christlichen Volkes sind dem alten Glauben, als einem veralteten entfremdet; Wenigen ist das heilige Kreuz noch Alles, Etlichen ist es etwas, aber Vielen ist es nichts mehr; eine mit dem Kreuz von Golgatha unverträgliche, eine das Kreuz verwerfende und befehdende Grundstimmung findet in den namenchristlichen Massen immer mehr Anerkennung und Verbreitung, namentlich durch die Süntfluth widerchristlicher Schriften und Zeitblätter, die das Land überschwemmt. Diese moderne Weltanschauung hat sich ihren kecksten, schärfsten Ausdruck gegeben in den Versen eines ihrer Propheten, der da singt:
Nur mir kein Kreuz auf's Grab gesetzt, Sei's Holz, sei's Eisen oder Stein, Stets hat's die Seele mir verletzt Dies Marterbild voll Blut und Pein: Daß eine Welt so gottbeseelt, So voller Wonne um und um Zu ihres Glaubens Symbolum Sich einen Galgen hat erwählt.
Drum nicht das Kreuz mir auf das Haupt, Pflanzt Rosen um mein Grab herum; Die Rose sei das Symbolum, Dran eine neue Menschheit glaubt.
Kann auch das heilige Kreuz glühender gehaßt, bitterer verhöhnt und gemeiner verspottet werden, als es in diesen Versen geschieht? Scharf und schneidend tritt in ihnen der alten christlichen Lebensanschauung, deren Wahlspruch es ist: „Es sei ferne von mir rühmen, denn all in von dem Kreuz unsers Herrn Jesu Christi!“ die andere neue gegenüber mit der Parole: „Die Rose sei das Symbolum, dran eine neue Menschheit glaubt!“ Kreuz oder Rose -: immer gründlicher scheinen die Wege unseres Geschlechts also auseinander zu gehn.
Es ist eine sehr sonderbare Sache, der neue Glaube an das Symbolum der Rose. Es hat ja auch früheren heitere Lebensanschauungen genug gegeben. Aber was die moderne Rosenreligion Neues mit sich führt, das ist der glühende Haß gegen das Kreuz, viel glühender, als der Islam ihn je gekannt. Das Kreuz hat sich auch in früheren Zeiten manches böse Wort gefallen lassen müssen; aber daß man das Kreuz auch nicht mehr auf seinem Grabe dulden will, das ist das Neue. Nicht minder neu ist das fanatische Wegleugnen des Schmerzes in der Welt. Man sang auch früher: „Rosen auf den Weg gestreut, und des Harms vergessen!“ aber man gab doch wenigstens noch zu, daß es Harm giebt in der Welt, man suchte ihn nur zu vergessen; jetzt decretirt man den Harm ganz fort von der Erde, man leugnet ihn und singt, daß diese Welt voller Wonne sei um und um, das ist das Neue.
Daß es mit dieser Art, das Leben anzusingen und unsern hochgelobten Immanuel zu höhnen, keine, auch nicht die geringste Vermittelung vom Standpuncte des Kreuzesglaubens giebt, ist klar. Wo man haßt, was wir lieben; wo man Wonne sieht, während wir Schmerzen finden: da gehen wir heraus und schütteln den Staub von unsern Füßen, denn es stehet geschrieben: Wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzet da die Spötter sitzen. Wer dem Paniere des Kreuzes folgt, kann zum Symbol der Rose keine andre Stellung einnehmen, als sie ihm dem Symbol des Halbmondes gegenüber einzunehmen geziemt -, eine abwehrende und eine missionirende Stellung. Wir ziehen die Hände zurück vor der Gabe der Rose, die man uns bietet, weil wir wissen, daß man mit dieser Gabe uns das Kreuz aus den Händen winden will. Aber wir strecken den bethörten Gebern der Rose gern die Hand entgegen, um die Irrenden hereinzuziehn, indem wir, das Panier des Kreuzes vor uns, bekennen: Der Himmel ist bei uns auf Erden, im Glauben schauen wir ihn an;, die mit uns Eines Glaubens werden, auch ihnen ist er aufgethan.
Daß übrigens diese Religion mit dem Symbolum der Rose auf die Länge der Religion des Kreuzes bleibende Gefahr bringen könne, wie die Furchtsamen im Lager des Herrn fürchten, meinen wir nicht. Dazu ist sie viel zu unpraktisch. Singe einmal dem armen Tagearbeiter, dessen Frau auf dem Siechbette liegt, dessen Kinder nach Brod schreien, singe ihm einmal vor, daß diese Welt voller Wonne ist um und um -, wahrlich er, wird denken, du wirst dich über ihn lustig machen. Ja singe einmal dem, dessen Herz von dem Ticken der Uhr der Ewigkeit in seinem Innern aufgewacht ist, daß er sich erkennt in seinen Sünden und Missethaten, mit denen er den ewigen Zorn verdienet hat, singe ihm immerhin vor von Rosenblühn und Maienduft - wie Wahnwitz wird solches Lied ihm klingen. Nein, nein, man singt auch mit den schönsten Melodien die Mühe und den Schmerz und die Sünde nicht heraus aus der Welt; die handgreifliche Wirklichkeit spottet solcher Träumereien, und was sich in den Tiefen der Menschenseele regt, empört sich gegen eine Denkweise, die das ernste Leben zu einem Kinderspiele degradirt. Die moderne widerchristliche Weltreligion ist gerade so, wie die vorchristliche heidnische Weltreligion von Attika und Rom, höchstens eine Religion für Glückliche; für das Unglück hat sie weder Trost, noch Kraft.
Ja, könnte man den Schmerz aus der Welt tilgen, so möchte man auch das Kreuz umstoßen können. Aber der Schmerz weicht keiner modernen Beschwörung, am allerwenigsten dem modernen Gerede und Gesinge von einer um und um wonnevollen Welt. So sollen sie denn das Kreuz wohl lassen stehn. Der Schmerz in der Welt ist und bleibt das große Räthsel des irdischen Lebens, zu dem es nun und nimmermehr eine andere beruhigende Lösung giebt, als das Kreuz. So oft der Kummer und der Jammer an die Thür klopfen, wird man immer die Rosen sich verbitten und das Kreuz segnen. So oft eine Menschenseele aus den Träumen dieser Welt erwacht und sich selbst erkennt in ihrer Erlösungsbedürftigkeit und in ihrer Erlösungssehnsucht, wird sie abweisen den vergänglichen Duft irdischer Rosen und verlangen nach dem Geruch des Lebens zum Leben, der vom Kreuze ausgeht.
Es hatten vier gute Freunde beim wöchentlichen Kartenspiel oft genug der ernsten Richtung, der Richtung auf das heilige Kreuz gespottet, unter ihnen auch der eine von den beiden Geistlichen des Orts, ein ungeistlicher Mann. Man hatte für die Gläubigen und Stillen, namentlich für den andern Ortspfarrer, der ein treuer Jünger Jesu war und die lautere Lehre vom Kreuze im Gotteshause predigte und auch in die Menschenhäuser trug, nur Worte des Hohns und des ironischen Mitleids. Da kam es mit dem einen der vier Kartenspieler zum Sterben. Seine Familie wollte den ihm eng befreundeten Geistlichen holen lassen, mit dem er in den Tagen seiner Gesundheit so brüderlich verkehrt und so manche Parthie gemacht hatte; aber: „Nein, nein, rief er, was sollte mir dieser helfen?“ und es mußte der andre Geistliche gerufen werden, daß er ihn mit dem Kreuze tröste. - Ein andrer Weltmann hatte es oft seinen Spott gehabt, daß seine fromme Gattin ihr Töchterlein in der Zucht und Vermahnung zum Herrn Jesu aufzog. Aber als er mit der Tochter eine längere Seereise machte und das Kind ihm auf dem Schiff erkrankte, und als es, immer schwächer und schwächer werdend, mit bebender Lippe fragte: „Lieber Vater, in welcher Religion soll ich sterben, in deiner Religion oder im Glauben der Mutter daheim?“ da erhob der erschütterte Vater weinend seine Stimme und sprach: Kind, nimmermehr in meinem Unglauben, sondern in der Mutter Glauben! - Das sind directe Zeugnisse mitten aus dem Heerlager des Unglaubens für die Jämmerlichkeit des Paniers der Rose und für die Herrlichkeit des Paniers des Kreuzes, die sich leicht aus der Erfahrung vermehren ließen.
Aber auch die Propheten der modernen Weltanschauung selbst sind durch einzelne ihrer Aeußerungen indirecte Zeugen für die Größe und Majestät des Paniers, das sie bekämpfen. Jener Dichter, der den Vers gesungen hat: „Nur mir kein Kreuz auf's Grab gesetzt!“ blickt doch auch einmal mit wehmüthiger Sehnsucht auf seine Kindheit, in der auch ihm das Kreuz theuer war, zurück und singt an einem Sonntagsmorgen: „O Wahn des Glaubens, süße Stille, in der das Herz sich selbst verlor, du meiner Kinderzeit Idylle, was steigst du heute mir empor?“ Und jener berühmte glaubensfeindliche Dichter, den man den größten Prediger des Evangeliums von der Wiedereinsetzung des Fleisches genannt hat und der in vielen, vielen vergifteten Liedern dem Kreuze und dem Gekreuzigten Hohn gesprochen, Heinrich Heine, singt doch auch einmal im Hymnenton: „Hoch am Himmel stand die Sonne, von weißen Wolken umwogt, das Meer still, und sinnend lag ich am Steuer des Schiffes, träumerisch sinnend; und halb im Wachen, halb im Schlummer schaute ich Christus, den Heiland der Welt. Im wallend weißen Gewande wandelt' er riesengroß über Land und Meer; es ragte sein Haupt in den Himmel, die Hände streckte er segnend über Land und Meer; und als ein Herz in der Brust trug er die Sonne; und das rothe, flammende Sonnenherz goß seine Gnadenstrahlen und sein holdes, liebseliges Licht erleuchtend und wärmend über Land und Meer.“ So weissagen diese Dichter selbst, wie weiland Caiphas, von der Herrlichkeit dessen, das sie hassen.
Wir aber wenden uns von dem Halbmonde und der Rose, die der böse Feind zu Gegenbildern des heiligen Kreuzes gestempelt hat, ab, zu dem heiligen Kreuze hin und erneuern das Gelübde der Treue gegen den, der am Kreuze uns erlöset hat von der Sünde und dem Tode und der Gewalt des Teufels. Sein sind wir und mit ihm halten wir's, und unter dem Paniere seines Kreuzes wandern wir sammt Allen, die das Heil lieb haben, fröhlich unsere Straße. Vergessen wir dein, o heiliges Kreuz, so werde unserer Rechten vergessen! Wir haben nur Eine Passion, und die bist du, o heiliger König, geschmückt mit dem Dornenkranze und erhöhet auf den Marterthron!
Wenn alle untreu werden, So bleiben wir doch treu, Daß Dankbarkeit ans Erden Nicht ausgestorben sei. Für uns umfing Dich Leiden, vergingst für uns in Schmerz, Wir geben Dir mit Freuden Auf ewig unser Herz, Amen.