Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Vorwort

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Vorwort

Den Hochwürdigen Herren Christoph1), Bischof von Basel und Nicolausen von Diesbach2), seinem Koadjutoren wünscht Gnade und Frieden in Christo Johannes Ökolampadius.

Im verflossenen Jahre habe ich zur Adventzeit, verehrteste Vorgesetzte, auf dringende Bitten meiner Amtsbrüder den ersten Brief Johannis in einigen Volksreden, oder wenn man lieber will Homilien, vor der christlichen Gemeinde erklärt. Dieser Brief soll nach meiner Ansicht vorzugsweise in unserer Zeit den Christen eingeprägt werden; dieweil heut zu Tage Einige, die selbst ohne Glauben sind, den Glauben hoch erheben, hingegen auf die Werke keinen Fleiß legen, Andere aber die Rechtfertigung, welche aus dem Glauben kommt, den Werken zuschreiben. Die Heuchler, und der Heiligen Fratzenbilder; da sie selbst nicht gut und gerecht sind durch den Glauben, sich guter und gerechter Werke zu rühmen pflegen. Ferner fangen hin und wieder einige christliche Lehren an von Ungelehrten verdammt zu werden, die leicht wieder erhärtet werden können, wenn man mit Hintansetzung alles Fremdartigen die heilige Schrift rein und lauter behandelt. Weil ferner in diesem Briefe, wie in einem kurzen Handbuche, gelehrt wird, wie der Glaube und wie die Werke des Glaubens beschaffen sein müssen und was von den meisten Streitfragen der Gegenwart zu denken sei: so habe ich ihn gern zur Hand genommen, und so wie ich sie damals in Eilfertigkeit zusammengetragen übergebe ich nun auf Bitten einiger meiner Zuhörer diese Vorträge dem Drucke. Eurer Hochwürden aber wollte ich sie vorzugsweise widmen, obschon es einigen scheinen mag, dass ich damit unter gegenwärtigen Zeitumständen keine große Gefälligkeit erwiesen habe. Ich hingegen wurde darin von reinsten Beweggründen geleitet. Denn ich beabsichtige nicht, was viele Andere, bei der Widmung meines Buches; indem sie nicht selten sich damit bei den Großen Gunst und Ehrenstellen erjagen wollen. Wenn ich nun auch keineswegs die Gunst und Gewogenheit meiner Vorgesetzten verachte, so wollte ich jetzt dennoch vor Allem ein Zeugnis ablegen, dass ich mich des Evangeliums Jesu Christi nicht schäme, und dass ich nicht Etwas insgeheim lehre, was die Finsternis liebe, oder worüber ich nicht bereit wäre, Rechenschaft abzulegen. Solches, verspreche ich mir, werde Eurer Hochwürden so angenehm sein, dass ich gute Hoffnung hege, Ihr werdet dasjenige, was ich gemäß der Lehre Christi lehre, wie es sich Bischöfen ziemt, durch Eure Stimme bekräftigen und mich darin, wofern meiner Erwähnung geschieht, unterstützen. Inzwischen hoffe ich wenigstens, jener verruchten Rotte der Verleumder, welche auch ungeladen bei allen fürstlichen Höfen sich hinein drängen, und aus Bequemlichkeit ohne Anstellung, daselbst Unbekanntes für Gewissheit, Falsches für Wahres, Erdichtungen für Tatsachen erzählen und vor Allen die Verkündiger des Wortes Gottes anfeinden - den Weg zu Euren gütigen Ohren für die Zukunft versperrt zu haben. Kein Wunder, dass sie solches wagen, sintemal ihre Väter nicht einmal Christum verschont haben. Es geht nun die Rede, dass auch Eure Gesinnung nicht wenig mir und meinen Brüdern, die wir hier das reine Evangelium verkündigen, entfremdet sei, und zwar in dem Maße, dass wir bei Euch im Verdachte stehen, mit dem Worte Gottes Handel zu treiben, was wir, wenn irgend Etwas, aufs feierlichste und verbeten haben möchten. Daher achten es wir der Mühe wert, Euch eine Probe oder ein Muster von dem, was ich lehre (und meine Brüder, lehren, wie ich glaube, das Nämliche) darzubringen, damit Ihr daraus in der Folge deutlich erkennt, wie frech die Stirn und wie boshaft die Zungen jener Leute sind. Es wäre demnach sehr tadelnswert, wenn Ihr von uns oder von unserer Lehre übel denken würdet. Denn Insofern Ihr Bischöfe seid und das geistige Wohl Eurer Gemeinde sucht, könnt Ihr unmöglich den Arbeitern am Worte Eure Gunst versagen, geschweige denn, dass Ihr Irgend etwas Gewalttätiges auch nur in Gedanken gegen uns beschließen könntet. Wie wir nun aber Eure Milde wohl kennen, so ist uns auch die unverschämte und rastlose Bosheit jener nicht unbekannt. Wir lehren Neurungen, schreien sie. Ich bitte doch, welche Neurungen, da wir nichts, als was mit der heiligen Schrift bewiesen werden kann, annehmen wollen? Welche Schande! Sollten die Christen so herabgekommen sein, dass sie die Lehre der Propheten und Apostel als eine kürzlich aufgekommene Neuerung verabscheuten? Wenn wir Ungewohntes für ihre Ohren lehren, warum bekennen sie nicht lieber ihre Unwissenheit, als dass sie die Lehre als eine Neuerung verschreien, und uns dadurch verhasst machen? Wir verachten das Ansehen der Väter, werfen sie uns mit großem Geschrei vor. Haben aber die Väter wohl Etwas heiliger anbefohlen, als dass wir nichts annehmen sollen, was nicht durch die kanonischen Schriften bewährt werden könne, indem solches allein über allen Zweifel erhaben sei? Und siehe! wir sind in dem, was die Väter einzig von uns fordern, so streng gehorsam, dass wir ja des Ungehorsams und der Anmaßungen in Bezug auf Menschenlehre beschuldigt werden. Warum lügen sie denn von uns, als seien wir Aufrührer, und als unterfingen wir uns, alle Ordnung aufzuheben und Alles drunter und drüber zu richten? Wir prägen den Herzen unserer Zuhörer Christum ein, den Friedensfürsten, und bedrohen sie mit den schweren Strafen des ewigen Richters, dass sie nicht der Ordnung Gottes widerstehen sollen; wir ermahnen sie, dass sie das Wort Gottes zu ihrer Leuchte durch dieses Leben wählen sollen: und kann wohl aus solcher Lehre die Flamme des Aufruhrs sich entzünden?

Unsere Absicht geht dahin, die Gemeinde immer mehr zur Erkenntnis Christi anzuleiten und den Widerchristen bei ihr verhasst zu machen. Liebe zur Wahrheit zu pflanzen, die Werke der Finsternis zu zerstören: und was tut wohl mehr Not für das Leben des Menschen? Was ist uns vom Herrn dringender anbefohlen? Wenn wir tun, was der Herr befohlen, handeln wir recht, und müssen ohne Ansehen der Personen die furchtbaren Laster, die bei Geistlichen und Volke im Schwange sind, aufdecken, was vielen übel bekommt, zumeist denen, die eines schärferen Tadels bedürfen. Rügen müssen wir aber, und können nicht anders, als dass wir die rügenswerten Laster an den Tag bringen. Ihr aber wisst, wie wahr unser Tadel ist, und ich zweifle nicht, dass es Euch als Bischöfe innigst schmerzt, solches wegen der Hartherzigkeit der Untergebenen nicht ändern und bessern zu können. Ist aber unser Tadel begründet, und er ist leider nur zu begründet, so verkündigen wir wohl keine Neuerungen oder solches, das wir verschweigen sollten. Wenn es ferner nicht verschwiegen werden darf, sondern, wenn wir, wie der heilige Geist durch den Propheten ermahnt, unsere Stimme wie eine Posaune erheben müssen, und die Frevel verkündigen; so sind wir wohl nichts weniger als Aufruhrstifter, Religionsstürmer, Störer des öffentlichen Friedens und Verkündiger des Ungehorsams. Warum befleißigen sie sich nicht lieber eines unschuldigen Lebenswandels, damit man gar nicht glauben könne, dass solche Rügen sie nur berühren? In den Tempeln herrscht Feilheit, Krämerei, Habsucht, Übermut, Götzendienst, Schändlichkeit, die Sakramente sind verunstaltet, alles ist von der Menge der Überlieferungen und Zeremonien überschwemmt, überall werden den Gewissen Stricke gelegt, indem so viele dem Worte Gottes fremde Lehren erdacht werden. Ich will mich nicht in Darlegungen von Einzelheiten einlassen. Dieses hat aber der heilige Geist Alles vorausgesehen, und lange vorher durch die heilige Schrift verkündigt, dass es kommen werde; wie könnten wir es nun, da wir die Schrift erklären, verschweigen, ohne uns fremder Sünden teilhaftig zu machen? Und im Falle wir wirklich solche stumme Hunde oder Heuchler wären, so müsstet Ihr uns Kraft der Schrift und des heiligen Geistes mit allem Rechte aus dem Tempel jagen.

Nun aber, da wir freimütig unsere Amtspflicht erfüllen, und uns angelegentlich befleißen, den Teufel aus den Herzen der Christen auszureuten und dagegen Christum einzupflanzen, den Tempel Gottes zu reinigen und das Unkraut mit der Sichel des Wortes auszutilgen, so hoffen wir von Euch, dass Ihr nicht solchen Gehör leiht, welche die Wahrheit ungerne hören und sie lieber verstummt haben möchten. Paulus freute sich selbst in Banden, dass Christus, sei es aus Neid und Streitsucht oder aus Wohlwollen, verkündigt werde (Philipp. 1, 15.), selbst wenn es seinem Leben Gefahr brächte, und er selbst war vor tausenden geschickt zur Verkündigung. Daher können auch wir bei den wahren Hirten nicht verhasst sein, da wir die Frevel der falschen Propheten aufdecken und sie ans Licht ziehen und auf der andern Seite zeigen, wie man Christo sich nahen solle. Dass unsere Lehre aber so beschaffen und so unschuldig sei, wird, wie ich glaube, der größte Teil meiner Zuhörer bezeugen. Die Wölfe hassen und aber aus dem Grunde so sehr, weil sie fürchten, dass man sie fortan hindre, die Schafe Christi, die Euch anvertraut sind, unbestraft zu berauben. Es mag sein, dass ihnen einige übermütige Mitglieder des Senates der baslerischen Hochschule als Gewährsmänner zur Seite stehen, welche durch öffentliche Erlasse und andere Ränke in heiligen Dingen sehr unheilig gegen und gehandelt. Sie verdienen aber den nämlichen Glauben, wie jene, sintemal zwischen ihnen eine wahrhafte Verschwörung gegen uns besteht. Nun wird aber ihre Unwissenheit vor aller Welt offenbar, dass sie das Evangelium nicht einmal von der Schwelle aus recht gegrüßt, und somit dasselbe nicht recht lehren, indem sie auch nicht fähig sind dazu. Schon missbilligt auch Jedermann, dass sie, aufgefordert, öffentlich von ihrem Glauben Rechenschaft abzulegen, stets sich dessen weigern. Niemand kann glauben, dass das eine Theologen würdige Entschuldigung sei, mit der sie den Gehorsam gegen den römischen Stuhl vorschützen, und dabei die Erwartung der Brüder und der Gemeinde verachten. Warum soll man ihnen, als wären sie so gewichtige Männer, so viel Gehör schenken? Doch dieses wird bald ein Ende haben. Viel besser wäre es, statt uns mit einander herumzubeißen, die Schwachen mit dem Geiste der Sanftmut aufzurichten.

Ich wenigstens werde unter Gottes Beistande dieser meiner Amtspflicht nie untreu werden. Sie mögen lehren und ich lernen, oder sie mögen, während ich lehre, lernen; herrschen und entscheiden soll aber stets das Wort Gottes. Auf diese Weise wird keinem unter den Geistlichen sein Recht genommen, und keiner hat weiter Grund, sich zu beschweren. So sollen sie auch nun gegen diese Volksreden anbringen, was sie darin zu tadeln haben. Was geschrieben steht, werde ich nicht verleugnen können. So übergebe ich diese Reden in der einfachen Gestalt, wie sie der Gemeinde vorgetragen worden, fern von jeder Streitsucht. Das ist wohl der beste Weg zum Frieden, dass die Wahrheit möglichst Vielen bekannt gemacht werde. Aus diesem Grunde schäme ich mich auch nicht, diese Nachtarbeit Eurer Herrlichkeit zu widmen, damit sowohl meine Unschuld, als die meiner Brüder, welche das Nämliche lehren, vor den Bissen der Verleumder gewahrt werde, wofern irgend Etwas vor ihnen sicher sein kann. Endlich bete ich zu Gott, dass Niemand über Eure Herde komme, der ihr mehr schade, als ich. Wahrlich mein Herz verlangt Niemanden zu schaden, wohl aber allen nützlich zu sein. Ferner wünsche ich, dass alle Eure Hirten mich an Fleiß, Glaube und Gnade, wie gering auch diese Gaben bei mir sind, übertreffen mögen. Für Euch bete ich zu Gott, dass Ihr stets in der Gnade Christi verharren möget.

Basel, im Monat Juni 1524.

1)
Christoph von Utenheim, aus einem adeligen Geschlechte des Elsasses, war wohl der würdigste Mann, der zur Zeit der Reformation in der Schweiz das bischöfliche Amt bekleidete. Angestiegenen Alters und frommer Gesinnung (das Kreuz Christi ist meine Hoffnung, ich trachte nach der Gnade und nicht nach den Werken, waren seine Wahlsprüche), suchte er in den Wissenschaften, im Briefwechsel und dem Umgange mit Erasmus, den er hochschätzte, seine Erholung; hemmte, Luthers frühere Schriften vorurteillos würdigend, wenig die ersten Fortschritte der Prediger kirchlicher Verbesserung; übergab aber, angegriffen durch täglich wiederkehrende Körperschmerzen, und geschreckt zugleich durch die allmählig stürmischeren Bewegungen der Kirchentrennung, das Ruder seinem Koadjutor, Nicolaus von Diesbach, während er selbst sich von Basel, das durch die Wegnahme von Pfeffingen seine Zuneigung verloren hatte, in das stillere Delsberg zurückzog.
2)
Nicolaus von Diesbach, geboren 1478, der geistlichen Rechte Doktor, Prior von St. Johann zu Grandson, Propst des Ursusstiftes zu Solothurn und Prior zu Vaucluse, päpstlicher Kämmerer und Protonotarius apostolicus. Er war mit Nicolaus von Wattenwyl der Reformation befreundet, und legte in der Folge aus innerer Neigung zu derselben alle seine geistlichen Stellen, das Priorat zu Grandson ausgenommen, nieder, ohne jedoch öffentlich zur reformirten Kirche überzugehen. Er starb 1550 zu Besançon.
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