Passavant, Theophil - Jakobs Kampf - 5. Gedenke Sein!
Wo sind wir? bei Mahanaim. Jakob hat zwanzig Jahre bei seiner Mutter Bruder, Laban, gedienet; viel Arbeit und Mühe, - doch nicht ohne List überstanden, noch ohne Selbsthilfe vollbracht. Er hat den Klugen überflügelt, und den Betrüger getäuscht; und doch ist Gott mit ihm gewesen, und hat ihm Segen gegeben, weil Jakob dennoch auf seinen Gott sah, und nach seiner Erkenntniß Ihm dienen wollte, redlich und mit Freuden; - aber auch nicht sowohl um der Frömmigkeit und Treue seines Knechts, denn um Seines Namens willen, und weil Er es ihm verheissen hatte in Gnaden,
Jakob kehret nach dem Lande seiner Väter zurück, mit seinen zwei Weibern, Labans Töchtern, seinen eilf Kindern, den Mägden, und einer großen Schaar Knechte, Hüter über schöne, zahlreiche Heerden, groß und kleines Vieh, der Segen des Herrn. Aber je näher der Erzvater mit all diesem Reichthum an die Grenzen des gelobten Landes kommt, um so mehr wird ihm vor seinem Bruder Esau bange, und alle trauten Erinnerungen aus der schönen Jugendzeit, alle Lieblichkeiten und Freuden im Lande der Väter erblassen vor der Angst, die sein Herz durchdringt. Da thut der Herr dem bebenden Manne die Augen auf, und er sieht, wohl in einer gewissen Entfernung, Gottes Engel in zwei lichten glänzenden Haufen um ihn her stehen; - wie der Enkel Jakobs, so viele Jahrhunderte nach ihm, im Öl. Psalme gesungen: Er wird seinen Engeln befehlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen. Sie werden dich auf den Händen tragen, daß du deinen Fuß nicht an einen Stein stößest. -
Und da wir nun im Lande der Wunder, d. i. des Glaubens, stehen, muß ich hier auch jenes späteren Enkels Jakobs gedenken, Elisa, des Propheten, wie er einmal in seiner Stadt Dothan vom feindlichen Heere der Syrer umringt, so getrost harrete seines Herrn. Ach, wehe, mein Herr, rief sein junger Knecht, wie sollen wir nun thun? Elisa erwiederte: Fürchte dich nicht; denn derer ist mehr, die bei uns sind, als derer, die bei ihnen sind. Und Elisa betete und sprach: Herr, öffne ihm die Augen, daß er sehe. Da öffnete der Herr dem Knaben die Augen, daß er sah: und siehe, es war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her. -
Du schauest mich an? Ich schaue gen Himmel, und freue mich meines Gottes, dessen große Macht und Herrlichkeit nicht auf unsere kleine Erdenwelt beschränkt ist, noch mit unserem bischen Glauben stehet oder fällt, und der so oft that und thut, als wären alle seine Himmel und ihre zahllosen Schaaren nur um unsertwillen da. Er saget uns freilich nicht Alles, was Er thut, und Er offenbaret sein Geheimniß nicht einem Jeden, der Klugheit hat und Verstand; - und ist auch in unserer so klugen und immer klügeren Welt, mehr denn nur Einer, der nicht nur nie einen Engel, sondern nie eine That, ein Werk, noch ein Zeichen, eine Spur dieses Gottes gesehen; und ist's doch nur in Ihm, daß er lebet, und webet, und ist; und ist seines Geschlechts. Apostg. 17.
V. 3. Und da er sie sah, sprach er: Es sind Gottes Heere. Und hieß die Stätte Mahanain, d. i. zwei Heere.
Das war eine heilige, traute Sitte der Erzväter, je nach den Erscheinungen, oder den Offenbarungen des Herrn, nach seinen heiligen Zeichen und Spuren im heiligen Lande, diese und jene Stätte zu heißen; ich hätte auch auf diese Weise so manche Stätte auf meiner Pilgerschaft hienieden, je nach meines Gottes Macht, seinem Ernst, oder seiner Treue bezeichnen können; habe aber leider, und aus eigener Schuld, diese alte Art der Erdbeschreibung nur spät verstehen gelernet; die wird aber bleiben, wenn auch die Gestalt dieser Welt sammt ihren Namen noch so manchen Wechsel erfähret; ja und wenn unsere heutige Erdenwelt lange schon sich in ihre Trümmer verloren, jene theuern Gedenknamen und Stätten werden droben eingeschrieben stehen, und in jenem Gedächtnisse der Kinder Gottes, das droben erst in aller Kraft und Klarheit ganz erwachen wird; und von allen Führungen und Wundern, allen Worten und Gnaden des Herrn, soll auch nicht Ein Strichlein vergessen werden.