Olevian, Caspar - Von der Vorsehung Gottes
Verfasse mir die ganze Lehre von der Vorsehung Gottes in gewisse Hauptstücke
Die ganze Lehre von der Vorsehung Gottes besteht in fünf Hauptstücken.
Denn erstlich soll ein Gläubiger auf's allergewisseste bei sich überzeugt seyn, daß alle Dinge durch Gottes Verordnung und nicht ohngefähr, oder durch Glück und Unglück sich zutragen und geschehen, und soll deßhalb die Augen seines Gemüths in allen Dingen stracks auf Gott richten, mit dem er einen Bund hat, als auf den ersten Ursprung und Ursach aller Dinge. Dies bezeuget die heilige Schrift. Joseph spricht (1.Mos. 45,8): „Ihr seyd's nicht, die ihr mich verkauft habt in Aegyptenland, sondern durch den Willen Gottes bin ich vor euch hergesandt, daß ich euch das Leben bewahrete.“ Also bleibt auch Hiob mit seinen Gedanken nicht hängen an den Chaldäern, durch die ihm sein Gut geraubt war, sondern er spricht (Hiob 1,21): „Gott hat's gegeben, Gott hat's wiedergenommen, der Name des Herrn sey gebenedeiet.“ Ebenso 2. Mos. 21,13: „Der dem andern nicht hat nachgestellt, sondern Gott hat den in seine Hände gegeben.“ In den Sprüchen Salomonis 16,3: „Das Loos wird in den Schoos geworfen, aber alles Urtheil desselbigen kommt vom Herrn.“ Mat. 10,29.30: „Werden nicht zween Sperlinge um einen Pfennig verkauft, und nicht einer aus ihnen fällt auf die Erde, ohne euren Vater? Ja, auch alle eure Haare auf eurem Haupte sind gezählt. Derhalben fürchtet euch nicht, denn ihr seyd besser denn viele Sperlinge.“ Jak. 4,13-16: „Wohlan, die ihr nun sagt: Heute oder morgen wollen wir gehen in die oder die Stadt, und wollen ein Jahr da liegen und handthieren und gewinnen, die ihr nicht wisset, was morgen sein wird. Denn was ist euer Leben? Ein Dampf ist's, der eine kleine Zeit währet, darnach aber verschwindet er. Dafür ihr sagen solltet: So der Herr will, oder so wir leben, wollen wir das oder das thun. Nun aber rühmet ihr euch in eurem Hochmuth. Aller solcher Ruhm ist böse.“
Ist denn Gott eine Ursache der Sünden?
Das sei ferne. Denn Gott regiert dermaßen alle Dinge durch seine Vorsehung, daß er doch rein und frei bleibt von allen Sünden. Das Ende und Ziel, das ein Jeder vorhat, macht einen Unterschied, ob die Handlung gut oder böse sei. Gott hat in allen seinen Werken ein solches Ende und Ziel, welches mit seiner ewigen und unwandelbaren Gerechtigkeit übereinstimmt. Die Menschen aber, dieweil sie in ihrem Thun und Lassen von dem Willen Gottes und Gehorsam gegen ihn, den er in seinem Wort von uns fordert, abtreten und abweichen, sündigen sie. Die Brüder Joseph's sahen auf ein ander Ende und Ziel denn Gott. „Ihr habt Böses wider mich gedacht,“ spricht Joseph (1. Mos. 50,20), „Gott aber hat es gedacht zum Guten, daß er thäte nach diesem Tag, daß er viel Volks beim Leben erhalte.“ Da der Hiob geplaget ward, hatte der böse Feind dies Ziel, daß er Gott den Herrn schmähete und den Hiob zur Verzweiflung brächte. Die Chaldäer hatten die Ziel, daß sie aus dem Raub reich würden. Gott aber wirket also in dieser ganzen Handlung, daß er den Glauben und die Geduld seines Dieners Hiob bewähret, sein Herrlichkeit offenbaret, und endlich mit des Satans Hohn und Schmach den Hiob errettet. Also erkennt auch David, daß Gott durch den Simei seiner Gerechtigkeit gemäß handelt, da er spricht (2. Sam. 16,11): „Lasset ihn, Gott hat ihm geboten, daß er mir fluche.“ So doch in derselben That David das Urtheil fället, daß Simei schwerlich gesündigt habe (1. Kön. 2,8), auch der Simei dasselbe bekennt (2. Sam. 19,19). Die Ursache ist, daß Gott ein böses Instrument und Werkzeug wohl zu gebrauchen gewußt hat, den David zu demüthigen, damit David Gott die Ehre gebe, daß er gerecht und barmherzig sei. Der Simei aber sah in seiner That weit auf ein ander Ziel, welches dem Willen und dem Gesetz Gottes zuwider war. Derwegen auch, dieweil der Mangel und die Sünde am Simei, als dem Werkzeug, erfunden wurde, ward er endlich durch eine wunderbare Vorsehung und Urtheil Gottes zur Strafe gezogen (1. Kön. 2, 36.44). Aus diesem ist leicht zu verstehen, daß alle Dinge durch die Vorsehung Gottes geschehen, und daß er doch rein bleibt von allen Sünden, welche dem Teufel und der verkehrten Art des Menschen zugehörig sind.
Erkläre uns noch weiter mit etlichen hellen, klaren Zeugnissen aus dem neuen Testament, daß Gott also wirke, daß er doch rein bleibt von allen Sünden.
Das Leiden Christi ist dessen ein schöner, vortrefflicher Beweis. Denn an der einigen That, daß Christus gekreuzigt und getödtet wird, helfen und wirken zugleich die Pharisäer, Judas, Pilatus etc. und auch Gott selbst, der nicht allein zuläßt und zusieht, was in der ganzen Handlung geschieht, sondern selbst gegenwärtig wirket und strafet seinen Sohn, wie Gott durch den Propheten Jesaias gesprochen hat (Jes. 53, 6.10): „Der Herr hat aller unser Sünde auf ihn geworfen. Der Herr hat ihn wollen zerstoßen und mit Krankheit zerschlagen.“ Ebenso A-G 4,27.28: „Wahrlich ja, sie haben sich versammelt wider dein heiliges Kind Jesum, welchen du gesalbet hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und Völkern Israels, zu thun Alles, das deine Hand und dein Rath zuvor bedacht hat, das geschehen sollte.“ Unter diesen hat ein Jeder sein Ziel: Gott hat dies Ziel in dem Leiden seines Sohnes, daß er unser Sünden an seinem Sohn strafe, auf daß das menschliche Geschlecht nicht ewig gestraft und verdammt werde. Judas hat ein ander Ziel, daß er mit seinem Verrath dreißig Silberlinge zuwege brächte und also seinem Geiz dienete. Die Pharisäer sammt dem Hohepriester Caiphas hatten dies Ziel, daß sie ihre hergebrachte Ehre und Prälatur, welche, als Gleißnerei, durch Christi Lehre sehr geschwächt worden (Mat. 23,13) vor den Menschen erhalten möchten. Denn sie liebten mehr der Menschen Ehre (Mat. 12,43), denn die Ehre Gottes. Auch damit die Römer nicht kämen (Joh. 11,48-50), und das jüdische Volk gefangen hinwegführten, und deßwegen besser sein sollte, daß Einer stürbe für das Volk. Zu welchem Rathschlag der Hohepriester desselben Jahres, wiewohl er viel anders gedacht, weissagete er doch von dem Ende und Ziel,das sich Gott vorgenommen hatte, durch sie auszurichten. Pilatus hat dies Ziel, daß er nicht in des römischen Kaisers Ungnade käme (Joh. 19,12), welches ihm die Pharisäer droheten. Wer wollte nun sagen, daß Gott gesündigt habe, indem er seinen Sohn in den Tod gibt, und unsere Sünden mit seinem kräftigen gegenwärtigen Zorn an der Seele und an dem Leib seines eingeborenen Sohnes zum Aeußersten und mit höchster Marter straft, welcher sich willig zum Bürgen, Mittler und Versöhner für das menschliche Geschlecht dargestellt hat? Wer wollte auch sagen, daß Judas, Caiphas, die Pharisäer und Pilatus nicht sollten gesündigt haben, indem sie Christo ermordet, von dem sie doch wußten, daß er nichts Todeswürdiges begangen hatte? denn sie haben in der Handlung nicht das Ziel Gottes vor Augen gehabt, sondern haben andere Ziele und Zwecke gehabt, die Gott nicht gehabt hat, die dem Willen Gottes, den er ihnen in seinem Wort hat offenbaret, zuwider waren.
Welches ist das andere Hauptstück der Lehre von der Vorsehung Gottes?
Wir sollen glauben, daß der himmlische Vater so vollkommen und in allewege durch Christum mit uns versöhnt, und unser Vater geworden sei, daß es unmöglich ist, daß uns etwas widerfahren sollte, daß er uns nicht zuschickte und zu unserm Besten wendete. Dieß, sage ich, müssen wir glauben, es sei denn, daß wir Gotteslästerer sein wollten wider das Leiden Christi, als sollte er uns nicht vollkommen mit seinem Leiden den Vater versöhnt haben.
Deshalb sollst du nicht allein für gewiß halten, daß alle Dinge durch Gottes Vorsehung geschehen, sondern auch, daß die Vorsehung Gottes sich auch bis zu dir herabsenkt und eben für dich Sorge trägt, dich zu bewahren. Damit du aber solches Vertrauen bekommen mögest und nicht allezeit kleingläubig bleibest, welches Christus straft, da er sagt (Mat. 6,30): „O ihr Kleingläubigen;“ so thue nach der Lehre Christi also:
Erstlich, schaue an die Verheißungen Gottes, die uns in den geringsten Creaturen als abgemalt und abgebildet vor die Augen gestellt werden, als die Vögel, die er erhält, die Lilien auf dem Felde, die er bekleidet, und gedenke an die Verheißung Christi, daß so der Vater die Vögel also versorgt, und das Gras, das doch morgen in den Ofen geworfen wird, also bekleidet, wie viel mehr wird er euch speisen, o ihr Kleingläubigen, spricht Christus (Mat. 6,28-30). Dieweil wir aber von dem Recht der Schöpfung abgetreten sind und deßhalb etwa zweifeln möchten, so thut Christus an derselben Stelle Meldung unsers himmlischen Vaters und sagt, das Mißtrauen und viel Fragen: „Was werden wir essen, womit werden wir uns kleiden,“ gehöre den Heiden und deßhalb nicht denen, die da glauben, daß Gott durch Christum ihr himmlischer Vater sey.
Deshalb stelle ich dir zweitens vor die Augen das Pfand aller Verheißungen, also: Der himmlische Vater hat seinen Sohn, durch welchen die Lilien, Vöglein, Feinde und Alles im Himmel und auf Erden erschaffen ist und durch das Wort seiner Gewalt noch erhalten wird (Heb. 1,3), ja auch, der zum Erben über Alles gesetzt ist; diesen Sohn, sage ich, als das Pfand seiner Liebe, hat der Vater für dich in den Tod gegeben, und hat dich umsonst, aus Gnaden, zum Miterben seines Sohnes verordnet. Wie ist es denn möglich, daß eine Creatur dir schaden könne, die sich doch ohne die gegenwärtige Wirkung des Sohnes, der dein Pfand ist, nicht regen und bewegen kann? Ja, wie sollte es auch möglich sein, daß nicht alle und jede Creatur um des Sohnes willen und durch den Sohn, in dem sie bestehen und von dem sie regiert werden, dessen Miterbe du auch bist, dir sollten müssen dienen und mitwirken zum Guten, ja auch alsdann, wenn es sich ansehen läßt, daß sie am meisten deinem Fleisch zuwider seyen. Also schauet Paulus dies Pfand an (Röm. 8,31.32): „Was wollen wir denn weiter sagen? Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Welcher auch seines eignen Sohnes nicht verschonet hat, sondern hat ihn für uns Alle dahingegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken?“
Drittens: Wenn nun dieß Fundament gelegt ist, nämlich, wenn du dieß Pfand, daß Christus für dich gestorben und wieder auferstanden, der alle und jede Dinge regieret zu der Rechten des Vaters, durch den Glauben besitzest, in welchem alle Verheißung sind Ja und Amen (2. Kor. 1,20), so lese auch zusammen mehr Verheißungen Gottes. Es stehen aber gar schöne im Psalm 91,1: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzes und unter dem Schirm des Allmächtigen bleibet“ etc. (Lies den ganzen Psalm). Ebenso Jes. 49,14 bis 16: Zion spricht: der Herr hat mich verlassen, der Herr hat mein vergessen. Kann auch eine Mutter ihres Kindes vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselbigen vergesse, so will ich doch dein nicht vergessen. Siehe in die Hand habe ich dich gezeichnet etc. Ebenso Zach. 2,8: „Wer euch antastet, der tastet des Herrn Augapfel an.“ Ebenso Ps. 22,5 und Ps. 55,23: „Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen und wird den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen.“ Ebenso 1. Pet. 5,7: „Alle eure Sorgen werfet auf den Herrn, denn er sorget für euch.“ Ebenso Röm. 8,28: „Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ Deßhalb sollst du dessen bei dir gewiß entschlossen seyn, daß die Vorsehung Gottes sich auch bis zu dir erstreckt, und für dich sorge, dich zu behüten und zu erhalten, dieweil er sich dir, wiewohl Unwürdigen, dessen versprochen hat, nicht mit einer, sondern mit vielen Verheißungen, das er dir umsonst anbietet, nämlich Christum, mit wahrem Vertrauen annehmest und dich ihm ergebest.
Viertens stelle dir vor die Augen die Erfahrung selbst, wie David zum öftern Mal thut,da er saget (Ps. 54,3; 80,12; 108,5): „Wenn ich die Wohlthaten des Herrn nacheinander erzählen will, so ist mir die Zahl viel zu groß“ etc. Also denke du auch: Ich bin nun so alt, hat mich auch Gott je einen Tag verlassen, daß ich mit Wahrheit könnte sagen: Diesen Tag hat mir Gott keine Wohlthat erwiesen, es sey mit einem Stück Brodes, oder einem Apfel oder Trunk Wassers etc. Gewiß, wenn wir nicht undankbarer sein wollen, als der reiche Mann in der Hölle, der ein Tröpflein Wasser für eine große Wohlthat erkennt, so müssen wir bekennen, daß er uns nie einen Tag verlassen habe. Hat er denn so viele Jahre her das Beste bei uns gethan, was wollen wir uns denn zeihen, daß wir ihm das Uebrige unsers Lebens, das in ihm bestehet, nicht wollten vertrauen? Ja alle und jede Wohlthat Gottes, die er uns von Mutterleib bis auf diese Stunde erwiesen hat, sollen uns so viele Zeugnisse seyn, daß er auch hinfort unser Gott und Vater seyn will, so wir ihm vertrauen.
Fünftens fasse in dein Herz das letzte Valete und Abschiedswort deines Heilandes und Hauptes Jesu Christi, und sollst wissen, daß es noch heutigen Tages kräftig sey;und deßwegen soll es dir all' die Tage deines Lebens in der Mühe und Arbeit deines Berufes, und nicht allein in glückseligen, sondern auch in allen widerwärtigen Dingen wohl gegenwärtig sein. „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt zu,“ spricht der Herr Christus (Mat. 28,20)
Sage nun her das dritte Hauptstück der Lehre von der Vorsehung Gottes.
Außerhalb siehst du zum Theil Menschen, zum Theil andere Creaturen, und dieweil du mit beiden zu schaffen hast, sollst du nicht zweifeln, daß die Vorsehung Gottes über sie Beide herrsche. Denn erstlich hat der Allerhöchste aller Menschen (sie seien gut oder böse) Anschläge, Willen, Macht und alle Kraft in seiner Hand, also, daß er entweder ihre Gemüther dir versöhnen oder auch ihren Muthwillen zurückhalten und bezwingen kann. Des Vorigen Exempel haben wir 1. Mos. 33, da Esau seinem Bruder entgegenlief und herzete ihn, und fiel ihm um den Hals und küssete ihn, so doch Esau seinem Bruder zuvor Feind gewesen war. Jakob aber rief Gott an, daß er dem Esau das Herz biegen und mildern wolle, und Gott that es, änderte dem Esau sein innerliche Gedanken und Anschläge wider den Jakob, und bewegte ihn dazu, daß er ihm mußte Freundschaft beweisen ohne seinen Dank. Also sollen wir Gott auch anrufen, in welches Hand aller unserer Feinde Gedanken und Rathschläge stehen. Deßgleichen 2. Mos. 3,21: „Ich will diesem Volk Gnade geben vor den Aegyptern, spricht der Herr, und es soll geschehen, daß, wenn ihr hinwegziehen werdet, ihr nicht werdet ledig hinwegziehen.“ Des andern haben wir Exempel 1. Mos. 35,5: „Da sie verreiseten“ (nämlich Jakob und sein Gesinde), „kam die Furcht des Herrn über dieselbigen Städte, die um sie her lagen, daß sie den Kindern Jakobs nicht nachjagten.“ Die andern Creaturen belangend, herrschet die Vorsehung Gottes auch dermaßen über sie, daß Alles, was den Gläubigen von ihnen widerfahren kann, Gott der Herr selbst regieret und den Seinen zum Besten wendet, Röm. 8,28.
Sage nun das vierte Hauptstück der Lehre von der Vorsehung Gottes.
Es sind noch übrig Creaturen, die wir nicht sehen, nämlich die Engel und die Teufel. Von beiden soll der Gläubige festhalten, erstens, daß Gott der Herr die Engel, welche vortreffliche Geister sind, zu seiner Gläubigen oder Bundesgenossen Dienst und Schutz gebrauche, wie er verheißen hat (Ps. 34,8; 91,11; 1. Mos. 24,7.40).
Zweitens aber, wiewohl er die Teufel, die sich wider der Auserwählten Seligkeit leben, nicht wie die Engel mit seinem Geist regieret, so braucht er sie doch mit seiner Gewalt und Weisheit also, daß sie sich auch nicht bewegen können, denn sofern es ihm gefällt, ja daß sie auch, eben indem sie seinem Willen widerstehen, denselben müssen ausrichten.
Sage her das fünfte Hauptstück der Lehre von der Vorsehung Gottes.
Die Mittel, die Gott gibt, sollen wir gebrauchen, nicht wegen einigem Mißtrauen an Gott, oder einigem Vertrauen auf die Creaturen, sondern wegen des Gehorsams, so aus dem Glauben herkommt, auf daß wir Gott nicht versuchen, so wir die Mittel, die doch Werkzeuge sind seiner göttlichen Vorsehung, wider seinen Befehl wollten verachten und ihm vorschreiben eine andere Weise uns zu helfen, denn damit er uns helfen will; wie er uns denn seinen Willen erklärt, indem er uns die Mittel anbietet, die mit seinem Wort übereinkommen (Mat. 4,7).
Sage nun her, was haben wir in einer Summe für Frucht und Nutzen aus dieser Lehre von der Vorsehung Gottes?
Dieweil Gott Alles in Allem wirkt, so folgt, daß welcher von Herzen glaubt, daß Gott, der das Alles thut, mit ihm in Ewigkeit versöhnt und sein Vater sey, der muß es auch gänzlich dafür halten, daß Alles, was ihm in gemein oder auch insonderheit zur Hand steht, es sey mit ihm daran, oder laß sich ansehen, daß es wider ihn sey, Wohlthaten und zwar Wohlthaten Gottes sind (Phil. 1,28.29). Derwegen, welcher von Menschen beleidigt wird und sehr darüber zürnt, oder zuviel sich betrübt, der zeigt damit an die Schwachheit seines Glaubens zu Gott, welche Wohlthaten er nicht erkennet.
Nun erkläre stückweise den Nutzen, den die Gläubigen haben aus der Erkenntniß der Vorsehung Gottes.
Vornehmlich dreierlei Nutzen haben wir daraus.
Der erste Nutzen ist die Dankbarkeit, wenn es uns wohlgehet. Denn Alles, was uns glückselig macht und nach unserem Begehren begegnet, sollen wir Gott zuschreiben und ihm dafür danken, es sei, daß wir Gottes Güte durch der Menschen Dienst empfinden, oder es sei auch, daß uns durch andere Creaturen Gottes Hilfe widerfährt. Denn also soll ein gläubiges Herz bei sich selbst gedenken: Gewißlich, der Herr ist's, der dieser Menschen Gemüther zu mir geneigt hat, derselbe ist's auch, der den andern Creaturen seine Kraft gegeben hat und noch gibt, daß sie Werkzeuge sind seiner Güte und Barmherzigkeit gegen mich. Ja, auch sofern, daß wir nicht ein Tröpflein Wassers trinken, welches nicht eine Wohlthat Gottes sey.
Welches ist der andere Nutzen?
Geduld, so wir schöpfen aus dieser Lehre in allen widerwärtigen Dingen. Erstlich im ganzen Leben, darnach auch insonderheit in den Verfolgungen, zu erdulden um der Wahrheit des Evangeliums willen.
Wie bekommen wir Geduld in unserm ganzen Leben aus der Lehre von der Vorsehung Gottes?
Also: Dieß bringet alle Ungeduld, daß wir auf die Creaturen sehen, die uns zuwider sind, aber auf Gott sehen wir nicht, so doch er selbst dies Alles thut, welcher nicht unser Feind, sondern unser Vater ist. Denn die Anfechtungen, womit er unsern Glauben und unsere Geduld übt, was sind sie anders, denn Werkzeuge, durch welche er gegenwärtig wirket, daß nach seiner Verheißung alle Dinge uns zum Besten dienen, die größte Bekümmerniß ebensowohl als die allergeringste. Deßhalb soll der gläubige Mensch, nachdem er die Lehre von der Vorsehung Gottes erkannt hat, nicht mit seinen Gedanken an den Creaturen, durch die er geplagt wird, hängen bleiben, oder auch nicht in seinen Gedanken für und für umgehen mit dem, das ihn schmerzet, sondern so viel mehr sein Gemüth erheben, zu betrachten die väterliche Hand Gottes, damit er gezüchtigt wird, welcher väterlichen Hand Betrachtung sehr kräftig ist, allerlei Geduld und Sanftmuth den kindlichen Herzen einzudrücken, wovon wir schöne Vorbilder haben an Joseph, an Hiob und an David.
Wie bekommen wir Geduld in den Verfolgungen um des Evangeliums willen aus der Lehre von der Vorsehung Gottes?
Erstlich, daß die Feinde des Evangeliums nicht einen Gedanken in ihrem Hirn oder Herzen sich können vornehmen, demnach auch nicht einen Finger regen, denselben aufzurichten, es sei denn, daß Gott nicht allein es verhänge, sondern es auch gegenwärtig in ihrem Hirn und Herzen kräftig regiere und wirke, seine Christen zu bewähren. Und drittens, daß sie auch das Ziel mit Verfolgen nicht können überschreiten, das ihnen von Ewigkeit gesetzt ist, und eigentlich von Gott beschlossen und bestimmt, wie weit die Verfolgung gehen soll. Denn also haben die Apostel in der Verfolgung durch den heiligen Geist geredet: „Wahrlich ja, sie haben sich versammlet wider dein heiliges Kind Jesum, welchen du gesalbet hast, Herodes und Pontius Pilatus, mit den Heiden und dem Volk Israel, daß sie thun alles dasjenige, was deine Hand und dein Rath zuvor bedacht hat, das geschehen sollte.“ (Apg. 4,27.28) Deßhalb, gleichwie es unmöglich gewesen ist, daß Herodes, Pilatus mit den Heiden und Juden mehr hätten können ausrichten, an unserm Haupt Christo zu peinigen, denn der Rath und die Hand Gottes zuvor von Ewigkeit beschlossen hat, daß sie thun sollten, also ist es auch unmöglich, daß die Pilati, Herodes und Pharisäer zu unsrer Zeit, sammt dem armen verblendeten Volk, weiter können vornehmen, viel weniger ausrichten, die Glieder Christi zu verfolgen, denn der Rath und die Hand Gottes zuvor beschlossen hat. Nun hat aber Gott nichts beschlossen, das uns nicht heilsam sey, wie er uns in seinem Wort verheißen hat. Ja, auch alsdann, wenn wir um seines Namens willen sterben sollen, welches der höchsten Wohlthaten Gottes eine ist, wir Paulus sagt: Es ist euch aus Gnaden gegeb3en in dem Werke Christi, nicht allein, daß ihr an Christo glaubt, sondern auch, daß ihr um Christi willen leidet. Darum aber muß dies aus dem Vorigen folgen; denn die Gleichförmigkeit der Glieder Christi mit ihrem Haupte, erstlich im Leiden, darnach in der Herrlichkeit, ist gegründet in dem ewigen Rath Gottes, darin auch das Leiden und die Herrlichkeit Christi selbst gegründet ist, wie uns lehret das 8. Kap. an die Römer, V. 28 u. 29.
Welches ist der dritte Nutzen?
Es ist ein gut, geruhiges und stilles Herz, womit ein Christ mit sanftem Muth hinfort Alles von der Hand Gottes zum Besten erwartet. Denn dieweil des Menschen Leben mit unzähligen Gefahren umgeben, die uns täglich den Tod drohen, so wird denn allererst das Herz von aller Angst und Furcht, ja auch von aller Sorge befreit und entledigt, wenn ihm das Licht der Vorsehung Gottes durch die Gnade des heiligen Geistes im Herzen aufgegangen ist. Durch dieses Licht erkennt er und ist versichert, daß er in den Schutz und Schirm Gottes aufgenommen und mit ihm verbunden, den Engeln zu versorgen befohlen, von aller Creatur Gefahr und Schaden frei sey, und daß ihm nichts Widerwärtiges von ihnen erstehen kann, denn sofern es Gott, der Alles regiert, durch sie ihm zuschicken will, und also zuschicket, daß es ihm zum Besten dienen soll. Dies ist der Bund, den die Gläubigen, die mit Gott dem Schöpfer verbunden sind, auch mit den Creaturen haben, die ohne des Schöpfers Willen sich nicht regen oder bewegen können, von welchem Bund der Prophet Hosea schreibt im 2. Kap. V. 18.
Wiewohl aber diese Lehre mehr Nutzen und Frucht in sich begreift, sind doch diese, die wir erzählt haben, die vornehmsten Früchte, also daß wir wahrhaftig mögen sagen, daß es ein über die Maßen großes Elend ist, die Vorsehung Gottes nicht erkennen; dagegen auch, daß der Anfang der wahren Seligkeit in der Erkenntniß derselben gelegen sey.
Quelle: Sudhoff, Karl - C. Olevianus und Z. Ursinus Leben und ausgewählte Schriften