Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 2. Syrien.
V. 1. Naeman, der Feldhauptmann des Königs zu Syrien, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn, und hoch gehalten; denn durch ihn gab der Herr Heil in Syrien.
Unsere heilige Geschichte führet uns weit über das mittelländische Meer hinaus, nach Syrien in Asien, dieser Mutter-Erde der Völker.
Syrien war von Alters ein kleines Land, und ist es heute noch; vor vielen Jahren aber, vor Jahrtausenden war es ein berühmtes Land, heute nicht mehr; es hatte eine schöne Krone von reichen und stolzen Städten, und um die schönen Städte herum blühete das Land, wie ein weiter, schöner Garten, der mit seinem frischen, grünen Gurt die schönen Sitze der Menschen umzäunet. Heute ist das Land größtentheils zur Wüstenei geworden. Es haben einst gewaltige Könige in jenen stolzen Städten ihren Sitz gehabt, und von dort aus ihr mächtiges Scepter weit und breit über andere Länder und Reiche ausgestreckt, daß Viele seufzen mußten unter dem schweren Druck der Uebermüthigen und Ungerechten; nun seufzet ganz Syrien seit langen Zeiten unter dem harten Türken-Joch, und Mehemed Ali, der Tyrann Aegyptens, hat in den letzten Jahren das arme Land mit harter Brandschatzung, mit Schwert und Feuer, und anderen Plagen mehr heimgesucht. Mit strenger Zucht und fester Policei wollte der gewaltige Mann vom Nil aus ein neues Reich in diesen schönen Landen errichten, und dann von dort aus seine Macht ausbreiten, so weit das blutige Schwert seines Sohnes Ibrahim, den Gedanken des Vaters nach schalten und walten könnte. - Armer Mann! Siebenzig Jahre, ein graues Sorgen-Haar, und solche Thaten vor dem Gericht des Barmherzigen und Gerechten! Das ist aber von Anfang die Art gewisser großen Geister und der Gewaltigen gewesen, mit einem eisernen Scepter, auch mit glühendem Eisen die armen Menschenkinder es fühlen zu lassen, daß sie Macht haben und Leben, und daß die Erde sie trägt; die arme Erde! Sie hat sich freilich auch von jeher und immer wieder an ihrem großen Schöpfer und Gott schwer versündigt; darum hat Gott Seine Geißeln, womit Er strafet die Völker. Die das verstehen, tragen's in Geduld; sie beugen Herz und Leben unter einen Mächtigern noch, denn alle jene Machthaber sind, und fühlen's dann auch, wie wahr dieser Allmächtige sprach: Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. Matth. 11, 30.
Nun aber hat Mehemed Ali Alt- und Neu-Syrien verloren; seine starke Festung, St. Jean d'Akre ist gefallen, denn Gott hat gerichtet. Ich weiß eine andere Festung, auch wie Akre, nach Johannes dem Täufer genannt; auf deren Thoren und Mauern stehet die alte Inschrift: Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen. Joh. 3, 30. Diese Festung hat noch keine Kriegsmacht erobert.
In Alt-Syrien blühet noch von uralten Zeiten her am Fuße des hohen Annlibanon eine herrliche Gegend, weit und breit, viele deutsche Meilen im Umfang, natürliche und künstliche Gärten mit Obstbäumen der feinsten und edelsten Arten angefüllt, Wälder von Wallnüssen, Pistazien und Aprikosen; Granat- und Maulbeer- und Feigenbäume, auch Oelbäume die Menge; auch siehest du überall Melonen, Kürbisse, Gurken, alle edleren Gemüse und Garten-Gewächse des wärmern Abend- und Morgenlandes; dazu noch den theuern Weinstock, die weiße Baumwolle, Flachs und Hanf und allerlei Hülsen- Gewächse und Getraide-Arten, die's der geringen Mühe der Menschen- Hände überschwänglich lohnen; und überall begleitet dich in diesem Paradiese der Erden, der Duft der schönen Rosen und Blumen aus der unendlichen Fülle des feinen Bodens geboren; junge, fröhliche Wasser-Ströme, welche von des Antilibanons Höhen reichlich herabfließen, zeigen hier überall ihren frohen Silberglanz, und verbreiten nach allen Seiten hin Kühle, Freude und Leben; und siehe da, glänzend in ihrer Mitte, von den sieben Armen des Pharphar-Flusses in mannichfaltiger Pracht umfaßt und durchströmt, hat von Urzeiten her die große Stadt, heute noch groß und reich an Volk und Schätzen, das schöne Damaskus, üppig sich und herrlich gelagert; wahrlich, eine herrliche Stadt, ein schönes Vaterland!