Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Siebzehnter Vortrag,

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Siebzehnter Vortrag,

„Das Himmelreich ist gleich einem Kaufmanne, spricht der Herr, welcher schöne Perlen suchte. Als er nun eine kostbare Perle gesunden, ging er hin, und verkaufte Alles, was er hatte und kaufte sie.“ Eine solche Perle ist wahrlich die Erkenntnis der Wahrheit um diese zu kaufen, bedürfen wir der klingenden Münze des Glaubens, welcher uns zu Teil wird gegen Veräußerung all' unseres Vermögens; unserer Vernunft nämlich, die nur Grobsinnliches und Gegenwärtiges begreift, und unseres Willens, der nur eigenen Vorteilen nachstrebt. Damit wir zum Handel tüchtig und geschickt seien, müssen wir unsere Begierden von uns entfernen, unsere Vernunft zum Gehorsam des Glaubens zwingen; und so allein erhalten wir die Münze des Glaubens, um welche die Wahrheit zu haben ist. Es ist auch dies eine köstliche Perle, jene Gemeinschaft mit Gott und allen Heiligen, die Johannes statt des Grußes angekündigt, und die wir, nach meiner Ansicht, nicht erhalten können, solange uns die bewährte Münze des Glaubens fehlt, und wir dafür eine falsche festhalten. Und zwar geschieht uns solches verdienter Maßen, denn wir verkaufen ja nicht unsere bösen Gewohnheiten, sondern verharren in denselben, ja werden täglich noch schlimmer. Hat etwa Hass, Unbarmherzigkeit, törichte Ruhmsucht und Schwelgerei abgenommen? Sehen wir nicht vielmehr, wie solches bei Vielen täglich zunimmt? Aber dieses ist für die Trägen und Nachlässigen gesagt. Euch aber als Wachende ermahne ich, dass ihr noch handeln sollt. Wie lange noch glaubt Ihr, dass Gott auf uns warten werde? Es sind zwölf Stunden des Tages, und vielleicht befinden wir uns schon in der letzten Minute der zwölften Stunde, und der Markt wird geschlossen. Handeln wir daher und prüfen, wie gute Wechsler die Münze des Glaubens: lasst uns aber auch den Probierstein desselben prüfen; wie Johannes es lehrt, und ausführlicher dartut. Der Geist nämlich beweist, dass wir Kinder Gottes seien, und Gemeinschaft haben mit Gott und den Heiligen: der Glaube aber bewährt den Geist, und die Liebe den Glauben, und die Beobachtung des Gesches bewährt endlich die Liebe. Darüber fügt Johannes wieder bei:

Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott in ihm.

Er will damit gleichsam sagen: die Liebe ist Gott so angenehm, dass Er diejenigen, welche sie haben, nicht verlassen will, sondern ihnen jene oft genannte Gemeinschaft gewährt. Solche werden nämlich durch den Glauben Gott einverleibt, und bleiben in Ihm. Gott aber, der in ihnen wohnt, verleiht ihnen geistig zu leben, und gute Werke die Fülle zu wirken: und wie sie Gott gegenwärtig in sich tragen, so sind sie auch Genossen aller Heiligen. Es pflegen einige diese Stelle bei Tische zu lesen, damit sie zu gleicher Zeit der himmlischen und der irdischen Speise teilhaftig seien. Wer wollte nicht diese Sitte billigen, zumal in Gegenwart von Gastfreunden? Kurz werden wir dadurch an das ganze Gesetz erinnert, und wie sehr es Christen gezieme von ihren Mahlzeiten jene Ärgernisse der Pharisäer in Speise und Trank fern zu halten. Der Sinn dieser Worte ist nämlich ungefähr folgender: Gott hat uns kein Gebot über diese oder jene Speise gegeben, sondern über die Liebe; wenn wir diese unverletzt bewahren, und uns gegenseitig durch Dienstleistung unterstützen, indem Einer des Anderen Last trägt, so werden wir Gott selbst zum Gastfreunde und Tischgenossen haben, und es werden zu allen Zeiten alle Speisen rein und gesegnet sein. Doch jetzt wollen wir fortfahren und auf eine andere Weise untersuchen, ob die wahre Liebe Gottes in uns sei.

Darin ist die Liebe vollendet unter uns, dass wir Zuversicht haben am Tage des Gerichtes, weil, so wie Er ist, auch wir sind in der Welt.

Mit der Erinnerung an das Gericht verbindet er noch zwei Dinge, nämlich die Bewährung der Liebe durch die Zuversicht, und hinwieder der Zuversicht durch die Liebe. Das ist kein falscher Grundsatz, noch ein leerer Zirkelbeweis. Denn wo der Geist ist, ermangeln beide Behauptungen nicht der Gewissheit. Er behauptet daher erstens: alsdann ist deine Liebe vollendet, wenn du ohne Furcht und ohne Zweifel zum Richterstuhle des großen Richters hinzutreten darfst; ja wenn du im Gegenteile dein Haupt erhebst, und dich freust ihm entgegenzueilen, indem deine Erlösung erscheint. Wer nämlich Böses tut, hasst das Licht: wer dagegen Gutes, der tritt an dasselbe. So floh Adam vor dem Angesichte Gottes, es floh Kain, indem er stets ein Flüchtling auf Erden war, es flieht endlich jeder Gottlose, ohne dass Jemand ihn verfolge: wie vielmehr wird er in Furcht und Zittern geraten, wann die Posaune des Erzengels ihm zum Gerichte ruft, und er eingeben soll in den feurigen Schwefelpfuhl, um vom Wurme, der nimmer stirbt, gequält zu werden, und eingeschlossen werden soll im Gefängnisse ewiger Qualen? Sehe, wie schrecklich ist für ihn der Gedanke an den Tod! Wer dagegen Gutes tut, liebt das Licht: und kommt selbst an das Licht, damit seine Werke offenbar werden, dieweil sie in Gott getan sind. Wie aber, spricht vielleicht Jemand, wenn ich jenen Tag weder fürchte, noch nach demselben Sehnsucht fühle? Das ist wahrlich Hohn der Ungläubigen, die bei Jesajas sagen: „Er beeile, beschleunige sein Werk, dass wir's sehen.“ Und wiederum: „Wir haben einen Bund mit dem Tode geschlossen, und mit der Unterwelt einen Vertrag.“ Was sollen wir zu solchen sagen? Sollen wir ihnen pfeifen? sie werden nicht tanzen. Sollen wir ihnen Klagelieder singen? sie werden nicht jammern. Wir singen tauben Steinen: O dass ihnen doch Gott Ohren zum Hören verleihen, und aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken wolle, auf dass sie glauben. Denn wenn sie glauben würden, so wäre es ja unmöglich, dass sie sich nicht über seine Ankunft freuen oder trauern sollten, da er entweder sein höchstes Wohlwollen oder seinen höchsten Zorn gegen sie offenbaren wird. Fm Bezug auf die Bösen wird der Richter einem Löwen, einem Panther und einem Feuer gleich sein, und sie werden sagen: „Wer wird vor seinem Angesichte bestehen, wann er zürnt und grollt?“ Die Gerechten dagegen sagen: „Wie ein Hirsch nach einer Wasserquelle, so sehnt sich meine Seele nach dir. Wann werd' ich dahin kommen das Angesicht meines Gottes zu schauen?“ und wiederum: „Wehe mir, dass mein hiesiger Aufenthalt sich verlängert.“ Diese haben keinen Grund zur Furcht, sintemal sie sich auch nicht vor dem Tode fürchten, dessen Stunde sie zum voraus berechnen würden, wenn sie es könnten. Sie machen nämlich mit den Jungfrauen, in der Erwartung der Hochzeit, des Mahles und der Erbschaft. Doch du wendest ein: Wenn die Liebe immer zunimmt, wie kann sie hier schon vollendet sein? Nur Christo, scheint es, kann man eine solche zuschreiben. Ich antworte darauf, die Liebe wird hier nicht in dem Sinne vollendet genannt, als könnte sie nicht glühender sein, sondern, weil sie aus dem Glauben fließt, und nach der vollkommenen Liebe Christi sich gestaltet: denn wie Er ist, sollen auch wir sein. Wie er Guten und Bösen wohltat, und selbst für uns, da wir noch Feinde waren, gestorben ist; so verleugnen auch wir unsere Begierden, kreuzigen uns selbst, und weihen uns ganz der Wohlfahrt unserer Mitmenschen. Wer nicht seine Wohlfahrt, sondern die der Brüder gesucht, darf getrost vor Gott hintreten. Daher fragt auch Gott am Tage des Gerichtes vorzüglich nach Werken der Barmherzigkeit, dieweil er will, dass unsere Liebe gegen den Nächsten vollendet sei. Übrigens kann man auch in diesen seinen Werken Beweise seines Glaubens sehen. Wenn er sie nun barmherzig findet, so wird er auch gegen sie barmherzig sein: wenn Er sie aber unbarmherzig findet, wird Er auch gegen sie hart verfahren. Liebe daher um Christi willen den Nächsten; und du brauchst weder Teufel, noch Gericht, noch Hölle zu fürchten. Vielleicht wird auch diese Darlegung dazu beitragen, dass, wie Christus Zuversicht hatte, indem er sprach: „Ich weiß, dass du mich immer erhörst,“ auch wir Zuversicht haben und danksagen, dass wir so sind, wie Er ist. Wenn nun Jemand einwendet, dass so die Liebe verscheut werde, so leugnet Johannes solches nicht, indem er sagt:

Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht hat Pein; wer sich aber fürchtet ist nicht vollendet in der Liebe.

Siehe, da ist die Liebe groß, wo am wenigsten Furcht ist; wo aber viel Furcht ist, da ist die Liebe klein. Es gibt aber eine Art Furcht, die selbst die Liebe empfiehlt wie Jesajas 33: „Reichtum am Glücke, Weisheit und Verstand. Die Furcht des Herrn in dein Schatz“ Diese Furcht wird auch einem Kind Gottes zugeschrieben, und auch die Engel sind nicht frei von ihr. Es ist aber solche nur die Ehrfurcht vor göttlichen Dingen, dass man nie das Göttliche verletze. Die Liebe aber lehrt solche Furcht, indem sie mich nötigt achtsam zu sein, dass ich täglich besser werde. werde. Johannes redet hier offenbar von den Strafen. Indem wir nun den Vater lieben, haben wir nach Maßgabe der Liebe feste Zuversicht, dass wir um Christi willen nicht verdammt werden durch Ihn. Wer daher fromme Furcht hat, ist auch frei von Furcht vor Strafe. Wenn wir dennoch täglich unsere Werke überblicken, finden wir nicht nur Grund zur Furcht, sondern auch zur Verzweiflung. Dennoch benimmt die Zuversicht, die aus dem Glauben fließt, diesen Grund: dieweil wir wissen, dass Christus unsere Gerechtigkeit und Erlösung ist, und dass uns, wenn wir fest an ihn glauben, nichts Übles widerfahren kann. Ich will dennoch nicht allzu sehr gegen jene Furcht, die man die knechtische nennt, sein: weil sie zuweilen dazu nützt, dass wir weniger sündigen, und der Anfang der Weisheit wird. So lange wir aber Gott als schrecklich uns vor Augen malen, und seine Güte nicht lieb haben, ist die Liebe nicht vollkommen. Siehe, die unter dem Gesetze waren, fürchteten sich, als sie den Donner und den Ton der Posaune hörten und den Blitz und den rauchenden Berg sahen, und flohen zurück. Und es sprach das Volk zu Mose: Rede du mit uns und wir wollen gehorchen, und lass Gott nicht mit uns reden, wir möchten sonst sterben. Aber Moses trat, weil er liebte, zuversichtlich in die Finsternis, und unterstand sich sogar zu sagen: „Vergib ihnen diese Sünde. Wo nicht, so tilge mich aus dem Buche der Lebendigen.“ Siehst du welche Liebe? Bemerkst du auch den freien Zutritt zu Gott? So wünschte auch der nämliche Paulus, der für sein Volk verdammt sein wollte, aufgelöst und bei Christo zu sein. Endlich, wenn dich einmal ein teuflischer Gedanke beschleicht, so sollst du nicht gleich glauben, Gott hasse dich wie Esau. So Etwas lass dir nicht in den Sinn kommen, wenn du nicht in deinen Sünden verharren willst. Wenn du aber Gott liebst, und um Gottes willen auch unmöglich, dass den Nächsten, so ist es dich Gott nicht wieder liebe. Daher sagt der Evan“Lasst uns ihn lieben; denn er hat uns zuerst geliebt.

Es ist notwendig, dass Er uns zuerst liebte, und uns die Kraft verleihe, Ihn wieder zu lieben. Und was ist diese Kraft zu lieben anders, als der heilige Geist und die Liebe selbst? Und warum verlieh er uns diese Kraft? Damit wir Zuversicht haben, zu Ihm hinzutreten. Alles was wir übrigens sonst sehen oder hören, alle Drohungen und Strafen, alle Verheißungen und Gaben legen wir auf diese Weise richtig aus, wenn wir annehmen, dass uns Gott durch dieselben zur Liebe gegen Ihn antreiben wolle. Und so will Gott, der Heiland aller, dass alle selig werden; und wenn es anders ausfällt, so ist es unsere Schuld. Wie aber, wenn Einer hier scherzend einwenden würde: Wie sollte ich Gott nicht lieben? Ich liebe von Natur ein schönes befreundetes Geschöpf; daher liebe ich auch Gott, der im höchsten Grade, ja über Alles gut ist. So schließen die Sophisten nach ihren Beweisregeln, während sie inzwischen erklären, dass sie ihre Brüder im bittersten Hasse verfolgen. Aber sieh', wie der Apostel diese überführt:

So Jemand spricht: „Ich liebe Gott“, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht? Und dieses Gebot haben wir von ihm, dass wer Gott liebt, auch seinen Bruder lieben müsse.

Du siehst, dass jene Lügner sind und durch ihre Schlussweise sich täuschen. Wenn sie nämlich von Natur Gott lieben, so lieben sie auch den Bruder, den Feind: weil aus der Liebe Gottes stets die Liebe gegen den Nächsten fließt. Der Sinn der Rede Johannis ist: wie kann derjenige Gott lieben, das ist, wie kann er beweisen, dass er Ihn liebe, da er Ihn nicht sieht, während er den Nächsten nicht liebt, das ist, er nicht zeigt, dass er denselben liebe, den er doch gewiss sieht. Gewiss sind es nur Heuchler, die solches behaupten, und vor Gott ein Gräuel. Wenn ihre Liebe gegen ihre Brüder nicht bewiesen werden kann, so kann es auch nicht bewiesen werden, dass sie das Gebot halten, und wenn es nicht gezeigt werden kann, dass sie das Gebot halten, so kann auch ihre Liebe nicht erwiesen werden, und wenn man schon über ihre Liebe streitet, wie kann vollends erwiesen werden, dass sie gläubig seien? Wer wagts endlich zu behaupten, dass sie Kinder Gottes, vom Geiste Gottes erfüllt seien? Lasst uns daher großen Fleiß auf die Liebe verwenden; denn wenn sie und auch nicht rechtfertigt, so zeigt sie doch, dass wir zur Zahl der Kinder des Lichtes gehören. Es wolle nun und unser Herr Jesus Christus würdigen, uns zu diesen zu zählen. Amen.

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