Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Fünfzehnter Vortrag.

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Fünfzehnter Vortrag.

Zarte Gewissen erschrecken und ängstigen sich, wenn die Sünden im Allgemeinen getadelt werden, als wären sie selbst schuldig. Als daher Christus bei dem Osterlammsmahle auf den Verräter hindeutete, fragte ihn einer nach dem Anderen: „Meister, bin ich es?“ Doch sie blieben nicht lange in der Angst: denn Judas ging hinaus, und Christus sprach: „nun ist des Menschensohn verherrlicht.“ Nachdem daher Johannes die Verschiedenheit der Geister gezeigt, befreit er sie bald von der Furcht und reinigt sie vom Verdachte, damit es nicht scheine, als habe er gegen sie Etwas gesagt: indem er sie versichert, er habe dieses nicht gesagt, um sie zu verdammen, sondern um sie davor zu warnen. Und damit sie nicht vielleicht aus großer Hoffnung in Untätigkeit verfallen, gibt er mit lieblicheren Worten einen deutlicheren Unterschied zwischen den Geistern, indem er sagt:

Ihr seid von Gott, Kinder, und habt jene überwunden, dieweil der in euch größer ist, als der in der Welt.

Das sind nicht Worte eines Schmeichlers, sondern eines Freundes. Der Schmeichler hat seinen Nutzen im Auge und erteilt Lob solchen, die es nicht verdient haben. Der Freund aber lobt wahrhaft und zwar nicht zu seinem Vorteile, sondern zum Nutzen des Nächsten: und zwar so, dass der Gelobte sich nicht überhebe, sondern fleißiger seine Pflicht tue. Er will damit ungefähr sagen: Es gibt zwar viele Widerchristen, viele falsche Propheten, vielerlei Weisen der Verführungen: aber ihr könnt mit Recht Gott danken, durch den ihr bis jetzt vor solchen bewahrt und zu Kindern Gottes erklärt worden seid. Denn Er hat euch verliehen, jene zu überwinden: seht aber zu, dass ihr nicht wieder durch Lässigkeit dasjenige verliert, was ihr aus Gnade erlangt habt. Siehst du, dass er ihnen den Sieg zuteilt, damit sie durch sein Lob gereizt in der Tätigkeit verharren, und nicht aus ruhmvollen Siegern schimpflich Besiegte werden: und aus Kindern Gottes zu Kindern des Teufels ausarten. Siehst du auch, wie er ihnen den Sieg nimmt, und ihn Gott zuschreibt, der in ihnen wohnt, indem er sagt: „Sintemal größer ist, der in euch ist:“ so dass auf diese Weise aller Selbstruhm verschwindet? Es soll dich nicht irren, dass er nun in der Mehrheit redet, „jene,“ da er früher nur in der Einzahl den Geist des Widerchristen genannt: und bald darauf wieder derjenige, welcher in der Welt ist, beifügt. Die Bösen sind ein Leib, und so redet er bald von Vielen, bald aber nur von Einem; und es ist dieses eine häufig vorkommende Redeweise bei den Propheten, wie auch Jesajas (Kap. 24.) von Israel spricht: „Es kommen Tage, da Jakob Wurzeln schlagen wird, und Israel blühen und Frucht bringen wird, und sie füllen den Erdkreis damit.“ Hier spricht er zuerst „wird Frucht bringen“ dann fügt er bei „sie werden anfüllen,“ Wie wir aber Kinder Gottes werden, habe ich schon öfters gesagt. Der Glaube nämlich macht uns zu Brüdern Christi und Kindern Gottes: und wie er von Natur, so sind wir durch Annahme an Kindesstatt Kinder Gottes und haben den Schöpfer Himmels und der Erde nicht allein zu unserem Vater, sondern auch in uns wohnend, wie in einem Tempel. 2. Kor. 6. fügt Paulus ein Zeugnis aus verschiedenen Schriftstellen zusammen und spricht: Ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, so wie Gott gesagt: Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein (3. Mos. 26, 11, 12.) Darum zieht aus von ihnen, und entweicht, spricht der Herr, und rührt das Unreine nicht an, und ich will euch annehmen, (Jes. 52, 11, 12.), und will euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige (Jer. 31, 9. 2. Sam. 7, 14.) An die Galater 4. „Ihr seid Alle Kinder Gottes durch den Glauben, der da ist in Christo Jesu.“ Ja der Glaube ist ein so großes Gut, dass wir auch durch den Glauben siegen, an die Hebräer 11. „Durch den Glauben bezwangen sie Königreiche und übten Gerechtigkeit,“ Assur fiel nicht durch das Schwert der Menschen. Und weiter unten spricht unser Evangelist: „Denn Alles, was aus Gott geboren ist überwindet die die Welt, und das ist der Überwinder, der die Welt überwunden hat, unser Glaube.“ Wie viel herrlicher ist dieser Sieg, als Heere zu besiegen, Staaten zu erobern und Länder zu verwüsten? Denn solche Sieger sind doch dabei Sklaven wüster Leidenschaften. Der Glaube dagegen macht uns in allen Teilen so unüberwindlich, dass selbst die Pforten der Hölle nichts gegen den Gläubigen vermögen; ja dieser zertritt den Kopf der Schlange, die ihm in die Ferse zu stechen trachtet; er aber geht über Otter und Drachen. Wahrlich es ist ein schweres Werk, dich selbst so zu besiegen, dass du von Niemanden besiegt werden kannst. Und betrachte nun, wie viel schwieriger es vormals war, und welcher Selbstüberwindung es bedurfte, ein Christ zu werden. Der ganzen Welt wurden sie zur Verachtung, täglich mussten sie Armut, Marter, Beraubung aller irdischen Habe und alles irdischen Trostes, ja beständig des Todes gewärtigen. Zwar fehlt auch heut zu Tage den eifrigen Christen nicht der Kampf, aber in Christo überwinden wir den Drachen des Widerchristen und seinen Geist, ja die ganze Welt. Sintemal der größer ist, der in uns ist. Siehst du woher der Sieg kommt? Nicht von deinen Kräften, nicht vom freien Willen, nicht von der Hilfe der Kreatur: sondern von Gott, der durch den Glauben in dir wohnt, dessen Freude es ist, unter den Menschenkindern zu wohnen, und sie unter Lilien zu weiden. Christus hat die Welt überwunden (Johannes 16), und wir überwinden sie in ihm. Im Namen Gottes fällte David den Riesen Goliath zu Boden. Daher spricht Paulus (2. Kor. 4.): „Wir haben aber solchen Schatz in irdenen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Auf alle Art werden wir gedrängt, aber nicht geängstigt; kommen in zweifelhafte Lagen, aber verzweifeln nicht; werden verfolgt, aber nicht verlassen; weder niedergeworfen, aber kommen nicht um; allezeit tragen wir das Sterben des Herrn Jesu an unserem Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“ Es wisse daher jeder, dass er sein Gefäß zur Heiligung besitzt. Wir sind ein Tempel Gottes, und wenn Jemand denselben verunreinigt, so wird ihn der Herr verderben. Der Widerchrist hat den Geist dieser Welt, und sucht den Tempel Gottes und den Geist der Wahrheit, der in den Frommen ist, zu verunreinigen: aber Christus ist stärker und überwindet jenen und bezwingt ihn.

Jene sind aus der Welt, darum reden sie, was von der Welt ist, und die Welt hört sie.

Niemand soll hier an dem einfachen Faden der Rede mit den Grammatikern Anstoß nehmen, welche solches für Redseligkeit halten und ausrufen: - Wie viel Welten gibt es hier? im Gegenteil soll man vielmehr auf den großen Nachdruck achten. Denn es werden beinahe stets zum großen Vorteile der Zuhörer die Namen der meisten, sowohl angenehmen als schrecklichen Dinge wiederholt; als das sind: Licht und Finsternis, Gott und Welt. Es ist nämlich, wie wenn er sagen würde: die Widerchristen wohnen im Orte des Gräuels, sie kennen nichts als Gräuel, reden nichts als Gräuel, und was sie tun ist ein Gräuel: und es liebt sie auch Niemand als Gräuelhafte. Denn Welt und Sünde sind vor Gott ein Gräuel. Wenn ihr daher die Geister der falschen Propheten kennen lernen wollet, lernt, sagt er, ihre Sitten kennen, wie verschieden sie sind von den Eurigen: Ihr habt euer Bürgerrecht im Himmel, diese wohnen in der Welt, und sind ganz der Welt ergeben. Denn wo wir mit unserem Herzen sind, dort wohnen wir, wie man zu sagen pflegt. Wenn du im Geiste nach himmlischen Dingen trachtest, so bist du ein Bürger des Himmels: wenn aber nach irdischen, so bist du ein Sklave der Welt. So spricht auch der Herr, wo euer Schatz ist, da ist euer Herz. In der Welt ist, wer sich über Andere erheben will, indem er mehr zu besitzen, oder stets in Freuden zu Leben begehrt. Und es haben die Gottlosen diese Welt in ihrem Inneren: denn solcherlei wird uns aus der Krankheit der Selbstsucht geboren. Und hier ist auch unser Schatz. Daher werden auch die Gerechten von den Ungerechten an ihren Gesprächen erkannt. Die Gerechten reden von frommen Angelegenheiten: die von der Erde sind, reden auch von der Erde. Aus der Fülle des Herzens redet der Mund. Die Sprache ist der Ausdruck des Herzens. Doch brauchst du nicht allein auf ihre Worte zu achten, denn ihr ganzes Leben spricht, und verrät, dass sie von dieser Welt seien. Wer ihren Gastmählern beiwohnt, vernimmt nicht, dass sie vom Evangelium sprechen, von den Wohltaten Christi, von der Standhaftigkeit der Märtyrer, von der ewigen Herrlichkeit, von der Wohlfahrt der Seelen, von der Erlösung der gefesselten Gewissen, vom Friedenstiften: sondern von Huren, von Pferden, von Fischteichen, von Prozessen und vom zuständigen Gerichte, von Pfründen und Würden, von Kriegen und anderen Neuigkeiten. So wie ihre Gesinnungen sind auch ihre Gespräche, und wie ihre Gespräche ihr Lebenswandel, alles ist nämlich sehr unrein. Die Welt aber liebt sie, wie denn Gleiches sich zu Gleichem gesellt: Die Jünger Christi aber kann die Welt nicht lieben, denn sie sind ihr abgestorben. Es spricht darüber Jeremias: Die Propheten weissagen Lügen, und die Priester klatschen ihnen Beifall, und das Volk liebt solches. Die fleischlichen Kinder Israels riechen immer nach den Fleischtöpfen der Ägypter. Die Schuppen kleben immer an ihrem Behemoth. So sind die falschen Propheten beschaffen. Dagegen, wie beschaffen sind die Kinder Gottes?

Wir sind von Gott. Wer Gott erkennt, der hört uns; wer nicht von Gott ist, der hört uns nicht.

Ein schöner Gegensatz: „Wir sind von Gott“ steht im Gegensatze zu „Jene sind in der Welt.“ „Wer Gott erkennt, hört uns“ steht im Gegensatze zu „Und die Welt hört sie“. Dem „Und sie reden von der Welt“ hat er jedoch nichts entgegengesetzt. Es ist sonst klar, dass die Gerechten von Gott reden. Es sagen zwar auch die Pharisäer, wir haben nur Einen Vater, nämlich Gott, aber sie werden der Lüge bezichtigt, weil sie Kinder des Teufels seien. Es sagen alle Gläubigen, was Johannes gesagt hat, und werden gelobt. Wir beten nämlich: „Unser Vater“ und nach Röm. 8 rufen wir: „Abba, lieber Vater.“ Und derselbe Geist gibt Zeugnis unserem Geiste, dass wir Gottes Kinder seien. Wir rufen nämlich nicht den Vater an, wie die Heiden, die keine Hoffnung haben nach diesem Leben, und Jupiter hilfreichen Vater nennen, sondern wir rufen ihn an als solche, welche durch den Glauben zu Kinder angenommen sind, und sprechen von Gott mit großer Wonne. Die Verächter werden hier scharf getadelt, als im höchsten Grade undankbare, die weder von Gott sind, noch Gemeinschaft haben mit Ihm, noch Gott zu hören gewürdigt werden. Als Christus noch in diesem Leben wandelte, sprach er: Wer mich nicht liebt, hört auch nicht meine Rede. Nun aber, da er in den Seinen wohnt, sagt er wie er geredet hat durch den Mund der Heiligen: „Wer euch hört, der hört mich.“ Es können aber die Widerchristen nicht diese Stelle für sich ansprechen; sintemal sie aus sich selbst sprechen, und wer nur aus sich spricht, ist ein Lügner. Dagegen ist hier ein Trost für die Prediger. Dieweil nur Wenige aus Gott sind, was Wunder ist es, dass nur Wenige sie hören? Der größere Teil ist immer der Welt nachgefolgt.

Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums. Geliebte, lasst uns einander lieben! Denn die Liebe ist von Gott, und Jeder, der liebt, ist aus Gott geboren, und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht, denn Gott ist die Liebe.

Damit man deutlicher den Unterschied zwischen dem Geiste der Wahrheit und dem Geiste des Irrtums erkenne, gibt er uns einen neuen Maßstab an die Hand, nämlich die Liebe. Früher hatte er uns gelehrt aus dem Bekenntnis zu prüfen, welche die Verbreitung des Glaubens und der Ehre Christi zum Zwecke hat: jetzt heißt er uns nach der Liebe entscheiden, mit welcher wir uns untereinander lieben, und einander Wohltaten erweisen und zwar Alles um Christi willen. Johannes 8 werden die Pharisäer Kinder des Teufels genannt wegen Mord, Hass und Lüge. Dagegen sind die Kinder Gottes bereit, sich selbst für Andere töten zu lassen, und tun wohl den Guten und Bösen, auf dass sie Kinder seien ihres Vaters im Himmel, der auch seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse; denn sie wissen, dass die Liebe Gott angenehm ist. Sieh', welch' Unterschied? Die Guten ahmen nicht bloß Gott nach, sondern empfangen auch die Liebe von Ihm. Denn diese üben wir nicht aus eigenen Kräften. Es trete hervor, der durch eigene Kraft seinen widerstrebenden Willen zwingen kann, den zu lieben, den er bis jetzt gehasst, und der ihn hasst! Daher lieben die Guten auch um dessen willen, der die Liebe verleiht. Es lieben die Zöllner und die Heiden, aber sie sind deswegen nicht aus Gott geboren; weil sie nicht Gott, sondern nur sich selbst in den Anderen lieben. Denn sie lieben nur in so fern, als es ihnen Gewinn bringt; indem sie nur ihren Vorteil suchen und nicht die Ehre Gottes. So lieben auch viele Mütter ihre Kinder, aber weil nicht in Gott, so lieben sie dieselben nicht wahrhaft, obgleich sie dieselben sehr zu lieben scheinen. Daher befiehlt ihnen Paulus (Tit. 2), ihre Männer und ihre Kinder zu lieben, nämlich in Gott. Denn wozu diente sonst seine Ermahnung? Endlich, wie ist Gott die Liebe? Weil Er die Liebe also sehr liebt, dass Er die Liebe und der Gott der Liebe, und der Friede und der Gott des Friedens genannt sein will; ja er will es nicht allein heißen, sondern er ist es auch. Und wie ist er die Liebe? Oder vielmehr, wie ist Er nicht die Liebe? Denn wie sollte der, der über alle Maßen gut, weise und allmächtig ist, nicht auch über alle Maßen seine Güte lieben, nicht auch die höchste Liebe haben? Wie Vater, Sohn und heiliger Geist durch eine geheimnisvolle und unaussprechliche Verbindung Eins sind, wie sollte Er so auch nicht sein Geschöpf lieben, und was Er geschaffen hat, nicht lieb haben? Gott hasst nichts, was Er erschaffen hat, nur die Sünde verabscheut Er, weil sie nicht von Ihm ist. Wer daher Gottes ist, der liebt Gott, und dasjenige, was Gott liebt, wird er auch lieben, und was Gott pflegt, wird er auch pflegen, so dass er auch selbst als ein Kind Gottes mit dem Sohne Gottes das Erbe empfangen kann. Amen.

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