Quandt, Emil - Joel - 6. Der Tag der Herrlichkeit Israels.

Quandt, Emil - Joel - 6. Der Tag der Herrlichkeit Israels.

Kapitel 3, 23-26.

Von der Gegenwart und ihrer schweren Plage war Joel ausgegangen und hatte zur Buße aufgefordert, damit die Plage wiche. Gerichte der Zukunft hatte er sodann verkündigt für den Fall, dass sein Volk nicht Buße tue und mit dieser Verkündigung seiner Bußmahnung neuen Nachdruck gegeben. Und noch einmal hatte er dann zur Buße ermahnt unter der Verheißung, dass im Falle bußfertiger Bekehrung eine Zeit der Erlösung für Israel anbrechen werde, sowohl leiblicher durch Frühregen und Spätregen, als geistlicher durch die Sendung des Lehrers zur Gerechtigkeit. Er hatte dann, immer um zur Buße zu reizen und zu locken, weiter geschildert, was feinem Volke unter der Voraussetzung der Bußfertigkeit und Gottseligkeit nach der Sendung jenes Lehrers zur Gerechtigkeit noch zugedacht sei, nämlich einmal die Ausgießung des heiligen Geistes und sodann die Vernichtung seiner Feinde. Zum Schlusse nun ruht der Blick des Sehers auf den seligen Zuständen der Vollendung seines Volks, die da eintreten sollen, wenn es ganz gerächt und ganz gerecht ist, auf der Zeit der ewigen Herrlichkeit Israels.

Zum vorläufigen Verständnis dieser abschließenden Weissagung Joels von dem Tage der Herrlichkeit ist aber zweierlei festzuhalten. Einmal, dass die Geschichte ein Gespinst ist aus göttlichem Rat und menschlichen Gedanken Joel verkündigt die Endziele des göttlichen Rats mit Israel unter der Voraussetzung bußfertiger Gedanken Israels; diese Voraussetzung hat sich im Allgemeinen nicht erfüllt; so musste sich auch die Erfüllung des göttlichen Rates modifizieren: das wahre Israel sieht weltgeschichtlich anders aus, als Joel es sich dachte; nur Wenige von Israel nach dem Fleisch sind eingegangen in die Wege Gottes, sie haben aber eine große Genossenschaft erhalten an den Bekehrten aus den Heiden, und diese zusammen bilden nun das wahre Israel, das Israel rechter Art, das aus dem Geist erzeugt ward und seines Gottes und der Erfüllung seiner Verheißungen erharrt und erharren darf. Sodann schaut Joel die ewige Herrlichkeit Israels unter Bildern dieser Zeit und dieser Erde; alle Weissagung und namentlich auch die Weissagung von dem Ende der Wege Gottes mit seinem Volk redet in Gleichnissen; wer dies verkennt, ist in Gefahr, in chiliastische Schwärmerei zu geraten; es gilt, Bild und Sache reinlich auseinanderzuhalten.

V. 23. Bur selbigen Zeit werden die Berge mit süßem Wein triefen und die Hügel mit Milch fließen, und alle Bäche in Juda werden voll Wassers gehen; und wird eine Quelle vom Hause des Herrn herausgehen, die wird den Strom Sittim wässern.

Joel beschreibt, was er am Ende schaut; das „zur selbigen Zeit“ ist nach dem Vorangehenden die Zeit nach der Zeit, wenn alle Feinde Israels auf immer ausgerottet sind. Kanaan, das irdische Kanaan, schaut er in seinem Schlussgesicht voll irdischer Herrlichkeit. Der Weinstock wurde in Kanaan gewöhnlich an Bergabhängen gepflanzt und gepflegt; der Prophet sieht nun die Berge triefen, überströmen von dem süßen Blute des edelsten Gewächses der Erde. Neben dem Wein war die Milch ein Hauptnahrungsmittel der Israeliten, wie der Morgenländer noch heute; der Prophet sieht in Folge des Herdenreichtums die Milch von den Hügeln, wo die Herden weideten, in das Land herniederfließen. Wasserreichtum ist in warmen Ländern eine der gepriesensten Wohltaten; wo ein Bach ist, da steht Alles im üppigsten Wachstum; wo die Bäche versiegen, wird das Land dürre und wüste; Joel sieht alle Bäche Judas voll dahinfließen. Soweit ist nichts Außerordentliches in dem Bilde, das Joel schaut und beschreibt; Kanaan erfreut sich der üppigsten Fruchtbarkeit, wie sich das so manches Mal zugetragen hat; nur der Zusammenhang lehrt hier, dass diese zeitliche Herrlichkeit ein Bild und Gleichnis sein soll von der Herrlichkeit der letzten Tage, dass Wein und Milch und Wasser die Segnungen versinnbilden, deren sich das himmlische Kanaan, das Land der Herrlichkeit, erfreuen wird. Aber was Joel nun weiter schaut und weiter beschreibt, passt ganz und gar nicht mehr auf die Ordnungen dieser gegenwärtigen Welt. Das Haus des Herrn nämlich, das Heiligtum, der Tempel Jehovahs, verwandelt sich vor den Geistesaugen des Sehers zu einem Quellborn, aus dem das Wasser belebend und erfrischend strömt durch das Tal (so ist statt des Lutherschen „Strom“ zu übersetzen) Sittim. Das „Tal Sittim“ heißt auf deutsch Akazienaue, und so hieß eine Aue im Moabiterland nicht fern vom Jordan, in dessen Nähe Bileam, der das Volk Gottes verfluchen wollte, es auf Gottes Befehl segnen musste, vgl. Micha 6,5, von wo aus Josua Kundschafter nach Jericho sandte, von wo aus einst Israel zum Übergang über den Jordan aufbrach. Ein andres Tal Sittim wird in der Bibel nicht erwähnt und existiert nur in der Einbildungskraft der Ausleger, die sich diese Stelle nicht zurechtlegen können. Durch die vom Haus des Herrn herausfließende Quelle wird das ganze Land Kanaan bewässert bis zu den Eingängen des Volkes in das Land: Der Lebensstrom der seligen Ewigkeit wird bei den selig Vollendeten auch ihre Vergangenheit durchströmen bis zu den ersten Eingängen ins Reich Gottes hin; im Lichte der Ewigkeit wird sich Alles in Seligkeit auflösen, nicht nur Gegenwart und Zukunft, sondern auch die Vergangenheit. Von diesem Lebensstrome reden auch, aber in eigentümlicher Fortbildung, die Propheten Hesekiel und Sacharja.

V. 24. Aber Ägypten soll wüste werden und Edom eine wüste Einöde um den Frevel, an den Kindern Juda begangen, dass sie unschuldig Blut in ihrem Lande vergossen haben.

Ägypten und Edom werden hier ebenso beispielsweise genannt, wie im vorigen Abschnitt Tyrus, Sidon und die Philister. Ägypten hatte sich besonders damals an Israel schwer versündigt, als es dasselbe mit Frondiensten plagte und es nicht entlassen wollte aus seiner Knechtschaft; unschuldiges Blut war in Strömen vergossen dazumal, als alle israelitischen Knäblein umgebracht wurden. Edom war zwar mit Israel aus Einem Blut entsprossen, hatte aber seine höhnische Lust und Schadenfreude daran, wenn Israel im Elend war, und ist daher auch bei andern Propheten, namentlich bei Jesaias, ein Bild aller Feinde Gottes und seines Volks. An allen seinen beharrlichen Verächtern und Feinden soll das Volk Gottes gerächt werden, das ist der Kern und Stern dieses Verses. Dass alle Ägypter und Edomiter in die Hölle fahren sollen, ist damit von ferne nicht gemeint und kann nicht gemeint sein, da Gott durch andre Propheten ausdrücklich bezeugt, dass die Reste Edoms (sie sind jetzt unter muhamedanischen Völkern verborgen), wie auch die Reste der Ägypter sich bekehren und in das Reich des Herrn aufgenommen werden sollen, und die Geschichte auch von manchem bekehrten Ägypter und muhamedanischen Araber aus der Gegend Idumäas zu erzählen weiß.

V. 25. Aber Juda soll ewiglich bewohnt werden und Jerusalem für und für.

Der Prophet schaut eine neue Glanzperiode Jerusalems und Judas. Auch in der Offenb. St. Joh. 20 gelangt Jerusalem nach der wunderbaren Errettung von Gog und Magog zu einer nie gekannten Blüte als ein Heerlager der Heiligen und als die geliebte Stadt. Aber dort wie hier ist das irdische Jerusalem nur ein Abbild des ewigen, das vom Himmel auf die neue Erde herniederfährt, wo die vollendete Gemeinde mit ihrem Könige Jesus leben wird. Ein neues Israel, aus Juden und Heiden, eitel Gerechte, werden wohnen in dem neuen Jerusalem und Gott über und bei ihnen. Die Verheißung eines ewigen Bewohntwerdens kann keine irdische Stadt, auch nicht das irdische Jerusalem haben; denn wir haben, wie das apostolische Wort sagt, hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Die Schrift aber muss durch die Schrift ausgelegt werden.

V. 26. Und ich will ihr Blut nicht ungerächt lassen. Und der Herr wird wohnen zu Zion.

Das sind nun die beiden gewichtigen inhaltsreichen Schlusssätze der Joelschen Verheißungen. Der erste Satz wird verschieden übersetzt. Nach der Lutherschen Übersetzung greift dieser Satz zurück in V. 24 und in die Gerichtsschilderung des vorigen Abschnittes, wonach Gott das Blut des verfolgten und unterdrückten Israels in furchtbaren Gerichten an seinen Feinden rächt; und es ergibt sich dann der Sinn: Israel in der Herrlichkeit wird gerächt sein an seinen und seines Gottes Feinden. Dieser Sinn ist ja ein schriftgemäßer; es gehört nach der Schrift zu Gottes Majestätsrecht, die Sache seines Volkes, die auch seine ist, an den Feinden zu rächen und darum am jüngsten Tage Rache zu geben mit Feuerflammen über die Ungläubigen. Darum schreien die Blutzeugen des Reiches Gottes in der Offenbarung Kap. 6 mit lauter Stimme: „Bis wann, heiliger und wahrhaftiger Herr, richtest du nicht und rächst unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen?“ Gott aber rächt ihr Blut, „wenn vollendet worden sind auch ihre Mitknechte und ihre Brüder, die getötet werden sollen, wie auch sie“, d. h. wenn Alles vollendet ist und der Tag des großen Zorns, der jüngste Tag, anbricht. - Man kann den ersten Satz dieses Verses aber auch anders übersetzen und in geistigerer Weise auffassen; die englische Bibel übersetzt: „Ich will reinigen ihr Blut, welches ich nicht gereinigt hatte.“ Gläubige Christen sind ja schon hier gereinigt und geläutert durch das Blut Christi; und wer hier nun einmal durch dasselbe rein gewaschen ist, ist ganz rein, aber er bedarf doch hienieden noch der täglichen Reinigung von den täglich sich erneuernden Untugenden. Dort aber wird auch der letzte Flecken abgewischt sein und keine Reinigung mehr nötig sein; jede Spur der Sünde wird abgetan sein; die menschliche Natur wird von der Einwohnung der Sünde, die hier mit uns geht, bis wir sterben, völlig freigemacht sein. Ein gesalbter englischer Ausleger sagt davon: „Im letzten Augenblick, wo wir unsern Leib verlassen, werden wir auch der Sünde völligen Abschied geben. Wenn wir einst diese sterbliche Hülle verlassen, so wird auch der Staub, der noch am Kleide hängt, ausgeschüttelt werden; wenn wir entkleidet werden, so werden wir entkleidet von dem Leibe dieses Sündentodes; wenn wir im Himmel stehen, so werden wir das Bild des Himmlischen an uns tragen und aufhören, zu tragen das Bild des Vergänglichen. Wir werden verwandelt werden und gleich sein dem belebenden Geiste und nicht bloß der lebenden Seele. Wir werden unsre andre Natur in ihrer ganzen Fülle empfangen, während die erste, die gefallene Natur, abgelegt wird und bei Seite getan als zerrissene Lappen, die nur der Verwesung anheimfallen; wir aber werden rein.“ Ich will ihr Blut reinigen, welches ich nicht gereinigt hatte - diese trostreiche Verheißung hat ihre letzte Erfüllung also jenseits, in der Herrlichkeit, aber sie findet ja allerdings ihre vorlaufende Erfüllung in jeder Rechtfertigung eines armen Sünders auf Erden durch den Glauben an das reinigende und sühnende Blut Jesu Christi; und in diesem Sinne vorlaufender Erfüllung genommen, wurde einst dies Joelwort das Wort zur entscheidenden Bekehrung für den berühmten frommen Engländer John Bunyan. Derselbe lebte bis zu seiner Verheiratung dahin in den Wegen dieser Welt. Seine Gattin, die Tochter gottseliger Eltern, brachte ihm als Mitgift zwei Erbauungsbücher mit. Er las darin und sogar mit Freude, aber von dem Inhalte der Bücher wollte nichts bei ihm haften. Seine Frau erzählte ihm viel von dem gottseligen Leben in ihrer Eltern Hause; er hörte ihr gern zu, wurde auch ein fleißiger Kirchgänger; allein in seinem Leben änderte sich nichts, er blieb der Welt ergeben. Als er aber einmal eine Predigt hörte, in welcher gegen die Entheiligung des Sabbats durch Arbeit und Spiel gezeugt wurde, meinte er, der Prediger meine allein ihn, und seine Schuld fiel ihm schwer auf die Seele; doch schon beim Mittagsessen hatte er alle Gewissensbisse vergessen, und er ging aus zu tun, was er sonst getan, zu spielen. Aber sowie er beim Spiel das erste Mal abgehoben hatte, war es ihm, als riefe ihm plötzlich eine Stimme vom Himmel zu: „Willst du die Sünde lassen oder sie behalten und in die Hölle fahren?“ Erschüttert warf er die Karten weg und hob seine Augen auf gen Himmel. Da vermeinte er Jesum, ihm mit großem Ernste drohend, zu sehen. Der Versucher aber raunte ihm zu: Du bist ein zu großer Sünder; für dich ist es zu spät; dir wird Christus nicht mehr vergeben, darum fahre fort in Sünden; du kannst doch nicht mehr als verdammt werden, und so ist's besser um vieler, als um weniger Sünden willen. Nach ungefähr vier Wochen stand er einmal am Eckfenster seiner Nachbarin und fluchte so fürchterlich, dass diese, obgleich selbst ein bitterböses Weib, darüber erbebte und ihn den grässlichsten Flucher nannte, der ihr je vorgekommen wäre. Das traf sein Herz, und er sehnte sich nach gründlicher Bekehrung. Aber die Zweifel, ob sich Gott seiner auch noch annehmen könne, quälten ihn fort und fort. Monate lang ging er umher in Angst und Sorge. Endlich nach vielen Seufzern zu Gott kam ihm Trost und Erquickung ins Herz durch Joel 3,26: Ich will ihr Blut reinigen, das ich nicht gereinigt hatte. Es gab zwar auch jetzt noch Kämpfe, aber der heilige Geist versiegelte ihm je länger, desto fester das Wort: Ich will ihr Blut reinigen. Bunyan ward fünf Jahre darauf Prediger des Wortes von der Vergebung aller Sünden durch das Blut Jesu Christi.

Der zweite und letzte Satz unsers letzten Verses lautet: Und der Herr wird wohnen zu Zion. Der Herr, der allgegenwärtige Gott, wohnte im alten Bunde, d. h. offenbarte seine Gegenwart in ganz besonderer Weise zu Zion im Tempel, thronend auf der Bundeslade über dem Cherubim, wie schon zuvor in der Stiftshütte. Aber diese Wohnung Gottes zu Zion war nur ein Sehnsucht erweckendes Schattenbild von dem Wohnen Gottes in unserm Fleisch und Blut, davon St. Johannes jubelt: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. Doch auch das Wohnen des fleischgewordenen Gottes unter uns weist noch über sich selbst hinaus auf ein ewig-seliges Zusammenwohnen des Herrn mit seinem Volk. Darauf geht hier Joels Weissagung, dass in der Ruhe, die noch vorhanden ist dem Volke Gottes, Gott wohnen wird zu Zion von einer Ewigkeit zur andern. Davon singt auch der 132. Psalm: „Der Herr hat Zion erwählt und hat Lust daselbst zu wohnen; dies ist meine Ruhe ewiglich, hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl.“ St. Johannes aber in der Offenb. 21 hat im Geist zuvorgesehen den neuen Himmel und die neue Erde und das neue Jerusalem vor Gott aus dem Himmel herabfahren und hat eine große Stimme von dem Stuhl gehört, die da sprach: Siehe da eine Hütte Gottes bei den Menschen, und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein; und Er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Gott der Herr bringe uns Alle in Gnaden zu dem Berge Zion, zu der Stadt seiner Herrlichkeit, zu dem himmlischen Jerusalem, zu der Menge vieler tausend Engel und zu der Gemeine des Erstgebornen!

Wie herrlich ist die neue Welt,
Die Gott den Frommen vorbehält!
Kein Mensch kann sie erwerben.
Jesu, Herr der Herrlichkeit,
Du hast die Stätt' auch mir bereit't,
Hilf sie mir auch ererben.
Weise, preise, ihre Kräfte,
Ihr Geschäfte mir Elenden.
Lass mich auf den Anblick enden.


Halten wir zum Schluss noch eine kleine Nachlese auf dem Felde der Joelschen Weissagung und Lehre. In einer Zeit, wie die unsrige ist, wo Gottes Bild den Allermeisten fast verblichen ist, sollten die Propheten mit ihren mächtigen Zeugnissen von Gott dem Herrn mehr gepredigt werden, als geschieht. Der Gott, den Joel predigt, ist keine Nebelgestalt, wie der „liebe Gott“ der modernen Welt, sondern ein lebendiger Gott, der große Dinge tun kann (2,21), der Wunder tut (2,26), der die Sünde straft durch Plage und Gericht an Israel, wie an den Heiden, der aber auch gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte ist (3,13). Gottes Zorn und Gottes Barmherzigkeit wird gleich stark betont, gleichwie das auch von St. Petrus und Paulus geschieht, sein Zorn über die unbußfertigen Übeltäter, seine Barmherzigkeit über die bußfertigen Sünder.

Der lebendige Gott hat im Himmel seine Starken, seine Engel um sich, 3,16, durch die er die Gottlosen vertilgt. Dass Er Drei in eins ist, Gott Vater, Sohn und heiliger Geist, das in Klarheit zu offenbaren, war dem neuen Testamente vorbehalten; doch kennt Joel den Sohn als den Lehrer zur Gerechtigkeit (2,23) und den heiligen Geist als den Geist von Gott, der da ausgegossen wird über alles Fleisch (3,1). Die Samenkörner der Lehre von der heiligen Dreieinigkeit finden sich also auch schon auf dem Felde Joels.

Gottes Reich auf Erden ist das Land und Volk Israel. Das ist sein Land und Erbteil, um das er eifert (2,18). Der Berg Zion in Jerusalem, wo das Heiligtum des Tempels steht, ist der Mittelpunkt des Reiches Gottes auf Erden in der Gegenwart (1,9.14; 2,1.15) und in alle Zukunft (3,5.26). Die Kinder Israels, voran die Priester, die Diener des Herrn, und seines Altars (1,9.13; 2,17), stehen in solchem Verhältnis zu Gott dem Herrn, wie eine Braut zu ihrem Bräutigam (1,8), ihre Feinde sind auch Gottes Feinde, ihre Sache ist auch Gottes Sache. Die Sünde freilich zerreißt das Liebesband zwischen Gott und Israel, doch nur im Falle der Unbußfertigkeit, wo Gott mit Plagen und Gerichten das Volk straft (Kap. 1 und 2); wenn sich das Volk bekehrt, so reut Gott der Strafe, und er verschont dann nicht bloß sein geliebtes Volk, sondern er segnet es mit allerlei leiblichen und geistlichen Segen an irdischen und himmlischen Gütern (Kap. 2 und 3). Die Heiden dienen Gott wohl zu Geißeln, womit er sein unbußfertiges Volk züchtigt (Kap. 2), gerade so, wie ihm auch die Tiere dazu dienen (Kap. 1), aber wenn er sie ausgenutzt hat, geißelt er sie selbst und vernichtet sie als seine und seines Volkes Widersacher (Kap. 3). Von einer Verstockung des alten Israel nach dem Fleisch, von einem Einverleibtwerden der gläubigen Heiden in die Bürgerschaft Israels, von einer Vergeistlichung Zions und Jerusalems redet der Prophet nicht mit dürren Worten; wohl aber sind seine Weissagungen solcher Ergänzung durch die andern Propheten und das neue Testament nicht nur nicht entgegen, sondern fordern sie, man vergleiche namentlich den Pfingstabschnitt 3,1-5.

Der Prophet kämpft ebenso sehr gegen das Leben ohne Religion (vergl. 1,5), als gegen die Religion ohne Leben (2,12.13). Sein prophetisches Buch ist daher ebenso geeignet, in glaubenslosen Gemeinden zur Buße zu erwecken, als geschickt, scheingläubige Gemeinden zum Ernst und zum Aufgeben alles Heuchelwesens zu reizen. Joel hat Mahnungen für jedes Geschlecht, Lebensalter und Stand (vergl. namentlich Kap. 1), als auch die tröstlichsten Verheißungen für jedes Geschlecht, Alter und Stand (siehe Kap. 3, die ersten Verse). Joels Buch birgt eine Fülle erbaulicher Momente für Zeiten allgemeiner Landeskalamitäten (Kap. 1), aber auch für Zeiten, wo drohende Unheilsgewitter namentlich kriegerischer Art erst im Anzuge sind (Kap. 2,1-14) und auch für Zeiten gesegneter Ernten (2,21-27). Vor allem aber ist es das Pfingstbuch des alten Testamentes um seines Hauptabschnittes willen (3,1-5), und es kann daher Predigern und Gemeinden für pfingstliche Bibelstunden und den einzelnen Gläubigen für pfingstliche Haus- und Privatandachten nicht warm genug empfohlen werden.

Du aber, freundlicher Leser, der du an der Hand der voraufgegangenen Betrachtungen das Büchlein Joels durchgelesen und durchdacht hast, danke dem Herrn, dass sich an dir längst erfüllt hat, was Joel zuvor verheißen hat, dass Gott auch über dich ausgegossen hat den heiligen Geist reichlich. Lass dein Herz täglich mehr dieses werten Gastes Wohnung sein, bis du selbst durch desselben Gnade da ewig wohnst, wo Gott ewig wohnt, auf dem himmlischen Zion. Amen.

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