Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Achtzehnter Vortrag.

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Achtzehnter Vortrag.

Dieweil die brüderliche Liebe auch von Christo als Probierstein des Glaubens anempfohlen worden, indem er sagt: „Daran wird Jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe über unter einander;“ so ist es wohl der Mühe wert, auch sie selbst zu prüfen; was unser Apostel auch auf zwiefache Weise tut. Zuerst gibt er den Grund an, rum wir die Brüder lieben sollen, nämlich um Christi willen. Zweitens zeigt er, wie unsere Liebe beschaffen sein müsse, damit sie nicht verdächtig erscheine. Den ersten Teil beweist er auf folgende Weise:

Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus sei, ist von Gott geboren, und jeder, der den liebt, der ihn geboren hat, liebt auch den, der von Ihm geboren ist. Daran erkennen wir, dass wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten.

Er schließt so: Jeder, der Gott liebt, liebt auch das Kind Gottes; jeder aber, der da glaubt, dass Jesus der Christus sei, ist ein Kind Gottes; daher liebt auch Jeder, der Gott liebt, auch denjenigen, der sein Kind ist. Den Obersatz aber beweist er so: Wer Gott liebt, hält seine Gebote, und sein Gebot ist, dass man seine Kinder lieben soll. Ich möchte, dass du bei diesem Anlasse deine innersten Gesinnungen erforscht, und dass du dich nicht durch eine erlogene und törichte Neigung selbst täuscht. Es kann dir aber nicht unbekannt sein, wie du gegen deine Brüder gesinnt bist. Siehe zu, dass das Licht deines Leibes, das Auge oder die Gesinnung gesund sei, so wird dein ganzer Leib im Lichte sein. Gesund wird das Auge deiner Gesinnung sein, wenn es sich gerade nach Gott und nicht nach menschlichen Begierden richtet; denn, wenn es sich nach diesen richtet, so ist es finster. Willst du daher prüfen, ob du aufrichtig den Bruder in Christo liebst, so beachte, was du im Bruder siehst, damit du nicht dich selbst, sondern Gott in ihm suchst. Denn wenn nicht Gott die erste Stelle beim Freunde einnimmt, oder in dem, was du im Freunde suchtest, so machst du einen Götzen und statt Liebe zu üben, treibst du Götzendienst; was nicht selten geschieht. Denn Andre lieben aus anderen Gründen. Du findest, dass die Heiden ähnliches wie Freunde verehrten. Es werfen auch die Heuchler zuweilen Almosen aus, und alle Mütter lieben ihre Kinder; Manchem ist eine gewisse Menschenliebe angeboren. Die große Menge wertet die Freundschaft nach dem Nutzen, den sie bringt; der Christ dagegen, der sich hier bestrebt, himmlisch gesinnt zu sein, und dessen gesundes Geistesauge stets auf Gott gerichtet ist, dient nicht desto weniger hier auf Erden den Brüdern. Sowie die Engel, die stets das Angesicht des Vaters im Himmel schauen, dienstbare Geister sind, ausgesandt zur Hilfeleistung um derentwillen, welche das Heil ererben sollen; so lieben auch wir vor Allem Gott, und in Ihm Alles, was sein ist, selbst das Geringste, und all dasjenige um so mehr, was Er uns lieben heißt. Er heißt uns zumeist die Brüder lieben. Daher sind wir aus gedoppeltem Grunde verpflichtet, den Bruder zu lieben: erstens weil er das Bild Gottes an sich trägt, indem wir nämlich den Sohn sehen, sollen wir nicht denken, wir sehen etwas Ihm Fremdartiges, sondern weil es der Sohn ist, sollen wir immerhin auch glauben, dass etwas vom Vater da sei. Zweitens sollen wir den Bruder lieben, weil uns Gott durch ein Gebot dazu verpflichtet. Bemerke aber, dass er nicht zufrieden ist, ihn unseren Bruder zu nennen, sondern er nennt ihn auch Kind Gottes, und indem du so den Bruder liebst, liebst du das Kind Gottes. Und nicht vergebens hat er angefangen mit: Jeder, der glaubt rc.“ Dem er will jedes Ansehen der Personen aus unserem Herzen austilgen. Du sollst keine Rücksicht darauf nehmen, ob Einer ein Franzose oder ein Deutscher, ein Inder oder ein Engländer, ein Priester oder ein Laie, ein Mann oder ein Weib, wein Reicher oder ein Armer sei. „Alle sind Eins in dem Herrn,“ spricht Paulus. Übersieh' aber hier nicht, wie viel er dem Glauben beimisst, da derselbe uns zu Kindern Gottes umbildet, sowie er auch im ersten Kapitel seines Evangeliums sagt, dass diejenigen aus Gott geboren seien, welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches geboren seien, sondern die da Glauben haben. Während wir glauben, werden wir zu Kindern Gottes geboren, und während wir zu Kindern Gottes geboren werden, glauben wir. Hier möchte wieder Einer, der dem Glauben nicht gewogen ist, sagen: Somit sind wir alle Kinder Gottes? Denn wer leugnet, dass der von Maria geborene Jesus, der Christus sei? Ich aber frage, der Wievielte nur glaubt es heut zu Tage? Der Glaube ist jetzt eine seltene Erscheinung auf Erden. Denn hier ist nicht die Rede von jenem Glauben, den auch die Teufel haben können. Es ist nichts Geringes, zu bekennen, dass Jesus der Christus sei (1. Kor. 12). Niemand, der im Geiste Gottes redet, lästert Jesum, und Niemand kann Jesum Herrn nennen, es sei denn im Geiste. Wenige sagen nämlich mein Herr und mein Gott, wie Ihr solches von Thomas in der Auslegung des Evangeliums gehört habt. Aber hör, ob nicht viele Jesum Christum verleugnen? Es lästern ihn alle diejenigen, welche das Evangelium verdammen, und wie groß glaubst du wohl, dass deren Zahl sei? wie wir solches oben gesagt. Denn wer ist ein Lügner, wenn nicht der, welcher leugnet, dass Jesus der Christ sei? Es lästern ihn alle, die nicht von Herzen glauben, was alle Heuchler tun. Und wie groß glaubst du wohl, dass deren Zahl sei? Vom Geiste kommt es, Jesum für den Christus zu halten, das ist, ihn für unsere Gerechtigkeit, Heiligung, Weisheit und Erlösung zu haben. Christus ist nämlich jener Gesalbte Gottes, der für die ganze Welt genug zu tun vermag. Es übersteigt die menschliche Vernunft, dass der Sohn Gottes für den Sünder geboren und gekreuzigt werden und genug tun musste. Es ist eine große Gabe Gottes, wenn unser Herz sich davon überzeugen kann, denn es glauben nur diejenigen, denen es der Vater geoffenbart. Und wie ist derjenige, welcher glaubt, dass Jesus der Christ sei, aus Gott geboren? Er führt ein neues, himmlisches Leben, indem er das alte abgelegt hat, und wie er früher der Sünde diente, so befleißt er sich jetzt der Heiligung, und da solches nicht durch menschliche Kräfte erlangt werden kann, geschieht es durch die neue Geburt, indem der heilige Geist es in uns wirkt durch den Glauben. Es ist dieses nicht bloß als eine Nachahmung anzusehen, in der wir das Leben Christi nachahmen, und Ähnlichkeit mit unserem himmlischen Vater im Leben offenbaren, sondern das Leben selbst ist der Geist, der in uns wirkt, und den wir durch den Samen des göttlichen Wortes empfangen haben, dass wir an ihn glauben und im Glauben wirken. Darin sind wir auch Kinder Gottes, weil wir es durch Annahme an Kindesstatt sind, was Christus von Natur ist; er nennt uns Brüder und ist unser Bruder und Menschensohn geworden, indem er Fleisch annahm, damit wir durch den Glauben seine Brüder und Kinder Gottes werden. Er hat unsere Niedrigkeit auf sich genommen, damit er uns seine Herrlichkeit mitteile. Denn nachdem uns der Sohn geschenkt worden, wurde mit Ihm Alles geschenkt. Wenn daher hier gesagt wird: Jeder, der Gott liebt, der ihn gezeugt hat, liebt den, welcher aus Ihm geboren ist; so musst du hier nicht nur Christum darunter verstehen, sondern jeden, der da glaubt, dass Jesus der Christ sei. Das ist der Ursprung der Liebe, dass Gott im Nächsten geliebt wird, zumal uns das Gebot Gottes dazu ermahnt. Ein zweites, was in der Liebe verlangt wird, ist, dass wir die gerechten Gebote auch recht erfüllen, nicht wider Willen, sondern freudig und mit großer Begierde; denn er sagt:

Und seine Gebote sind leicht.

Das ist, sie müssen mit großer Bereitwilligkeit erfüllt werden. Die Gebote übersteigen sonst unsere Kräfte, und es ist für uns unmöglich sie zu erfüllen, aber die Liebe macht sie leicht und erträglich. Verwundre dich nicht, wenn ich sage, die Gebote seien schwer. Betrachte deine Kräfte, und du wirst es selbst gestehen. Wenn du nicht wiedergeboren bist, wie kannst du sie nur erfüllen? Scheint es dir ein Kleines, die größten Reichtümer mit Armut zu vertauschen? Das Kreuz zu lieben, und den Feinden von ganzem Herzen wohlzutun? Es bezeugt Paulus, dass das Streben des Fleisches Tod sei, und dass es dem Gesetze unmöglich gewesen, solches zu leisten, dieweil es entkräftet war durch das Fleisch. Christus sagt ebenfalls: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass ein Reicher ins Himmelreich komme.“ Daher sind sie zugleich schwer und leicht. Denn was den Menschen unmöglich ist, das ist Gott möglich; was an und für sich schwer ist, wird leicht zu erfüllen durch den Glauben an Christum. In diesem Sinne spricht er bei Matthäus: „Mein Joch ist leicht.“ Und Paulus: „Ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht.“ Und nachdem er viele Beschwerden aufgezählt: wie Drangsal, Angst, Verfolgung, Hunger, Blöße, Gefahr und Schwert, fügt er bei: Aber in dem Allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Und so lehrt er, dass die Gebote leicht werden für die Liebe, und freudig zu erfüllen. Dennoch leugnet er nicht überhaupt, dass sie schwer seien. Dem Schwächling und Feigling kommt es schwer an, für das Vaterland zu kämpfen, während es aber für den tapferen Kriegsmann Wonne ist. Viele erschrecken vor der Beschwerlichkeit eines Weges, bevor sie denselben angetreten haben. Was daher Einigen schrecklich scheint, indem es dem Fleische widerstreitet, das ist dem Christen und dem Gläubigen leicht, ja erwünscht. Damit du übrigens siehst, dass unser Apostel nicht des Gänzlichen die Schwierigkeit leugne, und dass es nötig sei zu kämpfen, wie bei einem schwierigen Geschäfte, fügt er bei:

Denn Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt. Und das ist euer Sieg, der die Welt überwindet, euer Glaube. Wer ist's, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der da glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist.

Das heißt: Wie schrecklich auch das Antlitz der Welt sei, der Christ ist dennoch, weil er ein Kind Gottes, und von Gott geboren ist, Sieger über die schrecklichsten Dinge, er verachtet Reichtum, Ehre, Freuden, ja selbst das Leben; und er fürchtet sich nicht vor Mangel Beschimpfung, Kreuz und Tod. Denn er hat in sich wohnend Gott und Christus, der die Welt überwunden, und auch er überwindet sie durch Christum. Des unerschrockenen und obsiegenden Christen Wahlspruch ist: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Schutzwehr, vor wem sollt' ich zittern? Mag ein Heer-Lager sich wider mich lagern, mein Herz fürchtet nichts. Im Herrn übersteige ich Mauern. Und damit du noch merkst, so spricht er nicht von einem törichten Glauben, wenn er sagt: „Dies ist euer Sieg;“ denn er will damit sagen: Wenn du Glauben hast, so wird dir Alles leicht sein, du wirst Alles obsiegen, Alles vermögen. Ohne Glauben aber vermag Niemand etwas schweres zu vollbringen. Siehe dem Gläubigen werden Reichtümer entrissen, und er erträgt es; denn er glaubt und erwartet einen ewigen Schatz, ja er besitzt ihn schon. Er wird in die Verbannung geschickt und er lacht dazu, denn er weiß, dass er das Bürgerrecht in einem herrlicheren Staate besitzt. Er wird getötet, und er dankt Gott, indem er sieht, wie sich die Pforten des Himmels ihm auftun. Und was kann nur dem schwer fallen, der den Tod verachtet? Auf diese Weise muss die Liebe gegen den Nächsten geprüft werden, wenn du nämlich in demselben Gott siehst, und wenn du mit freudigem Herzen zu Werken der Liebe eilst; wenn solches dir nicht mangelt, wird dir auch die Liebe Gottes nicht fehlen, und folglich bist du auch nicht ohne den Geist Gottes, noch fürchtest du dich vor der Ankunft des Herrn, sondern als Kind Gottes und als Bruder des Richters, erscheinst du getrost vor das Angesicht des Herrn. Was uns Allen durch das Erbarmen Jesu Christi zu Teil werden möge. Amen.

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