Passavant, Theophil - Praktische Auslegung des Briefs Pauli an die Kolosser - § 4.
V. 3. Wir danken Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, allezeit, indem wir für euch beten.
Dies sind Worte aus dem heiligen Gemüte und Leben des Apostels geflossen, und die wir öfters in seinen Briefen an die Gemeinen lesen: das Danken und Preisen des Mannes, der da betete für sie alle (Röm. 1,8. f. 1. Kor. 1. Eph. 1,16. f. Phil. 1. usw.); denn er trug Sorge für sie alle (2. Kor. 11,28. f.); - auch sah er an Vielen und in Vielem sein Gebet erhört. Paulus war ein Beter, wie ein jeder Jünger Jesu, jeder Christ ein Beter sein wird, der da weiß, wo alles Heil für seine und Anderer Seelen, alle Kraft für die Schwachheit, aller Trost im Leben und im Sterben zu finden; - ein Beter, der jedem Anliegen, jedem Bedürfnis der Heiligen die Himmel aufgeschlossen sieht, und seines heiligsten Vorrechts vor unserem himmlischen Vater eingedenk ist.
Paulus war ein Hirt, Pastor der Gemeinen, er kannte sie, er besuchte sie, er weidete sie, er leitete, stärkte, tröstete sie mit Wort und Tat in ihrem jugendlichen Gange, in allen ihren Verlegenheiten, ihren Leiden und Gefahren von außen, von innen, mitten in der finstern und feindlichen Heidenwelt, welche auf allen Seiten die jungen Pflanzungen umgab. Ich werde täglich angelaufen, zu dem dass ich Sorge trage für alle Gemeinen. Wer ist schwach, und ich werde nicht schwach? Wer wird geärgert, und ich brenne nicht? (2. Kor. 11.) Wie er in späteren Tagen zu denen aus Ephesus sprach: Darum seid wacker, und denket daran, dass ich nicht abgelassen habe, drei Jahre Tag und Nacht einen Jeglichen mit Tränen zu vermahnen; und nun, liebe Brüder, befehle ich euch Gott, und dem Wort seiner Gnade. (Apg. 20.) - Hierin stand zuerst und zuletzt seine erste und höchste Hilfe; der Knecht Gottes wandte sich immer wieder und mit allen Anliegen zu dem, durch dessen Willen er ein Apostel Jesu Christi war, der, von großer, allgenügender Macht und von großem Erbarmen, allein helfen kann, allein geben, vergeben, bewahren, der überschwänglich tun kann über alles, das wir bitten oder verstehen, und kann erlösen von allem Übel, und aushelfen den Christen zu seinem himmlischen Reich. Eph. 3,20. 2. Tim. 4,18.
Paulus hat auch hoch und viel auf die Fürbitte gehalten; er ermahnte die Christen, dass sie für einander beten möchten und wachen eben dazu zu jeder Zeit mit allem Gebet, mit Anhalten und Flehen für alle Heiligen. Eph. 6,18. 1. Tim. 2,1. Jak. 5,14. 2. Kor. 9,14. - Er ermahnte sie, für ihn auch zu beten (Röm. 15,30.); er verlässt, er vertröstet sich darauf, wie wir es in diesem Brief 4,3. sehen. 2. Kor. 1,11. Eph. 6,19. Philipper 1,19. Philemon 22. 1. Thess. 5,25. Hebr. 13,18. Die schweren Amtslasten, Demut und Glaube trieben den heiligen Mann dazu, und eine tiefere Einsicht in die Wege seines Herrn.
Die Christen beten für die Kirche des Herrn; sie beten für die Völker und Heiden; sie beten für die Guten und für die Bösen; sie beten ja: Dein Reich komme! Christen sind Priester Gottes und Christi, so sie anders ihre Stellung in der Welt und vor den Himmeln verstehen. S. Offenb. 8,3. Off. 5,8. Off. 20,6. 1. Petr. 2,9. Ihr Herr und Meister, der hat ein unvergängliches Priestertum, kann ja selig machen ohne Ende, die durch Ihn zu Gott kommen, als der da immerdar bleibt und vertritt sie. Hebr. 7,24. f. 9,24. 1. Joh. 2,1. ff. Joh. 17.
Höhen und Tiefen der mannigfaltigen Weisheit und Gnade des Allmächtigen an der Gemeine der Heiligen und an jedem ihrer Glieder: Bittet, so wird euch gegeben, Matth. 7. u. a. ihre Macht und Kraft; der Armen und Ärmsten heilige, selige Zuflucht, überschwänglicher Trost der tief Bekümmerten und schwer Bedrängten; wer hat die unaussprechliche Gabe, den Reichtum des Herzens Gottes erkannt, wer dankt Ihm dafür im Heiligtum? - Wir danken Gott, dem Vater.
Es liegt überhaupt ein unaussprechlich wohltuendes, inniges Gefühl im Danken von Herzen für eine Wohltat, eine gute Hilfe, für eine Vergebung, für ein Labsal, einen Trost von geliebten und edlen Menschen empfangen; im Danken ist Friede, Freude, Seligkeit. Gott, dem himmlischen Vater, Dank sagen, wäre Ihm gegenüber, dem Vater aller guten, vollkommenen Gaben (Jak. 1, 17.), unsere natürliche Stellung, unsere erste Pflicht, des Herzens Schmuck und Ehre, des Lebens Seligkeit, der Anfang der Seligkeiten in den Ewigkeiten vor dem Thron; denn Danken wird die Seligkeit der Ewigkeiten sein. Der Anfang, die ersten Stufen dazu, müssen hier schon auf dem Söller getan und gelegt werden, sonst können wir keine Stimme noch Stellung, kein Leben droben haben in den heiligen Chören.
Es dankten die Heiligen des alten Bundes, die Männer Gottes, die Psalmisten, am allerseligsten jener Mann nach Gottes Herzen; hierin lebte sein Herz auf; es jauchzte sein innerstes Leben dem lebendigen Gott: Herzlich lieb habe ich Dich, Herr, meine Stärke, Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort, auf den ich traue. Ps. 18. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was Er dir Gutes getan.