Passavant, Theophil - Jakob's Kampf - 23. Höret doch zu!

Passavant, Theophil - Jakob's Kampf - 23. Höret doch zu!

Ich möchte es allen Leidenden, allen schwer Geprüften zurufen. Lasset nicht von Ihm, Er segne euch denn! - denn gewiß, Er hat einen Segen für euch bereitet; lasset Ihn nicht, haltet an, ergreifet Ihn, ringet mit Ihm, ringet im Glauben, im Gehorsam, in Geduld; ringet, als die da hungert und dürstet nach Ihm, als die nichts haben, nichts wissen, nichts wollen, ohne Ihn; ringet, als die Armen, die nichts haben, nichts denn ihre Armuth, ihre Schwachheit und ihre Blöße, aber die Ihn ergreifen, die da wollen in Ihm erfunden werden, in Ihm, mit all dieser Armuth, dieser Ohnmacht, in Ihm ihr Leben, ihr Sterben und ihre Thränen. - O, sobald wir von Ihm lassen, Ihn lassen, sind wir ganz und gar verlassen; die Welt gibt uns nichts, die Freunde vermögen nichts, die Besten und Liebendsten werden uns nur leidige Tröster; überall der Creatur Eitelkeit, Leerheit und Ohnmacht: überall die Wüste wieder, überall nur unsere Leiden in ihrer ganzen Macht und Ohnmacht zum Tode; überall die Anfechtung, düster und öde, kein Friede und kein Licht; da weinet das Herz wieder; der Geist wird bitter; die Wunden bluten; das Fleisch jammert und zürnet; der Verdruß, der Ueberdruß erschweren uns noch das Schwere, das Unerträgliche der Anfechtungen, von ihrer heiligen Macht, ihrer göttlichen Traurigkeit, entblößt; der Zweifel flattert schwarz und stolz um uns her, und die Verzweiflung findet alle Thüren offen; wir haben die lebendige Quelle verlassen (Jer. 2,13.). O wie sind dann die Tage so düster, die langen Nächte so finster, so lang! Wie lachet der Feind! Ein Wort hätte ihn und alle seine Freude zu Schanden gemacht: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

Aber warum diese Kämpfe, warum diese Anfechtungen, diese Leiden, oft so wiederholt, so schwer, so tief? Warum diese Hand, die uns so gewaltig ergreifet? Warum muß ein armer Mensch, das schwache Gemächte, ringen mit dem allmächtigen Gott? - Mein Freund, ich kann einem Leidenden nicht auf Alles antworten, so weit reichet mein Wissen nicht; nur so viel weiß ich, daß uns so manches Warum? nicht immer gebühret, und daß der Töpfer das Recht hat, mit dem Thon und dem Topfe zu machen, was Er will (Jer. 18. Röm. 9, 20. f.). Wir werden IHN, den Heiligen und Gerechten, wohl nicht zur Rede stellen; wohl aber dürfen wir Ihn in solchen schweren Stunden, am Jabok, am Jordan, fragen: Was hast Du gegen mich? Was hast Du mir zu sagen? - Ach, die Stunde hat dir bald geantwortet, und der Kampf ist schon Wink und Laut, ein Wort, ein mächtig Wort an Herz und Gewissen, so nur das Ohr offen ist. - Vielleicht will Er dich auf einen verborgenen Schaden aufmerksam machen; dich aus einer falschen Sicherheit und Ruhe aufwecken; dich herausschrecken aus einem Todesschlaf. Vielleicht will Er manch unheiliges Band heilig zerreißen, und dich von vielen schweren, hemmenden Ketten mit Einem Schlag erlösen. Vielleicht will mein Herr und mein Gott prüfen, was mein Glaube sei, was mein Gehorsam, meine Treue, meine Liebe, mein Dank? Es ruft eine Stimme in der Nacht, daß wir uns selber prüfen und erkennen: auf welchem Boden wir stehen, mit welchen Waffen wir angethan sind, welch ein Muth in uns lebet, ob wir jederzeit mit Wachen und Beten zum heiligen Kriege gerüstet sind? - Will Er, dieser ernste, treue Gott, uns vor einer schweren Versuchung, vor einem Fall bewahren, und uns endlose Schmerzen ersparen? Will Er irgend etwas Großes in uns, ja, sein großes, seliges Gnadenwerk in uns ausführen, uns mit einem großen, mächtigen Schritte dem seligen Ziele näher zuführen, daß das Alte vergehe und Alles neu werde, und, Sieger in seiner Kraft geworden, wir Andern wieder zum Siege helfen, und stärken die Brüder? Weigerst du dich, heute noch mit zuckend-blutendem Herzen, morgen mit Erlösungs-Jubel Ihm zu danken. Ihn zu preisen?

Ist doch gar ein schöner Spruch, und den ich gar spät, und doch, Gottlob! nicht zu spät, gelernet: Hebet eure Augen in die Höhe, und sehet: Wer hat solche Dinge geschaffen, und führet ihr Heer bei der Zahl heraus? Er rufet sie Alle mit Namen; sein Vermögen und seine starke Kraft ist so groß, daß nicht an Einem fehlet. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagest: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht gehet vor meinem Gott über? Weißt du nicht? Hast du nicht gehöret? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt; sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt den Müden Kraft, und Stärke genug den Unvermögenden. Die Knaben werden müde und matt, und die Jünglinge fallen. Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln, wie Adler; daß sie laufen, und nicht matt werden; daß sie wandeln, und nicht müde werden. Jes. 40.

Dieser Gott darf wohl es wunderlich oder wunderbar mit uns, blöden, blinden Menschen, thun; Er darf wohl begehren, daß wir uns auf seine Weisheit und Treue verlassen; Er darf wohl erwarten, daß wir Ihm Manches, Vieles, Alles, überlassen, und Ihn machen lassen; daß wir uns ganz in seine Arme werfen, und in diesem Kampfe mit Ihn, Herzen, Heil und Leben dran wagen, und glauben auf Hoffnung, wo nichts zu hoffen wäre (Röm. 4,18): Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. - Und, wunderbar! und doch so natürlich: - je mehr man kämpfet in solcher Glaubens-Hingebung, je weniger wird man ermüden; je mehr man sich an den Unbekannten und Bekannten anschließt, Ihn ergreifet, sich an Ihn anklammert, sich in Ihm einschließet und in Ihm verlieret, um so inniger fühlet man sich erquickt und gestärkt; um so mächtiger lebet man wieder auf; es ist ein Heil, eine Genesung in diesen Armen;, es ist eine Kraft in der Schwachheit, in der Ohnmacht eine Macht, im Erliegen ein Sieg, im Sterben das Leben. Es durchdringet Leib und Seele und Geist ein Licht, das man nie gesehen, ein Trost, den man nie empfunden, eine Freude, eine Hoffnung, eine Zuversicht, die man nie früher gespüret hatte; man staunet, man fühlet sich, mitten im heißen Tiegel, stärker denn die Leiden, größer denn die Anfechtung, die Angst und die Schrecken; im Staube, mitten in den Windeln der Krankheit, in den Banden, dem Winseln und Schmachten der armen, zerdrückten Natur und Creatur, wird man hoch über all diesen Jammer, über die Erde, die Welt, das Leben und den Tod, empor getragen; man wird freier denn die Freien, und größer denn die Großen, und reicher denn die Alles haben; man fühlet die Kräfte der zukünftigen Welt (Hebr. 6,5.); und noch im Leibe dieses Todes wird man erwecket und versetzt in's himmlische Wesen (Röm. 7, 24. Eph. 2,6.). - Und wenn sie noch so sehr der Leiden Druck und Pfeile empfinden, es heißt und gilt doch den müden Kämpfern: Ihr habt Gott gewonnen, habt Ihn entwaffnet und besiegt. Er hat durch euern Glauben in euch gesieget. - Arme, blutarme Leute, Leute der Schmerzen, der Thränen, des Todes, ihr hattet nichts mehr, ihr waret nichts mehr; nur Ihn sahet ihr noch, zu Ihm ging euer ganzes Seufzen, euer ganzes Verlangen; - und Der euch ergriffen hatte, ließ sich von euch ergreifen; Er ließ sich erbitten, ließ sich von euch entwaffnen und fest halten; Er hatte gegen eure Schwachheit keine Kraft, gegen eure Hingebung keine Macht, gegen euer Verlangen kein Nein und keine Waffen, kein Herz gegen eure Herzen; - Er hat in euch gesiegt, und sein Sieg ist euer Sieg geworden; der Glaube, aus Ihm geboren, ist der Sieg, der die Welt überwunden hat (l. Joh. 5, 4.); - ja, nicht die Welt allein, er hat Gott überwunden.

Mein Gott, welch ein Werk hast Du im Verborgenen gethan? Hast Eines Deiner Kinder von seinem Bann befreit? Eine Seele vom Verderben erlöset? Eine Perle noch lauterer und schöner gemacht? Ein gebeugtes Haupt bereitet für die Kronen jenseits? - Nacht der Leiden und ihre Stille! hier ist Gottes Heiligthum; - wir knien vor Ihm nieder.

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