Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 18. Das Heimweh.

Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 18. Das Heimweh.

Dürfte ich auf der Wanderschaft, im fremden Lande so bald meiner lieben Heimath vergessen, da ich ward geboren, erzogen, genährt in der Liebe Schooß; da ich sah zum ersten Mal das schöne Himmels-Licht, und hörte schon in meiner Wiege die trauten, die frommen Lieder, und that die ersten Schritte auf diesem Erdboden, und hatte meine ersten Freuden, und meine ersten Schmerzen, und ihren Trost, und war ein Kind, und dachte, freute mich, und lief und hüpfte, und dankte wie ein Kind, und pflückte die ersten Blumen, dort, in des Vaters Garten, - sind mir doch seitdem keine Blumen mehr so schön erschienen, ja auch nicht in den Gärten der Fürsten, in der stolzen Residenz-Stadt. Hätte ich denn keinen Blick mehr nach dem trauten Heerd, da sie uns erzähleten in den Winter-Abenden die schönen Geschichten, und zeigeten uns die frommen Bilder in dem alten Bibelbuch? Sehnete sich keine Thräne mehr nach dem lieben Vaterhaus zurück, da die alten Herzen noch leben, und meiner nicht vergessen; da sie beten für ihr Kind und ihre Kinder Alle? Blickte keine Thräne mehr nach dem Grabe zurück, da unsere treuen Alten ruhen, und der Grabstein mir ruft: Kind! Wir sind da!

Siehe, ich habe auch von Heimweh gewußt, nicht bis zum Kranksein, nicht bis zum Sterben, wie's schon manchem Unglücklichen in der Fremde geworden; war mir aber nirgends heimlich wie dort, wo ich einst ein Kind war, und sah mir das neue Leben, wie der Frühling und seine Blüthen aus der Morgenröthe Schooß geboren werden; dies Heimweh war meiner Seele eher heilig und süß, es that mir nicht weh; kann dir aber nicht Alles sagen, warum ich so gerne wieder zurückschaute, ob ich schon mit Freuden vorwärts in die Fremde ging; vielleicht auch, weil ich in der irdischen Heimath die erste Kunde von der Heimath droben erhielt, und vernahm dort die ersten Worte vom theuern, werthen Glauben der Christen, vom himmlischen Vater droben, von Seiner großen Liebe und Treue, von den Wunder-Thaten Seiner Macht und Seines Erbarmens, von Jesus, dem großen Kinder-Freund; dort, an der lieben Stätte, da ich es Alles vernahm, und mir war, ich sähe Ihn, den Sünder- Freund, dort, ist mir, sei Er für mich geboren, dort habe Er gelebt, dort Sein Kreuz getragen, Sein bitteres Leiden gelitten, Er sei auch dort für mich am Kreuze gestorben; siehe, ich denke, darum auch ist mir wohl die alte Heimath so heilig und lieb. Ja, wüßte ich Einen in der Fremde, ein junges Herz, das sein Heimweh zu schwer tragen würde in ihm selbst, ich mochte zu ihm sprechen: Weine nur; und auch: Weine nicht; siehe, Der da war, als du geboren wardst, Der dich sah, ehe du geboren wurdest, Der von deinen Kindes- Jahren her dich begleitet hat auf allen Wegen, Der dich lieb hat, mehr denn dich Vater und Mutter lieb haben, dein Heiland und dein Gott ist ja bei dir, überall bei dir; der Hüter Israel, dein Hüter schläfet noch schlummert nicht; Er behütet dich vor allem Uebel; Er behütet deine Seele; der HErr behütet deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit. Ps. 121.

Wo mein Gott, da ist mein Vaterland. Gehet es dir auch also? Es gehört freilich da noch Etwas hinein, ich muß sagen können: Wo mein Gott, da mein Herz, und da mein Vaterland. Und dies ist es, was der armen Chasida wohl am Besten half ihr Heimweh tragen: den Glauben Israels, den lebendigen Glauben an den lebendigen Gott, hatte sie mit in ihrem jungen Herzen in das fremde Land gebracht, und war doch dieser Glaube, wie in unserer Christenheit, so auch in Israel, nicht überall zu finden; aber der HErr kennet die Seinigen.

Ach, Wem Er Seinen Kuß gegeben,
Und Frieden Gottes in sein Herz,
Der kann nicht ohne Ihn mehr leben,
Man sucht und find't Ihn allerwärts.
Man hat, und fühlt den Menschen-Freund
Wo mans bedarf, und um Ihn weint.

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