Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 4. Damascus und Ben-Hadad.
Wir waren in Damascus. Wie die stolze Hauptstadt Syriens damals, vor mehr denn 2700 Jahren aussah, kann ich dir nicht sagen; doch wohl anders als heute, mit ihren hundert hohen, schlanken Thürmen um die stattlichen Moscheen herum, mit ihren großen Chans, ihren zierlichen Bazars, den Bauten der Türken aus alter und neuerer Zeit, mit ihren reichen Fabriken, der kostbaren Silber- und Gold-Arbeiten, der schönen Zeuge von Baumwolle, Leinen und Seiden, in deren zierliche Farbenpracht die Stolzen und die Schönen Morgenlands sich kleiden. Hast nicht von jenen berühmten Stahlarbeitern gehöret, aus deren geschickten Händen die köstlichen Damascener-Klingen herkommen? Von den ältesten Zeiten her war diese schöne Kunst in Damascus bekannt, und zur Zeit unseres Naeman hatten die Syrer wohl schon zierliche Waffen; Uebermuth, Hader, Zorn haben früh schon die Klingen geschliffen, Rache und Noth frühe aus dem Eisen Stahl gemacht, und Wehr und Waffen erfunden. Darum hatte Damascus wohl auch schon zu Naemans Zeit hohe Mauern und Thürme, wenn sie sich auch nicht so weit ausdehnten, wie die heutigen Ringmauern und Thürme der alten Stadt thun. - Man sah damals in Damascus der Tempel viele für die vielen Götzen; der schönste und größeste war dem Rimmon, dem Haupt ihrer Götzen, gebaut; denn die Syrer sind in den Zeiten ihres höchsten Glanzes Heiden gewesen; sie kannten nicht den Gott Himmels und Erden, unseren Gott, den allein Wahren, den Lebendigen(Joh. 17,3. l. Thess. 1,9.), und heute noch, obschon sie keine Heiden mehr sind, kennen sie doch Ihn nicht; sie hörten von Ihm, sehen's aber Alles nur als durch ein trügendes, trübes Glas, denn sie sind eben Muhameds Schüler, des falschen Propheten, und die Muhamedaner erkennen Den nicht, den Gott gesandt hat, Jesus Christus, den Abglanz Seiner Herrlichkeit, das Ebenbild seines Wesens. Ebr. 1,3.
Nach jenen älteren Zeiten, vor und nach Christus, haben die Griechen zuerst, dann die Römer, ihre Macht in Syrien gehabt; unter ihnen hatte Damascus seinen schönsten Glanz; aber von allen jenen großartigen Bauten, jenen Palästen und Tempeln und Säulen und Bildsäulen, womit jene mächtigen Herrscher ihre Städte schmückten, siehet man heute kaum noch armselige Spuren, sintemal, wie geschrieben stehet: Das Wesen und die Gestalt dieser Welt vergehen; die Welt mit ihrer Lust vergehet; Wer aber den Willen Gottes thut, der bleibet in Ewigkeit, 1. Cor. 7,31. 1. Joh. 2,17.
So weiß und siehet man auch im heutigen Damascus von jenem stolzen Ben-Hadad gar nichts mehr. Du fragest, wer dieser Ben-Hadad gewesen? Es war eben der König der Syrer, an dessen Hofe unser Naeman war. Ein guter König ist eine große, köstliche Gabe Gottes; ist er kein guter, 0, dann wehe seinem Volk! - Vor Ben-Hadad zitterte das ganze Israel; denn er war ein Erzfeind des Volkes Gottes; dazu übermüthig, tyrannisch gesinnt, ohne Erbarmen, ohne Treu, ohne Reu. Seine Macht war groß, sein Stolz noch größer; er trotzte auf die Kraft seines Arms, auf die Stärke seiner Kriegs-Knechte, auf seine großen Vorräthe und seine reichen Schätze, und brachte seinen Götzen reichliche Opfer; er war aber dabei ein sehr armer Mann; weißt du warum?
Ein deutscher Kaiser sagte von den Regenten, die nicht auf Gerechtigkeit halten: „Die sind denen gleich, so die fallende Sucht haben.“ Ben-Hadad war sehr arm; und dennoch hatte der Gott, Dem er nicht opferte, Den er verachtete, und Dessen Volk er haßte und verwüstete, ihm ein reiches Geschenk gegeben; Ben-Hadad hatte einen Freund.