Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Sechzehnter Vortrag,

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Sechzehnter Vortrag,

Vor Zeiten betete der Psalmist und jetzt täglich die Kirche: „Zeige mir, Herr, den Weg deines Gesches, dass ich dasselbe bewahre bis ans Ende. Unterweise mich, dass ich bewahre dein Gesetz, und halte es von ganzem Herzen. Siehe, ich bin dein Knecht, verleihe mir Erkenntnis, dass ich deine Zeugnisse kenne.“ Und wiederum: „Du bist gut, lehre mich durch den Gute Deine Rechte.“ Was war das für ein Gesetz, ich bitte doch, in dem er unterwiesen zu werden begehrte? Wollte er etwa unter den Kindern Lehrer anhören? Wusste er vielleicht nicht, was viele, selbst Gottlose wissen? Es war dem das Gesetz nicht unbekannt, der stets über dasselbe nachdachte, zumal da er noch ein Prophet war; sondern er bat um dasjenige Gesetz, das der Mensch weder lehren, noch durch eigenen Fleiß lernen kann, da der heilige Geist allein uns das Verständnis desselben verleiht, wie es Jeremias 30 heißt: „Ich lege mein Gesetz in ihr Inneres, und schreibe es in ihr Herz.“ Dieses Gesetz will uns Johannes lehren, da er uns mit solchem Fleiße zur Liebe ermahnt. Denn diese bewirkt, dass der Geist, dasjenige mit freudigem Glauben und bewunderungswürdiger Willigkeit zu erfüllen eilt, wovor das Fleisch sich entsetzt. Und da er einmal auf dieses Gesetz zu reden gekommen, indem er zeigt, wie wir durch dasselbe erkennen können, ob wir von Gott seien oder nicht, und welchen Geistern zu glauben sei, lässt er sich ausführlicher über dasselbe aus. Doch wir wollen wieder darauf zurückkommen, dass er sagt: „Gott ist die Liebe.“ Wer möchte daher die Liebe nicht ergreifen? Wir haben ein erhabenes Vorbild, lasst uns daher unsere Sitten demselben gemäß gestalten; denn alles Andere richtet sich nach demselben. Entweder sind wir ausgeartete Kinder oder unwürdige Knechte, wenn wir nicht die Tugend des Vaters und Herrn nachahmen. Betrachte nun ferner, wie groß die Liebe Gottes ist. Warum hat Gott die Engel, den Himmel, die Erde und den Menschen erschaffen? Warum hat Er den Menschen mit besonderen Vorzügen ausgeschmückt? Warum hat er geordnet, dass alle Geschöpfe ihm dienen sollen? Was hatte er für Schuldigkeit gegen uns, da wir noch nicht waren? Was haben wir Ihm gegeben, dass Er uns wiedergeben sollte? Was bewog Ihn dazu?

Gott ist die Liebe, und wie der Weise sagt, hat Er Alles um seinetwillen geschaffen. Warum erhält Er alle Dinge in ihrer Ordnung durch sein Wort und durch die Kraft seines Befehles? Warum erträgt Er so langmütig unsere Ungerechtigkeiten? Gott ist die Liebe, und bis auf diesen Tag wirkt Er, und liebt sich selbst in seinen Geschöpfen, und teilt ihnen seine Güte mit, dass sie sehen, dass es ihnen wohl gehe, dass sie fühlen, und dass sie auch anderer Güter teilhaftig werden. Offenbar sind diese Beweise seiner Liebe; und wohin du nur dein Auge wendest gen Himmel oder selbst in die Hölle, überall findest du Spuren der teilnehmenden Liebe Gottes; ja selbst bei denjenigen, die er straft. Denn er hat auch den Gottlosen selbst zu seinem schlimmen Tage bestimmt; dennoch hasst Er weder in demselben sich selbst, noch das Seinige, du mag es die Strafe oder den, der bestraft wird, so heißen. Die Frommen sind aber ganz sein Eigentum, und sie selbst erfreuen sich in allen Dingen, selbst in den Widerwärtigkeiten des Genusses seiner Liebe. Jesajas 26: „darum harren sie sein auf dem Wege seiner Gerichte.“ Überall leuchtet seine Güte, überall glänzt daher auch seine Liebe. Ein Werk seiner Liebe überstrahlt aber alle anderen, und wenn unsere Seele wahrhaft an dasselbe glaubt, so ist es unmöglich, dass wir nicht auch in der Liebe belehrt werden. Darüber spricht Johannes weiter:

Darin offenbarte sich die Liebe Gottes gegen uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt sandte, auf dass wir durch ihn lebten. Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott liebten, sondern dass Er uns liebte, und seinen Sohn sandte zur Versöhnung für unsere Sünden.

Die Liebe selbst können wir nicht sehen, aber das Werk der Liebe schauen wir; deswegen hat er gesagt: „Darin offenbarte sich.“ Wir sehen die ausgezeichnete Liebe Abrahams an einem glänzenden Werke, das uns die göttliche Liebe veranschaulicht. Seinen einzigen Sohn, der ihm im hohen Greisenalter geboren ward, den alle Tugenden zierten, seinen einzigen Trost im Alter, und den Erben, von dem er eine so zahlreiche Nachkommenschaft erwartete, und den er mehr liebte als seine eigene Seele, diesen führte er zum Opfer hin, dass er ihn schlachte und verbrenne! Wer, der nur irgend einen Begriff von väterlichen Empfindungen hat, nennt dieses nicht den höchsten Grad von Liebe? Ähnliches, nur weit Höheres ist es, was hier von Gott erwähnt wird. Was besitzt wohl Gott Köstlicheres als seinen Sohn, der da ist der Abglanz seiner Herrlichkeit, und in dem alle Weisheit, Güte, Macht, Ehre und Seligkeit wohnt? Und er ist der Eingeborne nicht in dem Sinne, wie Israel und die Heiligen „Erstgeborne“ genannt werden. Und siehe diesen, der in seinem Schoße ruhte, sandte Er in die Welt, gleich als wollte Er dieses sich entäußern, in der Tat aber blieb Er im Sohne und der Sohn in Ihm. Erstaune, wenn du solches liest oder darüber nachdenkst, und lies und bewundre. Groß ist das Geheimnis, welches diese Worte enthalten. Siehe der Würdigste sendet zum Unwürdigsten, der König zum Sklaven, der Schöpfer zum Geschöpfe seinen eigenen Sohn, dass er diene; seinen Sohn sendet er, nicht einen Engel oder Erzengel. Und beachte, was das sagen will, in die Welt senden, es heißt in das Tal des Jammers und der Tränen senden, in die Verbannung, in das Krankenhaus, auf das stürmische Meer, in die Wolfs- und Löwengrube. Es wäre schon viel gewesen, ihn nur in die Welt zu senden, wenn es auch nicht zum Kreuze gewesen wäre. Daher spricht auch Paulus an die Philipper 2 voll Bewunderung: „Welcher, obgleich mit göttlicher Gestalt begabt, es nicht für Raub achtete, Gott gleich zu sein; sondern sich selbst entäußerte, und Knechtsgestalt annahm, indem er den Menschen gleich und von Ansehen wie ein Mensch erfunden ward. Er demütigte sich selbst, und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze.“ Wir wollen nun ferner betrachten, wie unscheinbar die Liebe Abraham und Isaaks war im Vergleich mit Christo. Was oder wem nützte der Tod Isaaks, da er ja keinem Anderen das Leben verleihen konnte? Dagegen wer zählt die vielen Früchte, die großen Vorteile und das Verdienst des vergossenen Blutes Christi auf? Und was hätte Christus selbst bedurft, in die Welt gesandt zu werden? Paulus sagt: „Für uns hat Er ihn dahingegeben, zu unserem Nutzen nämlich.“ Und worin besteht dieser Nutzen? Darin, dass wir durch ihn leben. Siehe, welch' großes Geschenk, nicht allein unseren Mangel hat er entfernt, nicht allein unsere Flecken und Sünden abgewaschen, nicht allein dieses oder jenes Glied wieder hergestellt, sondern dass wir durch ihn das ganze Leben gewinnen, und zwar das ewige Leben. Jesajas 9: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben.“ Derjenige, durch den Alles geschaffen worden, und ohne den Nichts ist, wird in die Verbannung geschickt, damit wir ins Vaterland zurückkehren; er wird den Verleumdern Preis gegeben, auf dass wir verherrlicht werden; er wird getötet, auf dass wir leben, Welch' erhabenere Liebe gibt es wohl?

Aber vernimm weiter. Indem Abraham seinen Sohn dahingab, erstattete er ihm nur dem wieder, von dem er ihn empfangen härte, und da er von Ihm noch unzählbare andere Wohltaten empfangen, schuldete er Gott sich selbst und Alles, was er hatte. Was war dagegen Gott uns schuldig? Was könnten wir uns rühmen, Ihm dargebracht zu haben, das wir nicht früher von Ihm erhalten? Nicht allein haben wir Ihm nichts gegeben, sondern wir sind sogar seine Feinde und Sünder gewesen. Röm. 5: „Es erweist aber Gott seine Liebe gegen uns, dass, da wir noch Sünder waren, Christus für uns gestorben ist,“ und Jesajas 53: „Er aber ward verwundet ob unseren Sünden, zerschlagen ob unseren Missetaten. Jehova warf auf ihn unser Aller Strafe, ob der Sünde meines Volkes habe ich ihn durchflochten.“ Dieses verschweigt auch Johannes nicht, indem er sagt: Darin besteht seine Liebe, nicht als hätten wir Gott geliebt, denn das Fleisch leugnet Gott, ja hasst Ihn sogar. Welcher Gerechtigkeit rühmst du dich, da du siehst, dass die Schrift alles der Sünde unterwirft? Wo ist das Verdienst deiner sogenannten Tugendwerke? Wo ist die Zerknirschung, der Anfang der Rechtfertigung, da Christus für die Feinde und Sünder gestorben ist, und unsere Gerechtigkeit wie einem besudelten Kleid? Vor Ihm ist kein Lebendiger gerecht. Wahrlich seine Barmherzigkeit kommt uns zuvor. Jesajas 55: „Kommt und kauft ohne Geld, ohne Preis Wein und Milch“ Wenn du sagen würdest, du habest Gott zuerst Etwas gegeben und Ihn gleichsam zur Liebe aufgefordert, so würdest du lügen und die Ehre Gottes schmälern. Aus dem Worte Johannes geht nämlich klar hervor, dass Er uns zuerst geliebt hat. Wahrlich bevor uns die Gnade zu Teil geworden, ist keins unter unseren Werken so beschaffen, dass wir nicht die Verdammnis verdienten, und sollten wir uns noch Etwas anzumaßen wagen? Christus ist nämlich erschienen, der den Vater versöhnt, und uns mit Ihm wieder vereinigt hat, dessen Gerechtigkeit nun unsere Gerechtigkeit ist, und der als unser Erlöser und Priester mit Einem Opfer für unsere Sünden genug getan hat. Wird aber hier ein Spötter sagen: Lass uns daher sündigen, sintemal für unsere Sünden genug getan worden? So werden wir antworten, wie wir auch neulich gesagt: O verkehrtester und stumpfsinnigster Ausleger! Darfst du noch so schmähen gegen den Heiligen Israels? Ist das deine Dankbarkeit? Du bist versichert worden, dass dir deine Sünden vergeben seien, und du eilst noch mehr zu sündigen? Der Vater erließ dir die Schuld, weil du sie nicht bezahlen konntest; und Er nahm den Sohn für dich, auf dass du getreu und willig dienst, und dieser hat für und genug getan, dass wir durch ihn leben; wir aber, da wir solches erfahren, sollten nur desto frecher in den Tod laufen? Denn was ist die Sünde anders, als der Dienst des Todes? Ein Geschenk Gottes aber ist das ewige Leben durch Jesum Christum, unseren Herrn. Doch wie ich sehe, gefällt ihnen die Lehre von den Genugtuungen. „Solche Gesinnung sei in euch, spricht Paulus, wie auch in Christo Jesu war“ alsdann werden wir nichts weniger als sündigen.

Denn er wird durch den Glauben das Nämliche, in uns wirken, was er nach dem Zeugnis der Schrift vormals gewirkt. Ob wir aber hier anderen Anlass zum Müßiggang oder zur Sünde geben, oder dass die Gottlosen sich in Verbrechen stürzen, geht hinlänglich aus dem Folgenden hervor, da ja die Liebe wieder Liebe erzeugt. Es folgt nämlich:

Geliebte, hat Gott uns also geliebt, so müssen auch wir uns untereinander lieben.

Siehst du das Gesetz, und was die Liebe hinwieder fordert, welche Dankbarkeit sie von dir verlangt, nämlich, dass du sagst: „Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltaten, die Er an mir getan?“ Und was sollen wir geben? Lasst uns untereinander lieben, und vor Allem wirken, dass das Licht der Wahrheit allen Menschen bekannt werde, damit alle Knie sich in seinem Namen beugen. Christus ist für uns ein Knecht geworden, lasst uns um Christi willen Eines des Anderen Diener werden. Christus hat uns geliebt, lasst uns um Christi willen untereinander lieben. Wir dürfen hier nicht entgegnen, dieser oder jener ist mein Feind; denn auch wir waren einst Feinde. Es ist auch keine Ausflucht, dass wir sagen: Dieser ist ein Sünder; denn auch wir waren Sünder. Wie können wir nun als Christen Prozesse und Kriege gutheißen? Was haben Christen mit unbilligen Zinsen zu tun, und mit jener grausamen Tyrannei des Bannes um Geldschulden willen? Johannes sagte: „wir müssen uns untereinander lieben.“ Es soll hier Niemand nach Art der Sophisten aus einem Gesetze. einen Ratschlag machen. Wiederum schwatzt Jemand: Gott will ich wohl dienen, der mir Wohltaten erwiesen, aber einem Menschen, der mich und Gott beleidigt hat, diene ich nicht. Ich will mir eine ruhige Lebensweise wählen, ich will trachten, meine jährliche Einkünfte zu haben, ohne zu arbeiten. Ich gehe in ein Kloster und dort will ich, frei von Betteleien und Gesuchen, auf diese Weise, wie auch durch Fasten mich mit Gott versöhnen; der Sklave meines Bruders will ich nicht sein. Doch höre, was der Apostel sagt:

Gott hat Niemand jemals geschaut.

Als wollte er sagen: Die Schrift ruft „ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer.“ Gott verlangt nicht von dir, dass du ihm in leiblicher Weise dienst. Er ist ein Geist, und will, dass wir Ihm in geistiger Weise dienen. Er ist jetzt noch unsichtbar, und will, dass du jegliche körperliche Dienstleistung in seinem Namen dem Nächsten erweist, und er sieht solches so an, als hättest du es Ihm selbst getan. Du möchtest gern Gott speisen, nun so speise Ihn in den Armen. Siehe, hier wird uns klar, von welchem Geiste wir getrieben waren, als wir uns jeder Dienstleistung gegen die Brüder entzogen und die Einsamkeit suchten. Bei dieser Stelle wird von Einigen vieles über das Schauen Gottes bemerkt, was wir als Nebensachen übergehen, zufrieden mit dem natürlichen Sinne der Worte. Er verlangt nämlich, dass wir den Brüdern dienen, sintemal das göttliche Wesen höher ist, als dass wir Ihm in diesem Leibe dienen könnten, außer indem wir den Leib zum Dienste der Seele nötigen: denn alsdann dient der Leib der Seele, wie bei Fasten und Kniebeugungen, damit die Seele Gott diene. Niemand missbilligt solches, wenn wir nur nicht Aberglauben damit verbinden, der von Paulus an die Kolosser verworfen wird. Dass diese Auslegung nun richtig sei weißt du aus dem, was er hernach sagt: Wer nicht seinen Bruder liebt, den er sieht, wie kann der Gott lieben, den er nicht sieht? Und es passt der Schluss, der nun folgt, zum Gesagten:

So wir uns einander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist vollendet in uns. Daran erkennen wir, dass wir in Ihm bleiben, und Er in uns, dass Er uns von seinem Geiste gegeben hat. Und wir haben geschaut und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt. Wer irgend bekennt, dass Christus ist der Sohn Gottes, in dem bleibt Gott, und er in Gott. Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat!

Dieses haben wir meistens oben auseinandergesetzt, jetzt aber ist es wohl nicht nötig, es zum Schlusse noch einmal zu wiederholen. Siehe, spricht er, aus dem Gesagten hast du die sicherste Gewähr jener Gemeinschaft, die ich von Anfang verkündigt habe: du hast den unbezweifelten Beweis des Glaubens, durch den wir in Gott bleiben, der Liebe, durch welche Gott in und bleibt, nun sollst du es auch vom heiligen Geiste haben. Und das ist auch unsere apostolische Lehre, dass du im Betreff des Zeugnisses nicht zweifelhaft seist, dass Jesus der Heiland sei, und wer ihn recht bekennt, jener seligen Gemeinschaft teilhaftig werde. Davon haben wir in unserem Inneren ein zuverlässiges Zeugnis, dieweil wir geglaubt haben in dem Maß, wie die Liebe Gottes in uns war und ist. dass auch wir in Wahrheit solches mit den Aposteln sagen könnten, und so gekräftigt werden mit guter Zuversicht zum Richter, wenn er erscheinen wird, hinzutreten! Amen.

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