Ohlhues, Johann Matthias Peter - Acht Betrachtungen über das fünfzehnte Kapitel des Evangeliums Lucas - Vierte Betrachtung - Der verlorene Sohn.

Ohlhues, Johann Matthias Peter - Acht Betrachtungen über das fünfzehnte Kapitel des Evangeliums Lucas - Vierte Betrachtung - Der verlorene Sohn.

Luk. 15, 11-32.

Lukas 15,11-13.

Des verlorenen Sohnes Abtrünnigkeit, trotziger Auszug aus dem Vaterhause und Prassen in der Fremde.

V. 11. Und er sprach: Ein Mensch hatte zween Söhne.

Das erste Gleichnis stellte uns im verlorenen Schaf den Sünder dar, wie er auf seinen selbsterwählten Wegen in seiner törichten Blindheit irrend dahingeht. Das zweite Gleichnis vom verlorenen Groschen zeigte uns dann den in Sünden und Übertretungen toten, unter dem Staub des geistlichen Verderbens wie bewusstlos daliegenden Sünder. Beide Gleichnisse zeigen uns also den Zustand des Sünders, wie er nun mal ist. Fragen wir nun: Aber wie ist denn der nach Gottes Bild geschaffene Mensch ein solches verlorenes Schaf und ein solcher verlorener Groschen geworden? so antwortet der Herr im Gleichnis vom verlorenen Sohn: Das ist seiner Abtrünnigkeit Schuld, mit Wissen und Willen ist er also geworden!

In den beiden vorhergehenden Gleichnissen, dem vom verlorenen Schaf zuerst, und dem vom verlorenen Groschen danach fanden wir eine Steigerung im Wert des Sünders. Diese Steigerung schreitet nun fort im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Verliert ein Mensch von hundert Schafen Eines, so heißt das viel verloren; aber ein verlorener Groschen ist doch noch mehr für ein armes Weib, deren ganze Habe aus zehn besteht; doch größer als Beider ist des Vaters Verlust, der von nur zwei Söhnen Einen verloren hat. Wie es einen Vater schmerzt, wenn er von zwei Söhnen einen verliert, und wie ihn verlangt, den Verlorenen wieder annehmen zu können, eben solchen Schmerz fühlt Gott über jeden verlorenen Sünder, brennt eben so von Verlangen, ihn zu erretten. Eben so? Nein, nicht eben so, sondern nur ähnlich so! Noch viel größer ist Gottes Schmerz und Verlangen, um so viel größer, als die erbarmende göttliche Liebe alle menschliche Liebe übertrifft, als der unendliche Gott erhaben ist über den endlichen Menschen, der Staub und Asche ist! Es ist die Liebe des besten Vaters zu einem verlorenen Sohn wohl ein Abbild von der erbarmenden Liebe Gottes gegen den Sünder, aber nur ein schwaches. Wenn also schon einem menschlichen Vater das Herz über einen verlorenen Sohn bricht, und er über ihn Tränen des Schmerzes weint, so lange er verloren ist, aber auch Tränen der Freude, wenn er umkehrt, wie viel mehr bricht denn Gott das Herz gegen den Verlorenen, dass Er Sich seiner erbarmen muss! wie ganz andere Schmerzenstränen weint denn Er in Seinem Sohn über ihn, wie uns die Tränen Jesu über Jerusalem davon Zeugnis geben! Wie viel gewaltiger ist die Freude Gottes, wenn ein Verlorener wieder umkehrt und Buße tut! Von dieser Freude haben uns schon die beiden vorigen Gleichnisse Zeugnis gegeben; da sahen wir im Himmel und vor den Engeln Gottes Freude, Freude, die sich entzündet hatte an der Freude Gottes, des Menschen und des Weibes, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und dieser Freude Gottes werden wir alsbald wieder begegnen in der Freude des Vaters über den Sohn, der tot war, und ist wieder lebendig worden; der verloren war, und ist gefunden worden.

Wer ist aber nun der Mensch, der die zwei Söhne hat? Gott, der Vater, der allmächtige Schöpfer Himmels und der Erde. Wir wissen freilich, dass Gott im tiefsten Sinne des Wortes nur der Vater aller Derer ist, die zu Ihm gekommen sind durch Seinen Sohn, die Vergebung ihrer Sünden haben, denen der Geist Gottes Zeugnis gibt, dass sie Gottes Kinder sind. Aber in weiterem Sinn ist Gott der Vater aller Menschen, insofern sie Alle von Ihm geschaffen sind, und zwar in Adam nach Seinem Bild. Wir Menschen alle waren ja in Adam schon verborgen, von dem aus die Menschenlinie durch Zeugungen immer länger geworden ist und wird. Wie nun Adam vor seinem Fall im Hause Gottes war, so auch wir Alle in Adam und mit ihm. Aber in und mit ihm sind auch wir alle abtrünnig geworden. Diese Abtrünnigkeit zeigt sich aber nicht bei Allen auf gleiche Weise, sondern es gibt zwei Hauptklassen unter den abtrünnigen Sündern. Sie sind uns in den beiden Söhnen des Gleichnis geschildert; in ihnen finden wir alle Sünder d. h. alle Menschen abgebildet; sie gleichen Alle mehr oder weniger dem älteren oder dem jüngeren. Beide sind nur Scheinsöhne, keine rechten Söhne und Kinder, sondern Beide abtrünnig vom Vater. Bei den jüngeren tritt die Abtrünnigkeit offenbar und ohne Scheu hervor; er verlässt das Haus des Vaters mit seinem Erbteil und bringt es mit Prassen um. Als er aber in sich schlägt und umkehrt, wird er doch wieder von dem erbarmenden Vater angenommen. In diesem Sohn sind also alle offenbaren Sünder gezeichnet, und die Bürgschaft für sie gegeben, dass sie, wenn sie sich nur bekehren wollen von der Gewalt des Satans zum lebendigen Gott, nicht verloren bleiben sollen, sondern als Kinder wieder auf- und angenommen werden. Auch der ältere Sohn ist abtrünnig vom Vater, kein rechtes Kind; aber seine Abtrünnigkeit und uns kindliches Herz tritt nicht so an den Tag, sondern ist unter dem Schein der Kindschaft verborgen. Er pocht daher auf diesen Schein, den er hat, und rühmt sich seiner vermeintlichen Gerechtigkeit. In ihm finden wir die abtrünnigen Sünder wieder, die vor den Augen den Schein der Gerechtigkeit haben, die neun und neunzig Gerechten, die der Buße nicht zu bedürfen wähnen, die murrenden Pharisäer und Schriftgelehrten, die murrenden Arbeiter im Weinberg, die mit dem Groschen nicht zufrieden sind, die Ehrbaren der Welt, die Nichts von Buße hören mag. Auch diese werden, wie wir an dem älteren Sohn sehen, von dem erbarmenden Vater in Geduld getragen und gesucht; werden sie aber die Güte, die sie zu der auch ihnen nötigen Buße leiten will, beharrlich verachten, dann werden diese Scheinkinder des Vaters am Ende mit den offenbaren Feinden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis, wo Heulen und Zähneklappen sein wird. Dieses allen Unbußfertigen gewisse Ende, in vielen Schriftstellen aufs Klarste ausgesprochen, ist auch in unsern Gleichnissen deutlich genug angedeutet, indem nur von Freude über den Sünder die Rede ist, der Buße tut. Dass der Herr aber dieses Ende der Unbußfertigen in diesen Gleichnissen nicht mit Seiner gewohnten Schärfe ausspricht, liegt darin, dass es Ihm hier darauf ankommt, die erbarmende Liebe Gottes zu malen, die nicht nur den Bußfertigen annimmt, sondern auch den Unbußfertigen noch trägt und sucht, so lange seine Gnadenfrist währt.

Nach dieser allgemeinen Schilderung der beiden Söhne wenden wir uns zunächst an der Hand unsers Textes zu einer näheren Betrachtung des jüngeren. Wir lesen:

V. 12. Und der Jüngste unter ihnen sprach zum Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. Und er teilte ihnen das Gut.

Es ist also hier von einem älteren und jüngeren Sohn die Rede. Die in dem älteren Gezeichneten sind die murrenden Pharisäer und Schriftgelehrten, Alle, die der Buße nicht zu bedürfen wähnen, weil sie sich eine Gerechtigkeit anmaßen, die sie doch nicht haben; wo von Sündern die Rede ist, zeigen sie rechts und links, nur nicht auf sich; sie sind in ihren Gedanken wenigstens die erstgeborenen Söhne im Hause Gottes. Diesen ihren angemaßten Vorzug lässt der Herr vorläufig stehen, und nennt sie deshalb, wie vorher die Gerechten, so nun den älteren Sohn. Am Ende des Gleichnisses zeigt Er es denn deutlich, was Er schon V. 7 und 10 angedeutet hatte, dass ihre Gerechtigkeit und Erstgeburt Wahn und Lüge sei, Hoffart und Stolz ihres argen Herzens, das so wenig stimme mit dem Herzen Gottes, dass sie darüber murrten, worüber vor Gott selber und Seinen heiligen Engeln Freude sei. Im Gegensatz zu diesem älteren heißt denn nun der andere Sohn darum der jüngere, weil er in den Augen der Selbstgerechten von all den Vorzügen entblößt ist, die sie als die vermeintlich Erstgeborenen zu haben meinen.

Dieser jüngere Sohn nun tritt an den Vater heran und spricht: „Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört!“ Der schlechte Sohn fühlt sich beengt im Vaterhaus; er will fort. Er genießt die Liebe des Vaters; aber er hat kein Herz für diese Liebe; sie ist ihm vielmehr unbequem und lästig, weil sie ihn zum Gehorsam nötigt. Er hat Teil an den Gütern des Hauses; aber das gilt ihm Nichts, weil er sie nicht nach seines Herzens Gelüsten verwenden und verschwenden kann. Das sanfte Hoch ist ihm eine schwere Last; deshalb wirft er es von sich und spricht: „Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört!“ „Vater!“ Das ist eine Lüge in seinem Mund; denn er hat ein unkindliches Herz, ihm fehlt der Gehorsam der Liebe; es ist bei ihm nur noch Gewohnheitsrede, leere Redensart, ohne Geist und Leben. „Gib mir!“ Das lautet wie Bitte; es lautet aber nur so; es ist bei ihm seines vermeintlichen Rechtsforderung; deshalb redet er ja auch von dem Teil der Güter, das ihm gehöre. Er bedenkt nicht, dass er Nichts zu fordern bat; denn kann der Vater, so lange er lebt, den ungeratenen Sohn nicht enterben und ihn leer ausgehen lassen? Jeder von uns, teure Leser, der nicht in der Taufgnade stehen geblieben ist, - und wer wäre das unter uns? - findet sich hier wieder; hier ist etwas, das wir alle durchgemacht haben. Wollte Gott, es könnte auch von uns Allen heißen, wir wären wieder umgekehrt mit dem verlorenen Sohn! Sehen wir die Sache nur mal näher an, in Anwendung auf unsere Verhältnisse! In der Taufe sind wir alle dem Herrn in die Arme gelegt; Er hat von da an Sein Werk in uns. Jeder sehe nur in seine Kindheit zurück! Da werden wir alle, der Eine mehr, der Andere weniger, von den Gnadenzügen des Vaters zum Sohn zu reden wissen. Du fühltest dich mehr zum Gebet gezogen, dein Herz war kindlicher dem noch unbekannten Gott zugewandt, als später; weshalb? Du singst mehr und mehr an, dem Heiligen Geist zu widerstreben. Zu dieser inneren Bearbeitung durch den Geist Gottes kommt von Außen der Einfluss des christlichen Lebens. Wir, die wir im Reich des Menschensohnes leben, haben unter uns christliche Ordnungen, in die wir uns fügen sollen. Um nur Einiges zu nennen: Von Kindesbeinen an sind wir unter das göttliche Gesetz gestellt; wie ernst gebietet es uns als Kindern: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!“ Will nun ein Kind sich unter diese Ordnung des himmlischen Vaters nicht beugen, lehnt es sich in Ungehorsam dawider auf, begehrt es, sein eigener Herr zu sein, siehe! da haben wir ja den Trotz des jüngeren Sohnes, in dem er sprach: „Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört!“

Ein Anderes noch: Es ist des Herrn Wille, dass wir Seinen Tag heilig halten sollen. Wie das? Wir sollen mit der Gemeine uns sammeln zum gemeinschaftlichen Gebet, zum Hören des Worts, und auch daheim in unsern Häusern unter dem Leuchter des Wortes mit den Unseren betende Herzen und Hände zu dem Gott unsers Heils erheben. Seht, wenn nun Jemand wider diese und die anderen Ordnungen im Reich des Sohnes sich setzt, sich durch die innere Gnadenarbeit des Heiligen Geistes an seinem Herzen nicht zur Buße und zum Glauben bringen lässt, nicht von Jugend auf, wie er am Leibe wächst, mehr und mehr auch hineinwächst in die Liebe und den Gehorsam Christi, da geschieht es, dass ein getaufter und konfirmierter Christ das sanfte Joch als eine schwere Last von sich wirft mit demselben Trotz, in dem der jüngere Sohn sprach: „Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört!“ Teure Freunde, seht euch selbst an! Geht mit euren Gedanken in eure Kindheit zurück! Blickt die Menschen um euch an! Nicht wahr? wenn ihr aufrichtig sein wollt, da müsst ihr bekennen: „Ja, wir haben es gemacht, wie der verlorene Sohn“; wenn auch Einige unter uns noch in äußerer Zucht geblieben sind, - was freilich von sehr, sehr Vielen auch nicht mal zu sagen ist! - so sind wir doch Alle im Geheimen, mit unserm Herzen vom lebendigen Gott und Vater abgetreten und abtrünnig worden. Da ist denn der Vatername in deinem Munde ein leerer Schall, eine Lüge; du bist kein rechtes Kind mehr; dir fehlt das kindliche Herz und der Gehorsam der kindlichen Liebe; du hast dich losgerissen vom Vater und zu Ihm gesprochen: „Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört!“ Aber was fordert denn nun der von dem Vater abtrünnige Mensch für sich, wenn er trotzig fordernd spricht: „Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört?“ Ja, da will er seinen Leib und seine Seele, alle Gaben und Kräfte seines Leibes und seiner Seele, die er empfangen hat, nicht im Gehorsam und zur Ehre Christi verwenden, sondern damit seiner Lust und seiner Ehre frönen; und was ihm an irdischem Hab und Gut geworden ist, darüber will er nicht als Verwalter Gottes gelegt sein, sondern eigenmächtig darüber verfügen; will damit nicht barmherzige Liebe üben, nicht damit das Reich Gottes bauen helfen, nicht aus dem Elend reißen, nicht Tränen trocknen, nicht Hungrige speisen, nicht Durstige tränken, nicht Nackte kleiden, sondern mit seinem Hab und Gut will er für sich geizen, nur für sich und nach seiner Lust es verwenden, um sich das Leben möglichst angenehm und bequem zu machen. So tritt er Gott gegenüber und spricht: „Gib mir das Teil der Güter, dass mir gehört!“ „Dass mir gehört?“

Arge Lüge des abtrünnigen Menschen! Denn ihm gehört ja in Wahrheit Nichts, sobald er nicht mehr ein gehorsames Kind im Haus des Vaters ist. Aber davon weiß und will Nichts wissen, der natürliche Mensch. Er vielmehr spricht von seinem Leib und seiner Seele mit allen ihren Kräften und Gaben, von seinem irdischen Hab und Gut: „Mein ist das Alles! Ich bin der unumschränkte Herr darüber! Ich kann und will damit tun, was und wie mir gefällt!“ An die Möglichkeit einer Enterbung denkt er nicht, daran nicht, dass, wenn er nicht im Haus des Vaters bleibt, er all der Güter, die er sein nennt, verlustig werde hinausgestoßen werden in ewiges Darben.

Und wenn nun der Mensch so fordernd auftritt, was tut denn der Vater? Wir lesen: „Und er teilte ihnen das Gut.“ Der Vater tut also dem Sohn seinen Willen; er macht von seinem väterlichen Recht, den Sohn zum Bleiben zu zwingen, keinen Gebrauch; und weshalb nicht? Weil er in seinem Sohn keinen Knecht haben will, der ihm mit knechtischer Furcht, sondern einen Sohn, der ihm mit fröhlichem, kindlichem Gehorsam diene. Der Vater sieht, dass der Zwang dazu nicht helfen, sondern das Herz des Sohnes nur noch trotziger machen werbe; deshalb ist er ihm zu Willen. So übt der Vater die Zucht seiner Gerechtigkeit; denn dass er den Sohn aus dem Hause entlässt, ist doch eine Strafe für den Sohn, wenn gleich der Sohn anders denkt. Aber der Vater geht auch aus Barmherzigkeit so um mit dem Sohn; er kennt seinen Sohn; er weiß, dass er bald sein Gut durchbringen und in Armut geraten wird; er hofft, das er dann zur Erkenntnis seines Trotzes kommen und als ein reuiger Sohn umkehren werde. So macht es der gerechte und erbarmende Vater mit allen abtrünnigen Sündern! Er hält sie nicht mit Gewalt; da ist von keinem Zwang weder des Gesetzes, noch der Gnade die Rede; denn der Vater will nicht Knechte, sondern Kinder haben. Wenn deshalb die Bitten: „Kommt her zu Mir! Wendet euch zu mir! Lasst euch versöhnen mit Gott! Kindlein, bleibt bei Ihm!“ nichts verschlagen, da gibt er die Ungehorsamen dahin in das Gelüsten, das nicht taugt, und lässt sie ihre eigenen Wege gehen. Das ist denn über die Ungehorsamen das Gericht des gerechten Vaters, aber ein Gericht voll Barmherzigkeit. Denn das ist dabei Sein erbarmendes Wollen, dass die abgefallenen Kinder auf ihren eigenen Wegen immer ärmer werden und erkennen sollen, dass ihre eigenen Wege Wege des Verderbens sind, die zur Verdammnis führen; dass sie wieder umkehren sollen in die Liebe und den Gehorsam des Vaters.

„Und er teilte ihnen das Gut!“ Den eigentlichen Besitz, das in den liegenden Gründen, in Haus und Hof bestehende Vermögen bekommt der jüngere Sohn nicht; in Geld bekommt er den auf ihn fallenden Teil ausgezahlt; auf das eigentliche Vermögen verliert er damit auch den Schein eines Anspruchs; er ist mit dem Geld abgefunden. Das eigentliche Vermögen bleibt in den Händen des Vaters. Oder bekommt es etwa der ältere Sohn? Keineswegs! Er hat nur den Mitgenuss, so lange er im Haus des Vaters ist; er bekommt für seine Arbeit seinen Lohn, seinen Groschen immer richtig ausbezahlt; aber das Vermögen und dessen Verwaltung bleibt in den Händen des Vaters; der ältere Sohn hat nicht über das Geringste eigenwillig zu verfügen; das beklagt er ja auch grade murrend, dass der Vater ihm nicht mal einen Bock gegeben habe, dass er mit seinen Freunden fröhlich wäre. Ob er noch das Vermögen ererben werde, das hängt von seinem Benehmen ab. Das Gut nun, dass jeder abtrünnige Sünder mitbekommt, ist sein Leib und seine Seele mit ihren Kräften und Gaben, sein irdisches Hab und Gut, und sein Gewissen. Damit aber, dass er nicht ein Kind im Haus des Vaters sein will, sagt er sich los von dem eigentlichen Vermögen des väterlichen Hauses, von dem Erbe, das uns armen Sündern durch Jesum Christum erworben und in der Taufe beigelegt ist, von dem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wird im Himmel Denen, die aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werden zur Seligkeit. (1 Petri 1,4.5.)

Der verlorene Sohn ist sein eigener Herr geworden. Was beginnt er denn nun? Hören wir darüber den Herrn weiter! Wir lesen:

V. 18. Und nicht lange danach sammelte der jüngste Sohn Alles zusammen, und zog ferne über Land; und daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen.

Kaum hat der jüngere Sohn seine Abfindungssumme in Händen, da kann er es nicht länger aushalten im Vaterhaus. Der Zorn, wie die Liebe, die Drohungen, wie die Bitten des Vaters sind ihm gleich unerträglich; sie versalzen ihm seine Lust. Deshalb packt er Alles zusammen, was er hat, und zieht in ein fernes Land, fort aus den Augen des Vaters. Dort geht es ihm denn, wie es natürlich ist; indem er sein Gut nach Lust seines Fleisches verwendet, bringt er es um mit Prassen; er zerstreut es nach allen Seiten hin, indem er heillos lebt. So geht es dem in die falsche Freiheit der eigenen Wege entlassenen Sünder! Er zieht in ein fernes Land mit seinem Gut; mit Allem, was er ist und hat, reißt er sich immer entschiedener los von dem lebendigen Gott; er entzieht sich immer mehr aller Zucht der christlichen Ordnungen, wie der Strafe durch Gottes Wort und Geist; bricht immer mehr ab mit den Gnadenanfassungen, die er von der Taufe her in seiner Seele hat; schlägt die Lehre, damit er von Kindheit auf in der Schule, in der Kirche, in der Kinderlehre gelehrt ist, in den Wind; vergisst immer völliger Gott, meidet immer ängstlicher die Gemeinschaft der Kinder Gottes, die das Kniebeugen im Namen Jesu kennen und üben; lebt und läuft immer ungebundener mit der Welt. Und so bringt er denn sein Gut um mit Prassen, zerstreut es, indem er heillos lebt. Seine Leibes- und Seelenkräfte zehrt er nutzlos auf; denn er verwendet sie für Staub und Asche; und was das äußere Hab und Gut angeht, - er bringt es um, sei es nun, dass er es verschwendet, oder dass er damit geizt; denn in beiden Fällen findet er keine Befriedigung, kommt nicht zur bleibenden Ruhe; in beiden Fällen sät er auf das Fleisch, in beiden Fällen wird er auch von dem Fleisch das Verderben ernten, das zukünftige ewige von dem Angesicht des Herrn um so gewisser, je weniger er das schon gegenwärtige zeitliche und an demselben das drohende zukünftige ewige merken will. Und das innere Gut des Gewissens? Auch das bringt er um. Durch heilloses Leben in Sünden und Lüsten verhärtet er sein Herz immer mehr; die Stimme des Gewissens wird immer leiser; und, wenn er nicht bei Zeiten aus seinem heillosen Leben umkehrt, verstockt er sich am Ende ganz.

Diesen Weg des verlorenen Sohnes geben die Meisten, die Einen mehr offenbar, die Andern mehr verborgen; Alle nämlich, die heillos leben! Welche das sind? Die weder Vergebung der Sünden haben, nach sie ernstlich suchen, die nicht mit gehorsamem Herzen unter den Gnadenzügen stehen, damit der Vater zum Sohn zieht. Aber der Herr ist reich an Erbarmen! Sein Herz steht auch diesen Verlorenen noch offen! Denn Er ist ja gekommen, dass Verlorene zu suchen und selig zu machen. O, hört das, die ihr noch Verlorene seid! Lasst euch von Ihm finden! Die ihr aber Gefundene seid, bleibt bei Ihm, und sagt allen Verlorenen, dass sie umkehren, damit sie selig werden! Denn der Herr will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe.

Du aber, barmherziger Hoherpriester Jesu Christe, der Du Dich selbst zum Opfer gegeben hast, sei um Deines Blutes willen, das Du für alle vergossen hast, Allen mit heilsamen Anfassungen nahe! Amen!

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